Donald Wandrei: Dead Titans, Waken!


  • Donald Wandrei: Dead Titans, Waken!

    Fedogan & Bremer. Nampa, Idaho 2017
    505 Seiten


    Friedhöfe gehören nicht in Kinderhände!

    Der elfjährige Willy Grant findet beim Spielen auf dem alten Friedhof von Isling – Ort düsterer Legenden – einen merkwürdigen Gegenstand. Er präsentiert das Objekt seiner Mutter, die von Angst ergriffen wird und den Fund konfisziert. Doch zu spät: Nachdem erst ihr Sohn auf grauenvolle Weise stirbt, ereilt kurz darauf auch Mutter und Vater Grant ein unerklärlicher Tod.

    Der Archäologe Carter E. Graham erfährt von dieser ländlichen Tragödie. Die Einzelheiten des Falls erinnern ihn an seine eigenen Forschungen, die sich auf sagenhafte und mysteriöse Orte konzentrieren:

    Zitat

    „Atlantis, Lemuria, die Sphinx, Stonehenge, die Osterinsel – diese magischen Namen beschleunigten seinen Herzschlag. Kolossale Monumente, gigantische Statuen! Wo lag ihr Ursprung? Gab es zwischen ihnen und den Ungeheuern der bekannten Märchen eine Verbindung? Und warum waren ihre Erbauer dem Vergessen anheimgefallen, ohne eine Spur zu hinterlassen? Rätsel – allesamt unfassbare Rätsel!“

    Graham macht sich auf den Weg nach Isling, begibt sich auf den Friedhof auf und beginnt an einer auffälligen Stelle zu graben. Mit Erfolg: Auf die Ausgrabung einer grünlichen Statuette folgt die Entdeckung einer Steinplatte, verziert mit fremdartigen Symbolen und Schriftzeichen.


    Was lange währt, wird endlich gut

    Mit dieser verhängnisvollen Ereigniskette beginnt der Roman „Dead Titans, Waken!“, der in einer 1948 veröffentlichen Fassung den Titel „The Web of Easter Island“ trug. Der Autor, Donald Wandrei (1908 – 1987), belieferte zu ihren Hochzeiten den Markt der Pulp-Magazine, darunter Klassiker wie Weird Tales, Astounding oder Black Mask. Wandrei ist uns natürlich als Brieffreund H. P. Lovecrafts bekannt – und vielleicht noch mehr als Mitbegründer des Verlages Arkham House (1939). Hier machte er sich besonders stark für die Veröffentlichung von Lovecrafts Briefwechsel, den „Selected Letters“.

    Mit der Gründung von Arkham House scheint Wandreis eigenes Schriftstellertum verebbt zu sein. Zumindest liegt der Schwerpunkt der von ihm publizierten Geschichten Mitte bis Ende der 1930er Jahre. „Dead Titans, Waken!“ ruhte da – geschrieben zwischen 1929 und 1932 – schon lange in der Schublade. Die vorliegende Ausgabe erschien 2011 in limitierter und bibliophiler Aufmachung in der Centipede Press, bevor Fedogan & Bremer 2017 ein Paperback veröffentlichten. „Dead Titans, Waken!“ ist die Vorabversion von „The Web of Easter Island“ und unterscheidet sich an einigen Stellen markant von diesem. Hinweise zu den Editionen, Anmerkungen sowie ein Nachwort von S. T. Joshi runden die aktuelle Fassung ab. Mehr noch: Das Buch bringt zudem die Erstveröffentlichung eines weiteren Romans aus Wandreis Feder: „Invisible Sun“.


    Alles, nur nicht langweilig

    Joshi schreibt, dass „Dead Titans, Waken!“ der Charakter des Erstlings durchaus anzumerken sei. Eine Eigenschaft des Buches ist jedenfalls eine gewisse Abhängigkeit von Werk und Wesen H. P. Lovecrafts, mit dem Wandrei während des Schreibprozesses korrespondierte. Gerade zu Beginn der Story ist Wandreis Unentschlossenheit nicht zu übersehen. Dies äußert sich in einem episodenhaften Aufbau, der so ein bisschen Fluch und Segen zugleich ist. Mit Lust am Fabulieren erprobt Wandrei verschiedene Erzählperspektiven, wobei er auch auf bereits vorhandenes Material zurückgreift. So gibt es eine Traumsequenz, ein Prosagedicht oder ein Kapitel in Form von Tagebucheinträgen. Ein weiteres Kapitel besteht aus Zeitungsausschnitten, die weltweit von gewaltsamen Übergriffen berichten – „The Call of Cthulhu“ lässt grüßen. Von Langeweile also keine Spur. Wandrei stachelt unsere Fantasie durch schwarze Magie, Mord und Totschlag an … und schreckt auch vor Nekrophilie nicht zurück. Besonders eindrucksvoll erscheint ein unterirdisches Massengrab, das sich als Zeitfalle der gesamten Menschheitsgeschichte entpuppt.


