Michael Knoke: Das Flüstern der Mollusken

  • Bisher war ich ja wirklich kein Knoke-Fan, aber dieses Buch hat mich absolut begeistert.

    Das freut mich total, Goblin! Deiner Analyse kann ich auch zustimmen.


    Mit dem Traum bin ich immer noch nicht durch (allerdings nicht aus Desinteresse) - und mal sehen, ob sich dein Eindruck ändert oder nicht, ich bleibe gespannt. [Cof]

  • Inzwischen bin ich halb durch, mag Sprache, Atmosphäre und Bilder, auch wenn ich es oft zu unkonkret finde, mir mehr Mut zu eigenständigeren Details gewünscht hätte -- aber das ist sicher meinem Geschmack geschuldet. Inhaltlich allerdings bin ich nicht gefesselt, vieles war zu erwarten und kam mir bekannt vor. Ich würde mir schärfer umrissene, tiefergehende Figuren und Umgebungen wünschen. Aber ich bin halt auch sehr festgefahren in dem, was ich mag und was nicht. Vielleicht bringt die zweite Hälfte für mich die Wende, derweilen merke ich halt noch, wie ich mittendrin querzulesen beginne, was nie ein gutes Zeichen ist. Natürlich ist das Krittelei an und auf hohem Niveau, das will ich nicht falsch verstanden haben.

  • Ich würde mir schärfer umrissene, tiefergehende Figuren und Umgebungen wünschen.

    Sehr interessant, Erik, danke für deine Eindrücke. :*


    Den Protagonisten habe ich genau gegenteilig empfunden: sehr differenziert und komplex. Beim Setting mag sich auch mein Eindruck realer Orte dieser Gegend drübergelegt haben, da bin ich zu 'befangen'.


    Ui, quergelesen ... mal schauen, wie dein abschließender Gesamteindruck ist. Ich bin gespannt.

  • Zitat

    Ui, quergelesen ... mal schauen, wie dein abschließender Gesamteindruck ist. Ich bin gespannt.

    Wie gesagt, sicherlich ein gutes Buch, derzeit fühlt es sich aber inhaltlich an, als hätte ich es bereits gelesen. Ich bin allerdings auch etwas schwierig in diesen Belangen.


    Zitat


    Den Protagonisten habe ich genau gegenteilig empfunden: sehr differenziert und komplex. Beim Setting mag sich auch mein Eindruck realer Orte dieser Gegend drübergelegt haben, da bin ich zu 'befangen'.

    Ich glaube, mir fehlt teilweise der Kontrapunkt in den Details. Ich mag es, wenn sich einzelne unstimmige Sachen stimmig abheben, die Geschichte dadurch realer wird. Aber da sind wir echt ganz tief in der Geschmacksfrage. Ich glaube, ich bin gleichzeitig ein einfach gestrickter Leser, der bloß nach Unterhaltung sucht, aber auch ein bisschen schwierig, weil ich einen sehr ausgeprägten Geschmack in manchen Fragen besitze.


    On another note:

    Mir passiert es auch ganz selten, dass ich beim Lesen als Autor lese und mich frage "Was hätte ich anders gemacht?". Bei Michael Knoke begleitet mich das aber seltsamerweise, obwohl ich nicht beantworten könnte, warum. Das soll allerdings keinesfalls heißen, dass ich mich mit ihm vergleichen möchte oder der Überzeugung wäre, diese Geschichte auch nur annähernd gut erzählen zu können, da geht es echt um Handwerksfragen, die mich persönlich ständig bei den eigenen Manuskripten begleiten. Ich kann nicht beantworten, warum ich das hier nicht abschalten kann. Das trübt sicher auch das Lesevergnügen. Ich bin heute auch etwas müde und habe die Woche viel gearbeitet. Vielleicht sieht es morgen schon wieder ganz andders aus :)

  • Mir passiert es auch ganz selten, dass ich beim Lesen als Autor lese und mich frage "Was hätte ich anders gemacht?". Bei Michael Knoke begleitet mich das aber seltsamerweise, obwohl ich nicht beantworten könnte, warum.

    Mir passiert sowas auch, und zwar sobald mir ein Buch nicht gefällt. Ist doch legitim, nicht überheblich. Es ist nunmal wesentlich einfacher, Probleme in Fremdtexten zu sehen. Wenn man das analysiert bekommt, warum und was für einen nicht funktioniert, hätte ein Buch - ggfs. neben Unterhaltung und / oder philosophischen Einsichten - durchaus einen guten Zweck erfüllt. Besser geht (fast) immer, egal, auf welcher Ebene des Könnens.

