Michael K. Iwoleit - Der Moloch

  • 2032 findet in Köln ein Krisenreferendum der Megapolis Rhein-Ruhr statt. Thema ist die von vielen Seiten geforderte Sanierung der Rheinuferslums, in denen katastrophale Zustände herrschen. Sina Anders, die für eine Ärzteorganisation an der Veranstaltung teilnimmt, hat dazu ein besonderes Anliegen: In einem ehemaligen Bergwerk in Bochum ist eine "Subville" entstanden, ursprünglich ein Komplex von unterirdischen Industrieanlagen. Die Menschen, die dort an der Abfallverwertung, der Produktion von Nahrungsmitteln, Konsumartikeln und dergleichen arbeiten, sind vom normalen Leben abgeschnitten, hausen wie Sklaven unter menschenunwürdigen Umständen, die nie das Licht der Sonne sehen, und sind in Generationen durch Giftstoffe, verseuchtes Wasser und Strahlungen biologisch degeneriert. Kriminelle aus umliegenden Vierteln nutzen die Subville als Schlupfwinkel und haben eine unterirdische Schattengesellschaft aufgebaut, die von Verbrecherfürsten mit eigenen Gesetzesbüchern dominiert wird. Während des Referendums wird daher der Antrag gestellt, diese nicht unter Kontrolle zu bringende Subville zu einer "toten Zone" zu erklären, was jedoch weitreichende Folgen für die gesamte Megapolis haben wird, denn in der Unterwelt finden geheime Aktivitäten und grausame Experimente statt, die sämtliches Leben verändern sollen.


    Der Roman entstand aus einer Novelle. Der Moloch erschien ursprünglich in Visionen 4 und gewann völlig zu Unrecht den KLP 2008. Der vorliegende Roman ist völlig anders. Und doch ähnlich. Aber fangen wir vorne an.
    Wer Romane erwartet, die die gedruckte Version des Popcornkinos sind, sollte hiervon Abstand nehmen. Der Moloch handelt von einer düsteren Zukunftsversion, einer Cyberpunkgeschichte, in der die Stadt, oft auch Stadtland genannt, nicht nur konzentrierter, dreckiger und verkommener ist, sondern auch ein Eigenleben entwickelt.
    Es ist aber nicht nur die extremen Zustände in diesem Moloch, eine andere Komponente sind die medizinischen Umstände, eine krude Mischung aus Bio- und Gentechnik sowie Nanotechniken sowie eine weitergeführte Informationstechnik, die zu einem spannenden und hochinteressanten Brei vermischt sind, das es einem beim Lesen Angst und Bange wird, und das nicht nur wegen stellenweise gruseliger Szenen, sondern auch daher, das einiges doch im Bereich des Denkbaren ist.


    Das Personal im Roman ist gemischt. Hauptperson ist die Tochter aus guter Familie, die sich als Medizinerin um die Abgehangenen kümmert, versucht politisch aktiv zu sein und für die gute Sache kämpft, auch wenn sie merkt, das ihre Ideale sich abschleifen.
    Zusammen agiert sie mit einem Mediziner, der in ihr die unerfüllte Liebe sieht und verbittert seinen Weg weitergeht. Der deutschpakitstanischtürkische Freund der Medizinerin ist dagegen aus der Halbwelt der Kriminellen und im gesamten Roman wirkt er wie der vernünftigste aller Protagonisten. Der Ex-Mann der Medizinerin ist dagegen eine Mischung aus Christian Lindner und Jeff Bezos und natürlich der Drahtzieher der ganzen Geschichte.


    Die Story selbst ist nicht stringent erzählt, springt hier und da, hat Längen und lässt einen trotzdem nicht los. Iwoleit garniert der Geschichte einen poetischen Stil, der sehr gut zu dem düsteren Ambiente passt und einen ein ums andere Mal schlucken lässt. Gerade wenn der Moloch erwacht schaudert selbst der hartgesottenste Cyperpunker.


    Der Moloch ist kein einfaches Buch, aber mit Sicherheit eines der herausragendsten und ungewöhnlichsten und abgefahrensten der deutschsprachigen Science Fiction der letzten Jahre, wenn es auch eines der schwer verdaulichsten ist.
    Lest es, aber wundert euch nicht über eure schlechten Träume!


    http://defms.blogspot.com/2019…k-iwoleit-der-moloch.html

  • Der Moloch ist kein einfaches Buch, aber mit Sicherheit eines der herausragendsten und ungewöhnlichsten und abgefahrensten der deutschsprachigen Science Fiction der letzten Jahre, wenn es auch eines der schwer verdaulichsten ist.

    Das klingt tatsächlich sehr gut, vielen Dank für die Vorstellung!

    Ich mag eh, wenn sich Autoren mal trauen, mit einem ungewöhnlichen Aufbau zu experimentieren. In der Phantastik gibt es zu wenig form follows function, das Seltsame wird ja meist über Charaktere und Plot erreicht, nicht auch über die Struktur.

