Night Visions - Horror Film Festival

  • Egidius Oh, danke, und dann noch bei imdb - die nutze ich nicht mehr richtig, seitdem die ihr Layout geändert haben und man überhaupt nix mehr auf den ersten Klick sieht.


    Klasse, wenn es zu interessieren weiß, Axel und Nils! [Cof]

  • Danke für die Infos, Katla. Bin schon auf deine Eindrücke gespannt.

    Woodlands Dark and Days Bewitched: A History of Folk Horror

    Steht bei mir auch schon länger ganz oben auf der Watchliste.

    Der Score zu der Doku stammt übrigens von Jim Williams, der u.a. schon die fantastischen Soundtracks zu Julia Ducournaus "Raw" und Ben Wheatleys "Kill List" fabriziert hat. Auch wenn mich seine Arbeit für "Possessor" und "Titane" nicht mehr ganz so umgehauen haben.

    Und wo wir gerade bei Wheatley waren:

    In the Earth

    Ich mag den Regisseur ja. Besonders wegen dem bereits erwähntem Film "Kill List" und der mMn recht gelungenen J.G Ballard Verfilmung von "High Rise". Die US-Blu-Ray von "In the Earth" steht bei mir auch schon im Regal, aber leider finde ich momentan wenig Zeit zum Filme gucken. Der Trailer hat jedenfalls starke "Annihilation"-Vibes und durchaus meine Neugier geweckt. (Und auch wenn es keinen interessieren wird; Der Soundtrack von Clint Mansell ist ebenfalls ziemlich gut. Auch wenn er nicht ganz an "Moon" heranreicht.)

    Northman

    Der Trailer hat mich auch extrem ernüchtert zurückgelassen. Sieht mMn nach recht generischer Wikinger-Action aus. Robert Eggers hat mit "The Witch" und "The Lighthouse" aber zweifelsfrei zwei der interessantesten Horrorfilme der letzten Jahre geschaffen, daher bleibe ich trotzdem gespannt und hoffe dass am Ende mehr "Walhalla Rising" und weniger "Vikings" dabei herauskommt.

  • Ich mag den Regisseur ja. Besonders wegen dem bereits erwähntem Film "Kill List" und der mMn recht gelungenen J.G Ballard Verfilmung von "High Rise".

    Ah, interessant. High Rise hatte ich nicht geschaut wegen dem Husky, Hundessen mit so einer zur Schau gestellten Ironie/Beiläufigkeit/Lustigkeit ist einfach eine derart bekloppte Provokation, da kann ich drauf verzichten. Ohne jeden Zweifel hat der Film (vom Trailer und einigen Stills her zu urteilen), aber eine schöne, relativ eigenständige Optik und auch den Plot fand ich sehr spannend.

    Und auch wenn es keinen interessieren wird; Der Soundtrack von Clint Mansell ist ebenfalls ziemlich gut.

    Ah, doch, das interessiert mich zum Bleistift sehr - es wär fast der Grund gewesen, mir doch noch eine Kinokarte dafür zu kaufen. Allerdings hab ich über die Witch nur Häme gelesen und Lighthouse hat mich gequält wie kaum ein anderer Film, da dachte ich mir, das alles kann der sicher wunderbare Soundtrack / Score nicht rausreißen.


    Ich bin aber eben auch mit ein paar Filmen im Laufe der Jahre bei NV so derart auf die Schnauze gefallen, dass ich inzwischen sehr wenig offen gegenüber "probiere ich halt mal aus" geworden bin. Die zeigen wenig Filme, die ich einfach bissl meh finde, sondern entweder total yay oder total nay ...


    Ach ja: Valhalla Rising war auch so ein Wahnsinnsreinfall, dabei hat mir der Trailer gefallen und Mikkelsen hätte da schon toll wirken können, wäre eben der Film an sich besser gewesen.


    Ich werde auf jeden Fall berichten. [Cof] Lieben Dank für deine Einschätzungen, sehr spannend!

  • Ah, interessant. High Rise hatte ich nicht geschaut wegen dem Husky (...) den Plot fand ich sehr spannend.

    Was den Husky angeht hält sich Wheatley nur an die Romanvorlage, die ich übrigens sehr empfehlen kann. Zumindest wenn man etwas mit Ballard anfangen kann. Sicher eines seiner zugänglicheren Werke.

    Ah, doch, das interessiert mich zum Bleistift sehr - es wär fast der Grund gewesen, mir doch noch eine Kinokarte dafür zu kaufen.

    Das freut mich. Überlege ja auch schon seit Ewigkeiten im Musik-Bereich dieses Forums einen Soundtrack-Thread aufzumachen. Das von mir vermutete geringe Interesse hat mich bisher aber immer davon abgehalten. Außerdem dürfte ein Thread, der größtenteils nur aus eingebetteten Youtube-Videos besteht, die Mods hier bestimmt nicht besonders freuen.

    Der von mir gelobte Soundtrack von Mansell gehört aber zum Film "In the Earth" und nicht zu "The Nothman". Letzterer stammt nämlich von Robin Carolan und Sebastian Gainsborough. Die Songs die ich davon bisher gehört habe, haben mich nicht wirklich umgehauen, aber das ist natürlich Geschmackssache. In Sachen Soundtracks gehöre ich auch zum Synth- und weniger zum Bombast-Orchester-Lager und mag es generell eher carpenter-esk.

