Beiträge von Katla

    Ich bin mit dem Roman gerade durch und sehe meinen Eindruck bestätigt, dass Julias Stärken wirklich im Dunklen / Düsteren liegen und sie romanmäßig durchaus stärker im Horror als in der Fantasy zu Hause ist. (Was sich ja keinesfalls ausschließt!)


    Von Pugmire hab ich sicher schon Kurzgeschichten in Anthologien gelesen, aber kann mich bewusst nicht erinnern und werde das - angeregt durch Hochmoor - jetzt mal nachholen. Eine sehr schillernde, aber auch extrem tragische Biografie machen die Sache umso spannender und hier hat Julia auch mit ihren beiden Protagonisten eine Art Hommage an den Autor selbst vorgelegt. Und das ist schon mal ein Punkt, der mir enorm gut gefällt: Es geht um zwei Außenseiter, die auf das Unheimliche, erschreckend Paranormale stoßen, nicht die so häufig verwendeten Ottonormalverbraucher - das ist im Grunde mein Ideal (auch beim Selbst-Schreiben): Das Seltsame geschieht Seltsamen, und es gibt keine Normalität in Sinne des realen Alltags. That said: Hier werden durchaus sehr grundlegend menschliche Emotionen, Sorgen, Ängste verhandelt. Es sollte für alle grundsätzlich genügend Anknüpfungpotential vorhanden sein.


    Die Geschichte beginnt in unserer Welt, führt aber angenehm rasch nach Hochmoor. Dort gibt es eine ganze, diverse Reihe von Phänomenen und Gefahren / Grusel zu entdecken: seien es lovecraftian Göttinnen und entsprechende Kulte, die 'Alteingesessenen' (bei denen ich an Dagons Kinder dachte), dann existiert ein rivalisierender Kult um den König in Gelb, der zumindest momentan noch mehr im Hintergrund bleibt, und Stadtherr Vulpius erinnert mich von seinem dekadenten, süffisanten Gebaren auch an einen klassischen Vampir, wobei das irrig sein kann (die Eckzähne mögen - nomen est omen - mehr füchsischen Hintergrund haben, ich bin gespannt, wie sich die Figur entfaltet).


    Und es existiert eine Reihe ich sag mal eher "biologischer" Entitäten, die an Pilze, Pflanzen oder Mollusken erinnern, wobei noch angenehm unklar ist, ob und inwieweit die miteinander oder auch mit den Kulten / Göttern in der Stadt zusammenhängen. Hier liegt auch mein größtes Interesse und mein größter Anreiz, weiterzulesen. Vor allem die *beep*, die in einem Tunnel gefangengehalten wird, wäre imA ein grandioser, auch ethischer, Konflikt, der weit tragen könnte.


    Eine gute Idee ist es zudem, eine konkrete Antagonistin (die alte Hexe und Kultistin Neman) und einen - ich sag mal ohne zu spoilern - Grenzgänger, Lomar, als positive Figur zu etablieren. Lomar ist auch mein Favorit / emotionaler Anknüpfungspunkt, v.a. weil er nicht zu gut und süßlich gezeichnet ist. Dazu gibt es eine Menge Geheimnisse, Verknüpfungen und Intrigen, die es zu entschlüsseln galt.


    Elmar sprach in seiner schönen Rezension von dem Eindruck eines "Prologs", und dem kann ich mich nur anschließen. Das liegt weniger daran, dass nichts passieren würde, es gibt genug eigenständige Handlung, viele Figuren und Themen, überraschende Wendungen. Sondern a) am relativ langsamen, gleichmäßigen Tempo - exklusiv der letzten 30 Seiten - und b) dass recht viel erklärt wird, vermutlich um Verwirrung beim Weltenbau zu vermeiden sowie ganz vor allem daran, dass c) imA zumindest die Geschichte stark kaleidoskophaft und weniger mit einem deutlichen roten Faden erzählt wird.


    Die Handlung läuft selbstverständlich über die ungeplant lange Anwesenheit des Protas Olve in Hochmoor und die o.g. Nebenfiguren mit ihren teils gefährlichen / schädlichen Plänen. Olve und der Protagonistin Nihil geschehen Dinge aber eher, als dass bei ihnen ein literarischer Konflikt / Motor erkennbar wäre (das mag auch an mir liegen!). Hier löst Julia das imA zwar wesentlich eleganter und spannender als ein entfernt ähnliches Teil-Setting Jeff VanderMeers in Annhilation, aber es bleibt auf Reaktionen beschränkt, und auf Fluchten.


