Philip K. Dick - Sämtliche 118 SF-Geschichten Band 1: Und jenseits – das Wobb

  • Hallo zusammen,


    "Stabilität" - bei den weißen Flügeln habe ich an den Beginn des Films "Brazil" gedacht. Später dann beinah nochmal, weil die Bürokratie so absurd daherkommt. Das Einflechten der Legende hat mich sehr überrascht. Zeitreise mischt sich mit Gedankenmanipulation (über die Zeiten hinweg). Und dann übernimmt die Legende die Weltherrschaft. Das Ende ist natürlich fies - man arragniert sich mit den Zuständen, ob Stagnation oder Sklaverei, man muckt nicht auf. Benton freut sich ja sogar auf den in der Ferne liegenden freien Tag (?).


    "Roog" - Ich arbeite als Brief- und Paketzusteller. Es gibt Hunde, die sind so neurotisch. Es gibt einen in meiner Tour, der mag die Farbe unserer Dienstkleidung überhaupt nicht. Der tischt aus, sobald er mich bzw. mein dunkelblau-gelb sieht. Dabei will ich garnicht an den Müll. An den Briefeinwurfschlitz muss ich auch nicht mehr, die Hunde- und Hausbesitzerin fürchtet um den Zustand ihrer Post, ich darf alles in die Zeitungsrolle schieben. Aber vielleicht sind es ja doch keine Müllmänner und vielleicht bin ich kein Postbote. Aber Spaß beiseite, im Anhang beschreibt Dick ja den Hintergrund zur Geschichte. Wie sieht die Welt für einen Hund aus? Woran sich für mich die Frage anschließt, was mein Hund in mir sieht?

  • Willkommen im Forum, Tobias.

    "Stabilität" - bei den weißen Flügeln habe ich an den Beginn des Films "Brazil" gedacht. Später dann beinah nochmal, weil die Bürokratie so absurd daherkommt.

    Stimmt. Da hätte ich eigentlich auch drauf kommen können.

    (Schade dass Terry Gilliam nie eine PKD-Geschichte verfilmt hat.)

  • Die dritte und letzte Geschichte für diese Woche.

    Die kleine Bewegung (The Little Movement) erschien 1952 im noch heute existierenden Magazine of Science Fiction and Fantasy:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?55961


    Als Eine Handvoll Dunkelheit erschien sie 1963 auf Deutsch:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?369858


    Die Geschichte handelt von einer Invasion, die von einer Konkurrenzinvasion gestoppt wird. Eine nette Geschichte, die mich aber auch durch den Twist am Ende nicht wirklich überzeugt. Könnte als Vorlage für Toy Story gedient haben und hat auch einen gewissen Gruselfaktor.

  • Eine nette Geschichte, die mich aber auch durch den Twist am Ende nicht wirklich überzeugt.

    Ging mit ähnlich. Meine Meinung:


    Die kleine Bewegung:

    Worum geht’s: Eine Armee von Spielzeugsoldaten plant die Menschheit zu unterjochen. Dabei will sie sich besonders die Dummheit der Kinder zu Nutze machen. Der Plan: Die Kinder sollen durch stetige Indoktrination zu Waffenexporteuren gemacht werden und die Soldaten über Spielzeugläden mit dem nötigen Equipment ausstatten. Dummerweise haben sie jedoch nicht mit Gegenwehr aus den eigenen Reihen gerechnet.


    Genau wie Mammut, musste ich sofort an Toy Story denken. Ein bisschen „Chucky - Die Mörderpuppe“ kommt auch noch ins Spiel (Böses Spielzeug das Menschen töten will). Und Bradburys „Alle Jungs züchten Riesenpilze” könnte man ebenfalls als Referenz erwähnen (Aliens, die die Welt infiltrieren und sich Kinder zu Nutze machen). Letzte Geschichte gefällt mir übrigens deutlich besser als "Die kleine Bewegung".

    Dick verarbeitet hier Themen wie Konformismus und blinden Gehorsam und prangert an das man Kinder nur noch dazu erzieht zu gehorchen statt selbstständig zu denken. Die gewählte Prämisse (lebendiges Spielzeug) fand ich persönlich allerdings ein bisschen albern. Auch wenn sie im kindlichen Kontext natürlich durchaus Sinn ergibt.

    Und da heutzutage immer mal wieder Babyphones oder Spielzeuge (mit integrierter Kamera) gehackt werden und Kinder mit Alexa & Co. kommunizieren, als wären die Dinger ein weiteres Mitglied der Familie, erscheint eine „feindliche Invasion“ im Kinderzimmer eigentlich gar nicht mal so unrealistisch. Und auch Spielzeug, das Kinder auffordert immer noch mehr Spielzeug zu kaufen, ist inzwischen längst keine Zukunftsmusik mehr (siehe u.a. diverse Free-To-Play- bzw. Pay-To-Win-Games).