    Allerdings hab ich über die Witch nur Häme gelesen

    Ich mag den Film ja und finde ihn auch deutlich stärker als "The Lighthouse". Besonders das Ende ist großartig! Da wir gerade was Filme angeht aber oft unterschiedliche Meinungen haben, spare ich mir jetzt mal eine Empfehlung :D. Auch wenn mich dein Verriss durchaus interessieren würde.

    Valhalla Rising war auch so ein Wahnsinnsreinfall.

    Hat mich auch nicht völlig überzeugt und sollte nur ein Beispiel dafür sein, was man aus der Wikinger-Thematik abgesehen von einem reinen Action-Spektakel eben noch so machen kann. Hätte von Eggers halt etwas in dieser Richtung erwartet - Der Trailer sieht aber eher nicht nach Arthouse aus.

  • Überlege ja auch schon seit Ewigkeiten im Musik-Bereich dieses Forums einen Soundtrack-Thread aufzumachen. Das von mir vermutete geringe Interesse hat mich bisher aber immer davon abgehalten.

    Mach das doch bitte (außer die Mods haben etwas dagegen). Wenn ich schreibe, durchforste ich gar nicht so selten die zwei Musik-Threads hier im Forum auf der Suche nach einem geeigneten Hintergrundsound. Jetzt gerade versuche ich es mal mit "In The Earth" ... gar nicht schlecht!

    • Offizieller Beitrag

    Mach das doch bitte (außer die Mods haben etwas dagegen). Wenn ich schreibe, durchforste ich gar nicht so selten die zwei Musik-Threads hier im Forum auf der Suche nach einem geeigneten Hintergrundsound. Jetzt gerade versuche ich es mal mit "In The Earth" ... gar nicht schlecht!

    Hab mal unsere Fachfrau delijha gefragt und sie hat Entwarnung gegeben.


    Wenn das nur eingebundene Links sind, ist das reines Streaming und der reine Platz des Forums wird nicht belastet. Anders sieht das bei hochgeladenen Dateien aus.


    Also mit YouTube-Verlinkungen kein Thema. [Ber]

  • Hab mal unsere Fachfrau delijha gefragt und sie hat Entwarnung gegeben.

    Danke, Shadowman. Dann werde ich die Tage mal einen Thread erstellen.

    Jetzt gerade versuche ich es mal mit "In The Earth" ... gar nicht schlecht!

    Freut mich, dass du mit dem Soundtrack etwas anfangen kannst, Felix. Ich höre ihn momentan auch öfters mal zum schreiben.

  • So, heute zwei Filme geschaut und wie ich oben sagte, wurde es mal wieder zur yay / nay -Sache ohne Grautöne, jedoch umgekehrt zu meinen Erwartungen.


    Der litauische Film Upurga hat mir außerordentlich gut gefallen und kann vor allem durch einen wirklich brillanten, differenziert spielenden Hauptdarsteller glänzen. Das Setting (oder; die Settings, es kommt viel, aber nicht nur Wald vor) ist quasi der zweite Protagonist. Was ich auch nicht wußte, bevor ich nach Finnland zog und Estland näher kennenlernte: die Wälder des Baltikums sind tatsächlich 'offizieller' Urwald. Im Film sehr gut zu sehen, sehr schön und sehr unheimlich. Sehr tolle Kameraführung, ungewöhnlich, ohne zu schräg zu sein, wirklich ganz eigene Bildsprache, wunderschön. Auch ein tolles Tempo beim Schnitt.


    Die Geschichte ist anders, als der Trailer vermuten lässt. Diese nervigen Amateurfilmer sind nur im Beginn des Filmes anwesend, dann zerstreut sich die Gruppe aus *hüstel* Gründen. Das meiste trägt der Hauptdarsteller allein, auch ein sehr seltsames, betagtes Paar - der Ehemann ist untot - und der Ranger spielen tragende Rollen, wobei nichts ist, wie man erwartete. Es gibt also erstaunlich wenig Klischees, der Plot geht weit über das "Freunde im unheimlichen Wald"-Thema hinaus. Die quatschen auch nicht die ganze Zeit blöd rum, es gibt viele Szenen ohne viel Dialog, und wenn, ist der auch an vielen Stellen individuell und auch mal angenehm witzig.


    Die - ja, soviel zum Thema - Folk Horror-Elemente sind ganz anders gelagert als zu erwarten und wenn ich den Regisseuer richtig verstanden hab, sind das nicht alles tatsächliche Legenden der Gegend. Zur Entwicklung hat er einen serbischen und einen brasilianischen Freund/Kollegen gebeten, etwas zu dem spekulativen Hintergrund beizutragen. Der Film hat schon viel Spannung und auch bisschen 'Action', aber auch sehr viele ruhige Momente und ist keinesfalls so überdreht wie der Trailer befürchten lässt.

    Hier übrigens ein schöns Interview mit dem sehr sympathischen Regisseur.


