Philip K. Dick - Sämtliche 118 SF-Geschichten Band 1: Und jenseits – das Wobb

  • Zitat

    Das Prinzip der hinreichenden Belästigung ist wirklich eine herrlich bekloppte Idee, auf die man erst einmal kommen muss.

    Aber wirklich. Eine sehr, sehr lustige Geschichte. Da passte für mich alles. Umso verwunderlicher, dass die nächste so völlig mies ausfiel. Aber ich will nicht spoilern.

  • Umso verwunderlicher, dass die nächste so völlig mies ausfiel.

    Ich fand sie eigentlich recht gelungen:


    Der Erbauer:

    Worum geht’s: Ernest Elwood verhält sich zunehmend komisch, isst nicht, schläft nicht, vernachlässigt seine Arbeit und Familie und baut wie besessen an einem seltsamen Boot. Dadurch ist er schon längst zum Gespött der Nachbarschaft geworden und auch seine Frau nähert sich ihm nur noch mit einer Mischung aus Angst, Sorge und Wut … Dennoch kann er nicht aufhören ein Brett an das andere zu nageln - Auch wenn er selbst nicht so genau weiß, warum er das Boot überhaupt baut. Doch dann fängt es an zu regnen…


    Eine ungewöhnliche Erzählung, die weder Sci-Fi- oder übernatürliche Elemente enthält - Stattdessen liefert Dick hier eine moderne Version der Noah-Geschichte ab. Sie erschien 1953 in „Amazing“, einem Magazin das ein relativ breites Themenspektrum aufwies und nicht nur auf klassische Weltraumabenteuer beschränkt war.

    Dick fängt den Weltekel/Wahnsinn von Elwood mMn äußerst stimmungsvoll ein und macht sehr deutlich, dass er diese die Welt nur noch als völlig sinnentleert wahrnimmt - Voller hohler, banaler Gespräche und jeder Menge Krach. („Ich höre die Menschen reden und dann fühle ich mich unwohl. Ich mochte fort von ihnen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihnen. Mit allem.“). Oder will Dick hier gar keinen verschrobenen Sonderling porträtieren und nur deutlich machen, dass sich die Menschheit in die völlig falsche Richtung entwickelt hat? In „Der Erbauer“ scheinen sie jedenfalls keine anderen Themen als Krieg, Konsum oder rassistischen Bullshit zu kennen und in der Bibel war die Sintflut ja schließlich auch der Zorn Gottes über die Verfehlungen der Menschheit.

    Ob die Schilderungen nur Elwoods misanthropischer/psychotischer Weltsicht entspringen oder nicht, wird dem Leser selbst überlassen. Genauso offen lässt Dick auch das Ende. Kommt die Flut oder nicht? Ist Elwood verrückt (Kriegspsychose, wie sein Sohn mutmaßt) oder von Gott berufen? Die gleiche Frage sollte sich Dick später ja selbst auch immer wieder stellen.

    Die Geschichte hat mich extrem stark an den sehenswerten Film „Take Shelter“ erinnert. Nur das hier eben eine Arche und kein Bunker gebaut wird. Ansonsten ist es schon fast 1zu1 die gleiche Story. Und auch an die Komödie „Evan Allmächtig“ musste ich denken (auch wenn ich den Film nie gesehen habe). Hat mir jedenfalls gut gefallen. Bei Mammut wird "Der Erbauer" aber wahrscheinlich ebenfalls auf nicht besonders viel Gegenliebe stoßen. (3,5/5)


    Hier noch der Trailer zum erwähnten „Take Shelter“:

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  • Eine Noah-Geschichte, gähn. Mag sein, dass der PTS-Ansatz für Dick wichtig war, aber eine Arche?


    Bis zu dem Zeitpunkt, wo die Geschichte in diese Richtung abdriftete, dachte ich mir noch: okay, Milieustudie, langweilig erzählt, aber bestimmt treffend. Doch mit seiner religiösen Pointe warf mich Dick raus. Null Erklärung, kein Hinarbeiten, nix. Vadda und Sohn hören den Ruf. Damit kann ich nix anfangen.Vielleicht braucht man dafür einen christlichen oder jüdischen Kontext.

  • Also ich bin Atheist und mochte die Geschichte trotzdem. Ist aber natürlich alles Geschmackssache.

    Ich mein nicht, dass es etwas mit Nichtglauben oder Glauben zu tun hat, sondern mit Sozialisation. Biblische Mythen bedeuten mir nichts. Im Sinne von, es fehlt mir der komplette Kontext. Ich begreife nicht, was das Arche-Bild in der Geschichte soll. Ich verstehe den Zusammenhang nicht, den Dick hier wohl als überdeutlich erkennbar voraussetzt. Ich erwartete irgendwas mit Aliens, so wie In Kontakt.

