Fatih Akin - Der Goldene Handschuh

  • Der goldene Handschuh - Film 2019


    "Fritz Honka (Jonas Dassler) lebt in den 1970er-Jahren im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Auf andere wirkt er wie ein Verlierer, fast schon bemitleidenswert. Wenn Fritz nicht gerade als Hilfsarbeiter einer Tätigkeit nachgeht, verbringt er die Nächte gerne in der örtlichen Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“. Denn zwischen Trinkern, Prostituierten und anderen Gestalten der Nacht, kann man einsamen Frauen am Besten näherkommen und ihnen nachstellen. Was keiner weiß: Der unscheinbar wirkende Mann mit Hornbrille und eingedrücktem Gesicht ist der wahrscheinlich berüchtigtste Serienmörder der deutschen Nachkriegszeit. Mit Vorliebe vergewaltigt, schlägt und erwürgt Fritz Honka seine Opfer in seiner Wohnung und zerstückelt anschließend die Leichen, ehe er sie in der Abseite entsorgt. Damit der Verwesungsgestank nicht überhandnimmt, verteilt er hunderte Wunderbäume in seiner Wohnung und wird lange Zeit nicht gefasst..."


    Verfilmung des Bestsellerromans "Der goldene Handschuh" von Heinz Strunk.


    Der Film hat es in sich. Akin wirft wieder ienmal einen feinfühligen Blick auf ein Milieu, dieses Mal ist es der Hamburger Kiez in den 70ern und dabei vornehmlich die Kneipe "Der Goldene Handschuh". Und Gast im Handschuh ist der damalige Serienkiller Fritz Honka, der es als Serienkiller von älteren Prostituierten zu einer Berühmtheit geschafft hat. Sowohl die Milieustudie wie auch das Porträt eines Serienkillers gelingen ausgezeichnet. Noch wähernd meiner Sicht habe ich mich gefragt, warum so ein Bohei um den Film gemacht wurde, aber er bleibt tatsächlich ekelig haften. Und das, weil er schonungslos aufzeigt. Zum einen das Milieu der Berufsalkoholiker und alt gewordener Prostituierter, zum anderen die Gewalt, mit der Honka seine Opfer züchtigte und mordete. Das geht tatsächlich so weit, dass man sich mit den Opfern trotz der Unausweichlichkeit fürchtet. Sagenhaft spielt der jetzt 23-jährige Jonas Dassler die Rolle des Fritz Honkas.


    9 von 10 Knackwürsten von mir.


    Edit 1: Ich persönlich fand ja den Elbschlosskeller kultiger als den Handschuh


    Edit 2: Ein Freund von mir geht immer zum Friseur auf dem Kiez, wo der Honker Kunde war und erzählt Honka-Geschichten. Ist ein kleiner Kellerherrenfriseur. Bei Bedarf organisiere ich die Adresse ... ;)

  • Zitat

    Edit 2: Ein Freund von mir geht immer zum Friseur auf dem Kiez, wo der Honker Kunde war und erzählt Honka-Geschichten. Ist ein kleiner Kellerherrenfriseur. Bei Bedarf organisiere ich die Adresse ...

    Dass der schon im Keller ist, ist sehr beruhigend. Sonst könnte man glatt denken, der hätte so eine Klappe da runter vom Frisörladen, um seine Kunden dem Pastetengeschäft zuzuführen ...

  • Ich finde die Film-Umsetzung furchtbar, da ihr die Sprachgewalt Strunks abgeht (!Schmiersuff"), die diese heftige Sozialstudie in Sachen Härte erträglicher macht. Dafür hat Akin keine passende Bildsprache, keinen passenden Ton gefunden, sondern hält einfach nur die Kamera drauf, während die Handlung (nicht ganz) nüchtern abgespult wird. Auch wenn die Darsteller ihre Sache hervorragend machen.

  • Ich habe das Buch bewusst noch nicht gelesen. Kommt selten vor sowas, aber zum Thema "Serienmörder" verfolge ich einen roten (HARHAR) cineastischen Faden. Ich kann ir aber sehr gut vorstellen, was du meinst. Ich befürchte, das bringt einem Fritz Honka als Mensch näher, oder?

  • Das Buch habe ich gemocht, den Film jedoch nie gesehen. Ich fand den Trailer damals dermaßen abschreckend, dass ich augenblicklich jegliches Interesse an der Verfilmung verloren hatte.

    Für mich wurden dort einfach völlig falsche Prioritäten gesetzt und viel zu viel Wert auf Schock und Ekel gelegt. Besonders albern fand ich in diesem Zusammenhang, dass man gewisse Stellen verpixelt hatte, um jedem klar zu machen, wie "krass", "brutal" und "extrem" der Film doch ist.

    Dazu kamen dann noch diverse Interviews mit Fatih Akin, in denen er sich wie ein kleines Kind über die FSK 18-Freigabe gefreut hatte - Als wäre allein diese Alterseinstufung ein Qualitätsmerkmal.

    Alles eher befremdlich. (Ich bin aber eben auch keine zwölf mehr und die Zeiten in denen ich mir die Nächte mit ausgeleierten VHS-Kopien diverser indizierter Splatterfilme um die Ohren gehauen habe, sind lange vorbei.)