    Wenn mich der Film überhaupt ganz dezent an etwas erinnert, wäre es die TV Serie Jordskott. Das Spekulative / der Folk Horror ist sehr glaubhaft, schräg, innovativ-frisch und auch sehr vielschichtig. Es wird auch nicht 100% aufgeklärt, was der Sache guttut. Einzig das Ende hätte konsequenter sein können, da will man zu viel und zerfasert es. Fünf Minuten = zwei Sequenzen vorher gestoppt hätte dem Film besser getan, es ist aber ein kleiner Wermutstropfen. Würde ich sogar ein zweites Mal anschauen oder auf DVD kaufen.


    Hier ein paar Eindrücke: Regisseur Ugis Olte im Foyer-Café und bei der Q&A. Kino: WHS Teatteri Union, eines der ältesten 'Lichtspielhäuser' Helsinkis, es war zwischendurch ein Theater und fungiert auch als kleiner Konzertsaal, seit 2014 wieder als Kino neueröffnet. Photos: Festivalphotografin Tanja Ryhänen.




    Bereut habe ich gründlich, mitten in der Q&A mit dem Regisseuer gegangen zu sein, um nicht zu spät zu Dual zu kommen, der in einem anderen Kino spielte: Der Film war unterirdisch. Drehbuch wie von einem Zehnjährigen verfasst, vorhersehbar bis zur letzten Sekunde, Karen Gillam und alle weiteren Leute spielen - erstaunlich - talentfrei, alles brav aufgesagt, jeder einzelene Satz ein Witz / Punchline (das Publikum lachte, es liegt vielleicht an mir), was mich echt extrem genervt hat, weil im ganzen Film kein einziger intelligenter Satz gesprochen wird. Die ganze Prämisse ist auch völliger Quark.


    Zu meinem Erstaunen - der Regisseuer lebt in den USA - wurde der Film in Tampere, Finnland gedreht, auch mit einigen finnischen Komparsen. Ich wäre sehr gern nach einer Viertelstunde gegangen, saß aber in der MItte einer langen Reihe und bin aus Höflichkeit sitzen geblieben (und hab gelitten). Ich muss meine positive Meinung von Gillam ganz schön revidieren, das war ein quälender Einsatz. Das Ende hab ich schon in den ersten 10 Minuten kommen sehen. Schade um die gute Q&A im anderen Kino ...

  • Tja, die Folk Horror Doku ... Etwas Gutes hatte der Kinobesuch: Ich hab ein neues Café entdeckt, in einem zentralen Bezirk, in dem ich selten unterwegs bin.


    Der Film startet volle Kraft voraus und in medias res: Man bekommt von allen möglichen Filmemachern, Autoren und Kulturwissenschaftlern Defintionen, Interpretationen und Eindrücke vermittelt, was Folk Horror bedeutet und ich wünschte mir, das wäre ein Buch gewesen, weil ich am liebsten ständig Notizen gemacht hätte. Es folgen zwei Hauptkapitel: Britischer und US-amerikanischer Folk Horror, was zusammen den Hauptteil der 3,5 Stunden Laufzeit ausmacht. Mit einer Ausnahme: so weit, so gut.

    Wie bei fast jedem Adam-Nevill-Roman sage ich hier: Der Film hätte eine Stunde kürzer sein müssen. Der amerikanische Teil rutscht in postmodernen Horror und Postkolonialismus (ebenfalls so weit so gut), fängt dann aber an, sich nach dem viel zu eng gestrickten Anfang vollkommen zu zerfasern - im Grunde zu allem, was irgendwie mit klassischen Geistern und Spuk und "Aberglauben" zu tun hat. Und kommt - wenig erstaunlich - implizit zu dem Schluss, dass alles, was paranormaler Horror ist, auch Folk Horror sein könnte ... Quark.


    Die letzten drei oder vier Kapitel widmen sich dem Kino außerhalb von UK / USA, aber genau hier verlässt die Doku ihre Bahn und wirft vollkommen arbiträr alles Mögliche zusammen, was irgendwie mit Grusel und Film zu tun hat. Wilde thematische Schwenks von Japan nach Lappland, mit Abstechern über Lovecraft, den Golden Dawn Orden, Voudun, dem postmodernen Western und WTC 9/11 (!) nach Polen und Tschechien der 1950er. [LiZ]


    Nachdem zu Beginn wirklich kluge, pointierte Statements gebracht wurden, labern jetzt alle nur noch rum und reiten ihre eigenen Steckenpferde, relativ unabhängig vom Thema des Films. Ich hab mal wieder bitter bereut, mich in die Mitte gesetzt zu haben - eigentlich bin ich gar nicht eine, die ständig vorzeitig das Kino verlässt, aber dies war eine Qual. Was u.a. auch am Score lag: Wirklich typisch für amerikanische Filme kann die Doku keine Sekunde ohne Hintergrundmusik auskommen - und die orientiert sich an den Horrorfilmen der 50er bis 70er: quietschende Geigen, elektronisch verzerrte Geräusche und ebenfalls elektronisch verzerrtes Frauenkreischen. In der letzten Stunde hab ich angefangen, mir die Ohren zuzuhalten und ging letztlich mit fetten Kopfschmerzen aus dem Kino.