    Fazit

    Wandrei hat eine Menge Ideen verbraten, die sich vor allem in den diversen Schauplätzen bemerkbar machen. Dadurch entsteht eine phantasievolle Getriebenheit, die das Buch in die Nähe des Abenteuerromans rückt. Gleichwohl scheint es sich dabei eher um Wankelmut denn um sorgsam gehegten Ideenreichtum zu handeln.

    Tatsächlich erinnert „Dead Titens, Waken!“ an Frank Belknap Longs etwa zeitgleichen Roman „The Horror from the Hills“ (1931). Beide Bücher versuchen durch den Einsatz entsprechender Elemente den Kult des Meisters aus Providence zu repetieren – erreichen aber nicht dessen Intensität. Die flotte, turbulente Erzählweise, die sowohl Wandrei als auch Long pflegen, steht Lovecrafts entschleunigter Art – zumindest der längeren Erzählungen – kontraproduktiv entgegen. So verdichtet sich „Dead Titens, Waken!“ nur an einigen ausgewählten Stellen zu einem veritablen lovecraftschen Fluidum: vieles bleibt Zitat. Ist das schlecht? Keineswegs! Mich hat dieser Schmöker, der aus einer goldenen Zeit der Horror- und Science-Fiction-Literatur stammt, bestens unterhalten.


    Ich vergebe 4 von 5 möglichen Punkten. :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

  • Da würde ich es jedenfalls auch gerne sehen. Das Paperback wird nämlich, nach Bestellung, im weltbekannten Norderstedt produziert. Natürlich eine gute Möglichkeit, fremdsprachige Bücher zur Verfügung zu stellen … aber reden wir nicht von der Qualität.

    NORDERSTEDT !!!

    Dann könnte ich es also persönlich abholen...:D

    "Ich schreibe so lange, bis der Leser davon überzeugt ist, in der Hand eines erstklassigen Wahnsinnigen zu sein". ... `Stephen King´

  • Inzwischen ist "Tote Titanen, erwacht!" auch in der deutschen Übersetzung erschienen:



    Vielleicht kann man den Thread daher ja in den Allgemeinen-/Klassiker-Bereich verschieben.


    Ich habe das Buch jedenfalls nun auch gelesen und bin leider nicht ganz so begeistert wie Axel. Vielleicht lag es an der Übersetzung, aber bei der Lektüre wollte irgendwie keine richtige Stimmung aufkommen. Horror-Elemente sind hier generell ziemlich rar gesät, die (von Axel ins Spiel gebrachte) Bezeichnung "Abenteuerroman" passt daher tatsächlich ganz gut.

    Wirklich innovativ war "Tote Titanen" ebenfalls nicht. Das Motiv "Schnitzeljagd über den Kontinent" ist halt doch schon etwas ausgelutscht. Meist stört mich das bei klassischer Weird-Fiction überhaupt nicht, hier hat es mich aber manchmal durchaus gelangweilt.

    Viele Kapitel tragen auch nicht viel zum eigentlichen Geschehen bei (der Alptraum, der Flugzeugabsturz, die Zeitungsartikel, Teile des Tagebuchs). Ich weiß schon warum sie vorhanden sind (Atmosphäre, das Aufzeigen einer globalen Bedrohung, Charakterstudie des Protagonisten etc.). Ich hatte dennoch das Gefühl, dass Wandrei seine Geschichte, durch diese Einschübe, künstlich strecken und krampfhaft zum Roman ausbauen wollte. Als Novelle hätte "Tote Titanen" mMn jedoch besser funktioniert. Auch wenn das Buch mit seinen 270 Seiten nicht gerade umfangreich ausgefallen ist.

    Normalerweise mag ich es auch, wenn Autoren mit verschiedenen Erzählperspektiven und Textformen experimentieren, hier wirkte es auf mich aber stellenweise etwas unbeholfen und unausgegoren - Das gilt leider auch für den Schluss/finalen Twist, der irgendwie nicht so ganz zum Rest der Geschichte passen will.

