Philip K. Dick - Sämtliche 118 SF-Geschichten Band 1: Und jenseits – das Wobb

  • lapismont "Der Schädel" schon gelesen?

    Ja, sorry, bin grad ziemlich vollgepackt.


    Eine eher typische Zeitreisegeschichte, der man ihr Alter zugute halten muss. Das Ende, habt ihr ja auch festgestellt, war früh vorhersehbar und so religiös anmutende Storylines geben mir persönlich nicht viel.


    Interessant ist natürlich, wie Dick das Misstrauen auf der einen Seite und das bedingungslose Glaubenwollen auf der anderen Seite darstellt. Sehr US-amerikanisch.


    Hatte jetzt auch ein bisschen in den Anhängen gestöbert, was mir immer großen Spaß bereitet, da mir die AutorInnenmeinung meist egal ist, die Hintergründe aber durchaus spannend finde. Ist überhaupt sehr cool, endlich mal den Schuber abzuarbeiten.

  • sorry, bin grad ziemlich vollgepackt.

    Kein Stress. Ich war nur auf deine Meinung gespannt.

    ...und so religiös anmutende Storylines geben mir persönlich nicht viel.

    Sicher Geschmackssache. Mit seiner "Valis"-Trilogie konntest du dann wahrscheinlich auch nicht viel anfangen, oder?

    Hatte jetzt auch ein bisschen in den Anhängen gestöbert, was mir immer großen Spaß bereitet, da mir die AutorInnenmeinung meist egal ist, die Hintergründe aber durchaus spannend finde.

    Finde den Anhang auch ziemlich interessant. Leider fällt er allerdings nicht besonders umfangreich aus.


    +++


    Ich mach dann mal weiter:


    Die Verteidiger:




    Worum geht’s: Auf der Erde tobt ein gewaltiger Krieg, dessen Zerstörung den Planeten unbewohnbar gemacht hat. Die Menschheit hat sich daher schon längst unter die Erde geflüchtet und lebt dort in unterirdischen Schutzräumen. Die Kämpfe an der Oberfläche werden nur noch von Maschinen (den sogenannten „Bleimännern“) ausgetragen.

    „…oben auf der zerstörten, zerbombten Oberfläche eines einst lebenden Planeten krochen und huschten die Bleimänner umher und kämpften den Krieg der Menschen. Unten unter der Oberfläche, in den Tiefen des Planeten, plackten sich Menschen endlos damit ab, die Waffen zu produzieren, um den Krieg fortzusetzen, Monat für Monat, Jahr für Jahr.“

    Was in ihrer einstigen Heimat vorgeht, erfahren sie dabei nur über Videoaufzeichnungen, die ihnen die Maschinen übertragen. Doch kann man diesen Bildern trauen? Allmählich kommen unter den Menschen erste Zweifel auf. Als ein Trupp an die verstrahlte Oberfläche entsandt wird, erlebt er eine kleine Überraschung.


    1952 geschrieben und im gleichen Jahr in einem Magazin namens „Galaxy“ veröffentlicht. Es war die erste Geschichte von PKD, die auf einem Cover illustriert wurde (siehe oben). 1956 wurde sie sogar fürs Radio adaptiert. „Die Verteidiger“ war also so etwas wie sein erster Hit. Es handelt sich mMn aber auch um eine äußerst gelungene Erzählung, die viele Elemente aufweist, die später noch zu Dicks Markenzeichen werden sollten.

    Die klare Anti-Waffen-Botschaft und Kritik an der Kriegsgeilheit des Menschen kennen wir schon aus „Die Kanone“, aber Dick beschäftigt sich hier auch erstmals mit einer falschen bzw. simulierten Wirklichkeit. Die Übertragungen der Maschinen entsprechen nämlich nicht den tatsächlichen Begebenheiten - Es sind Fake-News. In Wahrheit haben sie ihre Kriegshandlungen schon längst eingestellt und die Erde in ein Paradies verwandelt: Grüne Wiesen, dichte Wälder, unzählige Tiere… liefern den Beweis, dass der Planet ohne die Menschen deutlich besser dran ist.

