Die dunkle Seite der Wirklichkeit. Aufsätze zur Phantastik

  • Die dunkle Seite der Wirklichkeit. Aufsätze zur Phantastik

    Hrsg.: Franz Rottensteiner

    Suhrkamp TB 1444, Phantastische Bibliothek Band 199

    Suhrkamp, Frankfurt a. Main 1987


    Vorbemerkung

    Ich möchte den Band nicht allgemein vorstellen, sondern in erster Linie aus einem Lovecraft-Kontext heraus. Dennoch habe ich natürlich den vollständigen Inhalt gelistet (s. Ende des Beitrags)


    Frühe Lovecraft-Forschungen von Kennteh W. Faig, Jr.

    Im Band 199 der Phantastische Bibliothek des Suhrkamp Verlags Die dunkle Seite der Wirklichkeit. Aufsätze zur Phantastik (1987) findet sich ein Aufsatz, der sich auch gut im Einsiedler von Providence. Lovecrafts ungewöhnliches Leben (Phantastische Bibliothek Band 290, 1992) gemacht hätte, einem der wichtigsten deutschsprachigen Werke zur Biografie Lovecrafts. Es handelt sich um den Text „Howard Phillips Lovecrafts frühe Jahre 1890 – 1914“ von Kenneth W. Faig, Jr. Erschienen ist er erstmals – laut Quellenangabe des Suhrkamp-Buchs – in der Zeitschrift Nyctalops 8/1973 und 9/1974, Originaltitel: „Howard Phillips Lovecraft: The Early Years 1890 – 1914“ (eine etwas differenzierte Quellenangabe macht Joshi in seiner Lovecraft-Biografie).


    Die veröffentlichte deutsche Übersetzung (von Franz Rottensteiner) ist, so verrät und der Editions-Hinweis, gekürzt. Wie auch immer: es handelt sich jedenfalls um eine sehr wichtige biografische Arbeit, die noch einige Jahre vor der Biografie von Sprague de Camp erschienen ist. Ihre Entstehung kann dank eines umfangreichen Fußnotenapparates und der Quellenangaben des Autors gut nachverfolgt werden.


    Nicht nur Lovecraft

    Dass dieser frühe Text von Faig nicht im Einsiedler berücksichtigt werden konnte, liegt gewiss daran, dass er zu dem Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden war. Inhaltlich ergeben sich außerdem Überschneidungen mit einem anderen Einsiedler-Beitrag von Faig „Die Eltern Howard Phillips Lovecrafts“. Diese Überschneidungen sind jedoch geringfügig und schmälern nicht den Reiz der Arbeit, die sich – man muss es ja so sagen – etwas „stickum“ in einem Band mit allgemein gehaltenen Beiträgen zur Phantastik verbirgt. Aber was heißt schon „allgemein“ in diesem Zusammenhang? Mit je einem Beitrag zu Algernon Blackwood und M. R. James von Michael Koseler ist das Buch (im Prinzip ein verkappter Phaïcon oder Quarber Merkur) auch für diejenigen interessant, die sich für den weiter gefassten Lovecraft-Kreis interessieren.


    Hier das gesamte Inhaltsverzeichnis:


