Samuel Beckett - Echos Knochen

  • In Echos Knochen wird Belacqua, die verstorbene Figur aus „Mehr Prügel als Flügel“ zurück geholt und Beckett lässt diesen verstorben auf einem Zaun hockend wiederwachen. Ich bin auf das erst in diesem Jahr veröffentlichte Werk Becketts aufmerksam geworden, da es laut Feuilleton Anleihen aus der Schauerliteratur aufweisen sollte und es sich im erweiterten Sinne um eine Gespenstergeschichte handelt. Echos Knochen ist als Triptychon zu lesen, eine Geschichte der Sühne in einer Art Transitdimension. Im ersten Teil begegnet Belacqua das Freudenmädchen Zaborovna Privet und lädt ihn zu sich ein, im zweiten Teil soll Belacqua für den erbenlosen Lord Gall einen Erben zeugen und im dritten Teil wohnt Belacqua seiner eigenen Bestattung, die Bestattung seiner Knochen, durch den Totengräber Doyle bei. So einfach, wie es in dieser Zusammenfassung steht, erschließt es sich den Lesenden aber nicht.


    Zusatz: Dem 60-seitigen Hauptwerk anhängig sind 15 Seiten Anhänge, Briefe seines damaligen Verlegers und Lektoren, der Echos Knochen abgelehnt hatte, eine Einführung des Herausgebers und Nachworte des Übersetzers Chris Hirte.


    Und der Anhang ist m.E. zwingend notwendig für eine zeitgemäße Erschließung des beckettschen Textes, denn Beckett bedient sich en detail zahlreichen Quellen Erschließung. Oft sind es Redewendungen, manchmal nur ein Wort, das mehr bedeutet, wenn man um die Interpretation weiß. Sprich der Anhang ist äußerst wertvoll, ebenso aber auch das Nachwort. Wie es um Beckett und um den Text stand, warum er nicht veröffentlicht wurde, das zeigen das Vorwort und der Briefwechsel, ebenso interessant, aber vielleicht weniger notwendig.


    Fazit: Ich kannte von Becket sein prämiertes Theaterstück „Warten auf Godot“ und seine Erzählung „Der Verwaiser“ aus 1971 und Echos Knochen haben mich von den Dialogen her an Ersteres und vom „Weltenbau“ an Zweites erinnert. Echos Knochen bricht nämlich mit Konventionen, ähnlich wie Joyce und Kafka, und sucht seine Tiefe im Phantastischen, im Mehrdimensionalen. Jeder Teil des Triptychons gleicht einem kleinen Kammerspiel. Requisiten, Bühenbild und vor allem abstruse Dialoge, deren Tiefe ausschließlich in der Sprache zu finden ist.


    Ich weiß nicht, ob ich diese Erzählung jemandem empfehlen würde, der mal etwas von Beckett lesen möchte, aber jemand, der aufgeschlossen und neugierig ist, dem sei dieses tolle Buch aus dem Suhrkamp Verlag wärmstens ans Herz gelegt.


    Und nun noch ein paar Gedanken zu den vermeintlichen Anleihen aus der Schauerliteratur. Ja, sie sind deutlich da aber vor allem als Erweiterung zu verstehen. Als Erweiterung oder als Meilenstein und Leuchtturm in einem. Dabei vor allem natürlich die Friedhofs- und Bestattungsszene. Erwähnenswert dabei sind vor allem die Gedanken Hirtes im Nachwort, die mich sehr inspiriert haben und wo es um die Innenwelt des Künstlers als einzig wahre Inspirationsquelle ging.


    P.S. Im Nachwort wird empfohlen, den Text laut zu lesen. Ich habe ihn einmal leise gelesen und bin dann der Empfehlung gefolgt. Jepp, sollte man mal machen.


    10 von 10 auf einem Zaun gerauchte Zigarren