  • Ich mein nicht, dass es etwas mit Nichtglauben oder Glauben zu tun hat, sondern mit Sozialisation. Biblische Mythen bedeuten mir nichts. Im Sinne von, es fehlt mir der komplette Kontext. Ich begreife nicht, was das Arche-Bild in der Geschichte soll. Ich verstehe den Zusammenhang nicht, den Dick hier wohl als überdeutlich erkennbar voraussetzt. Ich erwartete irgendwas mit Aliens, so wie In Kontakt.

    Die Welt geht vor die Hunde, Gott schickt den Regen und Elwood ist ohne Wissen vorbereitet und baut das Schiff ohne Antrieb. Ich geb zu, ich sehe da auch keinen Sinn drin.

  • Die Welt geht vor die Hunde, Gott schickt den Regen und Elwood ist ohne Wissen vorbereitet und baut das Schiff ohne Antrieb. Ich geb zu, ich sehe da auch keinen Sinn drin.

    Ich begreife nicht, was das Arche-Bild in der Geschichte soll. Ich verstehe den Zusammenhang nicht, den Dick hier wohl als überdeutlich erkennbar voraussetzt.

    Dick übt hier doch klare Gesellschaftskritik (Krieg, Konsum... besonders am damals vorherrschenden Rassismus) und zieht dann eben die Parallele zu den Ereignissen, die damals (laut Bibel) zur Sintflut geführt haben. Eben um deutlich zu machen, das hier gerade etwas ganz gründlich schief läuft mit der Menschheit. Sicher hatte die Geschichte damals mehr Sprengkraft, aber allzu weit haben wir uns diesbezüglich ja auch heute nicht verbessert.

    Dadurch das er die Arche-Geschichte in die Gegenwart verlegt, stellt er zudem die Frage, wie die heutige Gesellschaft denn auf Noah reagieren würde bzw. macht sehr deutlich, dass man ihn zwangsläufig für verrückt halten müsste. Das ist doch ein Thema das bei Dick häufiger auftauch - Sind die Irren wirklich irre, oder sehen sie vielleicht einfach mehr, als die vermeintlich Gesunden?

    Wie oben geschrieben, finde ich die Geschichte auch besonders interessant, da Dick später ja selbst unter religiösen Visionen "gelitten" hat und sich bis zu seinem Tod gefragt hat, ob er eine Psychose hatte oder wirklich mit einer höheren Macht (Gott, Alien...) in Kontakt getreten ist.

  • Na ja, wie schlecht die Zeiten sind, ist echt relativ und wird doch in guten Zeiten, die wir definitiv haben, immer schlimmer gesehen als es ist.

    Elwood weiß doch gar nicht warum er das Boot baut, also ist er verrückt und wirkt nicht so. Noah hatte ja einen klaren Auftrag, das ist doch ein ganz anderer Fall.

    Und das nach den beiden großen Kriegen das keiner mehr wollte, also einen weiteren, das ist doch keine Gesellschaftskritik.

    Elwood ist sonderbar und die Geschichte verrät nicht warum.

  • Na ja, wie schlecht die Zeiten sind, ist echt relativ und wird doch in guten Zeiten, die wir definitiv haben, immer schlimmer gesehen als es ist.

    Ich bezog mich hier hauptsächlich auf das Thema Rassismus (das in der Geschichte ja eine Rolle spielt) und die gegenwärtige Situation in den USA. You see the parallels?

    Elwood weiß doch gar nicht warum er das Boot baut, also ist er verrückt und wirkt nicht so. Noah hatte ja einen klaren Auftrag, das ist doch ein ganz anderer Fall.

    "Gott offenbart sich auf die unterschiedlichste Art und Weise" würde ein Christ wohl dazu sagen.

    Laut ihnen gehört doch sowieso alles zu Gottes Plan, auch wenn wir uns dessen gar nicht bewusst sind.

    Eine Beeinflussung muss nicht unbedingt bewusst geschehen.

    Und das nach den beiden großen Kriegen das keiner mehr wollte, also einen weiteren, das ist doch keine Gesellschaftskritik.

    Elwood ist sonderbar und die Geschichte verrät nicht warum.

    Also ich sehe da jede Menge Gesellschaftskritik. Besonders in Bezug auf die rassistischen Gespräche von Elwoods Arbeitskollegen. Und natürlich ist Elwood sonderbar, Dick lässt aber eben bewusst offen ob er geisteskrank oder eben berufen ist.

