Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

  • Die Indikatoren für eine Geistergeschichte" sind sicherlich vorhanden, aber Die Fahrt zum Leuchtturm" ist keine klassische Geistergeschichte, die den Leser gruseln soll. Eher ... schön.

    Zum Buch: Es geht auf über 100 Seiten um 5 Stunden eines Tages in einem Sommerhaus der Ramsays, die mit ihren 8 Kindern und 4 Gästen dort auf einer Hebrideninsel wohnen. Und wahrscheinlich wird das Buch niemanden begeistern können, der sehr viel Wert auf eine Handlung legt, denn es passiert im ersten längeren Teil so gut wie nichts.

    Dann werden 10 Jahre aus der Perspektive des Hauses gerafft und anschließend wird ein Ausflug zum Leuchtturm unternommen, der aufgrund Schlechtwetters im ersten Teil nicht stattfinden konnte. Hört sich langweilig an? Geschmackssache.

    Das Buch legt großen Wert auf die Innenansichten der wechselnden Erzählfiguren und damit bricht es schon mal mit 2 aktuellen Paradigmen über erfolgreiches Schreiben. Aber ... die gelieferten Innenansichten sind sowas von gewaltig, so saugeil geschrieben, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Wohlgemerkt: Wegen der Innenansichten! Ich war gefesselt von den Geschehnissen im kleinen Raum, den Beziehungen, den Beschreibungen kleinster Handlungen und Konfrontationen. Induktion ist hier das Zauberwort, denn Woolf gelingt es brillant aus der Beschreibung des Alltäglichen die Brücke zum Allgemeinen zu zeigen.

    Ebenso spannend waren für mich die Perspektivwechsel in der fortlaufenden Handlung. Misses Ramsay beobachtet die Malerin Lily Briscoe und verfängt sich in philosophischen Gedanken, passiert die Künstlerin und ab da geht es weiter aus der Innenschau der Lily Briscoe und ihre Gedanken über ihre Beziehung zu Miss Ramsay. Und wieder: Genial! Hammer, wie Sprache da wirken kann!

    Fazit: Wer sich darauf einlassen kann, wird belohnt werden, aber ich kann Leser auch verstehen, die sich davon gelangweilt fühlen. Für meinen Geschmack gibt es 10 von 10 Punkten, das war wirklich ein nachhaltiges Leseerlebnis für mich.

  • delijha

    Hat den Titel des Themas von „Virginia Woolf - Zum Leuchturm“ zu „Virginia Woolf - Zum Leuchtturm“ geändert.
  • Vincent, du scheinst das Buch ja wirklich zu mögen. Das findet man selten. Das sind so Bücher, die viele besitzen, aber niemals lesen. Ich liebe Mrs Dalloway, aber mit Zum Leuchtturm wurde ich irgendwie nicht warm. Hab's bisher auch nur durch das erste Kapitel geschafft. Kann aber auch daran liegen, dass ich einfach zu viel Ablenkung hatte, denn genau wie du ja auch sagst, kann man so etwas nicht nebenbei durchziehen. Definitiv ein Buch, das ich noch in meinem Leben bezwingen will.

  • Habe das Buch vor rund 20 Jahren schon gelesen und noch eine recht gute Erinnerung daran, weil ich die von dir, Vincent, angesprochenen Innenansichten sehr intensiv erlebt habe. Am Anfang war es ein bisschen befremdlich, auch ein bisschen "Arbeit" beim Lesen, doch es hat sich gelohnt.