    Es gibt einen Spannungsbogen, der weniger über einen literarischen Konflikt, sondern eher über die bedrückende, bedrohliche Atmosphäre und die Gefahren in Hochmoor läuft, ansonsten gibt es aber bis zum fulminanten Ende imA wenig Rhythmus bzw. quasi Unterspannungsbögen in der Erzählung. Am Ende zieht das Tempo plötzlich ganz massiv an, eine wirklich toll gemachte wilde Achterbahnfahrt mit echtem Horror und auch - sehr positiv gemeint - richtig Action, und ich hatte schon Bedenken, wie Julia das auf so extrem kurzer Strecke zu einem ruhigeren Ende führen kann, erwartete schon etwas bange einen Cliffhanger. Das aber ist extrem gut gemacht: Die Action wird ohne Hektik aufgelöst und dieser erste Band hat auch einen vorläufigen, aber richtigen Abschluss, sodass er auch allein stehen könnte (dann wäre das Ende ähnlich dem einer Kurzgeschichte eher suggestiv, angedeutet, aber auf jeden Fall deutlich und ausreichend - sage ich mal extra für Mammut , weil du gefragt hattest).


    Ich denke, Julia hätte ruhig ihren Fähigkeiten mehr trauen können und weniger Detailerklärungen liefern; andererseits hab ich bis zur Buchmitte damit gehadert, dass Olve keinen Gedanken an bürokratische und persönliche Konsequenzen in der 'Oberwelt' verwendet: aufgelöste Wohnung mit sicher Vernichtung sämtlicher persönlicher Gegenstände darin, abgelaufene Ausweise usw. wobei eine realistische Erklärung seiner Abwesenheit eine Einlieferung wahrscheinlich machte. (Bei Nihil hatte ich null Probleme, dort wird auch eine pragmatische Erklärung geboten; ebenso wenig hatte ich ein Problem, dass Olves eine Reise aufgrund des geheimnisvolles Briefes antritt - das hätte ich sicher auch gemacht, zumal die Konsequenzen an dem Punkt unabsehbar wären).


    Auf jeden Fall bin ich auf die beiden Folgebände extrem gespannt, da sind bestimmt noch tolle Abenteuer zu erwarten, weiterhin die wunderbar gezeichnete bedrückend-gruselige und sehr weirde Atmosphäre bzw. das Setting. Ich bin sehr neugierig, was Julia noch an Figuren und Plot-Twists im Ärmel hat und freue mich wirklich enorm auf Weiteres!


    [Cof]  [CTHu] <3

    Das bin ich auch, Elmar - berichte sehr gerne, wenn du ihn angeschaut hast.


    Ja, genauso ging es mir mit dem Buch auch. Bin neugierig, wie du das Ende empfindest. Wäre sehr spannend, was du zum Film sagst, weil bei dir Roman und Film sehr viel näher beieinander liegen als bei mir, ich hab Einzelheiten beim Buch inzwischen auch vergessen.


    Der Roman leitete übrigens meine immer noch andauernde Nevill-Lesepause ein, die dann mit dem neueren Under A Watchful Eye (den ich richtig schlimm fand, auf allen Ebenen) konkret wurde. Ja, die Bücher sind fast alle zu lang, teils viel zu lang. Immer noch mag ich Apartment 16 (der in der Kritik oft weniger gut wegkommt) und bis auf die letzten paar Seiten absolut toll eben Last Days. Das macht mir schon Hoffnung und Nevill ist mir auch extrem sympathisch, aber das reißt eben auch nicht alles raus.

