Im alten Horror-Forum hatten wir seinerzeit ein Interview mit der Newcomerin Isa Grimm bzgl. ihres Romandebuts "Klammroth" geführt. Der Roman kam damals ziemlich gut weg und die nette Isa stellte sich auch gerne im Forum den Fragen der User. Wer erinnert sich nicht an die schönen roten Haare im Profil? Leider ist das alte Interview gemeinsam mit dem alten Forum in die ewigen Jagdgründe gegangen. Aber wie es der Teufel will, ist just in diesem Jahr "Klammroth" neu aufgelegt worden. Allerdings schreibt sie jetzt wohl unter dem Pseudonym Kai Meyer. Oder so ähnlich. Grund für uns, unseren neuen Bereich im Forum mit Kai einzuweihen.
Hallo Kai, vor 5 Jahren haben wir vom damaligen Horror-Forum eine gewisse aufstrebende Autorin mit dem Namen „Isa Grimm“ zu ihrem Debut „Klammroth“ interviewt. Hand aufs Herz: wie oft musstest du dir das Lachen bei solchen Interviews verkneifen? Zumal ich mir die alten Fragen nochmal angeschaut habe und dabei direkt zu Beginn die Vermutung einiger Mitglieder aus dem damaligen Forum in den Raum gestellt wurde, dass Isa Grimm lediglich ein Pseudonym für Wolfgang Hohlbein sei.
So schön es war, ausführlich über „Klammroth“ reden zu können – Fragen zu Isa Grimms Person waren mir damals eher unangenehm. Sie hatte ja auch ihre eigene Facebook-Seite, an die ab und an Nachrichten geschickt wuden, und das alles fühlte sich immer an, als würde ich die Leute anschwindeln. Habe ich ja im Grunde auch. Das hatte ich vorab etwas unterschätzt, ich dachte, es wäre kein Unterschied zur Interaktion auf meiner eigenen Facebook-Seite oder eben in eigenen Interviews. Ich hatte also immer leichte Bauchschmerzen dabei, zum Lachen gab´s keinen wirklichen Grund.
Übrigens ist ganz erstaunlich, wie sehr ein Account-Porträt einer rothaarigen Frau (deren Gesicht nicht mal zu sehen war) das Interesse verstärkt. Das Bild hatte ich für ein paar Euro in einem Fotoarchiv gekauft. Plötzlich kamen sogar Mails von amerikanischen Horrorfans, die das Buch nicht mal lesen konnten.
Hast du dich bei Fragen an Isa Grimm in diese hineinversetzt, oder hat Kai Meyer stellvertretend geantwortet?
Wenn es um den Inhalt des Romans ging, habe ich so geantwortet wie immer. Ich habe ja auch beim Schreiben keinen Unterschied gemacht, das war für mich eines meiner eigenen Bücher, ohne Abstriche.
Wie wurde Isa „geboren“? War das deine Idee, oder ist ein Verlag auf dich zugekommen?
Das war meine Idee. Ich wollte schon lange einen Horrorroman in der Tradition der Achtziger schreiben – nicht in den Achtzigern angesiedelt, aber eben so eine Kleinstadtgeschichte, gern mit einer Autorin oder einem Autor in der Hauptrolle. Das kennen die meisten von uns ja noch gut aus den frühen Stephen-King-Romanen und den zahllosen Nachzüglern. Mir ging es aber darum, diese Geschichte in Deutschland anzusiedeln, das als Schauplatz von Horrorroman – zumindest bei den großen Verlagen – echtes Entwicklungsland ist. Noch schlimmer ist es beim Horrorfilm, wenn die Fans beim ersten deutschen Nummernschild denken: Das kann nix sein. Dabei sind die blutigen Thriller von Fitzek und Co. breitflächig akzeptiert und erfolgreich. Ich habe mich oft gefragt, warum man das einfach hinnehmen sollte, und ja auch vorher schon eine Menge Horror geschrieben. Nur eben nie ganz bewusst in Anlehnung an das Horrorschema der Achtziger. Romane wie „Das Zweite Gesicht“ oder „Phantasmen“ sind sehr viel eigenständiger, „Klammroth“ war für mich eher eine Retro-Geschichte.