    Man darf bei all dieser Kritik natürlich nicht vergessen, dass "Tote Titanen" der Debütroman eines damals 19jährigen Wandrei war - Genau so liest er sich aber eben auch. Ganz schönes Flickwerk und ein klassischer Fall von "zu viel gewollt".

    Schlecht ist das Buch nicht, aber höchst mittelmäßig.

    „Dead Titans, Waken!“ ist die Vorabversion von „The Web of Easter Island“ und unterscheidet sich an einigen Stellen markant von diesem.

    Hast du eventuelle genauere Informationen zu den Unterschieden, Axel? Sie werden im Nachwort des Festa-Bandes zwar erwähnt, aber leider geht Andreas Fliedner nicht näher darauf ein.

  • Hast du eventuelle genauere Informationen zu den Unterschieden

    Ich selbst habe „The Web of Easter Island“ nicht gelesen und kann mich daher nur auf Joshis Ausführungen berufen. Allein textmengenmäßig unterscheiden sich die Versionen. Insofern, dass nämlich „The Web of Easter Island“ um 35.000 Wörter verlängert wurde – ob das eine Verbesserung bedeutet, stellt zumindest Joshi in Frage. Ansonsten hat Wandrei einzelne Kapitel umgestellt und auch stilistisch Hand angelegt – freilich zu einem Zeitpunkt (1946/47), als er schon kein besonders rühriger Schriftsteller mehr war. – Auch das merkt Joshi an.


    Ich kann deine Kritik nachvollziehen und lese daraus, dass das Buch nicht besonders gut gealtert ist: sicher, mit vielem, was Wandrei damals ersonnen hat, ist man heutzutage mehr als vertraut. Ich habe es mir jedoch angewöhnt, solche Antiquitäten dezidiert mit einem historischen Bewusstsein zu lesen … und bin daher vielleicht ein wenig milder gestimmt.


    Besonders eindrucksvoll erscheint ein unterirdisches Massengrab, das sich als Zeitfalle der gesamten Menschheitsgeschichte entpuppt.

    Aber das ist doch cool, oder?


    Wie auch immer: weitere Einschätzungen würde wir gerne zur Kenntnis nehmen, nicht wahr Cheddar Goblin ?

  • Ich selbst habe „The Web of Easter Island“ nicht gelesen und kann mich daher nur auf Joshis Ausführungen berufen.

    Diese sind aber doch schon mal ganz interessant. Danke für die Info, Axel.

    Die Unterschiede scheinen also eher stilistischer als inhaltlicher Natur zu sein.

    (Wie kommt es eigentlich, dass dein Buch 505 Seiten und der Festa-Band nur 288 Seiten hat?)

    ...ob das eine Verbesserung bedeutet, stellt zumindest Joshi in Frage.

    Es wird schon einen Grund haben, dass man sich bei der Wiederveröffentlichung für den Ursprungstext entschieden und nicht die überarbeitete Version genommen hat.

    Ich kann deine Kritik nachvollziehen (...) Ich habe es mir jedoch angewöhnt, solche Antiquitäten dezidiert mit einem historischen Bewusstsein zu lesen … und bin daher vielleicht ein wenig milder gestimmt.

    Mag sein. Vielleicht hatte ich aber auch einfach zu große Erwartungen.

    Wie gesagt: Schlecht fand ich den Roman nicht. Solide Weird-Fiction-Kost.

    Aber das ist doch cool, oder?

    Definitiv. Ein Highlight des Romans.

    Den "Prolog" (Auslöschung einer ganzen Familie) fand ich ja auch noch recht stimmungsvoll. Auch wenn er natürlich ein recht dreistes "Die Farbe aus dem All"-Rip-Of war.

    Wie auch immer: weitere Einschätzungen würde wir gerne zur Kenntnis nehmen, nicht wahr Cheddar Goblin ?

    Absolut!

  • (Wie kommt es eigentlich, dass dein Buch 505 Seiten und der Festa-Band nur 288 Seiten hat?)

    Font & Schriftgröße unterschiedlich? Das kann schon zu erheblichen Abweichungen führen.



    Sehr spannender Thread, und ich habe mir - weil ich mir von der Leseprobe her nicht ganz schlüssig war - nur mal das eBook der Centipede Press besorgt. Sehr schöne Bilder und ein sehr schönes Cover von Zdzisław Beksiński.

    Ein Typo auf den ersten Seiten ...