    [Cof]

    No One Gets Out Alive

    UK 2021

    Länge: 87', OV: Englisch und Spanisch

    Story: Jon Croker nach dem Roman von Adam Nevill

    Drehbuch: Jon Croker & Fernanda Coppel

    Regie: Santiago Menghini, Kamera: Stephen Murphy

    Produzenten: Jonathan Cavendish & Will Tennant, Exc. Producer u.a.: Andy Serkis

    Mit: Cristina Rodlo, Marc Menchaca, David Figlioli und Luana Chebeleu (Itzpapalotl)

    Score: Mark Korven

    Vertrieb: Netflix - auch *nuschel* dort zu finden, wo der Trailer steht (OV ohne UT)


    Trailer (OV)

    Bericht zum Monster [Spoiler!] auf Bloody Disgusting

    Mexikanischer Artikel zum aztekischen Mythos / Itzpapalotl (Spanisch)



    Adam Nevills Roman fand ich wohlwollend gesehen beim Lesen schon ganz gut, aber mit zunehmender Seitenzahl auch zunehmend unglaubwürdig, und das Ende kam mir dann völlig bizarr vor. Im Laufe der Zeit hat sich mein negativer Eindruck nur verstärkt, vor allem ist mir in Erinnerung geblieben, dass Nevill hier ein paar Schleifen zu viel dreht, wenn es darum geht, warum die Protagonistin trotz der haarsträubenden und lebensbedrohlichen Erlebnisse dann das Haus doch nicht verlässt.


    Der Fernsehfilm löst einiges davon ganz anders. Jon Croker ist nicht zu Unrecht auch mit der 'story' in den Credits aufgeführt.

    Durch die Änderungen beim Script und auch die relativ kurze (imA aber perfekte) Laufzeit hat der TV-Film eben die Probleme der Romanvorlage nicht mehr. Es läuft also nicht in sich ständig wiederholenden Spiralen, sondern an einem deutlichen roten Faden entlang sehr folgerichtig auf das sehr schön konzipierte, mythisch passgenaue Ende zu.


    Hab den Film grad eben geschaut und bin - von Anfang bis Ende - ganz außerordentlich angetan. Es sind absolut tolle, differenzierte Schauspielleistungen, wunderschönes Set Design / Beleuchtung, guter Schnitt, es gibt tendenziell Jump Scares, aber nicht zu übertrieben. Auch der Score ist erwähnenswert, sehr subtil, atmosphärisch, kein Gedöns.


    Obwohl es eine britische Produktion ist, wurde der Schauplatz in die USA verlegt, die Protagonistin ist nicht aus Osteuropa, sondern Mexico. Obwohl ich das mit der Verlegung in die USA sonst recht zynisch sehe, passt es imA hier wunderbar. Ganz vor allem wird der mythische / paranormale Hintergrund gestreamlined, sodass die Phänomene und das Ende, wie auch der familiäre Hintergrund der Protagonistin Ambar ein harmonisches, folgerichtiges Ganzes ergeben. (Man könnte sich fragen, warum nun zwei kaukasische Männer cross-culture-mässig tun, was sie tun, aber nun ... und das wird ja dann auch geändert.)


    Red und sein Bruder sind wie in Nevills Roman auch deutlich Antagonisten, aber sie wirken auf mich nicht so arg bizarr, auch sind sie nicht so extrem tumb und freakig dargestellt, und wirken natürlicher. Außerdem gerät Red durch die Art des Schauspielers durchaus in eine ambivalente Art, die zusätzlich Spannung reinbringt und ihn auch zeitweise von seinem Bruder absetzt (abzusetzen scheint). Ambar ist dabei das klassische Final Girl, allerdings gibt es einen interessanten und von mir dann auch erhofften Twist.


    Creature Design, William Todd-Jones: Oh ja! Ich bin wirklich hingerissen, es sind zudem practical effects / SFX sowie eine Marquette, kein - oder wenn, nur dezentes, zusätzliches - CGI.


    Liebe Leute, Nils und Phantasticus - oh, vielen, vielen Dank fürs Interesse (ich hoffe, dass es gefiel bzw. gefallen wird - ihr seid ja nun wahrlich keine unkritischen Konsumenten! *shy*).


    Lieber Carsten So klasse, dass dir die Geschichte so gut gefällt, ich freue mich wahnsinnig. Vielen herzlichen Dank!


    Und ja, so viele Podcasts und Lesungen sind ziemlich gruselig (auf die falsche Art), das sehe ich leider auch so. Ich kannte schon Michaels Musik-Kanal, daher dachte ich mir schon, dass es gut wird.

    Grad in deutschsprachigen Ländern wird Phantastisches ja oft mit so einem humorig-ironischen Unterton vorgetragen, selbst wenn der Text das null hergibt. Hatte ich bei eigenen Texten schon in kleinem Kreis, hört man aber auch allgemein in Feuilletons (Radio) oder bei Schauspielern. Seltsam.


