Philip K. Dick - Sämtliche 118 SF-Geschichten Band 1: Und jenseits – das Wobb

  • In Cosmos Science Fiction and Fantasy Magazine, September 1953 erschien Das große C:

    http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?202233


    ...und wurde später in dem Roman Deus Irea weiter verarbeitet, ein Roman, der mir damals schon nicht gefallen hat.

    In einer Zeit nach dem Atomkrieg beten Menschen (unfreiwillig?) das Große C an und einmal im Jahr stellen sie drei Fragen. Sollte das Große C die Fragen nicht beantworten, verschont es den Überbringer, ansonsten "verdaut die Maschine", eine Art mechanisches Orakel mittels Salzsäure den entsprechenden Fragenden.

    Mich hat die Geschichte nicht überzeugt. Ein menschenfressender Maschinengott, ich fand das arg dünn. Die Maschine hatte auch was von einem Klugscheißer, was mich zusätzlich genervt hat. Wobei die generelle Szene in dem "Amt" mit all den Knochenresten, das hat schon was von einer Horrorgeschichte.

  • ..und wurde später in dem Roman Deus Irea weiter verarbeitet, ein Roman, der mir damals schon nicht gefallen hat.

    Der Roman, den er zusammen mit Roger Zelazny geschrieben hat, gilt ja allgemein eher als misslungen. Mir hat er damals allerdings gut gefallen. Dementsprechend habe ich "Das große C" auch wesentlich positiver beurteilt:

    Mich hat die Geschichte nicht überzeugt. Ein menschenfressender Maschinengott, ich fand das arg dünn. Die Maschine hatte auch was von einem Klugscheißer, was mich zusätzlich genervt hat.

    Ich musste sofort an die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ denken und fand die egoistische, selbstverliebte Maschine generell ziemlich amüsant. Sie genießt, dass die Menschen sie verehren und vor ihr erzittern und prahlt damit, schlauer als Einstein zu sein. Dabei verarscht sie die Menschen eigentlich nur und ist in Wahrheit eine ziemlich bedeutungslose K.I., die praktisch über keinerlei Macht verfügt.

    So dünn fand ich die Geschichte ebenfalls nicht: Dick sagt hier doch eine Menge über das Entstehen von Religionen aus, indem Dinge eben völlig verklärt werden, damit Andere ihren Nutzen daraus ziehen können, am Ende aber (zumindest in dieser Geschichte) alles reine Fiktion ist.

    Dabei bedient sich die Maschine eines äußerst perfidem Systems: Indem sie den Fragesteller jedes Mal tötet, bleibt sie einerseits am Leben (denn sie nutzt die Menschen quasi als Batterie), hält die Menschheit gleichzeitig aber auch weiterhin dumm, damit sie nicht lernen und sich weiterentwickeln können und sichert sich so einen unendlichen Nachschub an Energie. Gott frisst seine Kinder.

    Wie weit die Menschen von der angeblichen Freiheit entfernt sind, wird auch durch die drei Fragen von Meredith ersichtlich. Sie lauten: „Wo kommt der Regen her?“, „Was ist es, das die Sonne durch den Himmel bewegt“ und „Wie ist die Erde entstanden?“

    Im Prinzip typische Kinderfragen, die vom großen C auch genauso beantwortet werden. Bei Meredith führen die Antworten allerdings zur puren Fassungslosigkeit und er kann einfach nicht glauben, wie jemand so viel wissen kann. Und Fragen an denen sie ein Jahr lang gearbeitet haben (sic!), innerhalb weniger Sekunden beantworten kann.

    Im Prinzip ist Gott hier Google.

    Wobei die generelle Szene in dem "Amt" mit all den Knochenresten, das hat schon was von einer Horrorgeschichte.

    Stimmt. Gerade am Anfang erzeugt Dick eine leicht surreale und äußerst bedrohliche Stimmung, die mich stellenweise auch etwas an „Picknick am Wegesrand“ von Arkardi und Boris Strugatzki erinnert hat - Eine fremde, geheimnisvolle Welt voller Fallen und Gefahren. Nur dass einem am Ende eben keine goldene Kugel, sondern ein gottgleicher Computer erwartet.

