Sami Makkonen: Kalevala (Deadworld, Hellraiser ...)


  • Sami Makkonen

    Kalevala. Helsinki 2019, Otava Verlag

    Kalevala Sampo. Helsinki 2020, Like Verlag

    Beides Hardcover DIN A 4 Format, ca. 60 Seiten, Farbe


    Ein preisgekrönter Comic-Zeichner und klassischer Maler, der mit seiner Hatter M.-Reihe (eine Steampunkversion von Lewis Carrolls Mad Hatter) und den Deadworld Zombie-Graphic Novels international bekannt wurde. Er zeichnete auch die Cover für Clive Barker's Hellraiser – The Dark Watch sowie verschiedene Magazine. Ich habe ihn erst durch seine aktuelle Adaption von Elias Lönnroths Kalevala im vergangenen Jahr kennengelernt.


    Bei weitem nicht die einzige Comic-Version, betont Makkonen das Düstere, Rohe und Archaische dieser eigenartigen Legenden. Der Stil ist gleichzeitig dynamisch und schroff, erinnert mich manchmal an Jon Jay Muth (v.a. Havok vs Wolverine), Dave McKean oder Daniele Serrá. Die beiden Bände unterscheiden sich subtil im Stil: Kalevala Sampo ist expressionistischer und hat starke Ähnlichkeit mit Deadworld; Kalevala ist dezent realistischer, hat mehr Tiefenschärfe und flächigere, fließendere Übergänge, die an Aquarelle oder Tempera erinnern. Beide sind nicht nur düster, sondern auch tatsächlich sehr dunkel gehalten, einige Seiten fast ganz schwarz. Im ersten Band gibt es immer wieder wunderschöne Neuinterpretationen von Akseli Gallen-Kallelas berühmten Gemälden, wie z.B. das Feld mit den Schlangen und dem toten Sohn. Es gibt viele Anspielungen auf heidnische Religionen: den Bären, der in Finnland – wie in vielen osteuropäischen Ländern noch heute – als der größte Gott angesehen wurde, den Wolf und Schamanen; aber es taucht auch ein tentakelbewehrter Totenschädel als Seemonster auf, das ein Kopfnicken in Richtung Cthulhu sein wird. (siehe auch zweites Bild ganz unten)


    In den Kalevala-Bänden fliegen wie bei seiner Zombiereihe einige abgeschlagene Gliedmaßen herum, und es wird weder mit Blut noch Gewalt zimperlich umgegangen. Da es Makkonens sämtliche Graphic Novels auf Englisch auf den üblichen, auch deutschen Plattformen angeboten werden, erwarte ich durchaus, dass Kalevala ebenfalls übersetzt werden wird. Letztendlich lassen sich die Bücher auch so genießen, denn die Story ist ohnehin schwer verständlich und selbst für finnische Experten obskur.


    Das Kalevala selbst ist dabei eine der interessantesten finnischen Mogelpackungen: Wie unsere historischen Faschisten, die „Weiße“ genannt werden (weiß vs rot = Faschisten gegen Kommunisten) und daher unter den internationalen Aufarbeitungs-Radar rutschen; die runolaulut, Runenlieder, die sich bei korrekter Übersetzung als schlichtweg lyrische Songs herausstellen (laulu = Lied, runo = Gedicht vs rimu = Rune) und eben das „Nationalepos“ Kalevala, das stets mit dem Nibelungenlied und der Edda in einem Atemzug genannt wird. Allen Epen gemeinsam ist tatsächlich, dass es christliche Niederschriften sprich Uminterpretationen heidnischer Ritualgesänge und magischer Beschwörungen sind, die eine willkürliche Collage aus eigentlich nicht zusammenhängenden Stücken darstellen, wobei ein künstlicher Gesamtplot dazugedichtet und viele Figuren neu erfunden wurden. Das Nibelungenlied und die Edda wurden beide um 1200 entstanden und um 1300 zusammenfassend notiert, der Stoff des Nibelungenliedes geht auf die Zeit um 450 und der der Edda auf die Zeit zw. 450 und 1100 zurück. Das Kalevala wurde allerdings erst 1835 veröffentlicht, nachdem Ende des 17. Jahrhunderts bereits einige Lieder notiert worden waren.