    Die Idee einer menschenleeren Erde, die von Robotern gesäubert wird, hat mich etwas an den Pixar-Film „Wall-e“ erinnert. Das Schicksal der Menschheit hat hingegen leichte Parallelen zum Sisyphos-Mythos: Während Sisyphos von Zeus dazu verdammt wurde endlos einen Stein einen Berg hinauf zu schleppen, der jedoch kurz vor dem Gipfel immer wieder herunterrollt, werden die Menschen in „Die Verteidiger“ von den Maschinen für ihr kriegerisches Naturell bestraft und müssen in unterirdischen Fabriken endlos Waffen produzieren (etwas anderes scheinen sie gar nicht mehr zu tun). Waffen, die jedoch gar nicht benötigt und sofort wieder vernichtet werden.

    Im Gegensatz zu Sisyphos sind sie sich der Sinnlosigkeit ihres Tuns jedoch nicht bewusst, deswegen hinkt der Vergleich vielleicht etwas. Tatsächlich erfüllt die Arbeit den Protagonisten Don Tylor sogar mit großem Stolz und er freut sich über jede explodierende Bombe, an deren Produktion er beteiligt war (andererseits darf man sich laut Camus Sisyphos ja ebenfalls als einen glücklichen Menschen vorstellen; weil er eine Aufgabe hat).

    Die Menschen sehen sich das „Spektakel“ auch täglich im Fernsehen an und bezeichnen es als „Show“. Letzteren Punkt könnte man durchaus als Medienkritik bzw. als Kritik an der Pervertierung der Unterhaltungsindustrie sehen. Auch wenn die Fernsehlandschaft 1952 sicher noch eine andere war als heute. Wahrscheinlich kritisiert Dick also eher die Berichterstattung über den Kalten Krieg bzw. dessen Stellvertreterkrieg in Korea. Der Ost-West-Konflikt spielt für die Geschichte ja auch eine nicht gerade unbedeutende Rolle.

    Bei der Erwähnung der „Shows“ musste ich auch sofort an Susan Sontags „Das Leiden anderer betrachten“ denken. In ihrem weltberühmten Essay schriebt Sontag ausführlich darüber wie Kriegsbilder uns manipulieren und abstumpfen lassen können - Uns in gewisser Weise aber auch immer faszinieren und befriedigen werden. U.a. heißt es dort: „Zuschauer bei Katastrophen sein, die sich in einem anderen Land ereignen, ist eine durch und durch moderne Erfahrung... Kriege, das sind inzwischen auch Bilder und Töne, die uns im Wohnzimmer erreichen. 'If it bleeds, it leads', lautet seit jeher die Faustregel der Massenpresse und der Nachrichtenkanäle: Blut zieht immer."

    Interessant ist auch dass in „Die Verteidiger“ erstmals Androiden/menschenähnliche Roboter auftauchen, auch wenn sie hier als „Bleimänner“ bezeichnet werden. Sie haben jedenfalls das geschafft, was die Menschen nicht konnten: Sie haben Frieden geschlossen und sich verbrüdert. Eine nette Abweichung zu den meisten Dystopien, in denen Maschinen stets unser Feindbild darstellen und uns gnadenlos auslöschen wollen (mal abgesehen von Asimov vielleicht).

    Hier versuchen sie tatsächlich uns vor unserer Selbstauslöschung zu retten, denn… „Wir fanden heraus, daß menschliche Kulturen bestimmte Phasen durchlaufen (…). Wenn die Kultur altert und ihre Ziele zu verlieren beginnt, entstehen Konflikte zwischen jenen, die die Kultur abschütteln und neue kulturelle Parameter durchsetzen wollen, und jene, die das Alte mit so wenig Veränderungen wie möglich erhalten wollen. (…) Das Ergebnis ist Krieg. Für einen logischen Verstand ist der Krieg absurd. Doch nach Maßgabe menschlicher Bedürfnisse spielt er eine existentielle Rolle. Und das wird er tun, bis der Mensch so reif wird, daß kein Haß mehr in ihm ist.“

    In einer Phase des kulturellen Umbruchs befinden wir uns ja auch gerade (Digitalisierung, Umweltschutz/FFF, Feminismus/#MeToo, Globalisierung/steigende kulturelle Vielfalt, Auflösung der klassischen Geschlechtergrenzen, Neubewertung des Themas Rassismus/kulturelle Aneignung uvm.). Oder um es mit Bob Dylan zu sagen: The times they are a-changin… auch wenn manche Individuen einfach nicht damit klarkommen wollen, dass wir nicht mehr in der Steinzeit leben (siehe u.a. den ansteigenden Rechtsextremismus, Klimaleugner, Verschwörungstheoretiker). Frei von Hass sind wir also noch lange nicht.