    Das sind alles aber Peanuts, Die Hauptkritik liegt auf dem Sachbezogenen. Ganz richtig entlarven die Interviewten alle 'Voodoo'-Themen und Lateinamerikanischen Settings sowie vor allem die Darstellung der First Nation in Western oder Spukhausfilmen um 'Indian burial grounds' (Pet Semetary, Amytiville Horror etc.) als grundlegend rassistisch. Es wird sehr gut aufgezeigt, dass die eroberten, unterdrückten und beinahe ausgelöschten Kulturen im Folk Horror Film vollkommen missinterpretiert werden, dass der Blickwinkel der Kolonialisierung jede authentische Sicht unmöglich macht.


    Genau das hätte auch die Sicht auf die "heidnischen" Kulte in den Filmen sein sollen, die in UK oder den USA spielen und sich auf europäische Historie beziehen. Denn nur wenige Jahrhundere zuvor fand in Europa die gleiche gewaltsame kulturpolitische Kolonisierung statt. Es wurde ebenfalls indigene Kultur von einer fremden Religion ausgelöscht. Aber nein, der Film tut nun so, als ob die vollkommen abstrusen, ahistorischen Darstellungen in Wickerman, The Witch, Midsommar etc. tatsächliche heidnische Kulturen abbildeten.


    Dabei sitzen die Filmemacher und Interviewten der christlichen Propaganda auf, die behauptet(e), es hätte wirklich 'Hexen' gegeben, Kräuterfrauen und heimliche Anhänger alter Kulte. Besonders folgt man der christlichen Obsession mit angeblichen Menschenopfern der Kelten und Germanen, die es vermutlich gar nicht gab - wie Archäologen inzwischen meinen. Diese Ideen fußen auf Interpretationen und Änderungen an Ausgrabungen, die damals an Funden vorgenommen wurden (vgl: die plazierten "Augenbinden" von Moorleichen etc.).


    Was mich letztlich aber umgehauen hat: eine US-amerikanische schwarze Autorin / Historikerin analysiert wunderbar den Rassismus der 70er Jahre Occult-Horrorfilme, um dann zu behaupten, der Malleus Maleficarum wäre ein "Horror-Roman des Mittelalters". Abgesehen davon, dass es im Mittelalter noch keinen Roman gab, ist dieses Schriftstück neben abrahamistischen religiösen Büchern und Mein Kampf das Buch, das für die meisten Verfolgten, Folteropfer und unschuldig Hingerichteten verantwortlich war. Dieses Buch beeinflusste übr Jahrhunderte bis offenbar heute ganz massiv reale Politik und Weltanschauungen nicht nur in Europa, sondern auch in sämtlichen ehemaligen Kolonien. Das ist kein peinlicher Versprecher, sondern eine unverzeihliche, realitäsverzerrende Wissenslücke, die zumindest - wenn sie schon geäußert wurde - aus dem Film hätte herauseditiert werden müssen.


    Ach ja: die Nazis mit ihrem "Volk" bekommen auch ganze drei Minuten angerissene Erwähnung. Leider aber in Zusammenhang mit dem Outsider Otto Rahn (Himmler wird seltsamerweise nicht erwähnt, dabei geht der ganze Hexen-waren-verfolgte-Hebammen-Humbug auf ihn zurück). Das Nazireich wird mal wieder so dargestellt, als fuße es auf der Reanimation des Heidentums, dabei war diese Ausrichtung von der Führungsriege nicht gern gesehen, denn Hitler betonte, die Bewegung sei eine dezidiert christliche. Gerade Otto Rahn war stark isoliert und beging Suizid, um letztlich einer Verfolgung zu entkommen.


    Fazit: Die Idee, dass Folk Horror Filme in europäischem Kontext ein historisch korrektes Heidentum zeigten, das zum Schrecken der "aufgeklärten, modern denkenden Christen" [sic!] in der Postmoderne durchbricht, wird in dieser Doku als Fakt postuliert. Folk Horror, der sich um andere Kulturen dreht und - eigentlich ganz genauso - ein koloniales Thema behandelt, ist aber (korrekterweise) rassistisch. Keine Ahnung, warum die Filmemacher bzw, Interviewten nicht sehen, dass dies exakt identische Probleme sind, die aus der christlich-imperialistischen Missionierung, Unterdrückung und Ausbeutung herrühren.


    Das zutiefst sexistische, im Grunde menschenfeindliche Bild der "Hexe", wie es Heinrich Institoris im Malleus Maleficarum erfand, wird nun im Folk Horror-Kontext als die feministische, selbstbestimmte Frau hingestellt, die sich der patriarchalen Gesellschaft gegenüber verweigert. Das ist nicht nur vollkommener Blödsinn, sondern echt äußerst bedenkliche Geschichtsklitterei.

    Dazu: Ich war bislang davon ausgegangen, dass die Konzepte der "Hexen" und der "heidnischen Kulte" keine (historische) Realität darstellen sollten - genausowenig wie ich denke, dass die overactiing schwarzen "Voodoopriester" des Horrors irgendwas mit realen Menschen oder realen Glaubensvorstellungen zu tun haben. Horror braucht Antagonisten, und warum nicht diese in Kulturen suchen, denen man selbst nicht angehört? Spielfilme müssen keine Realität repräsentieren, sonst müsste man auch jeden Serienmörder und Psychokiller adäquat mit psychologischer Untermauerung repräsentieren - und deren Missinterpretation schert auch keinen.