    Auch ist „Finnlands Nationalepos“ irreführend, denn der Autor war ein schwedischer Gelehrter, der zwar das damals finnische Ostkarelien bereiste, dort Schamanen, Heiler und Klagefrauen traf, deren Lieder aufzeichnete, aber er hielt die Landbevölkerung dort für minderwertig und verachtenswert, die Gesänge bereitetem ihm Kopfschmerzen und er meinte, er könne selbst besser ein durchgehendes Versepos daraus schreiben. Übernommen wurde nur die regionale Variante der Alliteration. Durch Lönnroths Umarbeitung wurde es unmöglich, den Sinn der einzelnen Stücke zu erfassen, auch ergibt das Buch an sich teils keinen Sinn – hier anders als z.B. das Nibelungenlied, dessen Fake-Plot wesentlich erzählender konstruiert wurde.


    Die Karelischen Traditonals gerieten im Gegensatz zu Lönnroths Buch in Vergessenheit, bis zu einem Revival in den 30ern-60ern und besonders der New Folk-Bewegung der 2000er, die immer noch aktuell ist. Dabei versuchen heute Ethnologen und Sprachwissenschaftler eine Rekonstruktion der ursprünglichen Mythen und volksmagischen Weltbilder, die eine ganz ungeheuere Komplexität und Differenziertheit aufweisen. Auch könnten viele Konzepte direkt aus einer postmodernen Horrorgeschichte stammen.


    Lönnroths Kalevala hatte einen großen Einfluss auf die finnische bildende Kunst und Architektur, und war die Hauptinspiration für Tolkiens Lord of the Rings. Es gibt experimentelle Theaterstücke, unzählige Comix, phantastische Filme und Metalbands, die sich mit den Bildern und Themen des Kalavala auseinandersetzen. Makkonens Interpretation ist die bei weitem interessanteste, da er nahezu auf Text verzichtet und dem Stück die Naturverbundenheit, den Horrorbezug und das Körperliche zurückgibt. Bei ihm gibt es keine Helden, im Vordergrund stehen die übernatürlichen Mächte, der Schrecken und die Gewalt, die von ihnen ausgehen.

    Ein tolles Buch für alle, die sich auf das Schroffe, Collageartige einlassen und einer Story auch eher intuitiv folgen können.


    Sami Makkonens Homepage

    Alter Blog mit Link zur aktuellen Instgram-Seite

    Schönes Interview: "Deep Discussions with Decapitated Dan - Sami Makkonen"


    Wer sich für die echten Lieder interessiert, aus denen das Kalevala entstand: hier Neuvertonungen mit Texten und magischen Formeln, die zw. 1790 und 1850 notiert wurden, teil aber (-> Hedningarna) auf die vorchristliche Zeit um 1350 zurückgehen:


    MeNaiset | WirFrauen: Morsiamen itketys | Trauerlied einer Braut. Mit Kantele-Begleitung, einem Instrument, das auch im Kalevala eine tragende Rolle spielt und eines der bedeutungsvollsten Symbole karelischer und finnischen Kultur ist. In der karelischen Tradition gab es Trauergesänge für zwei Gelegenheiten: Begräbnis und Hochzeit. Letzteres, da die Braut stets in das oft weit entlegene Haus des Bräutigams verheiratet wurde, sodass der Abschied von der Familie ein endgültiger wurde. Töchter hatten eine ungewöhnlich innige, starke Verbindung zu ihrer Mutter, der auch ihre Trauerlieder der Braut galten.


    Suden aika | Zeit des Wolfes: Ero | Abschied. Eine Neuinterpretation des gleichen Themas, etwas abstrakter und extrem düster.