    Das trübt sicher auch das Lesevergnügen.

    Allerdings, auch wenn es mir hier nicht passierte.

    Mich hat ein Buch mal so genervt (extrem programmhafter, schematischer Aufbau), dass ich es an die Wand gepfeffert hab. Das war ein Bestseller, dessen Verfilmung ich mochte. ^^

  • ich bin durch und habe dem Gesagt eigentlich kaum was hinzuzufügen. Schöne Sprache und Kulisse, dichte Atmosphäre, inhaltlich fange ich mit so reinen HPL-Pastiches wenig an. Was mir vor allem abgegangen ist, ist eine tiefere Erörterung der Beziehung und Liebe zwischen Erzähler und Cecilia. Derart habe ich die Figuren und Handlungen leider wirklich als eindimensional empfunden.

    Aber ich muss noch einmal betonen: An der Qualität des Buchs gibt es keinen Zweifel, es trifft halt nicht meinen Geschmack oder dem, was ich persönlich in Geschichten suche, bzw. Haben mir mindestens ein, zwei zusätzliche Ebenen gefehlt um mich zu fesseln.

  • Nachdem ich den kataleptischen Traum auch gelesen habe, schreibe ich meinen Gesamteindruck in diesen Thread.


    „Das Flüstern der Mollusken“

    Die Sehnsucht des Mannes nach (s)einer Frau, Schuldgefühle wegen ihrem Tod – finde ich als Thema langweilig. Die Beschreibung der Wesen aus dem Meer erinnern an die nordische Meeres-Göttin Ran - wunderbar. Schreiben kann er gut, die düstere Stimmung kam sehr eindrücklich rüber, aber inhaltlich war es für meinen Geschmack zu wenig.


    „Der kataleptische Traum“

    Der Träumer und die Geträumten. Die Handlung ist auch hier eher mager, aber sehr dicht und wortgewaltig beschrieben. Aber auch hier: die Sehnsucht des Mannes nach der Frau – langweilig. Eltern und Großeltern des Protagonisten werden kaum beschrieben, sie wirken wie Ausstattung. Die Darstellung der Dorfbewohner sowie des einäugigen Priesters empfand ich schablonenhaft.


    Beide Novellen leben von der düsteren und bedrohlichen Atmosphäre, die sehr gut dargestellt wird. Den Inhalt der Geschichten empfand ich klischeehaft und der Ästhetik der Beschreibung untergeordnet.


    Ich habe beide Novellen gerne gelesen, weil stilistisches Können einen Wert für mich hat. Mit einem hervorragenden Stil kann man fast jedes Thema retten. Mit einem schlechten Stil das beste Thema verderben.

  • Zitat

    Schreiben kann er gut, die düstere Stimmung kam sehr eindrücklich rüber, aber inhaltlich war es für meinen Geschmack zu wenig.

    Da sind wir uns offenbar einig :)


    Zitat


    auch hier: die Sehnsucht des Mannes nach der Frau

    Ja, hätte er mehr Gewicht auf die Beziehung gelegt, die Persönlichkeit der beiden Liebenden und den Verlust als Verlust von etwas Individuellem, nicht als wabernde Sehnsucht, die sich eigentlich nur auf den Namen Cecilia beruft, dann hätte mich das auch eher mitgenommen. Ich glaube, dass Phantastik dieser Art Realismus als Kontrapunkt braucht, ohen sich auf reine Ikonologie zu beschränken. Aber wie gesagt, ich will nicht das, was ICH in einer Geschichte suche mit dem Leseerlebnis jemand anderes gleichsetzen.

  • Interessante Punkte, ihr beide! ( Susanne )


    Ich schreibe hier nochmal Cross-SoMe-threadig, dass ich denke, man tut Knoke Unrecht, wenn man die Mollusken als Lovecraft-Pastiche sieht. Es gibt auch z. B. gruselige Meerjungfraugeschichten, die recht ähnlich laufen, also klassische Legenden. Nicht alles, das Tentakel hat, ist automatisch lovecraftian.

    Ja, hätte er mehr Gewicht auf die Beziehung gelegt, die Persönlichkeit der beiden Liebenden und den Verlust als Verlust von etwas Individuellem, nicht als wabernde Sehnsucht,

    Siehst du, sowas interessiert mich recht wenig. Die Trauer fand ich als Gefühl sehr konkret. Ansonsten mag ich das Abstrakte, die eingeschränkte Sicht auf den Prota und seine Erinnerungen, Gefühle, Sehnsüchte, Trauer. Das eben sowohl symbolisch als auch dezent erzählt. Mich interessieren sehr viel mehr Konsequenzen als Prozesse (durch die ich als Leser vllt. langwierig geschleift würde).