Wer war zuerst da? Isa Grimm oder Klammroth?
Klammroth. Das Pseudonym habe ich mir erst ausgedacht, als der Roman schon fertig war.
Waren noch weitere Projekte unter dem Pseudonym geplant und wenn ja, was ist aus diesen geworden?
Ich hatte eine Menge Notizen für einen zweiten Isa-Grimm-Roman, wieder so eine deutsche Kleinstadtgeschichte. Etwas später sprach mich dann ein Redakteur des WDR an, ob ich nicht eine phantastische Mini-Serie für den Regisseur Dominik Graf (der 2008 schon meinen Roman “Das Gelübde“ verfilmt hatte) konzipieren wollte. Daraufhin machte ich aus all den Ideen für den Roman ein etwa 25seitiges Exposé für eine Fernsehserie. Dominik wollte sie machen, wir hatten mit Ziegler Film eine der größten deutschen Produktionsfirmen im Boot, aber zuletzt wurde sie vom Spielfilm-Chef des WDR gekippt, der lautstark kundtat, Phantastik käme bei ihm nicht ins Programm. Mittlerweile wurde er übrigens gefeuert – aus anderen Gründen.
Jedenfalls lag das Ganze damit brach, bis ich viele der besten Ideen in den letzten Monaten in einer Original-Hörspielserie für Audible verarbeitet habe. Im Nachhinein bin ich froh, da passten sie hundertprozentig hinein. Die Serie wird demnächst produziert und erscheint im Herbst 2020.
„Isa Grimm“ scheint für einen großen Publikumsverlag nicht genug Bücher verkauft zu haben. Nun wird der Roman unter deinem bekannten Namen beim Blitz-Verlag zum Ende des Jahres neu aufgelegt. Wieso hat der ursprüngliche Verlag nicht den gleichen Schritt gewagt? Der Name Kai Meyer dürfte doch ganz anderen Käuferzahlen erreichen als Isa Grimm.
Lübbe wollte den Roman sehr schnell unter meinem eigenen Namen neu auflegen. Zu der Zeit erschienen aber eh schon zwei Romane im Jahr von mir bei Fischer – in den Reihen „Die Seiten der Welt“ und „Die Krone der Sterne“ –, und drei Romane von mir in einem Jahr wären zu viel des Guten für den Buchhandel gewesen. Wie viele neue Meyers sollen die sich hinlegen? Also hielt ich „Klammroth“ eine Weile zurück. Nun legt Blitz schon seit einigen Jahren jene Bücher von mir als Sammlerausgaben neu auf, die sehr horrorlastig sind – das Genre ist der rote Faden all meiner Blitz-Titel –, und „Klammroth“ passte da hervorragend hinein. Außerdem mag der Verleger Jörg Kaegelmann den Roman sehr und wollte ihn unbedingt im Programm haben.
Wie wurde Isa Grimm enttarnt? Gibt es da eine nette Anekdote?
Durch meine eigene Blödheit. Ich habe gleich zu Anfang versehentlich eine Facebook-Nachricht als Isa Grimm verschickt, ohne mich vorher als Kai Meyer auszuloggen und als Isa wieder einzuloggen. Ich glaube, sie ging sogar an mehrere Leute. Darum wussten einige gleich zu Anfang Bescheid, haben aber auf meine Bitte hin offenbar brav geschwiegen. Ich hab mich gewundert, dass mein Name nicht beim Marburg-Con die Runde gemacht hat, als „Klammroth“ den Vincent Preis als bester deutscher Horrorroman bekam. Ob da etwas gemunkelt wurde, weiß ich nicht, aber es wurde zumindest nicht publik gemacht.
Du hast ja auch vor Isa Grimm bereits unter anderem Namen (Alexander Nix) Geschichten veröffentlicht. Unter wie vielen weiteren bist du aktuell noch unterwegs.
Unter keinen. Alexander Nix war damals eine Notlösung für die Erstveröffentlichung von „Loreley“, weil der Marion von Schröder Verlag den Roman um ein halbes Jahr verschoben hatte und er damit in einen Zeitraum fiel, der durch einen Exklusivvertrag mit Heyne abgedeckt war. „Loreley“ sollte eigentlich unter meinem Namen erscheinen, und so war es dann ja auch bei allen späteren Wiederveröffentlichungen.
