Philip K. Dick - Sämtliche 118 SF-Geschichten Band 1: Und jenseits – das Wobb

  • Da würde ich dir widersprechen.

    Es handelt sich hier um die Imaginationen eines Sterbenden (?), der die Welt um sich herum immer mehr verkennt und sich schließlich völlig von ihr verabschiedet - Erzählt in der Form einer Fantasy-Geschichte, deren phantastische Elemente aber eher allegorisch zu verstehen sind. Ich fand den Ansatz ganz interessant.

    Diese Meinung sei dir natürlich gegönnt.

    Na ja. Das ist aber wirklich nichts besonderes. Tausend mal gelesen.

  • Na ja. Das ist aber wirklich nichts besonderes. Tausend mal gelesen.

    Es ging mir ja auch nicht um die Originalität, sondern um dein Argument, die Geschichte sei völlig sinnlos.

    Und so ausgelutscht finde ich die Prämisse eigentlich auch nicht.

  • Doch, die ist so ausgelutscht, das es schon wieder weh tut. Der eine stirbt, Der andere träumt und Alice ist auch noch da.

    Du meinst "Alice im Wunderland"? Die Carroll-Geschichte würde ich im Gegensatz zum "König der Elfen" unter reinem Surrealismus verbuchen. Da sehe ich die PKD-Story schon eher in der Nähe von "Don Quijote" (Verkennung der Realität und so...). Auch was die melancholische Stimmung und das Ende angeht. Natürlich ist das alles nicht neu, aber es gibt Themen bei Dick, die sich für mich deutlich schneller abgenutzt haben. Und das ich (aus mehreren Gründen) die Dick-Geschichten mag, bei denen es um psychische Erkrankungen/Kontrollverlust geht, habe ich ja schon mehrmals erwähnt - Daher hat mir auch diese hier gefallen.

  • Ich kann die Empfindung von Melancholie in König der Elfen nicht nachvollziehen, dafür bleibt die Figur für mich doch etwas zu uninteressant. Wenn es wirklich als Parabel auf das Sterben gedacht war, hat Dick es nicht besonders gut herausgearbeitet.


    Kolonie

    Da stimme ich Dir hingegen voll zu. Coole Idee, tolle Situationen und böses (wenn auch früh absehbares) Ende. Auch ich dachte recht bald, dass sich hier vielleicht Anti-Körper melden, die Eindringlinge zu vertreiben.

    Klasse Story.

  • Wenn es wirklich als Parabel auf das Sterben gedacht war, hat Dick es nicht besonders gut herausgearbeitet.

    Ich weiß nicht ob es wirklich als Parabel gedacht war (zumal Dick ja nachträglich noch das Ende abgeändert hat). Ich habe es aber zumindest so interpretiert und die Geschichte lässt diese Interpretation ja auch durchaus zu. Ich besitze da aber natürlich nicht die alleinige Deutungshoheit.

    Ich kann die Empfindung von Melancholie in König der Elfen nicht nachvollziehen.

    Es ist individuell natürlich immer völlig unterschiedlich, welche Stimmung eine Geschichte beim Leser ausübt.

    Wer mal beruflich oder privat mit demenzkranken Menschen zu tun hatte (und sie in Situationen erlebt hat, die der PKD-Geschichte recht nahe kommen), wird den "König" wahrscheinlich ganz anders lesen, als jemand der mit der Materie noch nie etwas zu tun hatten...

    Mir hat Shadrach sehr leid getan.

    Da stimme ich Dir hingegen voll zu.

    Das freut mich. Ich finde es prinzipiell ja immer schön hier viele verschiedene Meinungen zu lesen (obwohl, es sind ja eigentlich nur drei), zuletzt habe ich aber zunehmend das Gefühl bekommen, an einer Art Geschmacksverirrung zu leiden :D.

    ...und das Ende war leider auch nicht überraschend.

    Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Ich fand es dennoch ein starkes Schlussbild: Die Menschen ziehen sich aus und klettern der Bestie freiwillig ins Maul. Wie lapismont schreibt: Das war richtig böse.

    Wenn man möchte kann man darin sogar wieder ein biblisches Motiv sehen (Jona und der Wal).