    Wenn Meredith nach seiner Reise schließlich vor einer unendlich erscheinenden Treppe steht, die in ein bodenloses schwarzes Loch führt, hat das schon etwas von einem Abstieg in die Hölle… Doch ab da, wird aus der Geschichte (wie bereits erwähnt) eher eine schwarze Komödie. Ich fands richtig gut (4/5)

  • Bei Meredith als Name hatte ich sofort Probleme. So heißt die Nervensägende Hauptfigur aus Grey’s Anatomy

    STN:


    Nun gut. Erstaunlicher fand ich, dass sich die Geschichte in ähnlicher Form immer wieder in SF-Anthos finden lässt. Bunkergemeinde schickt wen aus in die postatomare Wüste, um Dinge zu tun.


    Den bösen Computer fand ich cool, dass die Bunkerelite von der Fütterung wusste, blöd. Ohne das Erklärbär-Ende hätte die Story viel mehr Wucht. So Haarteppichknüpfermäßig.

  • Bei Meredith als Name hatte ich sofort Probleme. So heißt die Nervensägende Hauptfigur aus Grey’s Anatomy

    Die Serie habe ich nie gesehen. Ich habe Meredith aber trotzdem immer für einen reinen Frauennamen gehalten. Anscheinend ist er aber für beide Geschlechter gebräuchlich.

    Nun gut. Erstaunlicher fand ich, dass sich die Geschichte in ähnlicher Form immer wieder in SF-Anthos finden lässt. Bunkergemeinde schickt wen aus in die postatomare Wüste, um Dinge zu tun.

    Stimmt. Hier haben wir es mMn aber mit einer sehr gelungenen Variante dieser bekannten Geschichte zu tun (die 1953 vielleicht auch noch gar nicht so bekannt war.

    Den bösen Computer fand ich cool, dass die Bunkerelite von der Fütterung wusste, blöd. Ohne das Erklärbär-Ende hätte die Story viel mehr Wucht. So Haarteppichknüpfermäßig.

    Das "Erklärbär-Ende" habe ich gar nicht als ein solches wahrgenommen bzw. war ich nicht der Ansicht, dass es der Geschichte irgendwie geschadet hätte. Aber das ist natürlich mal wieder Geschmackssache.


    +++


    Draußen im Garten:

    Worum geht’s: Die schwangere Peggy Nye verbringt, sehr zum Missfallen ihres Mannes, den ganzen Tag mit ihrer Lieblingsente Sir Francis im Garten. Als ein Freund des Paares meint, der Anblick von Peggy und der Ente würde ihn an ein Yeats-Gedicht erinnern (in dem sich Zeus, in der Gestalt eines Schwans, mit einer Frau paart), löst er bei Peggys Mann eine fixe Idee aus - Ist er wirklich der Vater des kommenden Kindes, oder ist es vielleicht die Ente Sir Francis? Selbst als das Kind schon längst geboren ist, geht ihm dieser verrückte Gedanke nicht mehr aus dem Kopf.


    „Eine fixe Idee, auch überwertige Idee genannt, ist ein Symptom aus dem Bereich der klinischen Psychologie und der Psychiatrie. (…) Das Deutsche Wörterbuch definiert fixe Idee als „eine vorstellung die die seele unaufhörlich und alle andere vorstellungen beherschend, einnimmt“ (…) Bei einer fixen Idee konzentrieren sich alle Gedanken auf ein Kernthema. Abgesehen davon denken die Betroffenen ansonsten logisch, so dass sie für vernünftig gehalten werden, wenn das kritische Gebiet nicht berührt wird.“ (Wikipedia)

    Das Phänomen der postnatalen Depression bei Müttern war mir ja bekannt - Eine postnatale Psychose beim Vater war mir allerdings neu… aber von toxic masculinity hat vor ein paar Jahren schließlich auch noch niemand geredet.

    Robert wird jedenfalls im Verlauf der Geschichte zunehmend verrückter („Hatte Peg dem Kind von ihm erzählt? Hatte sie ein Bild von ihm gemalt, ein idealisiertes Bild? Einen Entengott. Die große Ente im Himmel, die in Feuer gehüllt zur Erde herabsteigt.“).

    Dick erzählt hier eine wirklich sehr, sehr schräge Geschichte, die nichts mit Sci-Fi oder Fantasy zu tun hat, sondern eher in der Tradition von „Der Erbauer“ steht. Beide Geschichten haben auch das offene Ende gemeinsam.

    Hat mir jedenfalls richtig gut gefallen und mich auch ein bisschen an die seltsamen Geschichten von Robert Aickman erinnert - Aber mit meiner positiven Meinung bin ich hier wohl wieder allein :D. Ich kann das nachvollziehen. "Draußen im Garten" ist schon sehr speziell - Aber auch mal wieder herrlich bekloppt. (3,5/5)


    Ergänzung 1: Mit Peggy Nye begegnet uns übrigens eines der ersten „dark haired girls“ bei PKD.