    Knoke hatte mich mit der kleinen, extrem subtilen Szene um das Essen im Pub. Das ist so genial seitenlang vorbereitet, und so aufmerksam beobachtet. Sowas finde ich in keinem anderen deutschsprachigen aktuellen Buch. Danach hätte er vermutlich alles erzählen können, und ich wäre mitgegangen. Das sind für mich eben die Momente, für die ich Prosa lese.


    Sicher hätte der Autor noch darüberhinaus großes Ewicklungspotential gehabt, da bin ich ganz bei euch.


    Nicht, dass ich euch das Buch aufschwatzen wollte (liegt mir fern und ich finde eure Sicht sehr spannend), aber man sollte auch bedenken, dass die beiden Erzählungen bestenfalls Novellen sind. Durch den Doppelseitendruck sind die Bücher doppelt so dick wie sie Text haben, die Geschichten düften vom wordcount her bei Barkers Books of Blood liegen. Da sind in meiner Ausgabe aus den 80ern einige Geschichten um die 60 Seiten lang.

  • Zitat

    Ansonsten mag ich das Abstrakte, die eingeschränkte Sicht auf den Prota und seine Erinnerungen, Gefühle, Sehnsüchte, Trauer. Das eben sowohl symbolisch als auch dezent erzählt. Mich interessieren sehr viel mehr Konsequenzen als Prozesse (durch die ich als Leser vllt. langwierig geschleift würde).

    Siehst Du, darum ist das sicherlich Geschmacksache.

    Daher habe ich aber teilweise auch solche Probleme mit der klassischen Phantastik (die ich Knoke auf jeden Fall tendenziellunterstellen würde). Mit der großen Ausnahme Athur Machen spricht mich davon selten etwas richtig an. Ich bin da dann eher in Mitteln des Magischen/Phantastischen Realismus zuhause und halt der modernen Weird FIction, die sich mitunter stark mit der Belletristik und dem Post-Realismus verbandelt.


    On another note:

    Kennst Du eigentlich IM RAUSCH DER STILLE von Albert Sánchez Piñol?

    Das war mir auch etwas zu wenig Inhalt , zu viel Bekanntes, zu unkonkret, aber Atmosphäre und Machart, daran wurde ich durchas bei Knoke erinnert. Was natürlich einfach auch am Themengebiet liegen kann, so groß ist die Überschneidungsmenge nämlich inhaltlich nicht, außer einem Hang zu Tiefen Wesen.

    Hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Im_Rausch_der_Stille

  • Siehst Du, darum ist das sicherlich Geschmacksache.

    [Cof]


    Cool, ich wollte dich schon fragen, was in der Thematik für dich funktioniert. :- )

    Ja, das Buch habe ich gelesen, weil mir das jemand - der sicher war, das wär genau mein Ding - geliehen hatte, und ich hab selten einen Roman mit solchem Widerwillen gelesen. Den Film hab ich durchgeskippt, vermutlich in 15 Min. Eigentlich triggert mich Sexismus nicht so flott, aber das Buch ist so ... Wesen-verachtend, das hat mich wirklich wütend gemacht (nicht in der interessanten, produktiven Weise allerdings). Und dann bleibt das einfach so stehen. Keine Ahnung, poetic justice ist auch lahm, aber irgendwas hätte ich da schon gern gehabt. Und da fand ich den Prota unglaublich hohl, eindimensional, uninteressant. Das ist ja echt spannend - Knoke und das plaziere ich so ziemlich an den entferntesten Gegenpolen des gleichen phantastischen Meeres-Genres.


    p.s. Auch im Umgang mit dem Spekulativen sind die Erzählungen ganz unterschiedlich: Bei Knoke ist zwar der Mensch (erst) im Mittelpunkt, aber dann steht der Autor doch auf Seite des 'Anderen', und diese Sicht siegt. Pinol stellt den Menschen als Norm dar, und so bleibt es auch. Die Frau könnte ebenso eine geistig behinderte Native sein, und die Geschichte würde sich nicht wesentlich ändern. Das 'Andere' bekommt hier keine Stimme, es ist im Grunde die Welt, wie sie jetzt auch ist, zugespitzt betrachtet unter dem Aspekt der pathologischen Empathielosgkeit und der sexuellen Gewalt. Knoke gibt die menschliche Position aber auf, um dem 'Anderen' Raum zu geben, und dessen Sicht wird - ohne Konflikt - die dominante.