Zu "Der Erbauer":
Wenn das Dicks Antwort auf Rassismus und Krieg wäre, hätte ich damit schon Probleme.
Es ist nicht Dicks sondern Gottes Antwort, der in der Bibel ja generell recht häufig sehr rach- und herrschsüchtig rüberkommt.
Geht man von der Prämisse aus, in Dicks Geschichte gäbe es einen Gott, wiederholte er dann nicht seinen Fehler mit Noah?
Dabei implizierst du aber, dass Gott die Sintflut als Fehler ansieht. Und Gott ist doch (laut christlicher Interpretation) bekanntermaßen unfehlbar.
Wird er durch die Vernichtung der Menschheit sein PTS[D] los?
Das eine hat mit dem anderen doch gar nichts zu tun.
Die Rassismuskritik wird lediglich indirekt durch das Belauschen eines Gespräches impliziert.
War ja auch nur ein Beispiel. Es ist jedenfalls einer der Gründe, weswegen sich Edwood angeekelt von seinen Mitmenschen abwendet.
Man kann es als Gottesmotiv zum Genozid lesen, aber ehrlich, warum nicht gleich beim ersten Sklavenschiff? Warum nicht im belgischen Kongo?
"Die Wege des Herrn sind unergründlich" bzw. irgendwann ist das Maß eben voll.
Zugegen könnte man das aber sicher als eine Schwachstelle bei der Übertragung der Noah-Geschichte in die Jetztzeit sehen.
Aber wie schon geschrieben: Am Ende ist eben alles Geschmackssache. Du kannst mit den religiösen Motiven bei Dick nichts anfangen, ich finde sie immer wieder interessant. Gerade in Hinblick auf sein späteres "Erweckungserlebnis".
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Zu "Der Eindringling":
Eine Zeitkugel ist uns ja schon in „Der variable Mann“ begegnet. Diesmal schicken die Menschen sie jedoch nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft - Und zwar obwohl dies strengstens verboten ist. Denn „wenn Sie Informationen aus der Zukunft gewinnen, führen Sie automatisch neue Faktoren in die Gegenwart ein. Und die Zukunft wird verändert (…) je häufiger Sie sondieren, desto mehr neue Faktoren führen Sie ein. Sie schaffen für kommende Jahrhunderte unstabile Bedingungen.“ Damit, dass sie mit ihrem Handeln jedoch gleich die gesamte Menschheit auslöschen könnten, haben sie aber sicher nicht gerechnet.
Dick bezieht sich hierbei auf den Schmetterlingseffekt - Und nimmt diesen wortwörtlich. Denn hier sind es am Ende buchstäblich Schmetterlinge, die die Apokalypse auslösen. Das hört sich zunächst vielleicht etwas befremdlich/seltsam an, aber Dick schafft es mMn die bunten Insekten tatsächlich bedrohlich wirken zu lassen (Ganze Schwärme ziehen in Form von dunklen Wolken über die Ruinenstadt und hinterlassen nur Staub und menschliche Knochen). Es kommt eben immer auch die Umsetzung an. Vor Hitchcock hätte sicher auch niemand gedacht, dass man einen überzeugenden Horrorfilm mit Vögeln erzählen kann.
Dick sagt zum Thema Schmetterlinge im Anhang: „Hinter dem Schönen verbirgt sich das Häßliche. In dieser etwas unausgegorenen Geschichte ist bereits angelegt, was später Thema Nummer eins von mir werden sollte - daß nichts ist, wie es scheint. Diese Geschichte sollte als eine erste Fingerübung zu diesem Thema angesehen werden, denn ich begriff gerade erst, daß die sichtbare Erscheinungsform eines Dings und das Ding an sich zwei grundverschiedene Sachen sind. Oder wie es ber Heraklit in Fragment 54 heißt: ‚Die unsichtbare Harmonie ist stärker als die sichtbare‘, was dann bei Platon wiederauftaucht als der Dualismus zwischen der Welt der sichtbaren Erscheinungsform und der Welt der Ideen, der wirklichen, aber unsichtbaren Formen, die jenen zugrunde liegen. Es kann sein, daß ich zuviel in diese einfachgestrickte frühe Geschichte heineinlese. Aber auf jeden Fall dämmerte mir zu der Zeit etwas, was mir später so klar zu Bewußtsein kommen sollte; mit Heraklits Fragment 123 reden: ‚Die Natur liebt es sich zu verbergen.‘“
Der finale Twist ist allerdings etwas vorhersehbar: Hasten (der Zeitreisende) bringt unbemerkt einen Kokon in seine Zeit und löst damit die Misere überhaupt erst aus. Zumal (wie bereits von Mammut erwähnt) damit immer noch nicht geklärt wird, wo die Schmetterlinge eigentlich herkommen und wie sie entstanden sind.
Ansonsten bietet „Eindringling“ aber einen interessanten Mix aller bisheriger PKD-Ideen: Das Konzept der Zeitkugel kennen wir aus „Der variable Mann“. Die seltsamen Tiere und tödlichen Insekten erinnern sofort an „Die Bewahrungsmaschine“ und „Entbehrlich“. Die mechanischen Städte, deren automatische Versorgungssysteme noch weiterarbeiten, obwohl es keine Menschen mehr gibt, die man versorgen müsste, haben deutliche Parallelen zu „Die Kanone“. Und dass es der Welt ohne den Menschen wesentlich besser geht als mit, haben wir schon bei „Die Verteidiger“ gelernt. „Was für eine stille und wunderschöne Welt bleibt übrig ohne die menschliche Rasse“ stellt Hasten daher auch fest als er in der Zukunft landet. „Was für eine stille und wunderschöne Welt…“ (3/5)