Hallo Nils ,
vielen Dank für deine spannende Rückmeldung und auch die teils unterschiedlichen Sichtweisen. Sowas finde ich immer super spannend.
Ich würde hier sehr dafür plädieren, die Serie unabhängig von TD zu bewerten
Auf jeden Fall, ich habe TD auch mehr für die stilistische Verortung erwähnt, nicht als ein Bewertungsmaßstab.
Das ist vielleicht ein Problem, was alle Serien nun haben, die in Etwa in die gleiche Richtung gehen - oder die so gelesen werden, als wollten sie es tun.
Hier werfe ich allerdings ein, dass es eher umgekehrt ist: True Detective orientierte sich ja an europäischem und vor allem nordischem Film & TV (alle Aussagen beziehen sich nur auf Staffel 1 - in S2 hab ich nur kurz reingeclickt und S3 komplett ignoriert). Dublin Murders ist damit weniger ein Re-Import als eine Weiterführung dieses Stils - der jetzt mit TD verbunden wird, weil Serien aus den USA immer noch größere Beachtung finden und sie ja auch wirklich grandios ist.
Gibt es dafür eine Definition? Hier läge nämlich genau mein Punkt an dem ich sagen würde, man muss DM abseits von TD bewerten, da hier der philosophische Unterbau fehlt und deutlich sparsamer mit den spekulativen Elementen umgegangen wird.
Ja, die Definition wäre: Das Spekulative ist ein selbstverständlicher Teil einer Fiktion, die vollständig im Realismus verortet ist.
Anders als z.B. Gespenstergeschichten oder Zombiefilme, deren Setting zwar aussieht wie die wirkliche Welt, aber insgesamt eine spekulative ist, wie ein Parallelentwurf zu unserer Realität. Spekulativer Realismus sagt seinem Leser/Zuschauer eben nicht: 'Ja ja, wir wissen alle, dass es keine Zombies gibt, aber wir tun jetzt alle so, damit die Geschichte funktioniert', sondern integriert die paranormalen Momente als Realismus, als Fakt.
Ketzerisch muss ich gestehen, dass ich - obwohl ich es mehrfach versuchte - mit dem King in Yellow-Mythos nichts anfangen kann. Anders als andere (post)moderne fiktive Mythen, die keine Tradition haben. Ich hab daher TD nicht als spekulativen, sondern als reinen Realismus gesehen, bei dem ein psychisch Kranker Visionen hat und daher mordet. Mag sein, dass mich die - imA eindeutigere - Zuordnung zum Genre bei DM so positiv überraschte. Ähnlich übrigens wie bei Jordskott, bei dem ich erwartete, dass das Spekulative am Ende wegerklärt würde. (Wobei dort die spekulativen Elemente auch viel dominanter sind.)
Ich nehme schon allein deswegen an, dass wir die beiden Serien völlig anders geschaut haben.
Man könnte vielleicht sagen, dass die Verhältnisse der jeweiligen Serien je umgekehrt werden: Wo TD die Ermittlung (mit starken Hardboiled-Anleihen, keine Frage) nutzt, um den spekulativen Raum zu öffnen, soll bei DM der Kontrast zwischen biederem Christentum und wildem Heidentum bloß einen Grusel-Effekt erzeugen - und am Ende vielleicht für einen dezent spekulativen Erklärungsansatz herhalten, denn..
Hm, interessant. Soweit ich mich richtig erinnere, hab ich bei DM den Bezug zu heidnischen Kulten nicht als spekulativen Fakt gesehen, sondern - wie bei TD - als eine falschverstandene Esoterik, vor deren Bild eben auch ein psychisch Kranker agiert. Die Frage um das zurückgekehrte dritte Kind (der Ermittler) und das Doppelgängermotiv hab ich eher in einem generell spekulativen Kontext gesehen, da ja auch letztes nichts mit dem Heidentum zu tun hat.
(Man könnte bei den drei Kids selbstverständlich die Fairy Underworld, Elben, annehmen, aber das Motiv wurde ja bis zum Schluss nicht bestärkt, daher hab ich eine traditonelle 'Folk'-Erklärung fallengelassen.)
Eine zweite Staffel dürfte mit einer stärkeren Konzentration auf Partner-Dynamiken und weniger Schauplätzen/Handlungssträngen gut beraten sein.
Oh, das hoffe ich nun nicht. Das hat imA schon eine ganze Reihe Serien kaputtgemacht, nicht zuletzt Bron | Broen (The Bridge) und - worüber wir uns ja grad an anderer Stelle unterhielten - die X-Files. Bei TD hat es funktioniert, weil die gesamte Dynamik über den Gegensatz zwischen den beiden Protas läuft, sowas lässt sich aber schlecht über mehrere Staffeln ziehen, weil solche Beziehungen sich ja mit der Zeit ändern (wie TD auch schön zeigt, eben weil es nur eine Staffel umfasst), das ermüdet schnell, wenn das durch ein ganzes Franchise gezogen wird und wirkt auch irgendwann artifiziell. (Wäre Holmes / Watson ein Gegenbeweis?)
Ganz herzlichen Dank, Nils (auch wenn ich einiges etwas anders sehe), ich finde andere Perspektiven ja immer irre spannend!