The M. R. James BBC Radio Collection

  • Das dürfte interessant werden!

    Das sehe ich auch so, selbst wenn mir immer wieder auffällt, dass ich nur wenige Geschichten von James wirklich mag. Anton Lesser ist natürlich schon das halbe Geld wert, Wolf Hall ist eine der wenigen Serien, die ich auf DVD gekauft und mehrmals angeschaut habe; und im Grunde trägt er die ganze Show.


    Auf Gatiss und Jacobi wäre ich auch gespannt, auch wenn ich beide Stimmen extrem mit einzelnen, speziellen Rollen in Verbindung bringe (Jacobi als Master in Doctor Who und Gatiss aus Sherlock). Mein favourite Buchvorleser, David Tennant, ist leider nicht dabei.


    Und die Stücke zur Biographie sind fast noch das Spannendste, James muss ein Reaktionär sondergleichen gewesen sein, da interessiert mich, wie sich die Verbindung zum Horror entwickelte.


    Dank für den Tip, BBC Audiobooks oder Hörspiele sind oft wirklich grandios (ich denke da an das intensiv-bedrückende Kafka, the Musical, und die Reihe zu schottischen Klassikern).

  • selbst wenn mir immer wieder auffällt, dass ich nur wenige Geschichten von James wirklich mag

    Kannst du begründen, warum das bei dir so ist?



    Und die Stücke zur Biographie sind fast noch das Spannendste, James muss ein Reaktionär sondergleichen gewesen sein, da interessiert mich, wie sich die Verbindung zum Horror entwickelte.

    Auf die bin ich auch gespannt. Wenn du kurzfristig interessiert bist, gibt es bei youtube auch mindestens eine - eher zwei - gute Dokumentationen zu James. Durch eine davon führt sogar Mark Gatiss, glaube ich.


    Ich selbst habe ein paar biographische Texte gelesen. Ich denke, mit der Benennung als Reaktionär liegst du nicht falsch. Auf jeden Fall ist James mir als extrem christlich-konservativ in Erinnerung geblieben, Details müsste ich nachschlagen. Warum er sich ausgerechnet für Geistergeschichten begeistern konnte, ist die Frage. Fraglich sogar, ob er es wirklich allgemein tat. Ich meine mich zu erinnern, dass er sie lediglich aufschrieb, um sie seinen akademischen Freunden vorzulesen. Ob er selbst darüber hinaus ein Kenner der Gattung war, weiß ich gar nicht mehr genau. Ich memoriere dunkel einen Kommentar zu Sheridan Le Fanu.

  • Kannst du begründen, warum das bei dir so ist?

    Ja, und ich will vorausschicken, dass ich das berühmte „Oh Whistle, and I‘ll Come to You, My Lad“ über ein Dutzend Mal gelesen habe – als Kind hatte ich schlaflose Nächte davon und wer es hinbekommt, einem quasi-Bettalaken einen derart grauenhaften Schrecken einzuhauchen, ist sicher ein Meister des Grusels. That said, habe ich mich durch knapp 2/3 einer Gesamtausgabe gelesen, und fand, dass die allermeisten Geschichten ein schönes set-up haben, sich dann aber die Exposition über die Länge zieht, bei der ich schon den Hauptteil einer Erzählung erwarte: Die Geschichten fingen irgendwo an und hörten irgendwo auf, ohne nennenswerten Spannungsbogen und vor allem ohne Schluss (selbst unter dem Aspekt eines geplant offenen Endes).


    Das Buch hatte ich von einem Buchtauschplatz meiner Bibliothek, und ich fürchte, ich habe es dort wieder zurückgegeben, daher kann ich jetzt keine Titel nennen. Die Geschichte, die mir den Rest gegeben hat, drehte sich um einen hohen, verschlossenen Zaun, hinter dem ein verlassenes Anwesen (oder ein Friedhof) lag. Der Erzähler fühlt sich gezwungen, immer wieder dort hinzugehen, und dann begegnet er einer Frau (oder sieht ein Schemen), die auf der anderen Seite des Zaunes eingeschlossen scheint. Das alles ist gut gemacht, außer dass die Situation sehr in die Länge gezogen ist, ohne, dass sie sich entwickelt; und dann ist – meine ich – irgendwann die Frau nicht mehr da. Die Implikation ist natürlich, dass es ein Geist oder Vampir war, aber der gesamte dräuende Aufbau führte für mich einfach ins Nichts. Und so ging es mir Geschichte um Geschichte, bis ich wirklich keine Lust mehr hatte. Ich lese aber sicher nochmal in eine Sammlung rein.