    Und auch die Amerikaner wollen in „Die Verteidiger“ ihren Wissensvorsprung (bezüglich der bewohnbaren Erde) natürlich gleich ausnutzen, um zum großen Vernichtungsschlag gegenüber der Sowjetunion auszuholen. Dummerweise war ihr Feind jedoch schneller… und schlauer.

    (Die „Bleimänner“ haben beiden Fraktionen übrigens nicht viel entgegenzusetzen, denn sie sind nicht in der Lage einem Menschen Schaden zuzufügen und halten sich somit an Asimovs erstes Gesetz der Robotik. Stattdessen verschweißen sie einfach sämtliche Zugänge zur Erde, bis der Mensch zur Vernunft gekommen ist. Aus pädagogischer Sicht sicher eine fragwürdige Methode.)

    Die Geschichte endet trotzdem auf einer positiven Note: Die auf der Erde zurückgebliebenen Amerikaner und Sowjets schließen sich (zwangsläufig) zusammen, da sie nur so überleben können. Der erste Schritt zur „Einswerdung der Menschheit“ ist somit getan. Wenn man das Entstehungsjahr der Geschichte berücksichtigt (der Kalte Krieg steckte damals gerade erst in seinen Kinderschuhen) sicher eine fast schon revolutionäre Botschaft. (4,5/5)


    Ergänzung 1: Die Idee hinter „Die Verteidiger“ wird Dick später nochmal für seinen Roman „10 Jahre nach dem Blitz“ recyceln.

    Ergänzung 2: Beide (Kurzgeschichte und Roman) dürften sicher eine große Inspiration für Hugh Howeys „Silo“-Trilogie gewesen sein.

    Ergänzung 3: Hier noch die erwähnte Radio-Version von „Die Verteidiger“:


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  • Was mich bei Die Verteidiger ein wenig verwundert:

    Beide Seiten, Amis und Sowjets, sind acht Jahre unter der Erde, stellen ihr Leben zur Kriegswaffenproduktion Verfügung, es gibt kein Aufbäumen der Gesellschaft und stattdessen entwickelt sich dort sowas wie eine Militärdiktatur.

    Das ist für meinen Geschmack überzeichnet und wirkt arg unrealistisch. Wenn man acht Jahre unter der Erde ist, nie das Sonnenlicht sieht und dann alles dafür gibt, das der Krieg weiter geht, das scheint mir doch arg übertrieben.


    Oben angekommen versuchen unsere Amis direkt wieder, die Situation für ihre Seite zum Vorteil zu gereichen. Da kommt an keiner Stelle die Idee, sich mit dem Gegner auseinander zu setzen und nicht weiter Krieg zu spielen.


    Das die Konflikte innerhalb einer Gesellschaft zu einem Bürgerkrieg führen und um das zu entgehen, würde man Krieg führen erklärt der Bleimann. ist das so? Die westlichen Gesellschaften haben ja seit 1945 viele Krisen hinter sich gebracht, ohne direkt Krieg zu führen. Mir scheint der Beweggrund der Kriege ein andere.


    Das der Mensch durch die diversen Kriege zu einer Weltkultur vereinigt wurde und nur ein weiterer Schritt fehlt, um das zu vollenden, erscheint mir äußerst fragwürdig. Mag sein, das die zwei großen Kriege dazu geführt haben, das die Menschen, vor allem auf Grund des Potenzial der Waffen, sich näher gerückt sind, aber das scheint mir eher eine Systemfrage zu sein. Totalitäre Systeme neigen doch eher dazu Krieg zu führen um ihre Macht zu erhalten. Im heute weit verbreiteten Demokratiesystem mit dem guten Leben und entsprechender Bildung bei den meisten Leuten ist der Krieg doch aus anderen Gründen "aus der Mode" gekommen. Wer stellt sich schon freiwillig dahin und kämpft aus nichtigen Gründen gegen andere Staaten?


    Die Roboter nennen den fehlenden Schritt zur Weltbevölkerung, aber sie füllen ihn nicht mit Leben. Was soll passieren, damit die Menschen sich nicht mehr gegenseitig umbringen? Das ist ein blinder Punkt in der Story und ist nicht nachvollziehbar.


    Das die da oben einen Medienkrieg inszenieren, den es in Wirklichkeit nicht gibt, das fand ich auch eine spannende Idee. Aber was dann oben passiert, das finde ich, ist für mich an den Haaren herbei gezogen.