    Freue mich außerordentlich, wenn du damit gleich Interesse am (neu erweckten) Format bekommen hast, danke!

    Michael Perkampus hat eine - zumindest in meinen Autorenaugen - absolut perfekte Audiofassung meines FAUN Winter-Beitrages im Studio eingelesen. Mit freundlicher Genehmigung von Roland Mückstein, FAUN, Hubris Publishing.


    Miskatonic Avenue vom 24.3.2024: Silke Brandt "Die Melancholie alles Verlorenen".


    Dauer 7 Min., zu hören:

    Auf Das Phantastikon hier (unter das oben Angepinnte scrollen) oder hier oben im Seitenfeld rechts.

    Auf Spotify hier.

    Auf Apple-Podcasts hier.


    Ich hoffe, dass der eine oder die andere reinhören mag und es hoffentlich gefallen kann. Michael hat auch meine englische Tagline vorangestellt: You're alone, you're a ghost, and you're making bad decisions.

    Riesen Dank von meiner Seite, das sind die Momente, für die ich eigentlich schreibe! [Cof] [CTHu]



    [Ich tagge mal frech Nils , Arkham Insider Axel , Elmar , Phantasticus , Carsten und col.race (Herzlichen Glückwunsch dir!) - hoffe, das ist okay.]

    Wenn der zeitliche Aufwand gering ist und mehrere mitmachen, wie es weiter oben schon vorgeschlagen wurde, würde ich es auch hier gerne versuchen.

    :thumbup: :thumbup: :thumbup: :!: Bitte mach das, Thomas!

    Dieses Forum ist ja bereits wunderbar eingerichtet, auch mit großen / übersichtlichen Textfeldern und wohlgeordneten Rubriken. ImA wäre es die beste Idee, darauf aufzubauen. (Und ja: I put my money where my mouth is - was es nun braucht, sind noch ein paar Mitglieder, die sich einen Ruck geben. Vor allem sollte das doch diejenigen interessieren, die selbst schreiben ...)


    Was ich von Discord gesehen habe (Notebooks von Freunden), finde ich auch - wie Blackstarsrising - für den Inhalt dieses Forums extrem unhandlich, gerade, was längere Beiträge und die Übersichtlichkeit angeht. Zudem ist es so, dass ich zumindest mich dort nicht anmelden kann, weil das System erst angibt, unter der Email kein Konto zu finden und dann - wenn ich versuche, eben eines zu erstellen - behauptet, unter dieser Email-Adresse gäbe es bereits ein Konto. So dreht sich das im Kreis, inzw. mit zwei Email-Adressen. Wenn ich es mit 'Passwort vergessen' versuche, kommt nie eine Mail an.

    Vielleicht haben auch andere das Problem ...


    Wenn man mal schnacken wollte: Man kann inzw. Skype direkt im Browserfenster starten, ohne es runterzuladen. Man muss nur schnell ein Konto einrichten.

    [Gh2]

    Mich würde der Verlust extrem hart treffen, weil dies ungelogen der einzige Ort im Netz ist, der mich positiv engagiert und eben nicht stresst: SoMe funktionieren zum Entspannen nicht mehr, in meinem anderen (Nichtgenre-)Forum war ich selbst lange Mod, das sehe ich zu sehr durch diese Augen, und dann kyivindependent.com - mehr Seiten besuche ich nicht täglich.


    Dieses Forum ist auch der einzige Ort, an dem ich neue Sachen kennenlernen kann, die mich wirklich interessieren und wo vielleicht auch Zusammenarbeit entsteht.


    Daher wäre ich äußerst gern bereit, das Forum monatlich zu unterstützen - und ich hab außer Wohnung, Monatskarte und Telefon/Internet keine Festposten, weil grundsätzlich prekäre Finanzen. Gibt es wirklich keinen, der sagt: Ich will kein Geld reinstecken, aber moderieren? Sodass sich das splitten ließe?


    Ich denke nach meinen Erfahrungen nicht, dass ich mich gut als Mod eigne - vllt. geht ja Mod-Light. (?) Eigentlich wäre es doch super, wenn viele Leute mit wenig Zeit mitmachen würden, weil dann nicht die ganze Chose an einer Handvoll Leute hängt, oder?

    :(

    Oha, das sieht ja grandios aus und extrem spannend, danke sehr! HarryW [Cof]


    Und es wird (für meinen Geschmack perfekt) vor allem das Frühwerk behandelt. Nach / mit The Great and Secret Show fand ich nix mehr, was mir von Barker gefiel.

