The Weird: A Compendium of Strange and Dark Stories



  • The Weird: A Compendium of Strange and Dark Stories

    Jeff & Ann VanderMeer (ed.), London 2012

    Tor Books, 1126 S.


    Auf die Gefahr hin, hier absolut nix Neues vorzustellen, muss ich einfach mal dieses Monster von einem Buch fangirlen. Die VanderMeers deren eigener Schreibstil mich ziemlich kalt lässt haben hier 110 Kurzerzählungen zusammengestellt, die neben den großen Namen auch viele zumindest mir unbekannte Autoren präsentieren, dabei auch Einblicke in die u.a. japanische, osteuropäische und südamerikanische bzw. romanische Phantastik bietet. Was mir extrem gut gefällt, ist die chronologische Reihenfolge, die Zeitgeist, Modethemen und -stile über Grenzen hinweg deutlich werden lassen. Obwohl es auch Dunkle Phantastik und Magischen Realismus / expressionistischen Surrealismus gibt, liegt die vorherrschende Grundstimmung eindeutig beim Horror.


    Bei wenigen Autoren (z.B. Jean Ray und Bruno Schulz) habe ich mir die Mühe gemacht, online andere Übersetzungen ins Englische zu vergleichen, und auch hier treffen die VanderMeers genau meinen Geschmack; in allen Fällen dachte ich: So und nicht anders muss es klingen.


    Vor jeder Geschichte steht eine kurze Biographie & Einleitung bzw. Kurzkommentare zur Entstehung dieser speziellen Erzählung oder dem Output des Autors allgemein; was auch wirklich sehr interessante, liebevoll recherchierte Details bietet und nicht nur das übliche BlaBla. Aus jedem Wort der Herausgeber klingt die Begeisterung für das jeweilige Stück durch, und das steckt beim Lesen tatsächlich an. Nicht nur für den beeindruckenden Umfang hat das Buch eine tolle Papierqualität und einen wunderschönen Schriftschnitt.


    Momentan hab ich das Werk aus der Bibliothek geliehen, aber obwohl es locker den Regalplatz von fünf oder sechs Taschenbüchern einnimmt, werde ich da zugreifen, sobald sich ein günstiger 2nd hand Preis bietet. Nicht nur als Nachschlagewerk unabdingbar, sondern auch, weil ich sicher einige der Geschichten mehrfach lesen werde.

  • Auf die Gefahr hin, hier absolut nix Neues vorzustellen, muss ich einfach mal dieses Monster von einem Buch fangirlen. Die VanderMeers deren eigener Schreibstil mich ziemlich kalt lässt haben hier 110 Kurzerzählungen zusammengestellt (...) Aus jedem Wort der Herausgeber klingt die Begeisterung für das jeweilige Stück durch, und das steckt beim Lesen tatsächlich an.

    "The Weird" ist wirklich eine großartige Sammlung - Auch wenn ich (aufgrund des Umfangs) immer noch nicht alle Geschichten gelesen habe und der Klotz doch etwas unhandlich ist.

    Was hast du denn bisher von Jeff Vandermeer gelesen, Katla? Ich bin ja großer Fan - Besonders seine "Southern Reach"-Trilogie (Annihilation, Authority & Acceptance) halte ich für absolut genial.

  • Hallo Goblin,


    ich habe auch noch nicht alles gelesen, v.a. von den aktuelleren Geschichten. Hehe, 'unhandlich' trifft es (aber so schön, auch das Cover!). Nichts zum im-Bett-auf-dem-Rücken-liegend-lesen, wenn man doch mal einnicken sollte, bricht man sich damit die Nase ...

    Was hast du denn bisher von Jeff Vandermeer gelesen, Katla? Ich bin ja großer Fan - Besonders seine "Southern Reach"-Trilogie (Annihilation, Authority & Acceptance) halte ich für absolut genial.

    Hm, interessant, gelesen habe ich nichts, sondern nur in alle Bücher online reingelesen, und da auch tatasächlich in die Southern Reach-Reihe, weil ich den Titel toll fand. Das ist ein Jahr her, aber gerade beim Neuschauen hab ich mich erinnert, dass ich die Beschreibungen sehr langwierig und viel zu wortreich fand - selbst für indirekte Charakterisierungen und Setting etablieren etc.