    Ergänzung 2: Hier noch das erwähnte Yeats-Gedicht:


    Leda und der Schwan


    Ein jäher Stoß: Verzuckend Riesen-Schwinge

    auf ihr, die taumelt, ihren Schenkeln schmiegt

    sich dunkler Flaum, ihr Hals in Schnabels Zwinge,

    er preßt die Brust auf ihre Brust, die fliegt.


    Wie wehrten ihre Finger, blind, verschreckt,

    die Federpracht von Schenkeln, die ihr beben?

    Wie kann ein Leib, dem weißen Schwall gereckt,

    sich einem fremdem Herzschlag mehr ergeben?


    Dort zeugt ein Zittern in den Lenden Nacht,

    den Fall der Mauer, Brand von Dach und Turm,

    des Agamemnon Tod. In diesen Krallen,

    von rohem Blut der Lüfte übermacht,

    floß ihr sein Wissen auch aus seinem Sturm,

    bevor der taube Schnabel ließ sie fallen?

  • Stimmt. Hier haben wir es mMn aber mit einer sehr gelungenen Variante dieser bekannten Geschichte zu tun (die 1953 vielleicht auch noch gar nicht so bekannt war.

    Ohne Zweifel. Mir fiel eben auf, dass dieser Story-Typ mir sehr vertraut vorkam. Oder bissiger gesagt, es gibt zu viele AutorInnen, denen nix Neues einfällt.


    Ich kenne ja kaum klassische SF-Storys, da ich nach der Wende eher bemüht war, die Romane nachzuholen. Insofern fehlt mir da bei der Betrachtung neuerer Geschichten der Zugriff auf das (westliche) Erbe. Durch unsere Dick-Archäologie hole ich da einiges auf und mir wird auch für die Zukunft etwas mehr Wissen bleiben darüber, was schon beschrieben wurde.

  • Oder bissiger gesagt, es gibt zu viele AutorInnen, denen nix Neues einfällt.

    Da gebe ich dir Recht.

    Ich kenne ja kaum klassische SF-Storys, da ich nach der Wende eher bemüht war, die Romane nachzuholen. Insofern fehlt mir da bei der Betrachtung neuerer Geschichten der Zugriff auf das (westliche) Erbe.

    Zumindest mit den Russen (Asimov, Strugatzki, Bulytschow) müsstest du dich dann ja auskennen. In Sachen "Amerikanischer Sci-Fi-Klassiker" könnte ich neben Dick besonders Ray Bradbury, Kurt Vonnegut und Harlan Ellison empfehlen. Das sind aber sicher keine Geheimtipps.

    Mit moderner Sci-Fi kann ich hingegen nur sehr selten etwas anfangen. Mir missfällt (der vom Fantasy-Genre übernommene) Irrglaube, man müsste jede Geschichte immer gleich zu mehrbändigen Epen aufzublähen. Zudem habe ich das Gefühl, dass inzwischen fast nur noch Hard-Science-Fiction geschrieben wird (Technik! Technik! Technik!), die mich generell eher weniger interessiert. Zumindest mit dem extrem gehypten Cixin Liu wollte ich es demnächst aber mal versuchen. Auch wenn ich dessen Staatstreue gegenüber China und seine allgemeine Auffassung des Genres eher befremdlich finde.

  • Zu DDR-Zeiten las ich die SF-Kurzgeschichten in »Das Neue Abenteuer«, das waren meist deutschsprachige AutorInnen. Es gab regelmäßig Anthologien, aber die hinterließen jetzt kaum Erinnerungen, bis auf die Seifenblasenwelt.


    Übrigens bin ich auch zur Staatstreue verpflichtet, nur so nebenbei. ?(


    Leseempfehlungen sind zwar gut, aber neben dem Dick-Berg fange ich jetzt erstmal keine Klassiker an, muss auch noch anderes tun [hdbg]

  • Dick erzählt hier eine wirklich sehr, sehr schräge Geschichte, die nichts mit Sci-Fi oder Fantasy zu tun hat, sondern eher in der Tradition von „Der Erbauer“ steht. Beide Geschichten haben auch das offene Ende gemeinsam.