    Jedenfalls sehr liebevoll aufgemacht, da höre ich heute Abend auf jeden Fall rein.

    Das Titelbild von Börn Ian Craig kommt erstmals als Umlaufcover und zeigt ein sehr düsteres Science-Fiction Motiv (absolut ein Hingucker).

    Das kann ich nur mehrmals unterstreichen! Ich finds echt spektakulär, und dabei subtil, gar nicht 'laut'.

    Vielen Dank für die Vorschau! Das mit dem Rundlauf ist auch klasse gemacht.

    [Cof]

    Mammut schrieb ja beim 2023er Preis: Nein, nur das Cover aufnehmen, da würden sonst Äpfel mit Birnen verglichen. Das ist ja auch ein Argument.


    MadScheib Ist es nicht vielleicht etwas arg willkürlich, eine Graphic Novel in einer noch laufenden Abstimmung nicht zuzulassen, aber parallel eine andere - bzw. sogar ein Comic - zu listen? Es geht ja um denselben Preis (nur nicht fürs selbe Jahr).


    Aber es war nur ein Einwurf, hab mich eben ziemlich gewundert. Never mind me! :- )

    Der Richtigkeit halber müssten die einzelnen Geschichten in der Kategorie BESTE KURZGESCHICHTE aufgeführt werden; was meinst du?

    Halte ich einerseits für eine gute Idee, aber auch die Zeichner bräuchten dann eine Kategorie. Und vielleicht wird es dann alles etwas viel.

    mm, vielleicht Autoren und Zeichner gemeinsam aufführen ... Ausnahmsweise.


    Hallo ihr Lieben,


    kleine Frage: Das sind ja Comix, und ihr sprecht ja nicht nur vom Titelbild, sondern auch von den Bildern innen, also den Geschichten. Ich hatte unter diesem Aspekt Daria Schmitt in 2023 genau so vorgeschlagen und das wurde abgelehnt, weil Bildgeschichten eine andere Form sind als Bücher (also: 'Textbücher') und selbst Graphic Novels - die ja stärker wie Prosa / Erzählungen aufgebaut sind, sollen nicht gelten. Es sollten also nur Einzelillustrationen in regulär (mittels Fließtext) erzählenden Büchern gelten.


    Siehe: Faden Graphiken 2023.


    Wenn ihr jetzt die Comix dieses Jahr "ausnahmsweise" rein nehmt, wäre das imA nicht fair, denn Schmitts Graphic Novel ist eine recht komplexe, literarische Erzählung, kein Comic Strip. Vom erzählerischen Aspekt her ist Schmitt ja sogar näher an einer regulären KG.


    Ganz liebe Grüße,

    Katla

    Felix Ich schon wieder ... Bin durch. Bis auf zwei Geschichten, die ich richtig schlecht finde und zwei, die ich ganz gut, aber auch zu lang für den Twist fand, gefällt mir alles andere aber ganz außerordentlich gut. Ach ja: "Home Sweet Home" hab ich geskippt, das Milieu und der Slang haben mir nicht gefallen.


    Die beiden imA stilistisch eher minderwertigen Geschichten (schlechtes Pacing, nicht genug Plot für die Länge, ziemlich platt) sind gerade die ersten beiden, die ich aber zum Schluss las, nachdem ich mit dem "Bunny" gestartet und dann chronologisch durch bin. Sehr erstaunlich, dass der Verleger die an den Anfang setzte. Wirken auf mich wie Frühwerke oder Fingerübungen, auch tendenziell uneditiert. Hätten als Flash Fiction sicher grandios funktioniert.


    Splatter hab ich bin Buch keinen gefunden, jedenfalls nix, was über den Wolf bei den Grimms oder Falladas Geschichten aus der Murkelei hinausgeht. Es fließt Blut, es gibt Verstümmelungen, aber alles hat so einen leichtgängigen, surrealen Märchentouch und ist auch nicht so episch ausgewalzt. Will sagen: Ich mag auch Splatter, aber das sehr niedrige Level hier war genau passend zu den Geschichten.

    Auf jeden Fall ist aber alles extrem grausam, vom Konzept / der Stimmung her mehr als von akuten Taten. Aber auch an Empathie seitens der Erzähler (oder der Autorin für ihre Figuren) mangelt es nie.


