Ich bin mit dem Roman gerade durch und sehe meinen Eindruck bestätigt, dass Julias Stärken wirklich im Dunklen / Düsteren liegen und sie romanmäßig durchaus stärker im Horror als in der Fantasy zu Hause ist. (Was sich ja keinesfalls ausschließt!)
Von Pugmire hab ich sicher schon Kurzgeschichten in Anthologien gelesen, aber kann mich bewusst nicht erinnern und werde das - angeregt durch Hochmoor - jetzt mal nachholen. Eine sehr schillernde, aber auch extrem tragische Biografie machen die Sache umso spannender und hier hat Julia auch mit ihren beiden Protagonisten eine Art Hommage an den Autor selbst vorgelegt. Und das ist schon mal ein Punkt, der mir enorm gut gefällt: Es geht um zwei Außenseiter, die auf das Unheimliche, erschreckend Paranormale stoßen, nicht die so häufig verwendeten Ottonormalverbraucher - das ist im Grunde mein Ideal (auch beim Selbst-Schreiben): Das Seltsame geschieht Seltsamen, und es gibt keine Normalität in Sinne des realen Alltags. That said: Hier werden durchaus sehr grundlegend menschliche Emotionen, Sorgen, Ängste verhandelt. Es sollte für alle grundsätzlich genügend Anknüpfungpotential vorhanden sein.
Die Geschichte beginnt in unserer Welt, führt aber angenehm rasch nach Hochmoor. Dort gibt es eine ganze, diverse Reihe von Phänomenen und Gefahren / Grusel zu entdecken: seien es lovecraftian Göttinnen und entsprechende Kulte, die 'Alteingesessenen' (bei denen ich an Dagons Kinder dachte), dann existiert ein rivalisierender Kult um den König in Gelb, der zumindest momentan noch mehr im Hintergrund bleibt, und Stadtherr Vulpius erinnert mich von seinem dekadenten, süffisanten Gebaren auch an einen klassischen Vampir, wobei das irrig sein kann (die Eckzähne mögen - nomen est omen - mehr füchsischen Hintergrund haben, ich bin gespannt, wie sich die Figur entfaltet).
Und es existiert eine Reihe ich sag mal eher "biologischer" Entitäten, die an Pilze, Pflanzen oder Mollusken erinnern, wobei noch angenehm unklar ist, ob und inwieweit die miteinander oder auch mit den Kulten / Göttern in der Stadt zusammenhängen. Hier liegt auch mein größtes Interesse und mein größter Anreiz, weiterzulesen. Vor allem die *beep*, die in einem Tunnel gefangengehalten wird, wäre imA ein grandioser, auch ethischer, Konflikt, der weit tragen könnte.
Eine gute Idee ist es zudem, eine konkrete Antagonistin (die alte Hexe und Kultistin Neman) und einen - ich sag mal ohne zu spoilern - Grenzgänger, Lomar, als positive Figur zu etablieren. Lomar ist auch mein Favorit / emotionaler Anknüpfungspunkt, v.a. weil er nicht zu gut und süßlich gezeichnet ist. Dazu gibt es eine Menge Geheimnisse, Verknüpfungen und Intrigen, die es zu entschlüsseln galt.
Elmar sprach in seiner schönen Rezension von dem Eindruck eines "Prologs", und dem kann ich mich nur anschließen. Das liegt weniger daran, dass nichts passieren würde, es gibt genug eigenständige Handlung, viele Figuren und Themen, überraschende Wendungen. Sondern a) am relativ langsamen, gleichmäßigen Tempo - exklusiv der letzten 30 Seiten - und b) dass recht viel erklärt wird, vermutlich um Verwirrung beim Weltenbau zu vermeiden sowie ganz vor allem daran, dass c) imA zumindest die Geschichte stark kaleidoskophaft und weniger mit einem deutlichen roten Faden erzählt wird.
Die Handlung läuft selbstverständlich über die ungeplant lange Anwesenheit des Protas Olve in Hochmoor und die o.g. Nebenfiguren mit ihren teils gefährlichen / schädlichen Plänen. Olve und der Protagonistin Nihil geschehen Dinge aber eher, als dass bei ihnen ein literarischer Konflikt / Motor erkennbar wäre (das mag auch an mir liegen!). Hier löst Julia das imA zwar wesentlich eleganter und spannender als ein entfernt ähnliches Teil-Setting Jeff VanderMeers in Annhilation, aber es bleibt auf Reaktionen beschränkt, und auf Fluchten.
Es gibt einen Spannungsbogen, der weniger über einen literarischen Konflikt, sondern eher über die bedrückende, bedrohliche Atmosphäre und die Gefahren in Hochmoor läuft, ansonsten gibt es aber bis zum fulminanten Ende imA wenig Rhythmus bzw. quasi Unterspannungsbögen in der Erzählung. Am Ende zieht das Tempo plötzlich ganz massiv an, eine wirklich toll gemachte wilde Achterbahnfahrt mit echtem Horror und auch - sehr positiv gemeint - richtig Action, und ich hatte schon Bedenken, wie Julia das auf so extrem kurzer Strecke zu einem ruhigeren Ende führen kann, erwartete schon etwas bange einen Cliffhanger. Das aber ist extrem gut gemacht: Die Action wird ohne Hektik aufgelöst und dieser erste Band hat auch einen vorläufigen, aber richtigen Abschluss, sodass er auch allein stehen könnte (dann wäre das Ende ähnlich dem einer Kurzgeschichte eher suggestiv, angedeutet, aber auf jeden Fall deutlich und ausreichend - sage ich mal extra für Mammut , weil du gefragt hattest).
Ich denke, Julia hätte ruhig ihren Fähigkeiten mehr trauen können und weniger Detailerklärungen liefern; andererseits hab ich bis zur Buchmitte damit gehadert, dass Olve keinen Gedanken an bürokratische und persönliche Konsequenzen in der 'Oberwelt' verwendet: aufgelöste Wohnung mit sicher Vernichtung sämtlicher persönlicher Gegenstände darin, abgelaufene Ausweise usw. wobei eine realistische Erklärung seiner Abwesenheit eine Einlieferung wahrscheinlich machte. (Bei Nihil hatte ich null Probleme, dort wird auch eine pragmatische Erklärung geboten; ebenso wenig hatte ich ein Problem, dass Olves eine Reise aufgrund des geheimnisvolles Briefes antritt - das hätte ich sicher auch gemacht, zumal die Konsequenzen an dem Punkt unabsehbar wären).
Auf jeden Fall bin ich auf die beiden Folgebände extrem gespannt, da sind bestimmt noch tolle Abenteuer zu erwarten, weiterhin die wunderbar gezeichnete bedrückend-gruselige und sehr weirde Atmosphäre bzw. das Setting. Ich bin sehr neugierig, was Julia noch an Figuren und Plot-Twists im Ärmel hat und freue mich wirklich enorm auf Weiteres!