  • Beutestück:

    Worum geht’s: Die Menschen haben auf dem Ganymed gigantische Rampen errichtet, mit den sämtliche terranischen Raumschiffe in den Tiefraum fliegen. Mit den Ganymedianern hatte man sich eigentlich auf die Station geeinigt, doch diese übernahmen irgendwann die Kontrolle über die Rampen und fordern seitdem horrende Summen für deren Nutzung. Seitdem befinden sich beide Fraktionen im Krieg. Kurz bevor die Menschen kapitulieren wollen, gelangen sie jedoch in den Besitz eines Gany-Schiffs. Bei einem ersten Probeflug landen sie zunächst in einer mittelalterlichen Welt voller kleiner Menschen, später dann im Reich der Riesen. Kann es sein, dass sie irgendwie in dem fiktionalen Universum aus „Gullivers Reisen“ gelandet sind?


    1954 in „Thrilling Wonder Stories“ erschienen.

    Hier taucht bei PKD erstmals der Ganymed auf, der uns später z.B. wieder in seinem Roman „Die Invasoren von Ganymed“ (den er zusammen mit Ray Nelson geschrieben hat) begegnen wird. Zunächst hatte ich ja die Befürchtung, es würde sich hier wieder um eine Weltraumkriegsgeschichte a la „Der variable Mann“ handeln, doch glücklicherweise entwickelt sich das Ganze schnell in eine ganz andere Richtung. Spätestens wenn die Besatzung in der „Welt der kleinen Menschen“ landet, wird aus „Beutestück“ eine reine Fantasy-/Abenteuergeschichte bzw. eine Hommage an das Werk von Jonathan Swift.

    Ein paar Crew-Mitgliedern fällt die Verbindung zu dessen Satire bzw. dem berühmten Kinderbuch auch sofort auf und sie glauben tatsächlich in „Gullivers Reisen“ gelandet zu sein. „Ich kenne natürlich das Buch. Ich habe es als Kind gelesen, wie wir alle. Später erst habe ich verstanden, daß es sich um eine Satire handelt. Aber mein Gott, entweder es ist ein Kinderbuch oder eine Satire! In jedem Fall aber doch erfunden.“

    Die Idee dass eine Gruppe Menschen mit einem außerirdischen Raumschiff in fiktionale Werke reist, ist ziemlich interessant (und erinnert mich an Mike Careys Comic-Meisterwerk „The Unwritten“) - Daraus hätte man durchaus mehr machen können. Dick deutet das sogar selbst an: „Es existiert also wirklich. Beide Länder existierten. Und vielleicht noch viele mehr. Das Wunderland, Oz, Pellucidar, Erewhon, die ganzen Phantasiewelten, Träume-“

    Das dies aber nicht möglich ist, wird im finalen Twist der Geschichte deutlich, der uns mal wieder zeigt, dass bei Dick nichts so ist, wie es zunächst scheint: Die Menschen kehren am Ende nämlich nach Terra zurück, tauschen das Gany-Schiff gegen die Rampen und erfahren daraufhin, dass ihr „Beutestück“ in Wahrheit eigentlich gar kein Schiff, sondern eine Zeitreisemaschine ist. Sie haben also keine fremden Welten bereist, sondern waren die ganze Zeit auf der Erde - Einmal in der Vergangenheit und einmal in der Zukunft. Und wegen der ständigen Ausdehnung des Universums fanden sie dort eben alles verkleinert bzw. vergrößert vor. (Ich gehe jetzt gleich mal Harald Lesch fragen, ob das Sinn ergibt oder völliger Blödsinn ist.)


    PS: Was noch erwähnenswert ist, ist die Tatsache, dass die Marsianer hier auf unserer Seite kämpfen. Zuletzt wurde deren Volk ja in „Die Kristallgruft“ erwähnt und dort war das Verhältnis zu Terra nicht gerade das Beste. (2,5/5)

  • Also die Idee das wir uns ausdehnen bzw. schrumpfen ist hanebüchen. Natürlich sind die Menschen mit der Zeit größer geworden, aber von Zwergen und Riesen ist das weit entfernt. Wenn sich der Raum ausdehnt hat das natürlich nichts mit Materie zu tun. Das sich die Größe der Atome mit der Raumausdehnung ändern ist eine sehr schräge Idee.

    Die Geschichte beweist Dicks Fantasie, mehr aber auch nicht.

  • Also die Idee das wir uns ausdehnen bzw. schrumpfen ist hanebüchen.