    Nachdenklich schreite ich zum Fenster und schüttle den Kopf… „Wo soll das nur alles hinführen? Wo soll das nur alles hin...“

    Eine eher mittelmäßige Geschichte. (2,5/5)

  • Bei »Roog« gefällt mir die Alien-Interpretation auch besser als die des gestörten Hundes. Las sich aber schön schräg.

    »Die kleine Bewegung« ist sehr gruselig und ich musste auch an »Toy Story« denken, ohne den Film gesehen zu haben, rein vom Thema her. Allerdings fand ich diesen Machtübernahmeversuch sehr dünn inszeniert.

  • Weiter geht’s mit...


    Und jenseits - das Wobb:

    Worum geht’s: Da der gesamte Proviant verdorben ist, droht der Mannschaft eines Raumschiffes der Hungertod. Glücklicherweise fällt ihnen jedoch noch gerade rechtzeitig ein „Wobb“ (ein abstoßendes Alien, das Ähnlichkeit zu einem Schwein aufweist) in die Hände. Der Captain des Schiffes muss jedoch schnell feststellen, dass es sich bei seinem geplanten Mittagessen um ein extrem intelligentes und vernunftbegabtes Wesen handelt.


    Die erste PKD-Geschichte die je veröffentlicht wurde - Und zwar im Juli 1952 in „Planet Stories“. Laut Dick dem „wildesten aller Schundmagazine, das damals in den Zeitschriftenständern zu finden war“. Geschrieben hatte er sie circa ein halbes Jahr früher. Aus historischer Sicht ist sie also mindestens so bedeutsam wie „Roog“.

    Und dass sie den Titel dieses Buches trägt, zeigt ja auch, dass es sich bei „Und jenseits - das Wobb“ um eine relativ beliebte und bekannte Story handelt, die dementsprechend regelmäßig in diversen PKD-Sammlungen auftaucht (u.a. in „Die besten Stories von Philip K. Dick“)

    Dick zeichnet hier mal wieder kein gutes Bild von der Menschheit: Da entdeckt sie eine völlig neue und faszinierende Lebensform und die erste Frage die sie sich stellt lautet - „Wie schmeckt sie wohl?“

    Die Highlights in dieser Geschichte sind sicher die Gespräche zwischen dem Wobb und dem Captain. Zum Beispiel in der Szene in der sich das Wobb förmlich anpreist: „Sie sprechen davon mich zu verspeisen. Der Geschmack, hab ich mir sagen lassen, ist gut. Ein bisschen fett, aber sehr zart.“ Dann aber wieder einlenkt: „Aber wie kann zwischen Ihren Leuten und meinen ein dauerhafter Kontakt hergestellt werden, wenn sie derart barbarisches Verhalten an den Tag legen? Mich essen? Sie sollten lieber mit mir philosophische Fragen diskutieren.“

    Eine humorvolle Erzählung mit einer gelungenen Schlusspointe: Es heißt ja immer „Du bist, was du isst“, manchmal verhält es sich aber auch genau andersherum. (4,5/5)


    Ergänzung: Die Idee, dass eine außerirdische Lebensform in einen Menschen eindringt und die Kontrolle über ihn übernimmt, sollte ja u.a. auch ein Handlungsstrang seines Romans „Die Eule im Tageslicht“ werden. Diesen hat Dick jedoch leider nie geschrieben, da er noch während der Planungsphase verstarb. Ich finde es aber durchaus interessant, dass es eine Verbindung zwischen einer seiner ersten und seiner letzten Geschichte gibt. Alles Teil des großen Mysteriums :D.


  • Die erste PKD-Geschichte die je veröffentlicht wurde - Und zwar im Juli 1952 in „Planet Stories“. Laut Dick dem „wildesten aller Schundmagazine, das damals in den Zeitschriftenständern zu finden war“. Geschrieben hatte er sie circa ein halbes Jahr früher. Aus historischer Sicht ist sie also mindestens so bedeutsam wie „Roog“.

    Und dass sie den Titel dieses Buches trägt, zeigt ja auch, dass es sich bei „Und jenseits - das Wobb“ um eine relativ beliebte und bekannte Story handelt, die dementsprechend regelmäßig in diversen PKD-Sammlungen auftaucht (u.a. in „Die besten Stories von Philip K. Dick“)

    Dick zeichnet hier mal wieder kein gutes Bild von der Menschheit: Da entdeckt sie eine völlig neue und faszinierende Lebensform und die erste Frage die sie sich stellt lautet - „Wie schmeckt sie wohl?“

    Die Highlights in dieser Geschichte sind sicher die Gespräche zwischen dem Wobb und dem Captain. Zum Beispiel in der Szene in der sich das Wobb förmlich anpreist: „Sie sprechen davon mich zu verspeisen. Der Geschmack, hab ich mir sagen lassen, ist gut. Ein bisschen fett, aber sehr zart.“ Dann aber wieder einlenkt: „Aber wie kann zwischen Ihren Leuten und meinen ein dauerhafter Kontakt hergestellt werden, wenn sie derart barbarisches Verhalten an den Tag legen? Mich essen? Sie sollten lieber mit mir philosophische Fragen diskutieren.“

    Eine humorvolle Erzählung mit einer gelungenen Schlusspointe: Es heißt ja immer „Du bist, was du isst“, manchmal verhält es sich aber auch genau andersherum. (4,5/5)

    Dem kann man kaum was zufügen. Hier zeigt sich, der erste Eindruck muss nicht der richtige sein und Äußerlichkeiten täuschen. Wenn man ein Schwein sieht, muss es noch lange kein Schwein sein und die Mächtigkeit einer Spezies zeigt sich ja auch erst wenn es drauf ankommt, im vorliegenden Fall wenn sie verspeist wurde. Hat mir ebenfalls gut gefallen.