    Einiges ist eher Fantasy, und zeigt, dass man nicht lange in der Gegend rumschwätzen muss, dass sich alles ohne massiven Weltenbau und Landkarten auch wunderbar knapp und reduziert erzählen lässt, sehr faszinierend, das ist eine ganz andere Art von Fantasy, die eher mit den Mitteln des Weird geschrieben sind.

    Gerade die längere, "Scars", hätte durchaus die Länge einer Novelette vertragen können, einige Drehs und Figuren / Konflikte hätten durchaus mehr Raum haben können.

    Die andere Fantasygeschichte, "The Ruler of the Winds and Sands" ist auch super schön, sehr tolles Setting, so ein Luftschiff mit einem Hauch Steampunk, durchaus teils etwas 'üppig' erzählt. Den Plot und die Entwicklung hab ich null kommen sehen, auch ein tolles Ende dafür.


    Das Märchen "The Snare" hat mich absolut geflasht, das ist wirklich düster, sehr fies konzipiert und aber wunderbar in Ruhe erzählt. Was für eine Fantasie!


    Mein Favorit ist die titelgebende Geschichte "The Cursed Bunny" (er ist wirklich mit einem Fluch belegt, den er weiterträgt, von daher ist der englische Titel doch näher dran). Sie hat schon eine Dickens'che Moral, aber einfach toll und nicht so stocksteif moralinsauer erzählt. Vollkommen verrückte Welt da und alles so ganz selbstverständlich und vor allem eine ganz wunderbare. präzise und klare Sprache.


    "Reunion" ist unerwarteterweise in Polen verortet und verwendet quasi Hauntology auf den Holocaust bezogen; ohne künstliches Drama toll gemacht.


    "Goodbye, My Love" ist SF und wartet ebenfalls mit einem tollen Twist auf, von dem her ein bisschen konzipiert wie "The Ruler of the Winds and Sands", nur mit einer ganz anderen Geschichte / Motiven. Das ist ein echt bitteres Stück Liebesgeschichte mit irreführender Nostalgie und einem erstaunlichen, aber gut funktionierenden Ende (da gibt es eine physische Sache, die vllt. weniger hart hätte sein können, dafür, dass noch so lange erzählt wird, aber gut).


    Angenehm ist die generelle, ich sag mal 'Anti-Kommerz/Anti-Gier/Anti-Ausbeutungs-Thematik, die sich sehr unaufdringlich durchzieht und auch einige Plots bestimmt. Gleichzeitig aber eine starke Betonung der Individualität und der persönlichen Freiheit.


    Es gibt von ihr noch eine SF-Sammlung bei Honford Star, Your Utopia, die sehr schön aufgemacht ist und die dort als Paperback mit kostenlosem zusätzlichen eBook verkauft wird (cool!). Werde ich sofort bestellen, sobald ich am 1. wieder bissl flüssig bin. (€ 17,95 aus UK ggfs. plus Porto & Zoll, oder über einen IOSS-Shop wie Blackwell's zum selben Preis incl. allem, aber offenbar ohne das extra eBook.)

    Honford Star hat noch andere Übersetzungen aus Asien, die ebenfalls einen Blick wert sind.


    Felix Ich bin dir wirklich dankbar für den Tipp, das war eine grandiose Entdeckung und ich werde noch ein paar Tage so vor mich hin enthusiasmieren ... :love:

    Felix Huch, das gleich noch mal auflegen? Komisch.


    Ich hab beim verspäteten Frühstück jetzt drei Geschichten gelesen und bin wirklich mehr als hingerissen. Bislang ist da kein einziger Satz und kein Detail, die ich nicht absolut genossen hätte.


    Vielleicht bin ich noch nicht bei dem entsprechenden Text angekommen, aber hatte mir unter 'splatter' und 'extreme gory' eine andere Art Erzählen vorgestellt. Also die übliche zynische, empathiegestörte Haltung (ich werfe mit Steinen aus dem Glashaus, so hab ich selbst auch schon gelöst). Aber zumindest die drei Texte haben eine starke - dabei keineswegs spießige - Moral. Und große Empathie, besonders für das Andere. Die Texte laufen alle über poetic justice, was ich eigentlich hasse wie die Pest, aber hier erstaunlicherweise als absolut perfekt und emotional sehr befriedigend empfinde - vielleicht, weil man das trotz allem nicht Happy Ends nennen kann, es wird nicht irgendwie süßlich. Durchaus eine Märchenlogik, nur, dass die Normies die Bösen sind und die 'Monster' die Guten.


