China Miéville
Die letzten Tage von Neu Paris
280 Seiten
Veröffentlichung: 10.05.2019
Golkonda Verlag
Klappenbroschur
ISBN 978-3-946503-86-6
18,00 €
ZitatDer Thriller über einen Krieg, der niemals war – über den Überlebenskampf einer unmöglichen Stadt, über eine surreale Katastrophe
1941, inmitten des vom Zweiten Weltkrieg bedrohten Marseilles, stolpert der amerikanische Ingenieur und Okkultist Jack Parsons in eine Widerstandsgruppe, zu der auch der surrealistische Dichter André Breton zählt. In dieser Résistance aus regimekritischen Diplomaten, exilierten Revolutionären und Avantgarde-Künstlern sieht Parsons einen Hoffnungsschimmer. Aber was er aus Versehen freisetzt, ist die Macht der Träume – und der Albträume –, die den Krieg für immer verändert.
1950 erkundet der einsame Kämpfer des Surrealismus Thibaut die neue halluzinogene Stadt Paris, wo sich Nazis und Résistance einen ewigen Guerilla-Krieg liefern und in den Straßen lebendig gewordene surrealistische Kunstwerke und Texte ihr Unwesen treiben. Gemeinsam mit dem amerikanischen Fotografen Sam versucht er, unversehrt aus der Stadt zu entkommen. Doch dafür müssen sie sich mit der gefährlichsten Manifestation zusammenschließen: dem Cadavre Exquis.
Ein einzigartiger Roman zwischen Schönheit und Horror, historischen Fakten und Phantasie. Vom New-York-Times-Bestseller-Autor China Miéville.
Eigentlich erfüllt dieses Buch alle Voraussetzungen dafür, dass ich es richtig gut finden muss. Es ist von China Miéville und entsprechend Stilsicher geschrieben, gut übersetzt, wunderbar aufgemacht, voller verrückter Ideen, eigenwillig und umschifft die große Falle, blöder Nazi-Trash zu sein. Leider musste ich mich zum Teil echt anstrengen, den gerade einmal 200 Buchseiten langen Romantext zu lesen. der Roman spielt in einem alternativen, von Nazis besetzten Paris, in dem eine S-Bombe gezündet wurde, also eine Bombe die surrealistische Ideen freigesetzt hat. Infolge dessen haben sich zahlreiche Kunsterwerke des Surrealismus und auch Alltagsgegenstände belebt und ziehen als Monstrositäten der Stadt. Die Stadt selbst ist deshalb natürlich abgeriegelt worden, damit niemand hinauskann, und ebenso klar ist es auch, dass ebenso Freiheitskämpfer gibt wie Nazis, die versuchen, diese Kreaturen unter Kontrolle zu bringen, eigene Kreaturen zu erschaffen und mit Teufeln paktieren. Die Handlung des Romans ist banal, die Figuren haben keine Tiefe. Der Reiz in dem Roman liegt in den zahlreichen Verweisen auf surreale Kunstwerke und den Personen, von denen sie geschaffen wurden. Diese Bezüge werden in einem umfangreichen Anhang offengelegt – das will ich unbedingt positiv hervorhebe, weil eine solche verlegerische Sorgfalt keine Selbstverständlichkeit ist. In der Romanhandlung selbst führt dies aber zu ausuferenden Beschriebungen, in denen du Handlung stehen bleibt. Das ist Fanservie für Surrealismus-Fanatiker, ansonsten aber leider anstrengend und ermüdend.
Erstaunlich ist das Nachwort, in dem China Miéville davon bereichtet, dass ihm die Geschichte des Roman in sonderlichen Umständen erzählt worden sei. Es gibt wenig Anlass zu glauben, dass dies tatsächlich so geschehen ist. Stattdessen scheint der Autor an dieser Stelle dem Roman selbst einen weiteren Kniff geben zu wollen, der aber nicht zu einem besseren Verständnis führt. Erstaunlich ist das auch deshalb, weil Miéville sich darin bei dem Mann, der ihm die Geschichte erzählt hat, dafür entschuldigt, "nur" einen Roman und keinen Tatsachenbereicht daraus gemacht zu haben. Dies lese ich als ein Fremdeln des Autors mit seinem Stoff und das meinte ich in dem Gesamtwerk schon vorher gespürt zu haben. Schade. Das Potential von "Die letzten Tage von Neu Paris" erschöpft somit leider schon im verrückten Weltenbau.