    Ich selbst habe ein paar biographische Texte gelesen. Ich denke, mit der Benennung als Reaktionär liegst du nicht falsch. Auf jeden Fall ist James mir als extrem christlich-konservativ in Erinnerung geblieben, Details müsste ich nachschlagen. Warum er sich ausgerechnet für Geistergeschichten begeistern konnte, ist die Frage. Fraglich sogar, ob er es wirklich allgemein tat.

    Nach den YT-Videos werde ich suchen, lieben Dank, das klingt spannend, und Gatiss sehe ich auch gern.


    Ich habe auch nur ganz grob über James Hintergrund gelesen (teils auf dem engl. Wiki, was auch nicht immer zuverlässig ist), aber er schrieb wohl auch Geistergeschichten als eine moralische Fingerzeig-Warnung, der die Leser unter der Drohung, sonst ähnliches erleben zu können, auf dem ‚rechten Weg‘ halten sollte. Und ja, er hat wohl Le Fanu verehrt, dabei meine ich, Le Fanu unterstütze James' Haltungen nicht so sehr, wie dieser vielleicht meinte. Le Fanus Geschichten zeigen eine sehr aufgeklärte und moderne Weltsicht, egal, ob er privat ebenso konservativ war oder nicht.


    James war gegen die Irische Unabhängigkeitsbewegung, unterstützte die Petition zum Verbot von Radcliffe Halls The Well of Loneliness, weil es lesbisches Begehren als dramatisches Motiv hatte (und sicher auch, weil er Radcliffes Lebensweise verdammte). Und das 1928, zu Zeiten, in denen es – zumindest im Berlin der Weimarer Republik – bereits Lesben- und Schulenbars gab, und in denen (auch innerhlab des Britischen Königshauses) ebenso viele Leute tätowiert waren wie heute. Ich meine auch gelesen zu haben, dass seine Schwester auch Erzählungen (eventuell sogar Ghost Stories) schrieb, und er sie mit aller Macht davon abhalten wollte, weil das keine Beschäftigung für Damen sei. Stöhn.

    Seine private Haltung hat allerdings rein gar nichts mit meiner Meinung zu seinen Geschichten zu tun, Le Fanu war ein streng gläubiger Protestant aus religiösem Hause, und seine Geschichten mag ich trotzdem sehr gern - trotz oder auch gerade wegen - der Moral darin.

  • ich will vorausschicken, dass ich das berühmte „Oh Whistle, and I‘ll Come to You, My Lad“ über ein Dutzend Mal gelesen habe – als Kind hatte ich schlaflose Nächte davon und wer es hinbekommt, einem quasi-Bettalaken einen derart grauenhaften Schrecken einzuhauchen, ist sicher ein Meister des Grusels.

    Auch eine meiner Lieblingsgeschichten. Die ist einfach extrem gruselig. Gibt eine sehenswerte Kurzfilmadaption mit John Hurt, die im Jahr 2010 oder so spielt und den Ursprung des Spuks gekonnt variiert.



    fand, dass die allermeisten Geschichten ein schönes set-up haben, sich dann aber die Exposition über die Länge zieht, bei der ich schon den Hauptteil einer Erzählung erwarte: Die Geschichten fingen irgendwo an und hörten irgendwo auf, ohne nennenswerten Spannungsbogen und vor allem ohne Schluss (selbst unter dem Aspekt eines geplant offenen Endes).

    Hm, ich versuche gerade, mich anhand deines Eindrucks einigen Geschichten zu nähern. Ich habe eigentlich erst vor eineinhalb Jahren viele Stories von James gelesen (zweibändige, von Joshi kommentierte Ausgabe), aber ich kann dazu gerade irgendwie gar nichts sagen. Ich muss da bei der nächsten Lektüre unbedingt drauf achten.