    Hat mir jedenfalls richtig gut gefallen und mich auch ein bisschen an die seltsamen Geschichten von Robert Aickman erinnert - Aber mit meiner positiven Meinung bin ich hier wohl wieder allein :D. Ich kann das nachvollziehen. "Draußen im Garten" ist schon sehr speziell - Aber auch mal wieder herrlich bekloppt. (3,5/5)

    Eigentlich eine unheimliche Geschichte, die ohne unheimlichen Tonfall erzählt wird. Da kommt einer und erinnert sich an ein Gedicht von Yeats und diese Bemerkung wird zur selbst erfüllenden Prophezeiung.

    Lange tappt man im Dunklen, ob die Zweifel des Vaters berechtigt sind oder ob er nur unsicher auf Grund der Nennung des Gedichtes ist, aber das Ende zeigt die bittere Wahrheit.

    Die Geschichte wirkt recht einfach, aber genau darin liegt m.E. ihre Stärke. Sehr schräg und wie schon gesagt auch sehr unheimlich. Hat mir sehr gut gefallen.

  • Zu DDR-Zeiten las ich die SF-Kurzgeschichten in »Das Neue Abenteuer«, das waren meist deutschsprachige AutorInnen.

    Okay, diesbezüglich besteht bei mir eine ganz klare Bildungslücke.

    Gerade im Memoranda-Verlag erscheint ja aber viel alte DDR-Sci-Fi (u.a. Angela und Karlheinz Steinmüller). Kannst du da zufällig was empfehlen?

    Übrigens bin ich auch zur Staatstreue verpflichtet, nur so nebenbei.

    Ich meinte damit, dass er voll und ganz hinter der Politik von China steht und kritische Fragen in Interviews prinzipiell ablehnt. Das wirkt schon sehr befremdlich.

    Eigentlich eine unheimliche Geschichte, die ohne unheimlichen Tonfall erzählt wird.

    Absolut. Auf den unheimlichen Aspekt bin ich gar nicht so wirklich eingegangen (bzw. nur indirekt durch die Aickman-Erwähnung)- Es ist jedenfalls wichtig ihn zu erwähnen.

    Freut mich dass dir die Geschichte auch gefallen hat. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Bin schon gespannt was lapismont zu "Draußen im Garten" sagt.

  • Draußen im Garten


    Ja, könnte auch von Roald Dahl sein. Kleine, feine Piekser, um die Leda/Schwan-Geschichte zu verankern. Und wenn es nur das simple Robert ist, mit dem der Sohn seinen Vater anredet und der das einfach schluckt. Wusste nicht, dass Dick auch so etwas schrieb. Tolle Geschichte.

  • Wusste nicht, dass Dick auch so etwas schrieb. Tolle Geschichte.

    Hätte nicht gedacht dass "Draußen im Garten" bei allen so gut wegkommt.


    +++


    Der König der Elfen

    Worum geht’s: Der Tankstellenbesitzer Shadrach Jones will gerade Feierabend machen, als plötzlich ein paar Elfen (samt König) vor seiner Tür stehen. Sie sind auf der Flucht vor ein paar Trollen und zudem völlig erschöpft und durchnässt. Auch wenn Shadrach nicht glaubt, dass es sich bei ihnen wirklich um Elfen handelt, nimmt er sie mit nach Hause, damit sie sich etwas ausruhen und ihre Sachen trocknen können. Doch für den König der Elfen kommt die Rettung zu spät. Kurz vor seinem Tod ernennt er Shadrach zu seinem Nachfolger… und die Trolle kommen immer näher.


    Bei „König der Elfen“ stellt sich mal wieder die berühmte Dick-Frage: Passiert das alles wirklich oder ist die betroffene Person einfach nur verrückt? (Anders als beispielsweise bei Lovecraft, bei dem immer alles wirklich passiert und die betroffene Person verrückt ist). Mit Shadrach haben wir jedenfalls eine Figur, die sehr alt ist, den ganzen Tag allein in seiner Tankstelle sitzt und fast niemanden zum Reden hat. Es könnte sich also auch um Demenz oder eine Art Realitätsflucht/Eskapismus handeln. „Ja, seht ihr denn nicht, was für ihn dabei rausspringt? (…) Ein ganzes Königreich für sich selbst, das springt dabei für ihn heraus - wo er tun und lassen kann, was er will.“

    Was ebenfalls dafür spricht das der alte Mann nicht mehr ganz zurechnungsfähig ist, ist die Tatsache, dass er jedem, den er begegnet vom König der Elfen und vom Krieg gegen die Trolle erzählt. Gleichzeitig beginnt er sein Leben zu reflektieren, als wüsste er, dass er nicht mehr viel Zeit hat. Ihm selbst kommt dabei zunehmend alles nur noch „wie ein verrückter Traum vor.“