    Eine vertane Chance, etwas Relevantes zur eigenen Historie beizutragen - das lässt sich auf die allgemeine Geschichte genauso beziehen wie auf die der Literatur, Kultur oder eben des Films. Alles in allem ein ärgerliches, undurchdachtes Machwerk, das sehr vielversprechend beginnt. Hätte ich mir gern erspart.

    Das kleine Kino war übrigens mässig voll, vielleicht 30 Zuschauer. Der Film lief ohne Pause - villeicht aus der Befürchtung, die Hälfte würde noch gehen. Es gab keinen Applaus, viele standen schon vor den Credits auf.


    Wer sich in diesem Zusammenhang für tatsächliche Historie interessiert, sei dieses wunderbare Buch empfohlen:

    Bovenschen, Brackert u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes. Suhrkamp 1977. Ich hab in über 40 Jahren sicher 200 Bücher zum Thema gelesen und nichts gefunden, was dieses ersetzen könnte - oder, wie das Erscheinungsdatum nahelegen könnte - revidierte.

    Auch der Malleus Maleficarum ist einen Blick wert um zu sehen, was die Argumente der Verfolger waren und inwieweit sich dieses fiktive, ahistorische Bild teils bis heute gehalten hat (da gibt es eine vollständige Ausgabe bei dtv als Faksimile der alten Übersetzung).

  • Ein großes Dankeschön unserer Reporterin Katla für diese erhellenden Festival-Einblicke, die insgesamt zu einer Diskussion beitragen, die ja auch hier im Forum geführt wurde und wird (zuletzt in: Was ist Folk Horror).


    Angesichts der Versuche, Folk Horror zu definieren, tun sich immer mehr Sackgassen auf – oder doch Wege, die eigentlich ganz woanders hinführen, bis hin zu dieser zweifelhaften Erkenntnis:


    im Grunde zu allem, was irgendwie mit klassischen Geistern und Spuk und "Aberglauben" zu tun hat. Und kommt - wenig erstaunlich - implizit zu dem Schluss, dass alles, was paranormaler Horror ist, auch Folk Horror sein könnte ... Quark.

    Sehr wichtig finde ich auch diesen Aspekt:


    Ganz richtig entlarven die Interviewten alle 'Voodoo'-Themen und Lateinamerikanischen Settings sowie vor allem die Darstellung der First Nation in Western oder Spukhausfilmen um Indian burial grounds' (Pet Semetary, Amytiville Horror etc.) als grundlegend rassistisch. Es wird sehr gut aufgezeigt, dass die eroberten, unterdrückten und beinahe ausgelöschten Kulturen im Folk Horror Film vollkommen missinterpretiert werden, dass der Blickwinkel der Kolonialisierung jede authentische Sicht unmöglich macht.

    So kritikabel dieser Aspekt ist: genau das macht den Reiz dieser Filme aus, die auf ein möglichst umfassendes, christlich geprägtes Publikum der First Nation abzielten. Da nehme ich mich nicht aus. Je größer die Fremdartigkeit, je mehr das Unheimliche von meiner gewohnten Sozialisation und Sichtweise abweicht, desto größer ist seine Wirkung. Nun, so wie ich aufwuchs, verfings das Ganze bei mir. Dass das Genre mittlerweile nicht mehr kulturelle Stereotypen der 1970er und 80er Jahre pflegen sollte, ist allerdings ebenso klar (allerdings auch ein frommer Wunsch, ich weiß …)


    Und dann:


    Ach ja: die Nazis mit ihrem "Volk" bekommen auch ganze drei Minuten angerissene Erwähnung.

    Ich vertrete die These, dass es einen spezifischen "Folk Horror" (lieber erst einmal in Anführungszeichen) in der deutschsprachigen Phantastik der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts gab. Die Literatur, die mir vorschwebt, umfasst dabei ebenso die Zeit vor wie nach dem 3. Reich und bewegt sich eng an dem, was als Blut-und-Boden-Literatur gilt.


    Der völkische Okkultismus, wie ihm u. a. der genannte Otto Rahn anhing – der steht für mich schon wieder auf einem anderen Blatt. Vorrangig sehe ich das als kulturwissenschaftliche Erscheinung mit Disziplinen wie Archäologie, Volkskunde, Religionswissenschaft usw.

  • Vielen Dank Katla für die Berichte, insbesondere den zur Folk-Horror Doku. Damit hast du mir mehrere Stunden Lebenszeit gespart, die ich jetzt wohl in das empfohlene Hexenbuch stecken werde.


    Auch wenn es hier Off-Topic ist:

    Die Gedanken von Arkham Insider Axel zum Thema Fremdartigkeit teile ich ungefähr. Mit von der Popkultur gefüttertem Halbwissen erzeugte Emotionen ziehen bei mir sehr gut. Neulich habe ich in einem Podcast gehört, die Zahl der Exorzismen sei im 20. Jh. höher gewesen als in den Jahrhunderten zuvor, belegen lässt sich dabei eine zeitlicher Zusammenhang mit dem Kinostart von "Der Exorzist" und die Kirche im Mittelalter keineswegs wie oft dargestellt ständig irgendwelchen Leuten den Teufel ausgetrieben habe, sondern die Fälle auch wissenschaftlich und medizinisch (nach damaligem Stand) untersucht hat, um "Scharlatane" zu entlarven bzw. "echte" besessene Menschen aufzuspüren. Es gab wohl offizielle Dokumente/Gutachten, dass Personen besessen waren, die wohl auch wieder mit Gegengutachten widerlegt werden konnten, Leute die angeblich besessen waren gingen auf Europatour und bestritten damit ihren Lebensunterhalt etc. Also ein vollkommen anderes Bild, als ich es bisher hatte.