    Ich habe einige Seiten gelesen und muss gestehen, etwas verwirrt zu sein. Dies also nur als allererster Eindruck:

    Mich irritiert, dass so wenig etabliert wird, und zwar vor allem das Spekulative. Weniger als in medias res oder wie im Surrealismus geht es hier einfach hopplahopp vom Alltag in die Phantastik, ohne da irgendwelche Brücken zu bauen oder das Setting / die Ausgangslage einzuführen. Ich brauche nicht unbedingt ellenlange Erklärungen, aber ich finde das hier einfach (leider) extrem übers Knie gebrochen, was da mit dem Fund, den Grabsteinen usw. vor sich geht. Es wird imA keinerlei Stimmung aufgebaut, auch kein Grusel. Daher fuktioniert bei mir auch kein suspension of disbelief. Ich nehme dem Autor das einfach so nicht ab. Sehr schade, denn - wie ihr so schön schreibt - die Bilder und Ideen sind ja wirklich klasse.


    Die Frage ist, ob Wandrei den Text selbst als Endfassung oder nur als Rohentwurf sah, denn der Herausgeber entfernte sämtliche - offenbar sehr umfassende - handschriftliche Änderungen im Manuskript, somit ist die vorliegende Erzählung in einen Urzustand versetzt, der aber eben auch nur die Arbeitsfassung / Skizze gewesen sein kann. Intersssant wäre hier, ob Easter Island nur zugesetzte Szenen hat, oder ob der gesamte Text bearbeitet wurde.


    Es mag gut sein, dass sich das Verhältnis von Alltag und Spekulativem später einpendelt, ob Wandrei sich geisterlogik-mässig "einschreibt", aber momentan fehlt mir die Geduld, das herauszufinden. Ich lege das also mal zur Seite und schaue später nochmal weiter hinten im Buch nach. Sehr attraktiv ist nämlich ein Doppelband mit einer Erzählung genannt Invisible Sun, was sich einfach sehr cool anhört. Dazu hab ich dieses schöne Bild gefunden:


  • (Wie kommt es eigentlich, dass dein Buch 505 Seiten und der Festa-Band nur 288 Seiten hat?)

    Da liegt ein Missverständnis vor. Der Band beinhaltet ja auch noch "Invisible Sun" und Nachwort etc.


    Hier mal der Table of Content der englischen Ausgabe von Fedogan & Bremer:


    A Note on The Texts 1

    Dead Titans, Waken 3

    Invisible Sun 169

    Notes 473

    Afterword 491




    Zur Qualität:

    Es darf ja nicht vergessen werden, dass Wandrei DIESE Version mit 19 Jahren schrieb. Wenn ich an das denke, was ich mit 19 geschrieben habe, schätze ich dieses Buch um so mehr. Außerdem zum Vergleich: Lovecrafts "Alchemist" schrieb dieser mit 18 und niemand würde dieser Geschichte besondere Qualität zusprechen. Viel mehr kann man Wandrei zu Gute halten, dass er sich an der Langform versucht hat.

  • Sehr attraktiv ist nämlich ein Doppelband mit einer Erzählung genannt Invisible Sun

    Soviel zur Antwort auf deine Frage Cheddar Goblin , warum die Fedogan & Bremer Ausgabe deutlich mehr Seiten hat.


    Katla Das Hopplahopp, wie du es so schön nennst, ist eines der notorischen Merkmale der Mythos-Schreiberei oder auch des Pastiches. Wandrei ist durch seinen Titanen-Roman wie durch eine lovecraftsche Salatbar marschiert und hat sich mal hier, mal da bedient. Das kann unterhaltsam sein, es schmeckt nur eben nicht nach Lovecraft, der selbst ein so unkonventioneller Autor und Stilist war, dass man – wollte man ihn wirklich kopieren – auch vor unpopulären Längen oder stilistischen Extravaganzen nicht zurückschrecken dürfte. Wandreis hemdsärmelige Bezugnahme auf The Call of Cthulhu ist in seiner Unbeschwertheit erfrischend naiv, wenn wir bedenken, wie sorgfältig aufeinander abgestimmt Lovecraft diese Erzählung ausgeführt hat.


    Ich betone jedoch, dass ich immer bereit bin, Sachen aus dem originalen Lovecraft-Kreis bevorzugt zu lesen, weil hier der Zusammenhang stimmt. Das trifft auf Wandrei besonders zu, der nicht nur mit Lovecraft korrespondiert, sondern auch tatkräftig an dessen posthumen Ruhm mitgearbeitet hat.