    Ich muss jetzt was anderes machen (selbst schreiben *gn*) und kann mich kaum losreißen - was für eine tolle Entdeckung!

    [Cof]

    Zu #693, Sofi Oksanen: Putins Krieg gegen die Frauen


    Ich warte eigentlich nur auf die englische Übersetzung, die es anscheinend noch nicht gibt (häh?). Ein bisschen schade, dass im Beitrag so wenig dieses spezielle Buch besprochen wird, sondern eher ein Überblick über ihre Themen & Motive versucht wird. Auch, wenn ich über jeden positiven Beitrag / Werbung zu Oksanen froh bin und auch, wenn ich nicht davon ausgehe, dass die Journalistinnen für einen knapp 8-Minutenbeitrag mehrere Bücher tatsächlich lesen, ist das eine - aus meiner Sicht - leider etwas reduzierte und ggfs. verfälschende Besprechung. (Und sie wird nicht "Soofi Oksahnen" ausgesprochen, sondern wie es eben geschrieben ist. *gn* Das war bissl quälend zu hören.)


    Übrigens nicht ihr erstes Sachbuch, sie hat zusammen mit der wunderbaren estnischen Autorin/Filmemacherin Imbi Paju einen - leider noch unübersetzten - dicken Wälzer zu stalinistischem Terror im besetzten Estland herausgegeben und mitgeschrieben: Kaiken takana oli pelko (Hinter allem war die Angst). Imbi Paju schrieb / drehte ihre eigene traumatische Familiengschichte, in der es um Mutter und Tante (Zwillingsschwestern) geht, die unschuldig verhaftet und gefoltert wurden: Memories Denied / Verleugnete Erinnerungen - mein Einstieg zum Thema, das mich seitdem nicht mehr loslässt. 2007 auf den Lübecker Nordischen Filmtagen gesehen und im selben Jahr das Okkupationsmuseum in Tallinn besucht - das auch einen extrem üblen Aspekt deutscher Historie offenlegt (nämlich die deutsche Nazi-Besatzung Estlands vor der durch die Sowjets).


    Es ist sicher so, dass Oksanen von Frauen aus Osteuropa bzw. dem Baltikum und speziell von der Geschichte und den aktuellen Folgen der sowjetischen Besatzung Estlands erzählt. Sie war auch eine der ersten, die sich gut sichtbar zum zweiten Angriff auf die Ukraine positionierte und schon länger über das Land schreibt. Aber ihr geht es auch stark darum, was Okkupationen und Terror mit der Psyche, der Persönlichkeit machen, und so sind viele ihrer Protagonistinnen ambivalent oder werden zu (Mit-)Täterinnen. In Hundepark ist ein Strang aus der gefühlskalten Sicht einer modernen Sklavenhändlerin (Ukrainische Leihmütter für den reichen Westen, hier Finnland) erzählt.

    Sicher sind die Täterinnen auch Opfer, aber durchaus solche, die das lange oder vollständig verleugnen und vom Elend anderer profitieren - sei es finanziell oder emotional. Siehe auch den absolut grandiosen Roman Fegefeuer (eigentlich: Säuberung). Nicht alle der Protagonistinnen sind sympathisch, andererseits so konzipiert, dass man sich auch nicht moralisch über sie erheben kann. Sondern nicht sagen könnte, wie man selbst in solchen Umständen handeln / denken würde. Und genau das macht Oksanens Bücher so anders, komplex, facettenreich und wichtig.


    Putins Krieg gegen die Frauen hätte ein wunderbares Pendant zu Victoria Amelinas erstem Sachbuch War and Justice Diary: Looking at Women Looking at War abgegeben, an dem sie arbeitete, als sie am Anfang Juli 2023 bei einem russischen Raketenangriff auf eine Shopping Mall getötet wurde. Es gibt Andeutungen, dass das auch im Original auf englisch geschriebene Buch posthum veröffentlicht werden soll (Stand Mitte 2023). Ich denke mal: Alles davon ein must read.

    Und wie schon gesagt sind ja Sofi Oksanen und Victoria Amelina auch Phantastikautorinnen, also keineswegs OT hier.