    Wenn wir aber von einer Psychose ausgehen: Die Gründe können hierfür völlig unterschiedlich sein. Wenn es diesbezüglich so einfach wäre eine Erklärung zu finden, bräuchten wir keine Therapeuten und Psychiater.... in der Geschichte wird aber angedeutet, das es im Fall von Elwood eine Kriegstrauma sein könnte.

  • Elwood weiß doch gar nicht warum er das Boot baut, also ist er verrückt und wirkt nicht so. Noah hatte ja einen klaren Auftrag, das ist doch ein ganz anderer Fall.

    Noch eine Ergänzung hierzu:

    Wie bereits geschrieben muss die "göttliche Beeinflussung" ja nicht bewusst geschehen. Wenn Elwood in der Geschichte aber allen offenbart hätte, er wurde von Gott berufen ein Boot zu bauen - Würde das irgendetwas an den Reaktionen seiner Mitmenschen ändern? Nein. Seine Frau, seine Kinder, seine Nachbarn und seine Arbeitskollegen würden ihn trotzdem für verrückt halten. Wahrscheinlich sogar für noch viel, viel verrückter als ohne Erklärung... und als Leser könnte man sich ebenfalls nicht sicher sein, ob er die Wahrheit sagt oder nicht. Es ist also eigentlich recht unerheblich. An der Aussage, dass man Noah heutzutage sofort in eine Psychiatrie einweisen würde, ändert sich dadurch jedenfalls nichts. Mit oder ohne Gottes Hilfe.

  • Die Geschichte aus der Bibel hat doch noch nie funktioniert. Anstatt sich mit den Problemen zu befassen verübt dieser Gott einen Genozid. Wenn das Dicks Antwort auf Rassismus und Krieg wäre, hätte ich damit schon Probleme.

    Geht man von der Prämisse aus, in Dicks Geschichte gäbe es einen Gott, wiederholte er dann nicht seinen Fehler mit Noah?


    Oder nehmen wir an, Elwood (hatte die ganze Zeit Dan Aykroyd im Hirn) wäre in dieser Welt der erste Archenbauer, wohin soll dann die Story führen? Wird er durch die Vernichtung der Menschheit sein PTS los?


    Die Rassismuskritik wird lediglich indirekt durch das Belauschen eines Gespräches impliziert. Könnte aber genausogut neutrales Zeitgeistdetail sein. Man kann es als Gottesmotiv zum Genozid lesen, aber ehrlich, warum nicht gleich beim ersten Sklavenschiff? Warum nicht im belgischen Kongo?

    Solche Archen-Geschichten gibt es immer wieder mal und stets ist igendein konkretes Problem Anlass für Gotteszorn. Das funktioniert einfach nicht. Der hat bisher nicht eingeschritten, egal wie groß der Menschen Übel auch waren.

  • Der Eindringling (Meddler) erschien 1954:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?58213


    Deutsche Erstveröffentlichung war in der Goldene Mann als "Der Zeittaucher":

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?379138


    Es geht um die Gefahren der Zeitreise. Während Reisen in die Vergangenheit als unkritisch gesehen werden, sind Reisen in die Zukunft verboten und als trotzdem ein Beobachtungsschiff in die Zukunft geschickt wird, das Bilder macht, erkennen die Verursacher schnell, die Zukunft ändert sich und zwar bei jeder Beobachtung zum schlechteren.

    Hasten, der Spezialist für Zeitreisen, fliegt in die Zukunft um herauszufinden, was der tödliche Faktor war, denn es gibt mittlerweile keine Menschen mehr dort.

    Er findet den tödlichen Faktor und bringt ihn mit in die Vergangenheit und so ergibt sich eine selbst erfüllende Prophezeiung, denn er bringt den Faktor mit und löscht damit die Menschheit aus.


    Unklar bleibt, wie dieser Faktor entstand, somit hat er was Göttliches. Hasten selbst wird zwar als Spezialist gelobt, aber so einfach in die Zukunft reisen, ohne jegliche Vorsicht in die Falle laufen und dann auch noch die "Kontamination" mitzubringen, schlechter kann es ein ABC Schütze auch nicht machen.


    Die Geschichte ist spannend erzählt, die Idee, den tödlichen Faktor selbst aus der Zukunft zu importieren hat mir gut gefallen. Die naive Art des Zeitreisenden würde ich als Schwäche ansehen und überhaupt agieren die Leute da eher hemdsärmelig. Also insgesamt gute Ansätze, aber "Der Eindringling" überzeugt insgesamt eher nicht. Das Dick im Anhang erklärt, die Geschichte war sein Erwachen im Bezug auf "Die unsichtbare Harmonie ist stärker als die sichtbare" mag für seine Entwicklung wichtig gewesen sein, der Geschichte merkt man das aber natürlich noch nicht sonderlich an.