    Und dann beginnt er in seinen Freunden plötzliche Trolle zu erkennen und es kommt zu einem Mord. Diesen beschreibt Dick recht interessant: „Wie lange die Schlacht tobte, hätte Shadrach später nicht sagen können. Er verlor sich in einem Meer dunkler Körper, die sich an ihm klammerten, kugelig und stinkend, die ihm zerrten, ihn bissen, an seiner Nase rissen, an seinem Haar und seinen Fingern.“

    Das ist entweder der Moment in dem sich Shadrach endgültig von der Realität verabschiedet oder den Herrscher der Trolle besiegt. Es klingt aber auch ein bisschen so, als würde er gegen seinen eigenen Tod kämpfen.

    Und tatsächlich sollte die Geschichte eigentlich nicht gut ausgehen: „Ursprünglich sollte alles ganz tragisch enden, aber Horace Gold, der Herausgeber, der die Geschichte kaufte, brachte mir sehr schonend bei, daß eine Prophezeiung immer wahr wird, wenn nicht, war es folglich auch keine Prophezeiung. Dann kann es natürlich auch so etwas wie einen falschen Propheten nicht geben - ‚falscher Prophet‘ ist ein Oxymoron.“

    Es wäre natürlich interessant zu wissen, wie das ursprüngliche Ende aussah. Aber genau wie der Kampf gegen den „Trollkönig“, lässt das jetzige Ende auch durchaus mehrere Interpretationen zu und liest sich dennoch recht endgültig: Nach dem Kampf will der alte Mann wieder in sein altes Leben zurückkehren, sieht aber schnell ein, dass dies nicht mehr möglich ist und wird daraufhin ins Elfenreich gebracht - Er verlässt die Welt der Menschen. Er stirbt?

    Seit 2008 plant Disney übrigens aus „König der Elfen“ einen Animationsfilm zu machen. Bisher wurde das Projekt aber immer wieder verschoben und liegt momentan auf Eis. Wahrscheinlich kann man darüber nur froh sein, da ich nicht glaube, dass es ein Disney-Film schaffen würde, die Zweideutigkeit der Geschichte zu transportieren und das Ganze wohl eher in die reine Fantasy kippen würde.

    Ich hatte die Geschichte als ziemlich misslungen in Erinnerung (wahrscheinlich weil ich mit Fantasy, Trollen und Elfen prinzipiell eher wenig anfangen kann), bei einem erneuten Lesen hat mich die melancholische Stimmung aber sofort gepackt. (4/5)

  • Der König der Elfen


    Für mich ging die Geschichte auch schnell in Richtung geistige Verwirrung bis hin zum Mord an seinem Nachbarn. Finde das Ganze aber ziemlich bieder und langweilig erzählt. Das hatte nicht den Esprit wie in der Geschichte gegen die Ameisen.

    Als ob Dick auch mal was mit Elfen bringen wollte, aber nicht recht wusste, was er mit diesen Wesen anfangen solle, als er sie dann an der Backe hatte.

  • Da war kein tieferer Sinn dahinter.

    Da würde ich dir widersprechen.

    Es handelt sich hier um die Imaginationen eines Sterbenden (?), der die Welt um sich herum immer mehr verkennt und sich schließlich völlig von ihr verabschiedet - Erzählt in der Form einer Fantasy-Geschichte, deren phantastische Elemente aber eher allegorisch zu verstehen sind. Ich fand den Ansatz ganz interessant.

    ...gefiel mir überhaupt nicht.

    Diese Meinung sei dir natürlich gegönnt.

  • Kolonie:

    Worum geht’s: Eine Gruppe Wissenschaftler erforscht den unbekannten Planeten „Blau“. Er wirkt wie der Garten Eden (Wälder, Flüssse, Blumen… paradiesische Natur) und auch die ersten Testergebnisse zeigen, dass es dort keinerlei gefährliche oder tödliche Organismen gibt - Tatsächlich wirkt der Planet völlig unberührt… Doch dann wird Major Lawrence Hall plötzlich von seinem Mikroskop angegriffen. Die anderen Forscher halten ihn natürlich für verrückt und stellen ihn unter Arrest („Solange Sie nicht irgendwelche Beweise für ihre Behauptungen erbringen können, müssen wir davon ausgehen, daß es sich dabei um eine psychotische Projektion Ihrerseits handelt. Und der Planet ist noch nicht so gut erforscht, als daß wir einen Psychotiker frei herumlaufen lassen könnten.“). Doch bevor sie Hall in seine Zelle bringen können, versucht ein Teppich den Captain der Station zu töten. Und plötzlich tauchen immer mehr Tote aus…


    1952 geschrieben und circa ein Jahr später in „Galaxy“ erschienen. Bei „Kolonie“ handelt es sich allgemein um eine recht beliebte PKD-Geschichte, die auch in seine erste Storysammlung aufgenommen wurde. Ich halte sie ebenfalls für ziemlich gelungen.