  • Was mich bei Die Verteidiger ein wenig verwundert: Beide Seiten, Amis und Sowjets, sind acht Jahre unter der Erde, stellen ihr Leben zur Kriegswaffenproduktion Verfügung, es gibt kein Aufbäumen der Gesellschaft und stattdessen entwickelt sich dort sowas wie eine Militärdiktatur. Das ist für meinen Geschmack überzeichnet und wirkt arg unrealistisch. (...) Oben angekommen versuchen unsere Amis direkt wieder, die Situation für ihre Seite zum Vorteil zu gereichen. Da kommt an keiner Stelle die Idee, sich mit dem Gegner auseinander zu setzen und nicht weiter Krieg zu spielen. (...) was dann oben passiert, das finde ich, ist für mich an den Haaren herbei gezogen.

    Ich habe die Geschichte ehrlich gesagt gar nicht so nach ihrem Realismus-Gehalt abgeklopft und denke auch nicht das Dick hier das Ziel hatte ein möglichst realistisches Zukunft abzubilden.

    Mann muss das Ganze auch im zeitlichen Kontext der Entstehung betrachten: Kalter Krieg, Angst vor der atomaren Vernichtung... Dick greift diese Ereignisse/reale Ängste auf und entwirft dann ein übertriebenes Worst-Case-Szenario. Ich denke man sollte "Die Verteidiger" eher als eine Art Parabel sehen.

    Wenn dich aber gerade die Ereignisse an der Oberfläche gestört haben, kann ich dir den oben erwähnten PKD-Roman „10 Jahre nach dem Blitz“ empfehlen. Dort gestaltet sich die Entwicklung auf der Erde nämlich etwas anders.

    Die Roboter nennen den fehlenden Schritt zur Weltbevölkerung, aber sie füllen ihn nicht mit Leben. Was soll passieren, damit die Menschen sich nicht mehr gegenseitig umbringen? Das ist ein blinder Punkt in der Story und ist nicht nachvollziehbar.

    Stimmt, sie füllen ihn nicht mit Leben (und wollen dies auch gar nicht): Ihre Taktik ist ja eher die systematische Zermürbung der Menschen - Bis diese gar nicht mehr in der Lage sind noch einen Krieg zu führen.

  • Die Lebenswirklichkeit der Bunkergesellschaft wird von Dick ja nur angerissen. Richtig glücklich ist sie jedenfalls nicht. Viel harte Arbeit, gesellschaftlicher Druck und Missmut in den Beziehungen.

    Auch will man gar nicht so genau wissen, wie eine Dorfgemeinschaft aus Soldaten funktioniert.


    Die Idee der verantwortungsvollen Kriegsroboter ist auf jeden Fall sehr optimistisch. Hab das mit Dick irgendwie bisher nicht so in Verbindung gebracht.

  • Hallo zusammen,


    so weit hergeholt ist mir das Darben im Bunker nicht. Wie sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus? Die Städte? Die Industrie? Noch heute sind die Bombentrichter zu sehen. Und doch ging man zur Arbeit, schraubte Bomben zusammen.


    Da passen auch die neuen Waffen hinein, die es dem Gegner mal so richtig zeigen sollen. Und der vermeintliche Stolz, dass Moskau einen drauf gekriegt hat. Man schaue sich nur mal Wochenschauen aus dem Zweiten Weltkrieg an, selbst Rückzüge wurden als Sieg verkauft. Und die "Heimatfront" wurde zusammengehalten - Durchhalteparolen noch und nöcher.


    Ich weiß nicht, ob Dick das Wort kannte bzw. ob es eine englische Entsprechung gibt, aber dass er die kriegsführenden Nationen unter die Erde geschickt hat, lässt sich als Überzeichnen der "Bunkermentalität" lesen.


    Ich glaube aber, dass Dick diesen Film "Duck and Cover" (1951) kannte.


    Den beschriebenen Weg hin zu einer geeinten Welt empfinde ich als überaus naiv. Auch das mit ein paar Sätzen beschriebene "Wir arbeiten jetzt mal zusammen" der Menschen auf der Erdoberfläche. Gerade noch wollten es die Amerikaner den Russen zeigen, schon sind alle Menschen Brüder.


    Zu den Bleimännern. Trotz der eingebauten Restriktionen können sie Widerstand gegen ihre Erbauer leisten. Ein interessanter Beitrag zum Thema "Künstliche Intelligenz".