    Ich will gar nicht sagen, dass ich den Stil irgendwie schlecht fände, aber ich fange ungewollt nach zwei, drei Absätzen mit einem Quickread an, ohne durch etwas neu reingezogen zu werden - daher 'kalt lassen'. Dabei schätze ich durchaus Autoren, die ein unglaublich bedächtiges Tempo haben, z.B. Robert Edric und frühe Gothic Tales von 1800.


    Scheint, auch nach deiner Begeisterung, ich sollte dem nochmal eine Chance geben, zumal mir die beiden durch die Intros in The Weird wirklich sympathisch geworden sind. Da würde ich vermutlich mal zu Dead Astronauts greifen. Das sieht mir einen ganzen Zacken elliptischer aus, da scheint mir auch die Satzlänge mehr zu variieren (so als Spontaneindruck).

  • "Dead Astronauts" besitze ich zwar, habe es allerdings noch nicht gelesen - Das Buch ist aber eine Art Fortsetzung von "Borne". Weiß daher nicht, ob vielleicht Vorwissen nötig ist.

    Sein bisheriges Meisterwerk ist für mich aber ganz klar die "Southern Reach"-Trilogie. Besonders ausschweifend und wortreich fand ich die darin enthaltenen Beschreibungen eigentlich nicht - "Annihilation" ist mit seinen 190 Seiten ja auch nicht wirklich umfangreich, aber dennoch recht ereignisreich geraten. Aber Geschmäcker sind natürlich verschieden.

  • Das Buch ist aber eine Art Fortsetzung von "Borne". Weiß daher nicht, ob vielleicht Vorwissen nötig ist.

    Vielen Dank, ja, das hab ich gesehen, aber ich lese öfter nur Teile aus Reihen / Trilogien, oder die Bände in falscher Reihenfolge, und bisher hat mich das nicht gestört.

    Besonders ausschweifend und wortreich fand ich die darin enthaltenen Beschreibungen eigentlich nicht

    Nee, nicht zu lang, sondern eine einzige Sache mit zu vielen Ansätzen ausgebreitet. Ich hab beim Abtippen gerade gesehen, warum ich den Eindruck habe: VanderMeer wiederholt sehr oft Satzteile oder einzelne Phrasen, und das gibt mir eben den Eindruck von Stillstand, so als ob jemand einen Ball lange in der Hand hin- und herwendet, anstatt ihn sofort zu werfen.


    (SR - Annihilation)

    The effect of this cannot be understood without being there. The beauty of it cannot be understood, either, and when you see beauty in desolation it changes something inside you. Desolation tries to colonize you. (…)

    But I knew from experience how hopeless this persuit, this attempt to weed out bias, was. Nothing that lived and breathed was truely objective – even in a vaccum, even if all that possessed the brain was a self-immolating desire for truth.


    Vs.

    (Dead Astronauts)

    They sat at the border between the desert and the City. Hearts pumping fast. Motionless, but ready to leap, to run, to bite.

    Out across the desert came the Source. At a trot. With a familiar grin of fangs.


    Allerdings kommen da auch viele Neuansätze / Wiederholungen vor, nur, dass die Sätze oft kürzer sind, oder keine Nebensäze haben:

    But why should they have a leader? Why should they not roam like wild things? For they were wild things. Why should they have a purpose? For they were wild things.


    Ich denke aber, das funktioniert tatsächlich gut und kann Spaß machen, wenn man sich in diesen Stil einliest.

  • Okay, jetzt verstehe ich, was du meinst.

    Auf seinen Stil muss man sich sicher einlassen, dann kann er jedoch eine recht hypnotische Sogwirkung entfalten. Ich kann aber auch verstehen, wenn man damit nichts anfangen kann.

  • Vielleicht wagt sich ja noch einmal ein deutscher Verlag an die Sache

    Das wäre auf jeden Fall klasse, aber sicher nicht einfach. Letztlich stellt sich dann die Frage, ob man für die verschiedenen Sprachen ein halbes Dutzend Übersetzer engagieren will, oder alles aus dem Englischen übersetzen liesse. (Dass es für sogar rennomierte Verlage Standard zu sein scheint, Romane aus z.B. dem Isländischen und sogar Dänischen aus einer Englischen Version ins Deutsche "doppelübersetzen" zu lassen, hab ich kürzlich erst erfahren.)

    Hm, macht neugierig.