    Hedningarna | Die Heiden: Täss‘ on nainen |Hier ist eine Frau, mit der alten Form der Alliteration. Wunderbar schräger Song, bei dem es um eine Frau geht, die u.a. salziges Meerwasser in Honig verwandeln kann. Vorchristlicher Zauberspruch, dem – wie bei vielen Beispielen aus Deutschland – ein unpassendes christliches Thema angepappt wurde.


  • Hallo Axel, freut mich sehr, dass es interessieren konnte!

    Was ich schon immer wissen wollte – die Aussprache. Auf welcher Silbe liegt die Betonung?

    Im Finnischen grundsätzlich auf der zweiten Silbe, abgesehen davon fast wie im Latein: alles wird gesprochen, wie es geschrieben wird. Lustigerweise hörte ich hier bei Kalevala aber auch schon Betonung auf dem ersten a.

    Generell:

    Doppelkonsonanten werden mit einem deutlichen Stopp dazwischen auch doppelt ausgesprochen: Mak'konen. Wichtig, weil das verschiedene Wörer ergibt: tukki = Log(buch), tuki = Unterstützung.

    Doppelvokale lang, auch hier ergibt das andere Wörter: tuuli = Wind, tuli = er/sie/es kam, tulli = Zoll.


    Guter Punkt mit dem Storyboard! Es werden auch Böcklins Toteninsel und Blakes Illustrationen zu Dantes Inferno zitiert, aber diese beiden hab ich dir mal rausgescannt (liegen im Original nicht gegenüber, und sind nicht ganz so blass.)


    Fun fact: Es gibt auch eine estnische Version der Geschichte: Kalevi poeg. Auch in Reimen gehalten und mit Finnischkenntnissen zumindest grob zu erfassen. Soweit ich das sagen kann, gefällt mir die estnische Version besser.


    Liebe Grüße, Katla


  • Sami Makkonen hat eine neue Graphic Novel angekündigt: Hevosjumala - Der Pferdegott

    Verlag: Like (ein sehr schöner Mittelkleinverlag, die mit dem Buchladen Rosebud verbandelt sind)

    166 Seiten, gebunden

    Frühjahr 2022

    € 21,95



    Ich hab die Ankündigung auf der Verlagsseite mal kurz durch DeepL gejagt, here we go:

    Ein schauriges Abenteuer in der finnischen Einöde.

    Eine junge Familie hat sich die Erfüllung ihrer Träume gekauft: ein heruntergekommenes Sommerhaus weit weg von zu Hause. Der Sommer ist heiß und schön, aber in der Nachbarschaft geschieht etwas Unheimliches. Die Saat des Schreckens, die vor langer Zeit gesät wurde, hat wieder zu keimen begonnen.

    Die Erzählung bewegt sich quer durch die Zeit und führt den Leser immer tiefer in die unerforschten Schatten des Wäldchens und zu einer unvermeidlichen Tragödie.

    Sami Makkonen, dessen Interpretation der Kalevala ein sensationeller Erfolg war, erforscht weiterhin die dunklen Seiten unserer Kultur. Er verbindet übernatürlichen Horror mit Okkultismus und Volksglauben. Die düstere, aber feine Zeichnung unterstützt die raffinierte Handlung wirkungsvoll.


  • So, ich hab mir das Buch heute aus der Bibliothek geholt, es war überraschend früh da, nachdem ich aufgrund der Warteliste erst in mehreren Wochen damit gerechnet hatte. Da mir das Cover wahnsinnig gut gefällt, hätte ich es beinahe blind gekauft - und bin jetzt echt froh, es nicht getan zu haben.


    Die Ankündigung lief ja über die Zusammenfassung "Familie zieht in ein altes Haus im Wald und entdeckt, dass es darunter alte Mächte gibt, die nicht schlafen". Das ist auch erstmal vollkommen korrekt.