    Wäre „Dead Titans, Waken!“ das Werk eines heutigen Autors – ich hätte ähnlich schnell abgebrochen wie Katla oder mich ähnlich zurückhaltend wie Cheddar Goblin dazu geäußert. Die Festa-Ausgabe habe ich mir dann noch einmal zugelegt, weil ich finde, dass die Geschichte in der Form (Vorsatzpapier, Lesebändchen, angenehmer Satz) noch einmal angehoben wird. — Ja, auch solche (eigentlich unliterarischen) Dinge beeinflussen meine Aufnahme; ich bestreite es nicht …

  • Zur Qualität:

    Es darf ja nicht vergessen werden, dass Wandrei DIESE Version mit 19 Jahren schrieb. Wenn ich an das denke, was ich mit 19 geschrieben habe, schätze ich dieses Buch um so mehr. Außerdem zum Vergleich: Lovecrafts "Alchemist" schrieb dieser mit 18 und niemand würde dieser Geschichte besondere Qualität zusprechen. Viel mehr kann man Wandrei zu Gute halten, dass er sich an der Langform versucht hat.

    Wow, krass. Das lässt die Sache wirklich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Dmitri Gluchowski hat übrigens Metro 2033 mit 17 geschrieben, und ich werde nicht müde zu sagen, dass das ein wirklich brillanter, origineller und philosophischer Roman ist, der leicht unter meinen Top 10 der Literatur (nicht nur Horror) rangiert. Allerdings ist die Erstversion wohl an die hundert Mal vom Autor selbst editiert worden, bevor sie dann im Druck landete - und eben das denke ich, hat ja Wandrei offenbar auch versucht, nur, dass es für diese Veröffentlichung posthum zurück 'auf Null' gesetzt würde. Ich gehe hier also nicht unbedingt von einer "Schuld" (naja, das klingt eh zu harsch ...) des Autors aus.


    Oha, und mein eigenes Schreiben fange ich gar nicht erst an, mit irgendjemandem dieser Kaliber zu vergleichen ... Aber dann könnte man ja nur das kritisieren, was man selbst besser hinkriegen würde, und das kann es auch nicht sein, finde ich.

    Wandrei ist durch seinen Titanen-Roman wie durch eine lovecraftsche Salatbar marschiert und hat sich mal hier, mal da bedient.

    ^^ Hehehe, ich glaube, ich bin - verführt von diesem grandiosen Titel voller Pathos - einfach mit falschen Erwartungen rangegangen. Hätte ich das so gesehen, hätt mich das vermutlich besser unterhalten.

    Wandreis hemdsärmelige Bezugnahme auf The Call of Cthulhu ist in seiner Unbeschwertheit erfrischend naiv, wenn wir bedenken, wie sorgfältig aufeinander abgestimmt Lovecraft diese Erzählung ausgeführt hat.

    Es wäre sicher von Vorteil, wenn ich mir mal mehr zu dem Austausch der beiden anschaue. Ich merke nämlich, dass ich euch stundenlang zu dem Thema zuhören könnte, und mich das sehr fasziniert, aber eben der Anfang des Buches mich nicht in gleichem Maße mitgerissen und begeistert hat wie eure Anmerkungen dazu.

    Ich betone jedoch, dass ich immer bereit bin, Sachen aus dem originalen Lovecraft-Kreis bevorzugt zu lesen, weil hier der Zusammenhang stimmt. Das trifft auf Wandrei besonders zu, der nicht nur mit Lovecraft korrespondiert, sondern auch tatkräftig an dessen posthumen Ruhm mitgearbeitet hat.

    Ja, das sehe ich auch so, und unter dem Aspekt werde ich mich nochmal neu nähern.

    Wäre „Dead Titans, Waken!“ das Werk eines heutigen Autors – ich hätte ähnlich schnell abgebrochen wie Katla

    Ich möchte abr ausdrücklich betonen, dass ich das Buch nicht abgebrochen habe, sondern nur pausiere, weil mich das auf falschem Fuß erwischt hat. Ich finde es spannend genug, auch unter dem biographischen Bezug, denn normalerweise starte ich Bücher nicht nochmal neu.

  • Hallo,


    um mal etwas tiefer in die „Geschichte hinter der Geschichte“ zu kommen, habe ich mal den Briefwechsel Wandreis mit Lovecraft durchsucht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:


    Zum ersten Mal erwähnt Wandrei Dead Titans Waken in einem Brief vom 09.09.1929: „and am now working on a story of age-old horror.“ (Letters with Donald Wandrei, S. 231). Hier nennt er den Text noch nicht beim Namen, doch an Hand von Joshis Fußnoten wird klar, dass er sich auf Dead Titans bezieht.