    Die Geschichte, die mir den Rest gegeben hat, drehte sich um einen hohen, verschlossenen Zaun, hinter dem ein verlassenes Anwesen (oder ein Friedhof) lag. Der Erzähler fühlt sich gezwungen, immer wieder dort hinzugehen, und dann begegnet er einer Frau (oder sieht ein Schemen), die auf der anderen Seite des Zaunes eingeschlossen scheint.

    Ich glaube, die habe ich nicht gelesen. Jedenfalls klingelt bei der Beschreibung nichts.

    aber er schrieb wohl auch Geistergeschichten als eine moralische Fingerzeig-Warnung, der die Leser unter der Drohung, sonst ähnliches erleben zu können, auf dem ‚rechten Weg‘ halten sollte.

    Okay, das würde auf jeden Fall zu seinem background passen. Möglicherweise ließ er sich von der teils paternalistischen Moral der Schauerromantik dazu inspirieren? Als Christ sind einem natürlich von Haus aus Geister nicht völlig fern.


    Seine private Haltung hat allerdings rein gar nichts mit meiner Meinung zu seinen Geschichten zu tun

    Davon bin ich ausgegangen, ich verfahre ebenso.



    Ich meine auch gelesen zu haben, dass seine Schwester auch Erzählungen (eventuell sogar Ghost Stories) schrieb, und er sie mit aller Macht davon abhalten wollte, weil das keine Beschäftigung für Damen sei. Stöhn.

    Jupp. Seine Schwester hieß... M. R. James! :D


    http://greydogtales.com/blog/the-other-m-r-james/

  • Stories von James gelesen (zweibändige, von Joshi kommentierte Ausgabe

    Das ist ein interessanter Verweis, falls nämlich Joshi die Geschichten auch editiert hat, und die Veränderungen so positiv anders wie seine Lovecraft-Editionen (bzw: Rekonstruktionen) sind, würde mich das nochmal ganz neu reizen. Da schaue ich mal nach ...

    Gibt eine sehenswerte Kurzfilmadaption mit John Hurt, die im Jahr 2010 oder so spielt und den Ursprung des Spuks gekonnt variiert.

    Danke! Das sagte mir gar nix, aber John Hurt allein ist schon super.

    Als Christ sind einem natürlich von Haus aus Geister nicht völlig fern.

    Er gab wohl an, bei dem Thema 'Gespenster' Agnostiker zu sein, das finde ich sogar sehr vernünftig.

    Jupp. Seine Schwester hieß... M. R. James!

    8| Holy F%#§! Life is stranger than fiction ...

    Mensch, ich wollte schon schreiben, ich glaube seine Schwester war auch lesbisch, das kam mir aber plötzlich so unwahrscheinlich vor, dass ich - ohne Zeit, danach zu googeln - dachte, ich müsse mir das eingebildet haben. Und dann noch Atheistin, im Hause James muss ja die Hölle los gewesen sein [no pun intended]. Dann hat er sich vielleicht an Radclyffe Hall aus ganz persönlichen Gründen so abgearbeitet ...

    Danke auch für den grandiosen Artikel-Link!


    Im Vorbeiscrollen hab ich gelesen, dass James einige von Le Fanus Werken editiert hat. Da hat mich ein bissl der Grusel gepackt: Man kann nur hoffen, das endete nicht so wie bei Nietzsche und seiner religiös fanatischen Schwester, die ihm die Worte im Mund rumdrehte und wohl die eigentliche Urheberin auch seiner tendenziell frauenfeindlichen Texte gewesen sein soll ... Silas ist eine der von James editierten Erzählungen, da hatte ich vor 20 Jahren mal reingeschaut und meine, ich hab das abgebrochen, weil es mir zu religiös war. Den Eindruck hab ich aber sonst bei Le Fanu nie gehabt.

  • [...] aber er schrieb wohl auch Geistergeschichten als eine moralische Fingerzeig-Warnung, der die Leser unter der Drohung, sonst ähnliches erleben zu können, auf dem ‚rechten Weg‘ halten sollte.

    Okay, das würde auf jeden Fall zu seinem background passen. Möglicherweise ließ er sich von der teils paternalistischen Moral der Schauerromantik dazu inspirieren? Als Christ sind einem natürlich von Haus aus Geister nicht völlig fern.