    Viele Grüße

    Tobias

  • Mr. Raumschiff (Mr. Spaceship) erschien erstmals 1953 im Januar in Imagination:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?58885


    Insgesamt gibt es viele Veröffentlichungen, die deutschsprachigen aber nur im vorliegenden Band bzw. seinem Vorläufer:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?58217


    Eine Geschichte über den Krieg, aber eine romantische Geschichte.

    Erst dachte ich, nicht schon wieder eine Kriegsstory. Die Yucconae sind der erbitterte Gegner und haben ihr Sonnensystem mit lebendigen Minen ausgerüstet, die der automatischen Steuerung der irdischen Schiffe überlegen ist.

    Daher die Idee ein Gehirn in ein Raumschiff zu verpflanzen und es damit zu steuern, um den Minen überlegen oder zumindest gleichwertig zu sein. Warum das menschliche Gehirn der Automatik überlegen ist, wird im Details nicht erklärt.


    Kramer, der Projektleiter kommt auf Hinweis seiner Noch-Ehefrau Dolores auf die Idee, ihren alten Professor Michael Thomas für das Projekt zu überzeugen. Michael ist alt und willigt ein nachdem er die Baupläne studiert hat.

    Und es kommt anders als man denkt.

    Die Geschichte scheint sich zu verzetteln, da sie sich mehr um die Menschen kümmert als um die Idee eines gehirngesteuerten Schiffes. Aber der Eindruck täuscht. Das Schiff hat seinen eigenen Willen und ist damit jeden Automaten überlegen. So verweigert das Schiff und damit Michael Thomas den Krieg und will stattdessen Menschen auf einem anderen Planeten besiedeln, um zu prüfen, ob diese wirklich Krieg führen (also dieser instinktiv geführt wird) oder nicht (in dem Fall wäre Krieg nur Gewohnheit).


    Die Idee gefällt mir sehr gut. Sie endet natürlich offen und ob zwei Personen für eine neue Kolonie ausreichen und ob es unbedingt die Wiederversöhnung von Kramer und Dolores sein muss, da kann man trefflich drüber streiten.

    Aber das dieses lebendige Kriegsschiff den Kriegsdienst verweigert und stattdessen versucht, eine neue Evolution zu schaffen, das ist eine wirklich anrührende Idee.

    Hat mir sehr gut gefallen die Geschichte.

  • Die Lebenswirklichkeit der Bunkergesellschaft wird von Dick ja nur angerissen. Richtig glücklich ist sie jedenfalls nicht.

    So habe ich es auch aufgefasst.

    Von einer Kurzgeschichte darf man eben auch kein allzu komplexes Worldbuilding erwarten. Später hat Dick die Idee ja wieder in einem Roman aufgegriffen und ihr mehr Raum geboten.

    ...so weit hergeholt ist mir das Darben im Bunker nicht. Wie sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus?

    Stimmt.

    Den beschriebenen Weg hin zu einer geeinten Welt empfinde ich als überaus naiv (...) Gerade noch wollten es die Amerikaner den Russen zeigen, schon sind alle Menschen Brüder.

    Naja, sie arbeiten ja nur gezwungenermaßen zusammen, da sie ansonsten nicht überleben könnten. Von Friede, Freude, Eierkuchen ist die Menschheit ja noch weit entfernt. Zumal wir hier auch nur von einer kleinen Gruppe sprechen, die ihre Differenzen beiseitelegt.

    Erst dachte ich, nicht schon wieder eine Kriegsstory.

    Ich auch. Die Themen waren bei Dick anfangs teilweise doch recht begrenzt. Die autark funktionierenden Waffen erinnert an „Die Kanone“, die Tatsache dass hier erneut Maschinen für die Menschen in den Kampf ziehen (und sie spät geradezu elterlich umsorgen und zu ihrem Wohl bevormunden) an „Die Verteidiger“ - Nichts Neues also soweit.

    Zudem ist „Mister Raumschiff“ mMn leider auch noch ziemlich langatmig geraten - Interessant wird es erst auf den letzten zehn Seiten, auf denen uns Dick quasi eine neue Schöpfungsgeschichte (inklusive Adam & Eva und Arche Noah) präsentiert. Der selbsternannte Gott in dieser Erzählung kommt nämlich zu dem Ergebnis dass die Menschheit völlig am Arsch ist und uns nur noch ein Neuanfang retten kann - Also schnappt er sich zwei Menschen und sucht für sie eine neuen Erde.