    Das Buch ist in drei etwa gleich lange Kapitel unterteilt:

    1. Aatos (Wiedererweckung) - Aatos ist ein alter finnischer Männername, aus dem u.a. Adam und Adolf hervorgingen.

    2. Der Glassarg (Transmutation)

    3. Stefanitag (Anrufung) - Makkonen nimmt hier die estnische Schreibweise, möglich ist zudem eine gleichlautende, alte west/nordfinnische Variante die ich dann nicht kenne.


    Der erste Teil spielt am 22.12.2017, eine Dreiergruppe Skiwanderer hat sich im Wald verfranst und sieht sich gezwungen, eine Hütte zu suchen oder zu erfrieren. Sie sprechen dabei von einem vor Jahren in der Gegend verschwunden Mann. Sie stoßen erst auf eine unheimliche, halb verfallene Hütte, dann aber auf ein - ähnlich gruseliges - Bauernhaus, in dem sie wilkommengeheißen werden. Die Familie dort ist ziemlich strange: es gibt einen zombieähnlichen, aus den Fugen geratenen Rollstuhlfahrer, eine Person mit Atemmaske, letztere wirkt weniger wie ein Sauerstoffgerät als eine Gasmakse aus dem ersten Weltkrieg. Die Freunde meinen, etwas schleiche um den Stall, in dem sie übernachten dürfen. Nach einem leckeren, traditionellen Porridgefrühstück soll die Gruppe das Abendessen - Verzeihung: Ritualopfer - für eine obskure Gottheit werden, was aber nicht ganz gelingt (die Gottheit - der Pferdegott - manifestiert sich nicht wie gewünscht).

    Soweit ein Kaurajoki Chainsaw Massacre meets heidnische Naturgeister.


    Der zweite Teil spielt am 11.7.2017 (drei Wochen nach Juhannus / Mittsommer). Eine junge Familie hat ein halb verfallenes Sommeraus im Wald gekauft und will es herrichten. Die Frau ist hochschwanger. Nachdem sie eingezogen sind (die Restaurierung läuft noch) entdeckt der Mann eine Falltür im Keller und macht eine - gelinde gesagt - extrem seltsame Entdeckung; Ein riesiges Insektenmonster (eine wohl fünf Meter große Mischung aus Mücke, Fliege, Käfer und Spinne) taucht erst im Keller auf, dann ist das Setting in den Wald verlegt, wo der Mann mit einer Axt arbeitet. Das Monster tötet ihn. Kurz danach verliert die Frau das Kind. Sie bleibt aber mit einer älteren Tochter weiter im Haus wohnen, wobei sie ebenfalls den Kellerraum und das Monster entdeckt, jedoch nicht getötet wird.

    Das Kapitel erinnerte mich an das typische Set-Up von Geisterfilmen - offenbar müssen es immer junge Familien sein, die irgendwo draufstoßen und dann ist was immer Keller versteckt ... Männer gehen dabei drauf oder verlieren den Verstand, während die Protagonistinnen mit dem Paranormalen kommunizieren lernen. Soweit, so klassisch.


    Der dritte Teil spielt am 21.6.1988 (am MIttsommertag) und erklärt wirklich dreist erklärbärig die ganze Sache mit dem Pferdegott. Wenn ich ehrlich bin, hab ich nicht mitgeschnitten, warum im Mittelteil ein Insektenmonster auftaucht und was das mit dem Pferdegott zu tun hat. Die Dialoge sind eigentlich nicht sehr komplex (was mich gestört hat, es geht reichlich generisch zur Sache), aber wegen des Themas sind da eine Menge sehr spezieller Vokabeln, die ich im ersten Durchgang jetzt nicht alle nachschlagen wollte, zumal ich schon einiges zu finnisch-ugrischer Ethnologie und heidnischen Bräuchen problemfrei auf Finnisch gelesen hab.