    Gerade bei M. R. James sollte man nicht zu viel hineininterpretieren. Im Gegensatz zu schreibenden Zeitgenossen mit ausgeprägtem Interesse am Okkulten (Blackwood, Machen) oder jenen, die felsenfest von der Existenz übersinnlicher Phänomene überzeugt waren (Wakefield), hatte James mit Geistern überhaupt nichts am Hut. Er schrieb einfach aus Lust am Erzählen. Nicht nur zu Lektüre, sondern auch zum Vortag. Er erzählte seine Geschichten gerne selbst im privaten Rahmen vor Freunden oder um Pfadfinder zu erschrecken ;)

  • Gerade bei M. R. James sollte man nicht zu viel hineininterpretieren.

    Ich bin aber unschuldig 8o , das waren zwei James-Zitate - von Wiki aufgeschnappt, aber die Quellen sind mit Sicherheit seriös:

    A ghost story has to "put the reader into the position of saying to himself, 'If I'm not very careful, something of this kind may happen to me!'"

    James, M. R: "Preface to More Ghost Stories of an Antiquary". In Joshi, S. T, ed. (2005). Count Magnus and Other Ghost Stories: The Complete Ghost Stories of M. R. James, Volume 1, pt. 217. Penguin Books.


    Befragt, ob er an Geister glaube, sagte er: "I answer that I am prepared to consider evidence and accept it if it satisfies me." Das ist die klassische Antwort eines Agnostikers.

    James, M. R: Preface to The Collected Ghost Stories of M. R. James (1931). In Jones, Darryl, ed. (2011), p. 419. Oxford University Press.


    Ach, und ich finde einfach, solche psychologischen Überlegungen sind extrem reizvoll, weil man einfach davon ausgehen kann, dass jeder Mensch sehr viele Dinge unbewusst entscheidet, oder Gründe für seine Haltungen hat, die ihm entweder nicht klar sind oder die er sogar verleugnet. Und gerade, wenn jemand so extrem religiös ist, spielt da von Haus aus ein bissl cognitive dissonance rein. Solange niemand hingeht, und behauptet, dies wäre die einzig mögliche Leseweise (und ich denke, das macht hier im Forum niemand), sehe ich da keinen Schaden. X/

  • Ja klar! Die Gedanken sind frei ?§"

    Ich muss da immer an Herschell Gordon Lewis denken, der angesprochen auf die Interpretation seiner Filme einmal sarkastisch anmerkte "Now I know what I really meant!"


    In der Biographie von Michael Cox wird M. R. James gegenüber übernatürlicher Erscheinungen als zutiefst skeptischer Mensch beschrieben. Seine Geschichten waren weiters gewissermaßen Nebenprodukte seiner wissentschaftlichen Arbeit. Als Altertumsforscher kam er viel herum und diese Reisen bzw. seine Entdeckungen dienten ihm oft als Inspiration. So schrieb er nachdem er das opulente Glasfenster einer Privatkapelle eines englischen Landsitzes untersucht hatte neben einer entsprechenden kunsthistorischen Abhandlung auch gleich "Der Schatz des Abtes Thomas".

    Was mich persönlich von der moralischen Deutung seiner Werke abhält, ist der leicht ironischen Ton, den ich in verschiedenen seiner Erzählungen auszumachen glaube...

  • Habe mir gerade 3 Stories aus der Kollektion angehört:

    • The Mezzotint
    • Casting the Runes
    • The Stalls of Barchester Cathedral


    Die dramaturgische Bearbeitung verändert die Sachen schon arg. Wer meint, James habe einige Längen drin, wird diese Adaptionen, die sehr auf den Punkt sind, sicher schätzen. Wer sich aber gerade für James' Altertümlichkeit begeistert, seine Auszüge aus Handschriften und Kirchenchroniken etwa, und wie er unterschiedliche Quellen zusammenfügt, bleibt auf der Strecke.

    Insbesondere die Stalls of Barchester sind zu einer reinen Nacherzählung geworden. Casting the Runes ist aufgrund der Gedrängtheit seines Thrills beraubt (in Wahrheit handelt es sich um eine, für James-Verhältnisse, recht lange Story). The Mezzotint wiederum finde ich gut – gerade weil am Anfang eine Szene zum Leben erweckt wird, die in der originalen Story quasi nur aus dem off heraus erzählt wird.

    Ich bleibe natürlich dran, Spaß machen die Geschichten allemal, die Sprecherinnen und Sprecher machen einen Top-Job!