    Die Besetzung von Honka (sofern ich diese nach dem Trailer beurteilen kann) fand ich auch sehr unglücklich. Honkas Äußeres war zugegebenermaßen sehr "speziell", aber hier wurde der Schauspieler so dermaßen mit Maske zugeklatscht, als würde es sich um eine Rolle von Dieter Krebs bei "Sketchup" handeln. Ich konnte ihn jedenfalls keine Sekunde lang ernst nehmen.

    Und wenn ich mich nicht irre, ignoriert der Film doch auch fast völlig das Schicksal der reichen Reederei-Familie - Dabei war gerade dieser Handlungsstrang für die Aussage des Romans nicht gerade unbedeutend, um nicht zu sagen, geradezu essenziell.

    "Der Goldene Handschuh" wurde allgemein ja oft als die deutsche Version von "American Psycho" bezeichnet. Bei der Verfilmung scheint man jedoch genau den gegensätzlichen Ansatz des amerikanischen "Vorbilds" gewählt zu haben. Mary Harron hatte bei ihrem Film die extreme Gewalt der Vorlage damals fast völlig ausgeklammert, ohne dabei jedoch die Aussage von Bret Easton Ellis zu verwässern (ganz im Gegenteil!), während Akin sich anscheinend überwiegend auf die Gewalt fokussiert und dabei den ganzen Rest vernachlässigt hat. Schade.

  • Auch ich kenne nur den Roman und fand ihn ... beeindruckend. Die Darstellung der Personen und des "Milieus" war schon wirklich schmerzhaft intensiv. Von "Lesegenuss" kann man da sicher nicht sprechen, aber ich halte es für ein sehr außergewöhnliches und zugleich gelungenes Buch.

    Den Film wollte ich anschließend allerdings ganz bewusst NICHT sehen, weil ich davon ausgegangen bin, dass das Ganze in diesem Format nicht so gut funktioniert, eben weil die Darstellung vermutlich oberflächlicher bleiben muss und wichtige Aspekte der Vorlage zu kurz kommen.

    Pogos Eindruck bestätigt meine Vermutung.

  • Zitat

    dass man gewisse Stellen verpixelt hatte, um jedem klar zu machen, wie "krass", "brutal" und "extrem" der Film doch ist.


    Der Film selbst arbeitet nicht damit.




    Zitat

    ignoriert der Film doch auch fast völlig das Schicksal der reichen Reederei-Familie - Dabei war gerade dieser Handlungsstrang für die Aussage des Romans nicht gerade unbedeutend, um nicht zu sagen, geradezu essenziell.

    Ups. Dieser Handlungsstrang fehlt gänzlich.



    Zitat

    während Akin sich anscheinend überwiegend auf die Gewalt fokussiert und dabei den ganzen Rest vernachlässigt hat.

    Nein, das kann ich so nicht bestätigen. Es sind drei Mord-Gewaltszenen zu sehen. Die haben es in sich, aber bilden nicht ausschließlich den Film.

  • Kenne sowohl das Buch als auch die Verfilmung, die ich weitestgehend adäquat empfand (wenn so etwas überhaupt möglich ist …).

    Tendenziell bin ich ja auch der Meinung, dass eine Verfilmung eines Buches meist eine gewisse Reduktion von Inhalten und Atmosphäre mit sich bringt (und das auch meist zum Nachteil des Stoffes!), aber andererseits ist jede Bearbeitung ja auch eine Form der Interpretation.

    Filmtechnisch lässt sich wenig aussetzen, auch der Soundtrack ist passend und zeitgemäß, die Schauspielerleistungen sind durchwegs ok bis sehr gut. Gewaltdarstellung fand ich jetzt auch nicht so übertrieben, da geht's in jedem x-beliebigen Slasher heftiger zur Sache.

    Das Buch hingegen punktet für ganz besonders mit seiner eigenständigen Sprache und (ja!) sogar schwarzhumorigen Ansätzen. Als Milieustudie, wie schon geschrieben, sowieso klasse.

  • Ich habe mir nun auch den Film und das (Hör-)Buch zu Gemüte geführt und war vom Roman sehr angetan, teils auch wegen Heinz Strunks doch sehr speziellem Lesestit. Den Film fand ich von der Ausstattung und den Schauspielern her sehr gut gelungen, auch wenn Honkas Maske tatsächlich etwas too much ist, auch die Bewegung scheint übertrieben zu sein, es gibt ein Video, wo (der echte) Honka in den Gerichtssaal kommt und nicht wie Quasimodo läuft.


    Leider taugt der Film im Gegensatz zum Buch zu nichts. Er ist keine gute Milieustudie, dafür erfährt man einfach zu wenig von den handelnden Personen (außer von Honka vielleicht über dessen Bruder), als Psychogramm ist mir der Film zu Oberflächlich. Eigentlich geht es, aus meiner Sicht, im Film um wenig bis gar nichts. Gäbe es dir teils humorist, ischen (wenn auch traurigen) Sequenzen im Handschuh nicht, hätte ich ihm nichts abgewinnen können. Der im Buch gut beschriebene, innere Kampf von Honka um Selbstachtung und Anerkennung von Dritten geht für mich leider unter. Ebenso die Motivation von Honka im Film, hinter dem jungen Mädchen her zu sein, die so keinen Sinn ergibt, da sie absolut nicht in sein Schema passt. War wohl dramaturgisch aber nötig, um den Film abzuschließen.


    Alles in allem ein starkes Buch und ein schwacher Film.