    Das Thema Rassismus, gerade im Horrorbereich, ist in verschiedenen Threads auch immer wieder thematisiert worden. Nun stellt sich mir schon seit längerem die Frage: Braucht Horror einen gewissen Anteil von othering und Stereotypen? Und ist das ohne rassistische Untertöne bzw. Zuschreibungsprozess tatsächlich möglich, wenn wir uns eben nicht mit z. B. großen Alten sondern mit irdischen Kulten beschäftigen? Oder sind selbst die Weltraumwesen dann nur Platzhalter, um so auf subtilere Art rassistisch zu sein? Ist es heute noch möglich, einen Antagonisten zu erschaffen, der nicht die gleichen persönlichen Merkmale (Herkunft, Abstammung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religion...) hat wie sein Schöpfer oder seine Schöpferin ohne das sich jemand angegriffen fühlen kann? (Das frage ich übrigens ausdrücklich nicht mit weinerlichem Unterton eines armen, heterosexuellen weißen Mannes der Mittelschicht, der ja gar nix mehr sagen darf und um seine Stellung fürchtet, sondern aus echtem Interesse).



    Vielleicht machen wir mal einen Thread...

  • Eure Gedanken zum Rassismus und eigentlich - Stichwort "Hexe" auch Sexismus - teile ich, da hatte ich meinem Komm heute früh vorm ins-Café-Gehen sogar eine Kleinigkeit zugesetzt.


    Meine Kritik geht tatsächlich gar nicht in Richtung der Verwendung von ahistorischen Klischees oder falschen Bildern. Wie gesagt muss es im Horror Antagonisten geben, und diese sind oft umso spannender, desto fremder sie uns sind. Ich wäre - bis zum Film - nie auf die Idee gekommen, dass Filme wie Angel Heart oder The Snake and the Rainbow realen bzw. authentischen Voudun-Glauben darstellen wollen, oder dass Wickerman (den ich absolut liebe!) behauptet, das dort dargestellte Heidentum hätte mal existiert. Das sind Prämissen und Bilder, die ich im Zusammenhang nur mit den einzelnen Filmen sehe und die ich - wie die paranormalen Phänomene dort - eben als reine Fiktion sehe.


    Auch bin ich absolut kein Freund davon, dass Filme - gerade spekulative - etwas zu repräsentieren haben. Auch die Bondgirls kann ich gern anschauen, weil ich sowas nicht als eine gültige Repräsentation von Frauen (wie soll das gehen, Menschen sind eh zu verschieden!) sehe.


    Was ich aber so harsch kritisiere (der Film hat mich echt hochgebracht *gn*), ist die Interpretation und Backgroundstories der Filmemacher, Sachbuchautoren und Kulturkritiker, die eben diese idiotischen Klischees verbreiten als wären sie Realität. Das ist also keine Kritik an den Filmen - die sind sicher auch sexistisch und rassistisch, aber auf keine Weise, die ich als relevant für die Realität sehe, eben wie das Frauenbild, das klassische Bondgirls - zum Teil - vermitteln.


    Ich kratze mir eben am Kopf, wenn z.B. der Regisseur von The Witch denkt, dass er da irgendwie korrekte Historie abbildet, oder zumindest eine spekulative Variante davon. Da irgendwas Verschüttetes, Unterdrücktes ausgegraben hat. Und das dann eben in Interviews auch dem Zuschauer vermittelt wird, der dann meint, das müsste ja gründlich, seriös recherchiert worden sein.


    Seit der dritten Welle des Feminismus und der aktuellen antikolonialen / BLM Bewegungen - eigentlich seit den 1990ern - gibt es die Idee, dass Fiktion die Realität adäquat abzubilden hätte. Das ist einerseits gut, um eben unbewusste -ismen bewusst zu machen, aber äußerst problematisch, wenn es keinen Sozialealismus, sondern Horror (und Thriller) betrifft, nämlich Geschichten, in denen die Antagonisten besonders wichtig bzw. in vielen Fällen die Antihelden und Identifikationsfiguren sind.


    Es sind schon Stimmen laut geworden, nicht-heterosexuelle/nicht-binäre Identitäten, nicht-weiße Ethnien bzw. Kulturen etc. dürften nicht als "Bösewicht" verwendet werden, weil dies automatisch ein negatives Bild dieser Gruppen provozieren würde. Das war eine Forderung aus eben dem Sozialrealismus, der aber inzwischen - siehe dieses seltsame QueerHorrorfilmfest in Berlin, Final Girl Festival - auch auf den Horror übertragen wurde.


