Adam Nevill: Last Days
Macmillan, 2012. 531 Seiten
Ich hatte das Buch mittags angefangen und mir vorgenommen, so zwei Stunden damit zu verbringen. Vier Stunden später hab ich den Tag umorganisiert, um das Buch in einem Rutsch durchzulesen, und irgendwann um 23:00 war ich fertig. Soviel zur Frage, ob es spannend war.
Nevills Erstling, Banquet for the Damned, kenne ich nicht, aber sein Apartment 16 hat mir wirklich gut gefallen, weil er mit einem modernen Setting/Figuren eine klassisch-dekadente Geistergeschichte erzählt, die auch sehr viele originelle Details hat. The Ritual fand ich absolut lächerlich, es ist 80% Nordic Blair Witch Project und 20% völlig falschverstandene Norwegian Black Metal meets TCM. Es ist weder spannend, noch gut geschrieben, und hat keine einzige innovative Idee.
Last Days ist wie Apartment 16 auch eine Geistergeschichte, mixt aber eine Reihe von spannenden Themen aus der Historie/Realität und paranormalen Mythen: Todeskulte wie Jim Jones‘ Peoples Temple, die apokalyptisch-radikale Wiedertäuferbewegung um Jan Matthijs & Jan van Leiden, fleischgewordene Rachegeister, Haunted Places, und ein perfider Auftraggeber, der an sein Gegenstück in A Serbian Film erinnert (auch der Grund, den Auftrag zu Ende zu bringen, ähnelt dem Film). So unterschiedlich das alles sein mag, die Mischung liest sich nicht erzwungen oder arbiträr.
Adam Nevills größte Stärke ist, Settings und Angstzustände zu beschreiben. Atmung, verschwommene Sicht, Lähmungszustände, chaotische Gedankengänge und Assoziationen usw. wirklich auserzählt und so detailliert nachvollziehbar, dass man unweigerlich in die Situation reingezogen wird. Auf die Gefahr hin, mich hier lächerlich zu machen: Irgendwo in der Mitte hab ich mich gefragt, ob ich später bei Licht schlafen sollte – und das hatte ich im Erwachsenenalter erst einmal, bei Metro 2033. Das Konzept, wie diese Geister in unsere Welt übertreten ist grandios gelöst (auch wenn es gen Ende etwas überstrapaziert wird).
Hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen – wenn ich die letzten 80 Seiten vergesse. Bis dahin habe ich nur einen Kritikpunkt: Der gesamte Hintergrund dieser Sekte der Letzten Tage wird nach und nach aufgerollt (was sehr gut gemacht ist), allerdings weniger in der Handlung selbst, als in nacherzählter Recherche, meist die Gespräche zwischen Filmemacher (Hauptfigur) und Auftraggeber/Produzent. Für das Intro finde ich das zwar wenig elegant, aber verzeihlich, dass sich das aber durchs gesamte Buch zieht, ist ein kleines Manko. Vermutlich hätte man mit Rückblenden arbeiten müssen, und das hätte das Buch (sicher zum Nachteil) verändert, daher sehe ich schon, warum Nevill diese Lösung gewählt hat.
Mein eigentliches Problem sind die letzten 80 Seiten. Mir scheint, dass Nevill (wie China Miéville) gut darin ist, verschiedene Konzepte / Handlungsfäden und Themen anzureißen, aber Probleme hat, diese am Ende logisch und folgerichtig zusammenzuführen. Das Ende war für mich ein lächerlicher Overkill, und funktioniert z.T. auch nur, weil der Leser vorher belogen wurde
(was die Gefahr für seinen Kollegen und besten Freund angeht).
Insgesamt ist mir das Buch trotz der vielen tollen Ideen und dem äußerst angenehmen Stil knapp 200 Seiten zu lang. Hätte der Autor ein subtileres Ende gewählt und die Backstory geschickter eingewoben, wäre das als 350-Seiten-Roman ein perfekt dichter, äußerst gruseliger Kleinod geworden.
In Punkten ausgedrückt: Ohne das Ende 9 von 10.
Auf jeden Fall werde ich wieder mehr von ihm lesen, weil ich klasse finde, dass er aus UK kommt, und weil ich wenige Horrorautoren finde, die wirklich Angst / Paranormales beschreiben und Grusel perfekt aufbauen können.