IF ANNUAL 2020 - Weird

  • Zitat

    Matt Ruffs Lovecraft Country wurde in FAZ, SZ und NZZ wohlwollend bespochen

    Ja, aber halt unter der Prämisse zeitgeistiger Gesellschaftsroman, als sich gegen Rassismus etablierender Historienroman, bezogen auf H.P. Lovecraft als kontroverse Person und Schriftsteller, nicht als Stück guter Phantastik. Da liegt der Hund begraben und das ist zu bedenken. Das meinte ich auch mit: Man muss sich über die Literatur etablieren, wenn man will, dass es breitenwirksamer wird, aber das ist halt schwierig, kostspielig und bedarf großer Finesse seitens der Geschäfts- und PR- Gebahrung eines Verlags (Dinge, die bei größeren Verlagen als selbstverständlich angesehen werden können). Ich behaupte aber, dass jede/r AutorIn im IF Annual Weird auch in diesen Punkten mithalten und gleich besprochen werden kann, wenn sie mir auch politisch und schriftstellerisch näher sind als HPL, und weniger kontrovers. Joel Lane etwa, den ich für einen der Größten überhaupt halte, menschlich und schriftstellerisch.

  • Man wird wohl nur dort und mit dem respektiert, wo und womit man sich selbst respektiert, und die deutsche Fantastikszene hat sich vielleicht selbst in der Nische eingerichtet und dümpelt aller Meckerei zum Trotz ganz gerne dort herum.


    Für mich ist ein selbstbewusstes Genre-Schreiben und -Veröffentlichen Herz und Wurzel. Die Unterscheidung zwischen Genre und Nicht-Genre ist ohnehin halbseiden, weil jede Literatur einer oder mehreren Gattungen, also Genres angehört.


    Auch wenn man sich den Dauererfolg von zB Krimis anschaut, ist es wirklich nur zu einem Teil das Genre-Etikett an sich, das hinderlich ist. Vielmehr glaube ich, dass Fantastik als eben Fantastisches für die Mehrheit der Leser ein Problem darstellt.

  • Woran machst du das Fest, das phantastische Literatur für die Mehrheit ein Problem darstellt?

    Mal ein Blick ins Jahr 2007:

    http://defms.blogspot.com/2017/08/das-buchjahr-2007.html


    Ich denke phantastische Literatur hat mittlerweile genauso einen Dauererfolg wie Krimis.


    Im Kino ist es doch noch extremer. Da dominieren solche Filme, oder?


    Und was meinst du damit, das die Szene sich in der Nische eingerichtet hat?

  • ein Problem, weil Eskapismus, mit dem man zwar seinen Spaß hat - ja, massenweise filme, serien usw. und entsprechende konsumenten - trotzdem scheint das nur irrelevanter zeitvertreib zu sein. und genau das ist schon die erwähnte nische

  • ist das so? würde mich schon mal interessieren, was da die zahlen sagen

    Phantastische Literatur im Sinne der Fantasy wird gemeint sein. Auch wenn sie nicht ganz in der Liga der Krimis spielt, sind die Verkaufserfolge von Martin, Sapkowski, Susan Collins oder Heitz beachtlich. Von Dauerbrennern wie Tolkien, Lewis, Rowling, Pratchett, Hohlbein und Der dunkle Turm ganz zu schweigen.

    • Offizieller Beitrag

    ist das so? würde mich schon mal interessieren, was da die zahlen sagen

    Das wäre interessant, ja. Da gab es ja sicherlich einen längeranhaltenden Erfolg, der etwa mit der "Herr der Ringe"-Verfilmung angefangen hat... danach ging es ja noch eine Weile weiter mit Harry Potter samt Verfilmungen, Game of Thrones, aber auch anderer Phantastik wie den Marvel-Verfilmungen und Stranger Things. Für den Dauererfolg fehlt mir im Augenblick aber das sprichwörtliche "Next Big Thing".


    Die Game of Thrones-Serie ist fertig, die folgenden Bücher werden konsequent nicht fertig. Harry Potter ist abgeschlossen, Herr der Ringe und der Hobbit sind verfilmt. Und bei Stranger Things und den Marvel-Verfilmungen gibt es zunehmend kritische Stimmen, das die Luft raus wäre. Das wirkt sich dann sicherlich auch auf die Literatur aus... beispielsweise ist die nach Herr der Ringe aufkommende Völker-Fantasy auch schon wieder vorbei, oder?