    Mir war nicht mehr bewusst das bei Dick schon so früh religiöse Motive auftauchen und auch so eine starke Rolle spielen - aus dieser Sicht war „Mr. Raumschiff“ also durchaus erhellend - wirklich gelungen ist die Geschichte (aus oben genannten Gründen) jedoch leider nicht.

    Daher die Idee ein Gehirn in ein Raumschiff zu verpflanzen und es damit zu steuern, um den Minen überlegen oder zumindest gleichwertig zu sein. Warum das menschliche Gehirn der Automatik überlegen ist, wird im Details nicht erklärt.

    So sieht es aus. Mir hat sich ehrlich gesagt auch nicht erschlossen, warum man unbedingt ein menschliches Hirn verwenden musste, anstatt das Schiff einfach aus sicherer Entfernung fernzusteuern (Stichwort: Drone).

    Und warum unser apotheotischer Collegeprofessor, dessen Hirn für diese Operation genommen wird, seinen naiven Plan nicht einfach schon viel früher umgesetzt hat, ist auch nicht verständlich - Sein „Transfer“ war dafür jedenfalls nicht zwingend notwendig. Es wird zwar erwähnt, dass er nun endlich lange genug leben könne, um das „Experiment“ in die richtige Richtung zu lenken, mit ein paar Gleichgesinnten, die seine Ansichten teilen, wäre sein Vorhandensein jedoch eigentlich nicht mehr nötig. Aber man kennt es inzwischen ja aus unzähligen Sci-Fi-Stories: Sobald der Mensch nicht mehr an seinen sterblichen Körper geknüpft ist, kriegt er gleich den Höhenflug und hält sich für unverzichtbar (zuletzt u.a. gesehen im Film „Trancendence“).


    Noch erwähnenswert: Bei der „Operation Kopf“ kam stellenweise dezentes Frankenstein-Feeling auf: Ein Wissenschaftler (Kramer) erweckt etwas unlebendiges/totes zum Leben, verliert aber schnell die Kontrolle über seine Schöpfung und wendet sich ab. Nur dass der „moderne Prometheus“ diesmal nicht der Schöpfer, sondern die Schöpfung selbst ist und beide am Ende hoffnungsvoll durchs All fliegen, statt jämmerlich am Nordpol zu verrecken. Mehr Tiefgang als ein „Make Love, not War“-Plakat darf man von „Mister Raumschiff“ allerdings nicht erwarten. Für mich bisher die schlechteste Geschichte in diesem Band. (2/5)

  • Ich fand die Story auch nicht so toll. Wirkte auf mich sehr ungar, wenig durchdacht. Aber lag vielleicht im Trend, sich mit selbständigen Hirnen auseinander zu setzen, Donovans Hirn lässt grüßen.


    Jedenfalls reichen zwei Menschen nicht aus, den Genpool zu erhalten. Wenn man natürlich religiös ist und an die Genesis glaubt, spielt das keine Rolle.

  • Hallo zusammen,


    "Mr. Raumschiff" bleibt bei mir an dem Punkt hängen, an dem Krieg als "kulturelle Institution" erklärt wird. Okay, der Stand in der Primatenforschung war 1952 wohl noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem planvolles Vorgehen gegen Konkurrenten bis hin zu Mord als zur Natur unserer nahen Verwandten erkannt wurde. Und dass Eskimos und Indianer Krieg nicht gekannt haben, nun ja, da schaue man sich nur die Wanderungsbewegung z.B. der Anasazi an. Die sind nicht freiwillig Richtung Rio Grande ausgewichen. Und, ähm, ein Tomahawk ist nicht unbedingt eine Jagdwaffe. Und das Kriegsbeil haben die Ureinwohner Nordamerikas auch nicht erst mit der Landnahme euorpäischer Siedler ausgegraben. In der Hinsicht scheint mir die Geschichte arg naiv. Und dass sich Dolores dann mal flugs an Phil schmiegt, das ist natürlich durch die Sorge um den Gesundheitszustand des Ex-Partners schon begründet, aber die Dimension, dass sie und Phil als Stammeltern einer neuen Menschheit dienen sollen/werden/können, sollte dann doch den Neuanfang als Paar in den Hintergrund drängen.


    Als sehr passend empfand ich den Dreh, dass der Professor sein Handeln auf das behütete Erschaffen einer neuen Menschheit ausrichtet. Er wird als gläubiger Mensch beschrieben, da kann er gar letztlich nicht anders.