    In einem Brief vom 26.06.1930 erwähnt Wandrei erneut seine Arbeit an dem Text, wenn er schreibt: „At present I am hard at working on a novel, tentatively entitled „Dead Titans Waken: A Mystery of Time and Spirit“. As the title probably suggests, it is a romance of terror and horror, commencing near the locale of Stonehenge and concluding on Easter Island.This is the novel which I began in New York last summer, and which I mentioned to you at the time.The novel has great possibilities, if I can succesfully achieve a rather stupendous feat in handling so long work. I have many incentives to keep me at it – the sheer pleasure of creating, my father´s failing health, neccessity of improving my financial condition, and the interest of some three publishers who express their willingness to consider the novel when completed. With time, energy, and a little luck, I may be able to complete it by the early part of August“ (Letters with Donald Wandrei, S. 241).


    In einem Brief vom 27.Oktober 1930 schreibt Wandrei an Lovecraft: „My novel was completely halted, first by my father´s serious operation, then by two minor operations on my throat, then by reopening of University where I am spending the second of three years in quest of two degrees: M.A. And Ph.D. Nevertheless, the novel is more than three-quarters done, and shall be completed either during my Christmas vacation, or at the end of the school year. In the meantime, a chapter from it, slightly changed, appears as „Something from Above“ in the forthcomming W.T. [Weird Tales] I may add that the entire last two sections, comprising about one-half the story, where added on because Wright wanted a more definite ending. If you omit these, you will see the story much more as it was intendet to be (Letters with Donald Wandrei, S. 248).“ In einer Fußnote gibt Joshi an, dass die angegebene Geschichte keine Ähnlichkeit mit irgendeiner Passage des Romans aufweist.


    Es folgt eine Erwähnung im Brief vom 20.04.1931 an Lovecraft:

    „My Novel, „Dead Titans Awaken“, should be completed by July or so of this year, and will be illustrated by Howard [Wandrei, Donalds Bruder]. I have not worked on it since last fall, because my duties at school for which I receive slightly more than bread and butter have occupied all my time, but there is not a great deal left to be written on it.“ (Letters with Donald Wandrei, S. 262)


    Am 06.01.1932 sendet Wandrei sein nach zweitägiger Arbeit korrigiertes Romanmanuskript an Lovecraft zu Kritik, worauf dieser die Bemerkungen schreibt:

    „This novel really strikes its finest stride with Chap. VI – the decent into the earth – though of cause the earlier „Fragment of a Dream“ is of equal power.“ (Letters with Donald Wandrei, S. 279f.)

    Es folgen detallierte Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge zu der Erzählung.


    In einem Brief vom 08.03.1932 schrieb Lovecraft: „The novel as a whole is a great piece of work, & Klarkash-Ton [Clark Ashton Smith] echoed my praise when it reached him – so for that matter did Augustulus Gulielmus [August William Derleth]. I certainly hope it will find a market in time, wheather in approximately its present form or in the ultimately remodelled shape you contemplate.“ (Letters with Donald Wandrei, S. 284)


    Am 19.10.1932 teilt Lovecraft Wandrei sein Bedauern für eine Ablehnung von Dead Titans mit. (Letters with Donald Wandrei, S. 295) Leider ist der vorangegangene Brief nicht erhalten, so dass nicht bekannt ist, wann genau und wem Wandrei den Roman angeboten hatte.

  • derTraeumer

    Prima, vielen Dank für diese Darstellung. Auch diese einzelnen Punkte kommen der Lektüre des Romans zugute, wie ich finde. Sehr interessant die Erwähnung des Kapitels „Something from Above“, das zu lesen sich gewiss lohnt (selbst wenn es letztendlich doch aus dem Rahmen gefallen ist).


    Und ich möchte Andreas Fliedners Nachwort der deutschen Ausgabe ins Spiel bringen, das weniger den Entstehungsprozess nachzeichnet (das macht Joshi), sondern die Charakteristik des Werks erläutert – jedenfalls unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sein Autor gerade einmal Anfang 20 war. Vor allem Fliedners Betonung der stark bildhaftig aufgeladenen Passagen – comicartig, wie er schreibt – erscheint mir bedenkenswert. Über die enge Verzahnung von Pulp Fiction und Comics ist gewiss schon anderswo jede Menge geschrieben worden. Aber wo?