Thomas Ligotti - Das Alptraum-Netzwerk

  • Drei Erzählungen versammeln sich hier in diesem Band und wie passend, dass ich gerade „Der Berater“ von Little gelesen habe, schließt sich hier nahtlos eine Gesellschaftskritik, die Unternehmen und den Kapitalismus im Visier hat, an. Im Gegensatz zu Little geht es hier aber sprachlich und vom Setting (etwas) anders zu, aber mich würde schon interessieren, ob Little sich hat von Ligotti inspirieren lassen …


    Die erste Erzählung „Meine Arbeit ist noch nicht erledigt“ ist am eingängigsten und wahrscheinlich für Ligotti am nächsten an den Figuren. Die Handlung ist an sich schnell erzählt: Ein Mann wird in seiner Firma gekündigt und rächt sich an allen Fachbereichsleitern, die die Kündigung forciert haben. Am Ende steht die Erkenntnis, dass selbst die Rache determiniert war, denn auch er ist nur ein Teil des „großen, schwarzen Schweins, welches sich in einem großen Strom der Schwärze suhlt“. Und wo es formal noch realistisch begann, driftet Ligotti immer weiter in eine Alptraumwelt ab und zieht auf damit ihm eigene Weise dem Leser den Boden unter den Füßen weg. Diese Geschichte hat mir überaus gefallen und ich vergebe 9 von 10 Schweinen.


    Die Wiederkunft der Toten. Ich habe einen speziellen Plan für diese Welt.


    Die Blaine Company zieht in die sogenannte „Mordstadt“ um, wo immer fürchterliche Morde geschehen, wenn der gelbe Nebel am dichtesten ist. Tja, was soll man dazu sagen. Wow. Eine Alptraumwelt in einer Alptraumwelt und die in der Ich-Perspektive erzählende Figur hat einen Plan und will diesen der Firmenführung mitteilen, die sich allerdings als ominöse Präsenz nicht greifen lässt. Bis es dann gelingt.


    8,5 von 10 gelben Nebelschwaden


    Geschäftsauflösung ist nur noch mit Kunst zu benennen. Hat mich an Samuel Beckett oder Kafka erinnert.


    8 von 10 Zeitungsinseraten


    Die abschließende Autorenvorstellung sowie das Interview sind großes Kino.


    9,25 von 10 Alpträumen bekommt dieses schmucke Buch aus dem Blitz-Verlag von mir.

  • Immer dann, wenn Ligotti urbanen Horror beschwört, weiß er mich zu überzeugen. Bei anderen Themen schwebt bei mir dagegen ein großes Fragezeichen vor meinem Kopf.

    Bei mir ist es genau andersherum, Gordon.

    Ligotti gehört sicher zu den wichtigsten und besten noch lebenden Weird Fiction-Autoren, "Das Alptraum-Netzwerk" stellt für mich aber ganz klar seine schwächste Storysammlung dar und ich konnte mit seinem "Wirtschafts-Horror" generell nur wenig anfangen. Ligottis enormer "Menschenekel" wird in diesen Geschichten mMn nicht nur überdeutlich, sondern gerät (für meinen Geschmack) auch stellenweise überraschend flach (Ähnlich wie schon bei seinem Sachbuch "Conspiracy Against The Human Race", welches diesbezüglich sogar noch extremer ausfällt und eine einzige Abrechnung mit der Menschheit darstellt).

    Es ist zugegebenermaßen aber auch schon lange her, dass ich mich mit dem Buch beschäftigt habe. "In einer fremden Stadt", "Teatro Grottesco", "Die Sekte des Idioten" und "Grimscribe" haben mir jedenfalls deutlich besser gefallen. Trotzdem natürlich ein interessantes Buch, eines wirklich großartigen und einzigartigen Autors.

  • Ich fand auch die erste Erzählung "Meine Arbeit ist noch nicht erledigt" gut.

    Weil Sie eben nicht typisch für den Autor ist, mal andere Wege geht.

    Gerade das gefiel mir, während die restlichen Zwei schon eher wieder Ligotti sind.

    Aber ich muss mal wieder ein Ligotti Buch lesen.

  • "Meine Arbeit ist noch nicht erledigt" war auch für mich eine äußerst positive Überraschung! Näher wird Ligotti einem Roman nicht kommen. Die Geschichte ist noch dazu ungemein spannend, ein regelrechter Pageturner. Nicht nur für Ligotti-Verhältnisse.

  • stellenweise überraschend flach (Ähnlich wie schon bei seinem Sachbuch "Conspiracy Against The Human Race", welches diesbezüglich sogar noch extremer ausfällt und eine einzige Abrechnung mit der Menschheit darstellt).

    Dieses Werk von Ligotti "flach" zu nennen, fordert natürlich die Frage heraus, wie du zu der Einschätzung kamst. Ich habe das Buch vor ein paar Jahren gelesen, als ich mich mit diversen philosophischen Strömungen befasste, auf die Ligotti sich bezieht, und ich fand seine Schlussfolgerungen durchaus fundiert und pointiert dargestellt.

  • Auch wenn ich Ligottis Weltbild nicht unbedingt teile, gebe ich dir da zweifelsfrei recht, Nils.

    Man kann sicher über "Conspiracy Against The Human Race" streiten, als flach würde ich dieses Werk aber auch nicht bezeichnen wollen. Eigentlich wollte ich nur die starken Parallelen von "Das Alptraum-Netzwerk" und besagtem Sachbuch hervorheben, mir ist da beim schreiben aber anscheinend die Klammer verrutscht.

    Hab das mal gefixt:

    Ligottis enormer "Menschenekel" wird in diesen Geschichten mMn nicht nur überdeutlich (ähnlich wie schon bei seinem Sachbuch "Conspiracy Against The Human Race", welches diesbezüglich sogar noch extremer ausfällt und eine einzige Abrechnung mit der Menschheit darstellt), sondern gerät stellenweise auch überraschend flach.

  • Alles klar, dann war das ein kleines Missverständnis. Ich teile seine Weltsicht in dieser Radikalität auch nicht, fand viele Ansätze aber durchaus spannend. Das Buch wurde ja im Zuge der ersten "True Detective"-Staffel sehr gehyped, was es vielleicht wirklich nicht verdient in diesem Maße. Aber interessant, dass du auf die Parallelen zur Storysammlung verweist, die ich bisher nicht kenne. Das macht mir eigentlich Lust, sie mir anzuschaffen.