    Sieht da jemand im Augenblick etwas Bedeutenderes in der Mache, was an die größeren Erfolge anknüpfen könnte?

  • Kann man überhaupt irgendwo belastbare Verkaufszahlen bekommen? Ich hatte neulich festgestellt, dass der Börsenverein des deutschen Buchhandels in seinen Statistiken gar keine Genres ausweist, sondern lediglich nach Sparten wie "Belletristik", "Sachbuch" etc. unterscheidet. Was keine wirklich genauen Schlüsse zulässt.

  • In jeder großen Buchhandlung, auf jeder genreübergreifenden Messe, zumindest jene, die ich hierzulande kenne, macht der Raum, den die Phantastik einnimmt, nicht einmal ein Zehntel von Krimi ODER Belletristik aus. Ich denke, das spricht eine eindeutige Sprache. Auch weil hier das große Geld bezüglich Forderungen und Veranstaltungen zuhause ist. Kann schon sein, dass da vereinzelt große Namen in der Fantasy auftauchen, aber ob das verhältnismäßig festhaltbar ist, vor allem im vergleich zum Krimi, wage ich zu bezweifeln. Aber andere wissen darüber sicher besser Bescheid als ich.


    The Next Big Thing, hmmmm, wahrscheinlich eine Neuafnahme eines bewährten Franchises wie Harry Potter oder GoT, aber ansonsten ...

  • regale für fantasy und dergleichen

    Mir fällt in meinen Breiten auf, dass es selten eine Aufteilung in verschiedene Bereiche der phantastischen Literatur gibt. Thalia z. B. hat bei mir in der Stadt einfach ein Dreierregal "Fantasy", und da steht dann neben Tolkien, Martin & Co. auch SF wie Asimov, Mystery-mäßiges wie Aaronovitch und auch irgendwelcher "Dark Erotic"-Kram. Da wird also von vornherein gar nicht versucht, diffiziler ins Thema zu gehen. Die Krimi-Abteilung dagegen ist durchaus auch mal unterteilt in "Lokal", "Historisch", "Schweden" und was weiß ich noch alles.

  • Von den Ketten am ehesten noch bei Thalia. Zumindest hier in Österreich. In den großen Filialen haben Horror, Fantasy und SF jeweils ihre eigenen Regalmeter. Zusammengeszählt reichen die einigermaßen an die Krimis heran.

    Ansonsten ist die Phantastik natürlich klar unterrepräsentiert.


    edit: Ha! Internationaler Thalia-Vergleich ^^

  • Zitat

    Zusammengeszählt reichen die einigermaßen an die Krimis

    Naaaa, doch bei weitem nicht. Ein Regal Horror, zwei Fantasy, ein bis zwei SF, und wieviele Krimis? Zwanzig mit den großen Auslagetischen? Vielleicht täuscht mich hier die wahrnehmung auch einfach. Im Thalia auf der Mahü haben sie jetzt überhaupt sogar die Belletristik hinter die Krimis gestellt. Also mit der Maschinerie kann hierzulande zumindest gar nix konkurrieren. Wie gesagt, vielleicht täuscht mich aber auch die Wahrnehmung €mung ...

  • Ich denke schon, dass deine Wahrnehmung insgesamt korrekt ist. Der Krimi ist DAS Genre der Massenliteratur und er ist akzeptierter als die Phantastik, weswegen er es insgesamt leichter hat, in die Hochliteratur überzuschwappen (bspw. Umberto Eco) und dann auch als solche gesehen zu werden.

  • Bei den Filmen dominiert Phantastik:

    https://www.musikexpress.de/ka…hsten-filme-2019-1447207/


    Die Spiegelbestsellerliste ist gemischt:

    https://www.spiegel.de/kultur/…iegel-liste-a-458623.html


    Bei den Taschenbüchern eher bunt und na ja, Thriller sind da nicht dominierend:

    https://www.spiegel.de/kultur/…henbuecher-a-1025518.html


    Ansonsten werden viele phantastische Romane auch eher unter dem Label Thriller verkauft. Beispiele:

    https://amzn.to/3ei4uwd


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    https://amzn.to/2ZnxCxU


    Ich denke gerade deutschsprachige Phantastik, und das sind natürlich alle Spielarten phantastischer Literatur, war selten so breit vertreten wie heutzutage.