    Mir gefiel auch, dass sich das menschliche Denken dem mechanischen Denken der automatischen Steuerung als überlegen erweist. Aber warum wird da die Steuerung von Schiffen nicht gleich komplett an einen Menschen übergeben? Warum wird nur das Hirn benutzt? Allein die Reflexe machen ein Schiff ja nicht cleverer ... Mutmaße ich jetzt mal. Und ich finde es schon überraschend, dass sich das Hirn des Professors in taktischer Hinsicht den Automaten des Geschwaders als überlegen erweist. Nun ja, das erklärt, warum die Kampfschiffe im Proxima System keine Chance gegen die lebendigen Minen haben. Die müssen wirklich recht schlecht für Kampfsituationen geeignet sein.


    Apropos Minen. Die verfolgenden Minen gab es bereits in "Die Verteidiger".


    Bislang gefällt mir "Mr. Raumschiff" von den gelesenen Kurzgeschichten am wenigsten.


    Viele Grüße

    Tobias

  • "Mr. Raumschiff" bleibt bei mir an dem Punkt hängen, an dem Krieg als "kulturelle Institution" erklärt wird.

    Da bin ich ganz bei dir. Deswegen schrieb ich ja auch von einem "naiven Plan" des Professors.

    Aber warum wird da die Steuerung von Schiffen nicht gleich komplett an einen Menschen übergeben?

    Du meinst an Bord des Raumschiffs? Es wird, glaube ich, erwähnt, dass das ein Mensch nicht überleben könnte.

    Bislang gefällt mir "Mr. Raumschiff" von den gelesenen Kurzgeschichten am wenigsten.

    Dito.

  • Ich mach dann mal weiter mit...


    Pfeifer im Wald:

    Worum geht’s: Corporal Westerburg ist auf dem Asteroiden Y-3 stationiert und für die Kontrolle der Raumschiffe zuständig, die aus dem Tiefraum zurückkehren. Allerdings legt er plötzlich seine Arbeit nieder, behauptet eine Pflanze zu sein und sitzt fortan den ganzen Tag bewegungslos in der Sonne. Der Psychiater Harry Harris soll nun herausfinden, was mit dem jungen Mann nicht stimmt – Doch bevor er sich ein genaues Bild von seinem Patienten machen kann, treten weitere Fälle auf, die unter den gleichen Symptomen wie Westerburg leiden. Und es werden immer mehr…



    „Also“ sagte Doktor Harry Harris freundlich, „warum glauben Sie, daß Sie eine Pflanze sind, Corporal Westerburg?“ Bereits der Anfang von „Pfeifer im Wald“ beinhaltet alle Zutaten einer typischen Dick-Geschichte: Psychiater, Wahnsinn, fremde Planeten. Hier kombiniert er jedoch erstmals das Thema Psychosen/Psychische Erkrankungen mit dem Sci-Fi-Genre (Letzteres gab es bei „Roog“ ja noch nicht).

    Die Prämisse erinnert natürlich stark an „Die Vegetarierin“ von Han Kang. Dort hält sich die Protagonistin ebenfalls für eine Pflanz, stellt bald ihre Nahrungsaufnahme ein und (Spoiler!) verhungert schlussendlich in einer Psychiatrie. Der kurze und extrem lesenswerte Roman ist allerdings erst 55 Jahre nach „Pfeifer im Wald“ erschienen, kann hier also nur schwerlich Vorbild gewesen sein. (Wie sich die „Pflanzen“ bei Dick ernähren wird übrigens nicht geklärt.)

    Doktor Harris hat für das seltsame Phänomen der „Verwandlung“ jedenfalls zunächst eine einfache Erklärung: Der gesellschaftliche Druck und das enorme Arbeitspensum waren für die betroffenen Personen einfach zu viel, weswegen sie quasi zu Pflanzen „retardiert“ sind. Ich musste bei Harris Diagnose irgendwie sofort an Rainald Goetz und seinen Psychiatrie-Roman „Irre“ denken. Über den „Sinn und Zweck“ von Wahnsinn schreibt er dort:

    „In einer von falschem Bewußtsein bestimmten Praxis seines durchaus freien Willens hat der Irre den Wahn gewählt, er will also den Wahnsinn, um sich den Geboten von Kapital und Staat fügen zu können, indem er von den Ansprüchen der bürgerlichen Welt auf Tauglichkeit ihrer Mitglieder einfach sich dispensiert.“ (Rainald Goetz, Irre)

    Das gleiche geschieht auch hier - Oder vielleicht auch nicht. Eine rein psychiatrische oder anti-kapitalistische Erklärung scheint jedenfalls nicht die ganze Lösung zu sein. Eine der menschlichen Pflanzen erzählt Harris bald von den mysteriösen Pfeifern im Wald, die uns von der Last des Menschseins befreien wollen, indem sie uns zeigen, wie man die geistige Einstellung einer Pflanze annimmt. Spätestens als die Bewohner des seltsamen Waldes in Erscheinung treten, musste ich auch an das surreale Meisterwerk „Die Schnecke am Hang“ der Strugatzkis denken - Rationaler Verwaltungsapparat auf der einen, psychotroper Wald auf der anderen Seite.