    Herr Lesch hätte das wohl ähnlich formuliert. Der Plot-Twist ist jedenfalls genauso bekloppt, wie die intelligenten Weltraum-Meerschweinchen aus "Die Unendlichen" - Birgt aber zweifelsfrei auch eine gewisse Originalität. Ich denke man sollte das Ganze auch primär als Hommage an Jonathan Swift verstehen und weniger als den Versuch eine plausible Zeitreisegeschichte zu erzählen. Dann passt das irgendwie schon. Wirklich überzeugt hat mich "Beutestück" aber auch nicht.

  • Beutestück


    Die Hommage an Swift ist schön, wenn auch der Aufhänger sehr, sehr aus den Ritzen eines Wissenschaftsmagazin geklaubt worden ist.

    Aber okay, wenn sich der Raum dehnen und krümmen kann, warum dann nicht in der beschriebenen Weise auch Materie?


    Richtig cool aber fand ich es, dass die Figuren so schnell bereit waren, an eine Reise in nun bewiesene Parallelwelten zu glauben. Für mich war es ja naheliegender, an eine Versetzung auf einen Planeten mit Minimenschen zu denken.


    Unsere Vorstellung von Liliput ist doch sehr stark von Illustrationen und Filmen geprägt, es in einer Miniaturwelt wieder zu erkennen, sehr fraglich.


    Putzig auch der Schluss mit der fiesen Spitze gegen die irdische Leichtgläubigkeit. Da tauchte Swift gleich ein weiteres Mal auf.


    Aber ich gebe euch Recht, als SF-Story schwach, eher was fürs Literatur-Herz.

  • Richtig cool aber fand ich es, dass die Figuren so schnell bereit waren, an eine Reise in nun bewiesene Parallelwelten zu glauben. Für mich war es ja naheliegender, an eine Versetzung auf einen Planeten mit Minimenschen zu denken.

    Absolut. Dass sich die Crew aber sofort auf diese extrem unwahrscheinliche Parallelwelt-Theorie stürzt und bald gar keine anderen Erklärungsversuche mehr zulässt, passt auch irgendwie perfekt zur allgemeinen Skurrilität der Geschichte. Ich hätte es ja interessant gefunden, wenn sie mit ihrer Mutmaßung Recht gehabt hätten. Das hätte zumindest Potential für weitere, interessante Geschichten geboten.


    (Ich musste bei "Beutestück" auch an eine alte Star Trek-Folge denken, in der Captain Kirk auf einem fremden Planeten landet und plötzlich auf ein riesiges, sprechendes Kaninchen und die kleine Alice trifft. Auch dort gibt es für das Ganze am Ende eine rein wissenschaftliche Erklärung.)

    Putzig auch der Schluss mit der fiesen Spitze gegen die irdische Leichtgläubigkeit. Da tauchte Swift gleich ein weiteres Mal auf.

    Hat mir auch gefallen.


    +++


    Damit wären wir ja auch schon bei der letzten Geschichte in diesem Band angelangt:


    Nanny:

    Worum geht’s: In der Zukunft werden alle Kinder nur noch von mechanischen Nannys erzogen. Doch was machen die Roboter eigentlich, wenn alle Menschen schlafen? Mrs. Fields hört jede Nacht jedenfalls sehr seltsame Geräusche in ihrer Wohnung und ist zunehmend beunruhigt. Völlig zu Recht- Denn tatsächlich schleicht sich ihre Nanny, im Schutz der Dunkelheit, regelmäßig aus dem Haus und bekämpft sich in einer Art Robo-„Fight Club“ mit anderen Kindermädchen.


    1955 in „Startling Stories“ erschienen. An diese Geschichte konnte ich mich noch gut erinnern, ich hätte allerdings geschworen, dass sie aus Asimovs Feder stammt - So kann man sich irren.

    Nach „Die kleine Bewegung“ widmet sich Dick hier mal wieder dem Thema Kindererziehung: In der Kurgeschichte nehmen Robo-Nannys den Eltern sämtliche Arbeit ab, so dass diese sich quasi gar nicht mehr mit ihrem Nachwuchs abgeben müssen. Da ist es auch kaum verwunderlich, dass die Kinder eine enorme Bindung zu den Robotern entwickeln. Mr. Fields erinnern die Nannys jedoch eher an Kriegsmaschinen - Und tatsächlich liegt er damit gar nicht mal so falsch („Still und stumm gingen sie der martialischen Beschäftigung nach, für die sie beide geschaffen waren.“).