    Ich blicke also nicht 100% durch, was auch daran liegt, dass die Figuren - selbst solche wie die freakige Familie aus dem Teil 1 - sich sehr stark ähneln, und ich halte das nicht für dramaturgische Absicht. Alle Frauen haben irre breite Becken, die Männer verlebte Gesichter, alle haben strähnige Haare, Kinder sind klein und schlank und alle Katzen sind schwarz (nicht nur bei Nacht :-)). Wirklich detailliert ist nur ein süßer Schäferhund gezeichnet. Und in Ansätzen der - extrem spektakuläre - Pferdegott selbst.


    Schon die beiden Kalevala-Bände sind recht unterschiedlich im Stil, der Pferdegott ist aber noch mal eine Nummer breitstrichiger, expressionistischer und energischer, neigt aber auch zu viel Flächigkeit, die Details untergehen lässt und alles ein bisschen optisch 'versumpft'. Die Mimiken der Personen sind oft grotesk, was die Nachvollziehbarkeit der Emotionen erschwert.


    Selbst, wenn ich mir wegen meiner partiellen Verständnisprobleme kein abschließendes Urteil erlaube, kann ich der Geschichte (oder besser: den Geschichten) gut genug folgen, um zu viel Generisches zu erkennen, zu viele Twists und Motive aus der Geschichte des Horrorfilms, als dass ich wirklich den Impuls hätte, jetzt die fehlenden 20 Vokabeln nachzuschlagen, um noch den allerletzten Dreh mitzubekommen.


    Positiv gesehen ist es immer toll, wenn eine - mAn ahistorische / fiktive - heidnische Gruselgeschichte erzählt wird; es gibt reichlich Splatter und viel Mysteriöses, einiges ist an das mittelalterliche Okkulte oder evt. sogar Alchemie angelehnt (damit kenne ich mich zu wenig aus, es geht aber auch nebenbei spekulativ um die Pest, die ebenfalls in Finnland auftrat) und alles ist angenehm düster.


    Ich warte mal, bis es das Buch auf Englisch gibt, und komme dann ggfs. zu Kreuze gekrochen.

    Soweit aber hätte ich mir gewünscht, es wären nicht zum Tausendsten Mal die typischen Wandergruppen von Freunden, die in der Wildnis auf durchgeknallte, mordende Kultistenfamilien stiessen; Jungfamilien, deren persönliches Drama im Spukhaus / haunted cellar gespiegelt wird und das übliche Pentagramm/Runenmagie-Gedöns, das dann irgendwelche schlafenden Gottheiten weckt.

  • Besten Dank für diese umfangreiche Vorstellung. Zu den Bildern: Das Ganze zündet wohl erst, wenn man sich richtig darauf einlässt und die Mixtur aus Bild und Wort zu gären beginnt … wenn ich mir die Arbeiten auf der Webseite von Sami Makkonen anschaue, fühle ich mich u. a. an Sachen des Illustrators Jens Maria Weber erinnert, der sich in ähnlichen Gefilden tummelt (er hat z. Bsp. einige Moods für die Serie "Hausen" beigesteuert). — Aber noch weiter dahinter sehe ich Dave McKean, der in den 1990ern das Medium Comic durch diese Art Stil sehr geprägt und erweitert hat. Weg vom Plakativen, hin zu sehr zwielichtigen und suggestiven Entwürfen und einer erdig gehaltenen Palette.

    Soweit aber hätte ich mir gewünscht, es wären nicht zum Tausendsten Mal die typischen Wandergruppen von Freunden, die in der Wildnis auf durchgeknallte, mordende Kultistenfamilien stiessen; Jungfamilien, deren persönliches Drama im Spukhaus / haunted cellar gespiegelt wird und das übliche Pentagramm/Runenmagie-Gedöns, das dann irgendwelche schlafenden Gottheiten weckt.

