Rainer Zuch - Planet des dunklen Horizonts

  • Zwar hat mich der gesamte Text irgendwie an "Berge des Wahnsinns" erinnert,

    nur halt in SF Form auf den Pluto, und auch Bilder der neuen "Alien" Filme spukten

    ständig in meinem Kopf herum ...


    Ging mir so ähnlich, als ich das Cover dafür machen sollte. Jörg und Rainer hatten bestimmte Vorstellungen und ich natürlich auch, aber letztendlich habe ich von allem etwas in das Bild gepackt.

  • Mammut Klasse Interview, Michael, Zuch hört sich ja äußerst sympathisch an.


    Ich habe das Buch im zweiten Anlauf durchgelesen (einmal vor einigen Wochen auf der Mitte abgebrochen und gestern Nacht nahezu von vorn begonnen dann ausgelesen).


    Das Buch ist wirklich schön aufgemacht, hat ein absolut fantastisch tolles Cover, einige Illustrationen (von denen ich gern eine ganze Graphic Novel lesen würde), Lovecraft-Portraits bei den Kapitelüberschriften, angenehmen Font und schönes Papier. Also etwas, das man echt gern im Bücherschrank hat.


    Ganz so enthusiastisch wie meine Vorredner bin ich allerdings nicht, obwohl ich den Kurzroman dringend gern gemocht hätte und mit einem 'offenen Herzen' und aller Sympathie rangegangen bin.


    Das liegt an ein paar ganz speziellen Punkten, über die es mir nicht möglich war, hinwegzusehen:


    1) Exzessives Foreshadowing.

    Es wird so oft und so viel gedräut, gewarnt und foregeshadowed, dass das, was dann - irgendwann! - tatsächlich erzählt wird, der aufgebauten Erwartung nicht standhalten kann. Also dachte ich bei Dingen, die mich eventuell volkommen überzeugt hätten, wären sie unangekündigt gekommen: 'Wie, das war's jetzt?'

    Ja, es ist ein typischer Lovecrafteinsteiger, anzudeuten, dass der Erzähler Dinge gesehen hat, von denen er sich nicht erholen wird, dass er darüber den Verstand verliert etc., aber das fungiert bei ihm als Intro und wird nicht immer dann, wenn sich tatsächlich etwas Schräges / Bedrohliches anbahnt, wiederholt.


    2) Plot.

    Denkt man Lovecraftian + Plutomission kommt ganz genau das bei raus, was in dem Roman auch vorkommt, nicht mehr, nicht weniger. Der Plot bewegt sich straight von A nach B, es kommt was kommen musste und dann ist Schluß.

    Was sich mir nicht erschließt:

    3) Es scheint.

    Es heißt ja immer so frech 'nur die Sonne scheint'. So hart sehe ich das nicht, denn aus einem 'scheinen' können sich später konträre Analysen / Beobachtungen entwickeln, wobei man als Leser aufs Glatteis geführt und überrascht wurde. Manchmal 'scheint' auch etwas zu sein, von dem man weiß, dass es eigentlich unmöglich sein sollte. 'Scheinen' hat mAn also in der Phantastik durchaus eine Berechtigung. Zuch verwendet das Wort aber derart inflationär (bis zu einem halben Dutzend Mal auf nur einer Seite oder auch zwei Mal in einem Satz), dass es echt ein Trigger für mich wurde, über den ich nicht hinweglesen konnte; und dann verwendet er es tatsächlich inkorrekt: was bei ihm meistens scheint, wird im selben Satz so beschrieben, dass es auch objektiv, nachprüfbar so ist. Was soll das dann? Nach Lovecraft klingen? Ich kenne das so nur aus Anfängertexten online und mich hat das stark verwundert, weil das Gesamtwerk nicht den Eindruck macht, noch auf einem solchen Level zu sein. Ich meine fast, es gäbe keine Seite im Buch (Plutosequenzen), die ohne mindestens ein 'scheinen' auskommt.


    4) ... entgegen allen bekannten Naturgesetzen ...

    Dann folgt die Beschreibung z.B. eines Kubus, eines Gebäudes ohne rechte Winkel etc. Welchen Naturgesetzen widerspricht das denn? Keinen, die mir einfallen würden, das Beschriebene ist einfach nur ungewöhnlich. Wie mit dem 'scheinen' gibt es auch hierfür eine Berechtigung, aber dann sollten die Objekte nicht im Detail beschrieben, sondern nur angedeutet werden (wie Lovecraft selbst es u.a. macht), sodass man sich das 'außerhalb der Naturgesetze' selbst vorstellen muss - Zuchs Erzählerin widerlegt sich aber stets selbst, und das lässt diese Phrase eben doppelt leer wirken.


    Die Zusatzgeschichte "Der Besucher" hat mich dagegen nicht so gestört, wie einige andere hier. Allerdings nimmt sie arg viel vorweg, und ich meine, sie hätte als Extro, nicht Intro, wesentlich mehr Kraft entfalten können.


    Ingesamt sehe ich bei Zuch immer dann Stärken, wenn er sich vom lovecraft'schen Sprachduktus befreit und assoziativer, SoC-mässiger und elliptischer schreibt. Dies v.a. gegen Ende, bei der Action in dem Gebäude da selbst. Dann wird die Erzählung dynamisch, weckt Bilder, ist spannend, und wirkte auf mich haptisch/organisch, weniger konzipiert. So hätte ich mir das gesamte Buch gewünscht.


    Ansonsten haben mir die Beschreibungen der Plutomonde gefallen, die einen schon magischen Eindruck machten und sehr atmosphärisch wirkten; und die Bauten / Skulptur, die mich an eine Mischung aus Simmons göttergleichen 'Shrike' und den Monstern aus Splinter denken liess. Damit hätte Zuch für meinen Geschmack auch gerne noch mehr Zeit verbringen können.

    Das mit der 'gestrahlten Botschaft' hat mir - v.a. als Bogenschlag - auch irre gut gefallen.


    Interessant fand ich, dass Zuch als Autor eine Erzählerin wählt, sich dann aber um einen typisch lovecraft'schen Tonfall und Sichtweise bemüht (mit der Ausnahme einiger feministisch angehauchter Bemerkungen zu Frauendiskriminierung in der Raumfahrt). Dabei hatte ich beim Lesen fast die ganze Zeit einen Mann vor Augen. In diesem Wechsel durchaus eine - wenn auch nicht intendierte - spannende Perspektive.


    Wie schon nach Abbrechen vor ein paar Wochen merke ich aber, dass der Nachklang sehr viel wirkungsvoller ist, als das Lesen selbst; und würde das Buch auch keinesfalls wieder hergeben wollen. Auch würde ich auf jeden Fall wieder was Neueres von Zuch lesen wollen (mich interessiert da v.a. das im Interview angesprochene Kali-Buch).


    In Punkten ausgedrückt:

    Beim Lesen 3/10, Nachhall 8/10.