    Man kann der Geschichte sicher vorwerfen dass das Ende ziemlich vorhersehbar ist: Natürlich wechselt der Psychiater die Seite und wird (unter dem Druck all seine Patienten zu heilen und eine Erklärung für deren Verwandlung zu finden) selbst zur „Pflanze“ - Weniger stimmungsvoll ist es dadurch mMn aber nicht. Zumal uns Dick eine finale Erklärung verwehrt und es dem Leser überlässt das Ganze zu interpretieren. Gibt es die Pfeifer wirklich? Und wenn ja, wollen sie uns helfen oder ausschalten? Haben die Menschen/Pflanzen eine Psychose oder ein Burnout? Oder spielen sie ihre Symptome einfach nur vor, um nicht mehr arbeiten zu müssen?


    Ergänzung 1: Die Pflanzen-Thematik wird Dick später nochmals bei „Das Vater-Ding“ aufgreifen. Eine Idee, die später dann von Jack Finney für seinen Roman „Die Körperfresser kommen“ dreist geklaut wurde.

    Ergänzung 2: „Pfeifer im Wald“ hat durchaus auch ein paar Parallelen zu Alan Moores genialen „Swamp Thing“-Run (1983-1987). Dort gibt es keine Menschen, die sich für Pflanzen halten, sondern eine Pflanze, die glaubt ein Mensch zu sein und die die Erkenntnis ihres wahren Seins in eine tiefe Sinnkrise wirft. (4,5/5)

    (PS: Das Bild stammt aus dem Film "Annihilation")

  • Eine Geschichte, in der es sich darum dreht, das die Leute vorher gebrannt haben etwas zu erreichen um dann einzusehen, dass alle Anstrengung umsonst ist und das wahre Leben dadurch stattfindet, das man in der Sonne liegt und nichts tut.

    Diese Prämisse ausgelegt auf eine invasive Form auf einem Asteroiden, der weit draußen klein ist, aber die gleichen Verhältnisse wie auf der Erde, ein Wald, in dem die geheimnisvollen Pfeifer neben den Eingeborenen leben, von den Pfeifern weiß man nicht ob sie wirklich existieren.

    Alles in der Geschichte bleibt offen und so am Ende auch der schale Geschmack, was das eigentlich alles soll, Für mich eine unausgereifte Geschichte, die grundsätzliche Idee ist okay, aber die Umsetzung finde ich arg übersichtlich und dazu ist die Story noch breit ausgewalzt. Nee, das war nix.


    Das Titelbild der Originalpublikation ist typische SF:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?419519


    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?58881

  • Alles in der Geschichte bleibt offen und so am Ende auch der schale Geschmack, was das eigentlich alles soll

    Ich persönlich habe ja kein Problem mit einem offenen Ende bzw. einer fehlenden Aufklärung. Erst recht nicht, wenn es (wie hier) in Richtung Surrealismus geht. Bei Kafka fragt ja schließlich auch niemand warum Gregor Samsa eines Morgens als Käfer erwacht (...und laut Art Spiegelmann ist Philip K Dick immerhin für die zweite Hälfte des 20.Jahrhunderts das, was Franz Kafka für die erste war :D.). Aber das ist natürlich absolute Geschmackssache. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du das offene Ende beim "Vogelgott" ja auch nicht gemocht.

    Ich würde der Geschichte deswegen jedoch nicht gleich die Sinnhaftigkeit absprechen, bzw. mal die Frage in den Raum werfen, ob eine Geschichte denn immer unbedingt etwas "sollen" muss.

    Für mich eine unausgereifte Geschichte

    Woran machst du das fest? Nur am offenen Ende?

    ...dazu ist die Story noch breit ausgewalzt.

    Naja, bei einem Umfang von 28 Seiten würde ich nicht unbedingt von "breit ausgewalzt" sprechen.