    Schön, dass noch nicht alle hier das Buch kannten.


    Und lieben Dank für deine netten Worte im Simmons-Thread! :*

    • Offizieller Beitrag

    Schön, dass noch nicht alle hier das Buch kannten.

    Ich kannte es auch noch nicht... das Buch ist gleich mal auf meinen Einkaufszettel gewandert, scheint ja geradezu ein Pflicht-/Standard-Werk zu sein.

  • Sar-Sargoth - Oh, das freut mich sehr! X/


    Ich hab bisher nur einen vergleichbaren (kleinformatigeren) Wälzer gefunden, das war eine Omnibus Horror Anthologie, bei der die Epochen sogar noch weiter gefasst waren - wenn ich mich richtig erinnere, sind die ältesten Gothic Tales da aus den 1750ern. Das ist aber klasssischer und nicht so spannend-innovativ in der Auswahl der Texte.

  • Wir haben ja hier verschiedene Schwerpunkte: einmal die Internationalität, dann die verschiedenen Epochen … schlussendlich alles unter dem (wohl) literaturwissenschaftlichen Oberbegriff "Weird" zusammengefasst. Jedes einzelne dieser Stichworte aber würde schon ein eigenständiges Projekt erfordern.


    Wie so oft, kann man sich der Sache über Ausschusskriterien annähern: Fantasy ist anscheinend nicht enthalten, Science Fiction aber schon, oder?


    Ich frage deshalb, weil ich überlege, wie zum Teufel man ein solches Werk im Deutschen anpreisen sollte … Der von mir gern gemochte Begriff Unheimliche Phantastik trifft es jedenfalls nicht unbedingt. Gerade Leute wie Franz Kafka, Bruno Schulz oder Julio Cortazar (ich liebe seine Axolotl!) machen es einem in der Hinsicht nicht leicht.


    Na ja, aber ich bin in der Hinsicht eben "typisch deutsch": das Kind muss immer einen Namen haben. [Wrt]

  • ... ich überlege, wie zum Teufel man ein solches Werk im Deutschen anpreisen sollte …

    Na, wie immer halt: Indem man Thriller drunter schreibt und ein Zitat von Stephen King aufs Cover druckt.

    Jetzt aber mal ernsthaft: Ich glaube nicht, dass sich ein deutscher Verlag an "The Weird" herantrauen wird.

  • Ich frage deshalb, weil ich überlege, wie zum Teufel man ein solches Werk im Deutschen anpreisen sollte … Der von mir gern gemochte Begriff Unheimliche Phantastik trifft es jedenfalls nicht unbedingt. Gerade Leute wie Franz Kafka, Bruno Schulz oder Julio Cortazar (ich liebe seine Axolotl!) machen es einem in der Hinsicht nicht leicht.

    Ich würde sagen, das Buch ist eindeutig und durchweg Dunkle Phantastik mit Anteilen aus dem Horror. Bruno Schulz' "Sanatorium Under the Sign of the Hourglass" - übrigens mit Abstand eine der besten Geschichten, die ich je gelesen habe - ist surrealistisch / expressionistischer Horror, auch wenn der Horror größtenteils psychologisch ist bzw. über das Setting erzählt wird, aber immerhin geht es - metaphorisch oder faktisch - um Untote. Ich fand die wirklich von der ersten Seite an gruselig, und mit dem 'Hund' hat es sogar eine Art Monster.

    Ja, "Axolotl" mag ich auch sehr.

    Na, wie immer halt: Indem man Thriller drunter schreibt und ein Zitat von Stephen King aufs Cover druckt.

    [Ber]Hehehe, ganz genau! Bei englischen Büchern ist es im Horror 'wie King' / 'King findet das gut' und bei Dunkler Phantatstik ist es 'wie M. R. James'. Das ist echt inflationär. Ich teile aber leider deine Einschätzung, dass sich da niemand ranwagen würde. Schade.

  • Man könnte die Übersetzung eines solchen Werkes auch nutzen, um dem deutschen Publikum mittels eines einführenden Essays die Begrifflichkeit der "Weird Fiction" - und wie sie in die Welt kam - beizubiegen und somit auch auf bestehende Definitionsproblematiken hinweisen. Sowas kurbelt natürlich nur Diskurse an, wenn auch ein entsprechender Verlag dahinter steht.