Der Kurzroman von Rodenbach erschien 1892 unter dem französischen Titel "Brugues la morte", ich las die Reclam Ausgabe in der neuen Übersetzung von 2003, die zuerst bei Manholt unter dem Titel "Brügge tote Stadt" erschien.
Es gibt auch eine Festa Ausgabe mit der Erstübersetzung aus dem Jahr 1903, welche noch weitere 19 Kurzgeschichten enthält (dazu finde ich im Netz leider keine Info, wäre aber dafür dankbar ). Dort erschien das Buch im Rahmen der bizarren Bibliothek.
Die neue Übersetzung liest sich gut und flüssig, der Roman behandelt zwar das phantastische Motiv des Doppelgängers, jedoch ohne wirklich phantastische Elemente einzubringen. Die Charaktere sind sehr klar, haben wenig Persönlichkeit und wirken für heutige Verhältnisse sehr austauschbar, verfügen jedoch über einen wichtigen Symbolismus. Die Hauptrolle hat jedoch in meinen Augen Brügge, selten habe ich eine so stimmungsvolle Beschreibung einer Stadt gelesen. Auch verfügte Rodenbach über eine Sprachgewalt, die durchaus zu gefallen weiß. Relativ bekannt und beispielhaft ist wohl folgende Passage des Romas
„Das tote Brügge selbst lag im Grab seiner steinernen Grachten, denn die Adern seiner Kanäle waren erstarrt, als der große Puls des Meeres aufgehört hatte, hier zu schlagen.“
Für mich eine klare Leseempfehlung für Urlaubsreisen nach Belgien (momentan leider wohl eher nicht) oder einen Aufenthalt in der Badewanne, wenn es draußen regnet (momentan leider wohl eher ja).