Was ist der Reiz am Schreiben unter einem unbekannten Namen/Pseudonym? Gibt es da überhaupt Unterschiede?
Für mich nicht. Ich habe „Klammroth“ genau wie jeden anderen Roman geschrieben. Ich wusste, dass er unter Pseudonym erscheinen würde, aber nicht unter welchem oder ob es weiblich oder männlich sein würde. Für mich war das einfach mein neues Buch.
Bei großen Verlagen ist es schwer, Romane der Kategorie „Horror“ oder „Grusel“ zu finden. Zumeist wird eher „Thriller“ auf das Cover gedruckt. Warum hat es dieses Genre bei Großverlagen deiner Ansicht nach so schwer? Im Mittel- und Kleinverlagswesen scheint das eine durchaus sichere Bank zu sein, wenn ich mir z. B. den Festa-Verlag oder den Luzifer-Verlag anschaue.
Horror hat als Kategorie bei den Mainstream-Lesern einen schlechten Ruf. Der große Erfolg in den Achtzigern ist längst vergessen, und wir dürfen nicht vergessen, dass für mindestens eine Generation Horror gleichbedeutend ist mit Torture-Porn-Filmen. In den 2000er Jahren wurde der Ruf des Genres dadurch zugrunde gerichtet. Wie viele Filme will man sehen, in denen Frauen in Kellern auf Stühle geschnallt und gefoltert werden? Das ist gerade bei vielen Jugendlichen hängengeblieben, die heute erwachsen sind. Horror hat für viele von ihnen immer diesen schäbigen Beigeschmack. Der Boom der Geisterfilme mag das in den letzten zehn Jahren ein wenig zurechtgerückt haben, aber in Deutschland funktionieren ja auch die kommerziell nicht so gut wie in den USA.
In den Achtzigern wäre das gesamte Spektrum zwischen Fitzek und „Twilight“ als Horror vermarktet worden. Das traut sich heute niemand mehr, weil der Mainstream die Bezeichnung nicht akzeptiert. Ich merke selbst die Verwirrung im Blick der Leute, wenn ich bei Lesungen sage, dass etwa meine drei „Arkadien“-Bücher im Kern Horrorromane sind – sie erschienen ja bei Carlsen als All-Age-Titel in derselben Kategorie wie „Twilight“. Darum bin ich froh, dass viele meiner Bücher in den Sammlerausgaben bei Blitz quasi demaskiert werden als das, was sie sind: eben echte Horrorromane.
Unabhängig von Isa Grimm: welche neuen Projekte dürfen wir von dir erwarten?
Im Februar erscheint nach fast zwanzig Jahren mit „Serafin“ die Fortsetzung meiner „Merle“-Trilogie. Und Audible starten 2020 gleich zwei Original-Hörspielserien: Im Januar erscheint die erste Staffel von „Imperator“, in der ich massiv meiner großen Liebe für den italienischen Genrefilm der 60er bis 80er Jahre fröne. Und im Herbst kommt dann die oben erwähnte Horrorserie, in der diverse Isa-Grimm-Elemente stecken. Außerdem beginnen gerade in Tschechien die Dreharbeiten zu einem Fantasyfilm, den ich für das ZDF geschrieben habe und der wohl an Weihnachten 2020 laufen wird.
Vielen Dank, Kai! Das Schlusswort gebührt aber der Dame. Isa Grimm hat noch einmal Platz, um letzte Worte an Ihre Leser zu richten
Da ist ein großes Dankeschön für den Vincent Preis angebracht. Als „Klammroth“zum besten deutschen Roman des Jahres gewählt wurde, war das für mich eine Riesenfreude. Von genau solchen Momenten habe ich geträumt, als ich in den Achtzigern als Teenager gemeinsam mit Frank Duwald das Horror-Fanzine „Cryptolog“ herausgegeben habe. Schon damals habe ich mich gefragt, warum kaum jemand Horror in Deutschland ansiedelt, und der Plan war immer, das irgendwann selbst zu versuchen. Ein Vierteljahrhundert später war der Vincent Preis eine tolle Bestätigung, darum also: Danke dafür!