  • Und jenseits - das Wobb

    Gefiel mir sehr. Schön lakonisch und böse. Man erfährt leider wenig über die Rasse des Wobb, aber durch die Pointe ist das auch nicht so wichtig.


    Zum Procedere – leser wir weiterhin drei Geschichten pro Woche?

  • Lasst uns doch eine Geschichte nach der anderen lesen. Wenn alle drei was geschrieben haben, beginnen wir mit der nächsten. Okay?

    Dann fang ich einfach mal an.

    Die Kanone (The Gun) erschien erstmals 1952 in Planet Stories und die deutsche Erstübersetzung ist 1998 bei Haffmans erschienen:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?58198


    Menschen entdecken eine gewaltige Kernspaltung und reisen mit einem Raumschiff hin. Sie finden eine zerstörte Welt auf der nichts mehr lebt. Das Schiff wird abgeschossen und muss notlanden auf dem versehrten Planeten. Sie machen sich neben der Reparatur auf die Suche nach dem, was sie abgeschossen haben und finden eine Kanone, die automatisch funktioniert und ihre Erschaffer überdauert hat.

    Die Kanone überwacht die Aufzeichnungen der Erbauer und damit über die kulturelle Vergangenheit dieser.

    Die Menschen überlisten die Maschine und kehren zurück zur Erde, in der sicheren Erkenntnis, die Hinterlassenschaften sind sicher und warten auf die Abholung.

    Doch die Maschinen erwachen zum Leben und reparieren die Kanone.


    Eine Geschichte über die Funktionalität einer Maschine, ihre rein mechanischen Existenz und Motivation sowie ihrer Selbstreparaturfähigkeit. Und das alles um die Hinterlassenschaften ihrer Erbauer zu beschützen, selbst dann, als diese längst ausgelöscht sind.


    Eine etwas simple Geschichte über Maschinen, die um ihren Zweck willen funktionieren. Das sie Wissen schützen, macht die Geschichte für mich nicht interessanter. Wie seht ihr das?

  • Eine etwas simple Geschichte über Maschinen, die um ihren Zweck willen funktionieren. Wie seht ihr das?

    Sehe ich ähnlich.

    Man sollte aber bedenken: Zur Zeit der Entstehung von "Die Kanone" war die Angst vor der atomaren Vernichtung allgegenwärtig. Dick zeigt hier mMn recht eindrücklich den Irrsinn einer Menschheit auf, die Waffen erschaffen hat, die in der Lage sind, ganze Planeten zu vernichten/unbewohnbar zu machen… und es im Fall von „Die Kanone“ sogar noch tun, wenn es eigentlich gar nichts mehr zu vernichten bzw. zu beschützen gibt.

    Die Kanone überwacht die Aufzeichnungen der Erbauer und damit über die kulturelle Vergangenheit dieser.

    Die Menschen überlisten die Maschine und kehren zurück zur Erde, in der sicheren Erkenntnis, die Hinterlassenschaften sind sicher und warten auf die Abholung.

    Sind es wirklich Menschen, die die Maschine überlisten - Oder Aliens? Und kehren diese wirklich zur Erde zurück? Der Planet auf dem sie gelandet sind (und auf dem sich die Kanone befindet), könnte doch genau so gut die eigentliche Erde sein (Somit hätte Dick ja im Prinzip schon den berühmten „Planet der Affen“-Abschlussgag vorweggenommen). Ich finde Dick lässt jedenfalls viel Raum für Interpretationen...

    Erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass nach dem Tod des Captains das Kommando an eine Frau weitergegeben wird. 1952 sicher progressiver Scheiß bzw. blanker Wahnsinn. Auch wenn man zugeben muss, dass gerade die Frauenrollen bei Dick häufig recht schwierig sind.

    Die eigentliche Handlung, finale Flucht und Schlusspointe (die Waffe repariert sich nach der Abreise der Crew wieder von selbst) ist allerdings tatsächlich nicht besonders spektakulär.


    Ergänzung: „Könnten sie nicht im Untergrund leben?“ fragt an einer Stelle ein Crewmitglied den Captain. Eine Idee, die Dick später in seinem Roman „10 Jahre nach dem Blitz“ und der Kurzgeschichte „Die Verteidiger“ wieder aufgreifen wird. (2,5/5)