Adam Nevill: Under a Watchful Eye
Macmillan 2017, 398 S.
Seb, ein Horrorautor, hat bedrohliche Visionen und bekommt kurz darauf Besuch von einem ehemaligen Mitbewohner, der psychisch instabil und nun obdachlos ist. Seb lässt sich widerwillig in eine Welt okkulter Geheimbünde ziehen, die sich mit luziden Träumen, ‚Astralleibprojektionen‘ und dem Erbe eines verrückten Autors der Dunklen Phantastik, Montague Leopold Hazzard, beschäftigen. Der 'Temple of the Last Days' aus Nevills früherem Roman spielt gegen Ende auch wieder eine Rolle. Ein Großteil der Handlung spielt in der Realität: Sebs Bemühungen, seinen Bekannten loszuwerden, Recherche, relativ alltägliche Interaktionen.
Das Buch wurde auch als „Stalking-Thriller“ angekündigt, ist aber ein Horror-Roman, nur dass sich hier der übernatürliche Schrecken langsamer entwickelt als in Nevills anderen Büchern. Die Motivik ist bekannt: Groteske Gestalten (unnatürlich lang gezogene Gliedmaßen und Gesichter, verfärbte Zähne, bleiche Gesichter …); Träume, die in die Realität übergreifen; Wesen, die aus dem Jenseits heraus ihre Opfer verfolgen; schlechte Körperhygiene/extremer Körpergeruch und antisoziales Verhalten.
Wie in Last Days ist der Protagonist Freelancer (Film vs Horrorfiction), hat aber hier eine unscheinbare Persönlichkeit. Dadurch, dass Seb nur ein gesetztes Autorenleben im beschaulichen Torbay/Brixham führen will, und sein Interesse am Paranormalen forciert wird, hat mich das Buch weniger gepackt. Wie in No One Gets Out Alive störte mich, dass der Geängstigte so wenig unternimmt; und da funktioniert für mich ein Prot besser, der selbst eine manische Neugier besitzt, dem Paranormalen auf den Grund zu gehen (-> Last Days).
Ebenfalls nervig und unelegant fand ich, dass Nevill einen massiven Teil der - durchaus sehr interessanten - Geschichte über mündliche Berichte, Recherche und Akteneinträge erzählt. Das geht Seite um Seite und ich hätte mir da eine stärkere Einbettung der Backstory in den Plot gewünscht. Kommt mir ein bissl faul vor, und ich möchte wirklich nicht in einem gedruckten Roman lesen, wie ein Prot nach Infos googelt …
Dezent versucht Nevill in Watchful Eye, eine eigene, werkübergreifende Mythologie zu erschaffen, wozu all das Horrorautoren-Namedropping und der gelungene Kult um „M. L. Hazzard“ (ein Bastard aus Lovecraft, Abdul Alhazred und L. Ron Hubbard) hübsches Beiwerk ist. Das Buch hat einige überraschend gruselige Szenen (der Zug!), ein paar gute Twists, und zum ersten Mal finde ich das letzte Fünftel am spannendsten und das Ende außerordentlich gelungen.
Wenn ich The Ritual ignoriere, bisher das schwächste Buch von Nevill, aber immer noch wesentlich besser, als vieles andere auf dem Genre-Markt. Der Plot wäre vielleicht besser in einer Novelle aufgehoben gewesen.