    Geplante Obsoleszens nennt man das Phänomen, das technische Geräte irgendwann den Geist aufgeben, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. Es ist „eine Marketingstrategie, bei der das Veralten eines Produktes (Obsoleszenz) vom Hersteller geplant und konzeptionell vorgesehen ist. Ihr Ziel ist eine Sicherung desjenigen Umsatzes, der einem Produzenten dadurch verloren geht, dass ein sehr haltbares Produkt vom selben Kunden nicht so schnell wieder gekauft zu werden braucht.“ (Wikipedia)

    Dick treibt dieses Phänomen in „Nanny“ nun auf die Spitze: Wie wäre es, wenn man diesen Vorgang beschleunigen könnte, indem man Maschinen erschafft, die selbstständig aufeinander losgehen und sich dabei absichtlich vernichten?

    Dabei profitieren die Unternehmen besonders vom Ego des Mannes, welches sich in ständigen Schwanzvergleichen messen muss. Es kommt nur noch darauf an, wer den tödlichsten Roboter hat. Somit sind sie gezwungen, sich permanent neue und bessere Modell zu besorgen - Auch wenn sie sich dadurch immer mehr verschulden. Natürlich könnten sie den ganzen Wahnsinn auch einfach bleiben lassen, aber dann müssten sie ja auch ihre Kinder selbst erziehen und das wäre eine wirklich grauenhafte Vorstellung.


    Eine gelungene Gesellschaftssatire: Dick persifliert hier nicht nur den ständigen Konkurrenzkampf unter Männern, sondern auch den der Firmen, die sich mit ihren neuen Modellen permanent gegenseitig übertreffen müssen. Ein Konkurrenzkampf, im wahrsten Sinne des Wortes, denn ihre Produkte kämpfen tatsächlich gegeneinander… und stampfen sich dabei in den Boden („Wir kämpfen nicht nur gegen die Konkurrenz, wir vernichten sie!“).

    Zudem werden hier der grenzenlose Technik-Wahn bzw. das kapitalistische System (welches dahintersteckt) kritisiert, das uns glauben lassen will, dass wir immer das Neuste und Beste haben müssen und dem wir uns bereitwillig unterwerfen. Egal um welchen Preis.

    „Ich werd es denen zeigen. Allen werde ich es zeigen. Und wenn ich ein neues, großes Modell bauen lassen muß. Irgendeinen von diesen Herstellern werden ich schon dazu kriegen.“ Daran besteht nicht der geringste Zweifel. (4/5)

  • Roboter als Kindermädchen, die sich gegenseitig zerstören damit neuere und größere Nannys gekauft werden...das ist echt nicht mein Fall.

    Ich kann allerdings auch sonst keine positiven Aspekte erkennen. Das Buch endet für meinen Geschmack mit einer ganz schwachen Geschichte.


    Ich habe den zweiten Band jetzt doch nicht mit in Urlaub genommen und würde daher Mitte September einsteigen, ihr könnt aber gerne auch schon anfangen.

    Bisher fand ich den Lesezirkel äußerst befruchtend. Mit drei Leuten kann man schön diskutieren und vielleicht steigt ja noch jemand nachträglich ein.

  • Ich habe den zweiten Band jetzt doch nicht mit in Urlaub genommen und würde daher Mitte September einsteigen, ihr könnt aber gerne auch schon anfangen.

    Ich bin dafür dass wir warten und ab Mitte September gemeinsam durchstarten.

    Bisher fand ich den Lesezirkel äußerst befruchtend. Mit drei Leuten kann man schön diskutieren

    Finde ich auch.

  • Nanny


    Ich hatte Probleme damit, dass die Eltern den eingebauten Kampfmodus ihrer Nanny nicht hinterfragen. Kann man als Prämisse setzen, als Vater sträubt sich mir da aber alles.


    Ansonsten ist der gesellschaftskritische Aspekt deutlich herausgearbeitet. Sowohl die Geplante Obsoleszens,als auch das Konkurrenzdenken, da stimme ich dem Goblin zu. Es ist letztlich reine Satire und ganz flockig erzählt.


    Hey, cool, der erste Band ist geschafft. Das macht mich doch sehr glücklich. Warten wir also, bis der Mammut aus seiner Taigareise zurück ist. Hab eh genug anderes zu lesen :D