    ImA ergibt das überhaupt keinen Sinn. Leatherface, Jason, Pinhead und unzählige andere "Monster" sind klare Identifikationsfiguren, ohne, dass das Gros der Zuschauer damit Mörder und Gewalttäter in der realen Welt verehren würden (ja, diese Szene existiert, aber bereits seit dem Nachkriegsjournalismus). Horror ist nur, was auch transgressiv ist, Normen aufbricht, und das funktioniert in der Phantastik eben oft über die Antagonisten.


    Ich bin mal so dreist, und zitiere mich selbst, weil ich genau das im Science Fiction Jahr 2020 als Fazit formuliert hatte (Jahrbuchschwerpunkt Gender & Diversity, Beitrag: "Vampirella in Herland: Das Dilemma um Identität, Sex & Repräsentation"):

    "Derridas Dekonstruktivismus wurde von Linguistik und Psychologie gelöst auf die Soziologie angewandt, dabei traten zwei Grundsätze hervor: 1. Um Fremdbestimmung zu verhindern, kann jede Person nur über sich selbst sprechen; jede Repräsentation muss realitätsnah sein. 2. Das Ich steht für die Gesellschaft, das Andere für alternative, diskriminierte Identitäten. Der Ruf nach Repräsentation führte zur Inklusion verschiedenster Identitätskonzepte, sei es über Herkunft oder Ethnizität, sexuelle Identität / Präferenz, psychische oder physische Befähigungen. Dies funktioniert im Sozialrealismus, in der SF ist der Platz des Anderen jedoch belegt: von Aliens, Robotern, cthulhuiden Monstern und lebenden Maschinen. Die spekulative Fiktion behandelt bereits die Problematik der Identität und des Andersseins, sprengt Konventionen und hebelt den Status quo aus. Wird das Alien-Andere mit dem Diversity-Anderen in einem Plot kombiniert, kann die Wirkung des einen die des anderen ausradieren. Steht ein Mensch mit alternativer Identität/Lebensweise als positive Identifikationsfigur dem Alien gegenüber, bedeutet dies, dass das Auftreten des Aliens die Konventionen der Menschen aufbricht – somit wäre also die alternative Identität die neue Norm, die es zu zerstören gilt. Die Konstruktion und Funktion der spekulativen Fiktion und besonders der SF [und des Horrors] als bereits radikale Transgression etablierter Normen bedeutet, dass Rollen nicht einfach ausgetauscht werden können, sondern ein Verständnis komplexer Mechanismen sowohl des Genres, wie auch der Realität erfordern."


    Ich vertrete die These, dass es einen spezifischen "Folk Horror" (lieber erst einmal in Anführungszeichen) in der deutschsprachigen Phantastik der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts gab. Die Literatur, die mir vorschwebt, umfasst dabei ebenso die Zeit vor wie nach dem 3. Reich und bewegt sich eng an dem, was als Blut-und-Boden-Literatur gilt.

    Tatsächlich stammt der Begriff aus dem 18. Jahrhundert (Wordsworth, wenn mich nicht alles täuscht) und geriet nur in den 80ern in Vergessenheit. Ich lehne mich aus dem Fenster und behaupte, die überhaupt erste Horrorfiktion der Literaturgeschichte, die Kerngeschichte in Beowulf sei reiner Folk Horror: Hrothgars Halle, der Kampf gegen die Truppe um Grendel und der gegen seine Mutter, eine Wasserhexe. Eine skandinavische Geschichte von ca. 600, die dann um 1100 notiert (und christlich editiert) wurde.

    Denn anders als z.B. phantatische Elemente in Volkssagen oder dem Nibelungenlied (12. Jh) ist die Grendel-Geschichte keine Legende oder Sage, die damit als zumindest kultur/literaturwissenschaftlich als 'real' gilt und eben nicht zur Fiktion gezählt würde. Die Kerngschichte im Beowulf ist bewusst als Fiktion konzipiert, und entspricht dem Folk Horror durch den Bezug zur Region, dem zum Land (oder eben Wasser, was im Folk Horror gleich behandelt wird), durch die Idee einer alten Spezies, die in die Kultur einbricht, durch die monströse/tierhafte Physiognomie der Angreifer, die Crichton sehr passend als kulturelle Tasche einer überall sonst ausgestorbenen humanoiden Spezies interpretierte.


    Die Zuordnung von einiger deutscher Phantastik zur Nazi Blut-und-Bodenideologie ist sicher völlig richtig - da bin ich sehr gespannt, was noch im eigentlichen Thread besprochen wird, damit kenne ich mich nicht so aus. [Cof]

    Der völkische Okkultismus, wie ihm u. a. der genannte Otto Rahn anhing – der steht für mich schon wieder auf einem anderen Blatt. Vorrangig sehe ich das als kulturwissenschaftliche Erscheinung mit Disziplinen wie Archäologie, Volkskunde, Religionswissenschaft usw.

    Extrem wichtiger Punkt! Hätte ich sogar in meinem Rundumschlag auch anbringen können, das hat nämlich im Film auch ein eigenes Kapitel: Die okkulten Sekten und Seancen des späten 19./frühen 20. Jh.