    Hier sprichst du bereits ein Urteil, wie es die Nachwelt dereinst über die Zeit und ihre Sujets fällen wird … auch die Bemerkung, dass es Überschneidungen zu einschlägigen Serien gibt, unterstreicht dieses Verdikt. Das ist ja einer der Gründe, warum ich mich so schwer damit tue, gegenwärtige Literatur zu lesen: mich interessiert eben die Familie von heute nicht, Backpacking usw.; und, na ja, ehrlich gesagt haben sich Hirschgeweihe und Tierschädel auch langsam totgelaufen (wenngleich ich mich davon selbst nicht freimachen kann – da bin ich dann eben doch wieder ganz Kind meiner Zeit).

  • Hallo Arkham Insider Axel ,


    ja, da ticken wir wohl wirklich gleich. [Cof]

    wenn ich mir die Arbeiten auf der Webseite von Sami Makkonen anschaue, fühle ich mich u. a. an Sachen des Illustrators Jens Maria Weber erinnert,

    Absolut, wobei Jens viel präziser arbeitet und auch viel individuellere oder weniger generische Bilder malt, die auch jeweils eine eigene Geschichte erzählen. Oder besser: eine solche in zumindest meinem Kopf entstehen lässt, vielleicht eine ganz andere als er intendierte. Aber nichts ist einfach nur ein Bild, auf dem was passiert, sondern es lässt jeweils eine eigene Welt entstehen.


    Sehr genial, dass du die beiden vergleichst, die Idee hatte ich auch: Für das Herausgabeprojekt Das Kriegspferd (Perkampus & Salamé) zeichnet uns Jens ein Cover und für das Innencover hab ich Makkonen angefragt - am liebsten einfach das Cover des Hevosjumala. Es kam keine Antwort, obwohl er sie gelesen hatte - das ist das finnische Nein. Vielleicht war ihm mein Angebot auch zu schnöde, wer weiß, was er verdient, mit Comix in den USA und so ...

    Aber noch weiter dahinter sehe ich Dave McKean, der in den 1990ern das Medium Comic durch diese Art Stil sehr geprägt und erweitert hat.

    ja, stimmt, wobei ich von ihm auch viele Aquarelle kenne (damals die kleinen Black Orchid Hefte), aber sein Black Dog ist tatsächlich ähnlich - evt. ähnlicher zu Jens als zu Makkonen.

    Das ist ja einer der Gründe, warum ich mich so schwer damit tue, gegenwärtige Literatur zu lesen: mich interessiert eben die Familie von heute nicht, Backpacking usw.; und, na ja, ehrlich gesagt haben sich Hirschgeweihe und Tierschädel auch langsam totgelaufen (wenngleich ich mich davon selbst nicht freimachen kann – da bin ich dann eben doch wieder ganz Kind meiner Zeit).

    Ja, ganz genau. In dem hübschen und anfangs noch interessanten Büchlein Sleeping With the Lights On werden diese Klischeeplots und -protas / -settings "Unhorror" genannt, und so empfinde ich es auch. "Unhorror", weil Horror immer Transgression bedeutet, und wenn etwas nach mainsteam Erwartung geht und eben immer die gleichen Versatzstücke in immer den gleichen Kombinationen bringt, ist das eben das Gegenteil von Transgression.


    Schädel mag ich durchaus, das dürfte wohl eine der ältesten Kult- und Dekorationsgegenstände der Menschheit sein, und daher fällt das ein bissl aus der Klischee-Schiene raus. (Ich verstehe aber, wie du das meinst, der Einsatz ist halt immer gleich.)

    Ich nehme an, Makkonens Pferdegott - wie offensichtlich auch die Covergestalt auf dem zweiten Kalevala-Band - ist an den Slawischen Leshy angelehnt, da sind noch andere Ähnlichkeiten: der hohe Stab, die Größe, der skelettartige Körper, eben der Schädelkopf und die Verbindung zur wilden Natur. Der Leshy mag durch das Witcher Franchise bekannt geworden sein, aber das ist hier im Norden / Osten / Baltikum ja ursprünglich eine Naturgottheit, deren 'Gesamtprofil' leider nicht mehr ganz zu rekonstruieren ist. Soweit ich weiß, gibt es keine finnische Entsprechung, aber da kann ich mich auch irren.