Wir hatten neulich irgendwo das Thema "Folk-Horror". Im Nachwort beschreibt Nevill, dass sein Roman (genauso wie The Ritual) in dieses Genre gehört. Er hat sich von der Geschichte Südenglands beeinflussen lassen und seinen Gedanken freien Lauf gelassen.
Zum Inhalt: Die ersten Kapitel beschreiben Ereignisse über mehrere Jahre hinweg, welche erstmal in keinem Zusammenhang stehen. Hier geht es vor allem um den Fund eines Höhlensystems direkt an der Küste, welches nach und nach erschlossen wird. Relikte und Überbleibsel aus diversen zeitlichen Epochen werden hier gefunden. U. a. auch Hinweise auf Kannibalismus. Parallel dazu gibt es kurze Episoden über Menschen, welche "Kontakt" mit rot bemalten Menschen haben. Diese Kontakte verlaufen nicht so positiv...
Dies ist die Grundgeschichte, in welche Nevill 2 Protagonisten unabhängig voneinander hineinwirft. Zum einen eine Lifestyle-Reporterin, welche für ein lokales Blättchen arbeitet. Zum anderen die Schwester eines Selbstmörders, welcher vor seinem Tod in eben jener Gegend seltsame Tonaufzeichnungen in Höhlen und alten Mienen gemacht hat. Alles weitere zur Handlung wäre definitiv zu viel an Spoiler.
Zuerst einmal habe ich festgestellt, dass Nevill mit dem Roman von seinem üblichen Schema abwich. Normalerweise stellt er den Leser direkt neben den einzigen Hauptprotagonisten in seinen Büchern. Hier sind es zwei Protagonisten, so dass die Kapitel meistens die Ansicht ändern. Auch gab es Kapitel aus dem Blickwinkel eines Antagonisten.
Weiterhin wurde man nicht direkt in die Geschichte geworfen, sondern Nevill baut auf den ersten 50 Seiten sein Spielfeld auf. Gerade zu Beginn haben es mir die zeitlichen Sprünge tatsächlich schwer gemacht, in das Buch zu finden. Ab ca. Seite 150 entwickelte es sich jedoch zu einem Selbstläufer. Der Leser sitzt im Sattel und kann dem Ritt beiwohnen.
Nevill schreibt wirklich großartig. Seine Romane sind keine schwere Kost, aber doch anspruchsvoller geschrieben als z. B. Laymons Sachen. Das macht Spaß und die Fabulierkunst gefällt mir. Allerdings hatte ich wohl deutlich zu hohe Erwartungen an das Buch. Gefühlt jagt eine positive Kritik die nächste, so dass ich hier seinen ultimativen Roman erwartet hatte. Diese Erwartung wurde leider nicht erfüllt. Sicherlich ist der Roman immer noch besser als der schwache "Lost Girl". Und auch besser als so manch anderer Roman, welchen ich in der letzten Zeit gelesen hatte. Allerdings habe ich deutlich mehr erwartet. Die Momente der Beklemmung und die Hintergründe zu dem Kult um das Red hätten m. E. noch eine Schippe mehr vertragen können.
Fazit: Ein sehr gut geschriebener Roman, welcher meinen (zu hohen) Erwartungen leider nicht gänzlich gerecht wurde. Vielleicht reift er aber im Rückblick noch nach.