    Da kann man glatt eine irregeleitete Linie ziehen, wie an das Hexenthema herangegangen wird: Der Malleus Maleficarum beschreibt tatsächliche Praktiken, die die Kirche auslöschen wollte, diese Praktiken sei heidnische / vorchristlich europäische Magie, dann wird geschaut, was es denn für Magie gegeben haben soll, man stösst auf (alles Quark): Muttergöttinkulte, Reste heidnischer Kulte, die die Missionierungen über die Zeit nach 1050 überstanden hätten, in die Vergangenheit projizierte Kulte der Neuzeit und v.a. Moderne: Satanismus (ironischerweise eine Erfindung Heinrich Institoris'), John Dee / Astrologie, Golden Dawn, "Sachbücher" *hust* wie The Golden Bough, und "Medien" wie Madame Blavatsky. Dann noch die Druiden und ihre "Menschenopfer", Naturgeister wie die irisch-britischen Fairies, und Aspekte der realen Verfolgungen durch die katholischen und protestantischen Kirchen, die plötzlich dargestellt werden, als ginge es um eine repressive Aktion gegen tatsächlich 'im Untergrund' Magie Betreibende.


    Teil II unten (Nachricht zu lang)

  • Im Film wurde z.B. auch Voudun als Folk Horror definiert, dabei ist das nix ursprünglich Heidnisches, sondern - wie das orthodoxe Christentum / die Ostkirche - eine Fusion aus vorchristlichem Glauben (im Fall von Voudun, Santeria, Candomble u.a. Yoruba) und dem Katholizismus. Ich denke nicht, dass eine anerkannte Religion im Folk Horror verwendet gehört, denn es soll ja eben um das Unterdrückte, Verschüttete, gehen, nicht um den aktuellen Status Quo.


    Zitat

    Crosshread-Zitat Axel:

    Auch die Feststellung, dass (bewusst oder unbewusst) Zerrbilder heidnischer Kulturen und Glaubensvorstellungen präsentiert werden, halte ich für wichtig. Freilich sage ich auch: dass die Sachen, was Ästhetik und Wirkung betrifft, dennoch relativ verlässlich funktioneren können.


    Ganz genau. Meine Kritik bezog sich nicht auf die Filme = Primärwerke, sondern auf diese Dokumentation, bzw. die Aussagen der Filmemacher, Autoren und Filmtheoretiker.

    In der Doku wurde - leider ohne Quelle - gesagt, man könnte den Folk Horror weniger als Genre ansehen, sondern eher als spezifische Elemente, die im Horrorgenre mitverwendet werden. Diese können so dominant sein, dass wir das Werk als einem Subgenre zugehörig sehen, oder so dezent - hier könnte man Lovecrafts Innsmouth / Rats nehmen, wie auch andere klassische Gespenstergeschichten -, dass es kein Genre ergibt, sondern nur eine spezielle Motivik. Das erscheint mir sehr logisch und gangbar.


    Damit hast du mir mehrere Stunden Lebenszeit gespart, die ich jetzt wohl in das empfohlene Hexenbuch stecken werde.

    [Skl]:thumbup: Super, ich freue mich sehr!


    Du steigst im FH-Faden aus, ich steige zum Wochenende ein, weil ich bis dahin eine Deadline hab. Ich freue mich schon riesig, das in Ruhe lesen zu können, und v.a. auf Axels und Nils Artikel dazu! :*

  • Auch von mir einen herzlichen Dank an dich, Katla , für diese umfassende Kritik. Gerade gestern war ich noch am Überlegen, in den Film zu investieren, habe es dann aber doch erstmal gelassen. Nochmal davongekommen, wie es scheint.


    Auch die Diskussion hier verfolge ich mit Interesse.

  • Lieben Dank, Nils ! Das freue mich sehr.


    Dabei bin ich ja eine, die durchaus sehr viel mit Folk Horror anfangen kann, weil die Gangart oft antichristlich ist und man zumindest eine leise Chance hat, wirklich Folkloristisches geboten zu bekommen, bzw. nicht die ganzen ausgenudelten christlichen Motive und Stories um Teufel, Seele, Verdamnis, Besessenheit, Sünde etc. als Plot geboten bekommt.


    Die Doku erwähnt übrigens zwei Filme, die ich nicht kannte und um die ich mich näxte Woche mal kümmere: einen (neueren) britischen s/w Film namens The Anchoress, der sehr düster-surrealistisch anmutet. Und ein polnischer Film (ich glaube, von 2014) namens Demon. Dort geht es um eine Hochzeit auf einem polnischen Landgut, der Film umfasst die drei Tage des Festes. Allerdings hat der Bräutigam Visionen von Untoten, die am Wegesrand stehen und zuschauen. Es stellt sich heraus, dass das gesamte Dorf im 2. Weltkrieg von den Deutschen massakriert wurde und niemand überlebte. Aus dem kurzen Ausschnitt schließe ich, dass die Hochzeitsgesellschaft bis auf wenige (u.a. das Paar, das aus der Stadt kommt) tatsächlich Geister bzw. Untote sind. Das ganz ist auch wunderschön gefilmt.

    Man sieht einen alten Herrn - vielleicht den Brautvater oder Großvater - der in einer leeren Scheune steht und offenbar die Hochzeitsansprache hält. Er sagt: "We have to forget what we didn't see."


    Ich hab von dem Satz echt Gänsehaut bekommen (und hab sie jetzt beim Tippen), weil das eben das Verdrängte - den Völkermord an dem eigenen Dorf, der eigenen Familie - so wunderbar doppeldeutig erfasst.