    • Franz Rottensteiner: Vorwort. Zweifel und Gewissheit. Zu Traditionen, Definitionen und einigen notwendigen Abgrenzungen in der phantastischen Literatur
    • Andrzey Zgorzelski: Zur Einteilung der Phantastik. Einige supragenealogische Unterscheidungen in der Literatur
    • Peter Cersowsky: „Ja, mein Lieber, wir sind konservativ.“ Politische Aspekte bei deutschsprachigen Phantastik-Autoren des 20. Jahrhunderts bis zum Nationalsozialismus
    • Reinhard Lüth: Im Dämmerlicht der Zeiten. Ein Porträt des phantastischen Erzählers Leo Perutz
    • Peter Cersowsky: Räuber über Räuber. Zu einer Erzählung von E. T. A. Hoffmann und anderer Phantastik als „Bibliotheksphänomen“
    • Michael Koseler: Algernon Blackwood
    • Michael Koseler: Ein Klassiker der englischen Phantastik: M. R. James
    • Helga Abret: Das Tier im Menschen. Bemerkungen zu den phantastischen Erzählungen Erckmann-Chatrians
    • Ursula Sieg: Das Haus als wichtiges Raumelement in den phantastischen Erzählungen Thomas Owens
    • Seweryn Pollak: Reise nach Grinland
    • Kenneth W. Faig, Jr.: Howard Phillips Lovecrafts frühe Jahre 1890 – 1914
  • Diese Überschneidungen sind jedoch geringfügig und schmälern nicht den Reiz der Arbeit, die sich – man muss es ja so sagen – etwas „stickum“ in einem Band mit allgemein gehaltenen Beiträgen zur Phantastik verbirgt. Aber was heißt schon „allgemein“ in diesem Zusammenhang? Mit je einem Beitrag zu Algernon Blackwood und M. R. James von Michael Koseler ist das Buch (im Prinzip ein verkappter Polaris oder Quarber Merkur) auch für diejenigen interessant, die sich für den weiter gefassten Lovecraft-Kreis interessieren.


    Naja, gerade einmal die ersten drei Beiträge behandeln allgemeine Themen. Die anderen Texte widmen sich bestimmten Autoren bzw. besondere Aspekte in deren Werk. Wie eben die Arbeit zu Lovecaft.

    Inhaltlich ist man damit nahe an den Phaïcon Almanachen. Polaris war ja stets auf die Science Fiction beschränkt.


    Aber auf jeden Fall eine empfehlenswerte Sammlung, die einen repräsentativen Querschnitt durch das 19. und 20. Jahrhundert bietet.

  • Vertippt – und eben geändert: ich meinte "Phaïcon" (nicht "Polaris", wie in der 1. Beitragsversion stand). Gut, dass darauf hingewiesen wurde.


    "Allgemein" bezieht sich auf den Umstand, dass es sich um eine bunte Mischung aus Phantastikthemen- und Autoren handelt, der Band also keinen Lovecraft-Schwerpunkt o. ä. hat.

  • Vielen Dank für die ausführliche Vorstellung des Bandes, den ich leider nicht mein Eigen nenne.


    Lohnen die Texte von Koseler zu Blackwood und James?

  • Kurzfassung

    Ja, lohnen sich. Beide Texte basieren auf einer möglichst breit angelegten Textgrundlage der Primärliteratur. Hinzu kommt ein umfangreicher Korpus an Sekundärliteratur, der in den Fußnoten ersichtlich wird.


    Blackwood

    Die Biografie von Mike Ashley war noch nicht erschienen, aber Koseler hat ihn im Blick. Für eine Biografie Blackwoods wird auf Kirdes Text in dem entsprechenden Suhrkamp-Band verwiesen (Der Griff aus dem Dunkel). Im vorliegenden Text werden die wesentlichen Eigenschaften von Blackwoods Phantastik vorgestellt. Und zwar nicht nur anhand der Erzählungen, sondern es geht auch um die Romane. Dem "Centaur" wird eine herausragende Stellung zugeordnet. Koseler kritisiert freilich recht stark Blackwoods Hang zur Erklärung und sieht darin einen Hemmschuh in der Lektüre. Wenn es nicht um die Romane geht, stehen vor allem die zu dem Zeitpunkt in den Suhrkamp-Bänden verfügbaren Geschichten im Mittelpunkt von Koselers Ausführungen.


    M. R. James

    Der Autor setzt sich ein bescheidenes Ziel. Er hat keine neuen Erkenntnisse und verweist auf einen relativ guten Forschungsstand im Englischen. Neben einer biografischen Skizze untersucht Koseler, was und wie James typischerweise erzählt. Da zu dem Zeitpunkt (1987) etwas Derartiges vielleicht noch nicht vorhanden war im Deutschen, ein akzeptabler Ansatz. Und ein guter Überblick, um sich noch einmal mit James' Personal, Schauplätzen und Motiven vertraut zu machen.