  • Was heißt schlimm. Die beste Geschichte soll gewinnen, oder?

    Mir ist nur die Stärke deiner Formulierung ins Auge gefallen und ich war mir auch nicht sicher, ob du nicht eigentlich"völlig zu Recht" schreiben wolltest. "Völlig zu Unrecht" ohne weitere Begrüdung ist schon ein starkes Urteil, zumal du dir ja auch den Roman besorgt und für gut befunden hast. Danke für die Vorstellung übrigens! Ich schleiche schon länger um ihn herum und bin mir jetzt sicherer, dass er etwas für mich sein könnte.

  • Mir ist nur die Stärke deiner Formulierung ins Auge gefallen und ich war mir auch nicht sicher, ob du nicht eigentlich"völlig zu Recht" schreiben wolltest. "Völlig zu Unrecht" ohne weitere Begründung ist schon ein starkes Urteil, zumal du dir ja auch den Roman besorgt und für gut befunden hast. Danke für die Vorstellung übrigens! Ich schleiche schon länger um ihn herum und bin mir jetzt sicherer, dass er etwas für mich sein könnte.

    Mir hat die Novelle damals überhaupt nicht gefallen. Das interessante Thema fand ich mager umgesetzt. Trocken und zäh, da war ich natürlich skeptisch, als die Romanversion kam und bin länger drumrum geschlichen. Ich habe mir dann das Buch gekauft, aber dann keinen Antrieb gehabt, es auch zu lesen. Nach dem Urlaub habe ich es mir dann vorgenommen und wie ich finde hat es sich gelohnt.

  • Ich hatte es seinerzeit abgebrochen. Selbstverliebtes, aufgeblasenes Geschwurbel.

    Das stimmt nicht. Das ist ein hochinteressanter, sehr schön geschriebener Roman, der neben den ganzen SF Elementen einen richtig großen Horroranteil enthält. Am Anfang muss man ein wenig durchhalten, ich fand die ersten 80-100 Seiten etwas zäh, aber dann entfaltet sich ein wirklich bedrohliches Szenario und diese lebendig gewordene Stadt ist ein intensiver Albtraum. Das muss man einfach lesen, das ist großartig.

    Aber es ist natürlich nichts für den typischen Star Trek oder Star Wars Fan. Das ist eine SF-Horror-Dystopie, mit das Beste was ich von einem deutschsprachigen Autor gelesen habe, aber natürlich auch ein Stück anstrengende Lektüre und keine typische Industriepoopcorngeschichte, die in ähnlicher Variante tausendmal wiederholt wurde.

    Ich kann nur jedem empfehlen, sich noch eines der Exemplare zu sichern. Und natürlich den Roman zu lesen.

  • Das stimmt nicht. Das ist ein hochinteressanter, sehr schön geschriebener Roman, der neben den ganzen SF Elementen einen richtig großen Horroranteil enthält. Am Anfang muss man ein wenig durchhalten, ich fand die ersten 80-100 Seiten etwas zäh, aber dann entfaltet sich ein wirklich bedrohliches Szenario und diese lebendig gewordene Stadt ist ein intensiver Albtraum. Das muss man einfach lesen, das ist großartig.

    Aber es ist natürlich nichts für den typischen Star Trek oder Star Wars Fan. Das ist eine SF-Horror-Dystopie, mit das Beste was ich von einem deutschsprachigen Autor gelesen habe, aber natürlich auch ein Stück anstrengende Lektüre und keine typische Industriepoopcorngeschichte, die in ähnlicher Variante tausendmal wiederholt wurde.

    Ich kann nur jedem empfehlen, sich noch eines der Exemplare zu sichern. Und natürlich den Roman zu lesen.

    Na ja, ob es stimmt bzw welcher Eindruck "richtig" oder "falsch" ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Ist halt Geschmacksache.

    Aber bis zur Entfaltung eines tollen Szenarios habe ich nicht durchgehalten, da ich den Schreibstil unlesbar fand. Dass Iwoleit es durchaus kann, hat er in vielen Kurzgeschichten schon bewiesen. Aber hier hatte ich das Gefühl, er wolle mit jedem einzelnen Satz etwas ganz besonderes erschaffen. Schlimm. Da muss man Adjektive schon sehr mögen.

    Von so kuriosen Details wie um das Jahr 2000 herum geborenen Menschen, die allesamt Gunther oder Konrad heißen, gar nicht erst anzufangen.


    Dir sei der Genuss gegönnt, aber ich wollte nur kurz darauf hinweisen, dass es auch komplett gegenteilige Meinungen zu dem Roman gibt. Sogar von jemandem, der so überhaupt kein "typischer Star Trek oder Star Fans" ist ...

    (Hast du hier etwa gerade eine U vs. E - Unterscheidung gemacht?!? :D)