    Der Ausgangspunkt (Die Menschheit sucht einen Planeten um ihn zu kolonialisieren und stößt dabei auf ein vermeintliches Paradies, welches sich jedoch schnell als absolut feindselig herausstellt) erinnert natürlich an „Die Unendlichen“. Außerdem ist hier mal wieder nichts so wie es scheint und wir tauchen ganz tief ein in die dick’sche Paranoia: „Die äußerste Form von Paranoia ist nicht, wenn sich jeder, sondern wenn sich alles gegen einen verschwört. Statt ‚Mein Chef intrigiert gegen mich‘ muß es dann heißen: ‚Das Telefon meines Chefs intrigiert gegen mich.‘“ (Der Autor im Anhang)

    Dass sich die Forscher regelmäßig sogenannten „Psychotest“ unterziehen und dort von einer K.I. bewertet/therapiert werden, erinnert hingegen natürlich sofort an den Koffer-Psychiater Dr. Smile, aus PKD’s Meisterwerk „Die drei Stigmata des Palmer Eldtrich“. Und auch eine sprechende Tür, die mit Menschen darüber diskutiert, ob sie sie durchtreten dürfen oder nicht, begegnet uns hier (vgl. „Ubik“). Generell stelle ich fest, dass viele seiner Kurzgeschichten wie Übungen/erste Entwürfe für spätere Romane wirken.

    „Kolonie“ lebt dabei anfangs primär von der skurrilen Situation und den absurden Dialogen, die sich dadurch ergeben. Ähnlich wie in „Eindringling“ schafft es Dick jedoch aus dieser zunächst „albernen Idee“, ein durchaus bedrohliches Szenario zu entwickeln. Hier ist schließlich einfach alles (!) gefährlich und versucht dich um die Ecke zu bringen. Besonders eindrücklich macht das Dick mMn beim Kampf, eines Forschers mit seinem Fahrzeug, deutlich: „Er saß im falschen Wagen! (…) Uger wollte wieder aussteigen. Die Tür kam ihm entgegen. Der Sitz faltete sich um seinen Kopf. Das Armaturenbrett wurde weich und quoll auf. (…) Alles um ihn her war feucht, blubbernd und glitschig, und warm wie lebendes Fleisch. (…) Und plötzlich wußte er, was das für eine Flüssigkeit war. Säure. Magensäure. Er befand sich in einem Magen.“

    Im Gegensatz zu vielen seiner Geschichten macht Dick hier übrigens schnell klar, dass die Gefahr nicht eingebildet, sondern absolut real ist. Der Gegner ist hier eine organische Lebensform, die die Form von jeder beliebigen anorganischen Materie annehmen kann, um sich zu tarnen. Dick sagt dazu im Anhang: „In dieser Geschichte wollte ich eine Situation schaffen, in der die tückischen Intrigen der Objekte ganz rational erklärbar sind, ohne irgendeine Form geistiger Verwirrung auf Seiten der Menschen bemühen zu müssen. Daß mußte wohl zwangsläufig auf einen fremden Planeten hinauslaufen.“

    Die Geschichte nimmt für die Wissenschaftler daher auch kein gutes Ende. Sie kriechen dem Feind perfider Weise sogar freiwillig ins Maul, weil sie ihn für das herbeigerufene Rettungsschiff halten und werden schließlich verdaut. Oder wie es Dick formuliert: „Am Schluß dieser Geschichte steht der endgültige Sieg eines tückischen Objekts über unschuldige Menschen.“

    Aber sind die Menschen tatsächlich unschuldig oder wehrt sich der Planet nur gegen einen fremden Eindringling, der ihn befallen will und ihn damit zwangsläufig auch zerstören wird. Ist in dieser Geschichte nicht der Mensch der eigentliche Parasit? …Theatralischer Mic Drop… (4/5)


    Ergänzung: Genau wie schon „Die Verteidiger“ wurde „Kolonie“ 1956 als Radio-Hörspiel umgesetzt. Es gibt sogar eine ziemlich gelungene deutsche Adaption von 1986:

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