Leseliste der Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum

  • Wir hatten noch im HF die einflussreichsten Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik ermittelt:

    Die einflussreichen Werke des Genre Horror und Unheimliche Phantastik


    Als dann die Besonderheiten (dunkler) deutscher Phantastik diskutiert wurde:

    Die Besonderheiten (dunkler) deutscher Phantastik


    ...kam es oft zum Thema, das spätestens nach 1945 ein Bruch da war. Daher hier die Frage, was sind für euch die einflussreichsten Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum?


    Hier die bisher genannten Werke

    Deutschsprachige phantastische Romane (ohne SF und Fantasy)

    Ernst Kreuder: Die Gesellschaft vom Dachboden (1946)

    Leo Perutz - Nachts unter der steinernen Brücke (1953)

    Marie Louise Kaschnitz - Lange Schatten (1960)

    H. C. Artmann - Dracula, Dracula (1966)

    Fanny Morweiser - La vie en rose (1972)

    Peter Daniel Wolfkind - Der grüne Zuzumbest (1973)

    Werner Bergengruen - Spuknovellen (1973)

    Peter Rosei: Wer war Edgar Allan? (1977)

    Patrick Süßkind - Das Parfüm (1985)

    Helmut Krausser - Melodien (1993)

    Klaus Hoffer - Bei den Bieresch (2007)

    Juli Zeh - Corpus Delicti/Nullzeit (2009/2012)

    Thomas Glavinic - Lisa (2011)


    Deutschsprachige Romane Horror und unheimliche Phantastik:

    Dan Shocker - Larry Brent (Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus) (1968)
    Jason Dark - John Sinclair (Die Nacht des Hexers) (1973)

    Anne Day: Fünf gläserne Särge (1974)

    Thomas Ziegler - Stimmen der Nacht (1984)

    Wolfgang Hohlbein - Der Hexer (1985)

    Michael Siefener - Bildwelten und andere Schauergeschichten (1993)

    Malte S. Sembten - Hippokratische Gesichter (1996)

    Kai Meyer - Das zweite Gesicht (2002)

    Michael Marrak - Imagon (2002)

    Eddie M. Angerhuber - Das Anankastische Syndrom (2002)

    Frank Schätzing - Der Schwarm (2004)

    Andreas Gruber - Der Judas Schrein (2006)

    Michael Tietz - Rattentanz (2010)

    Thomas Finn - Weißer Schrecken (2010)







  • Vincent Preis

    Hat den Titel des Themas von „Die einflussreichsten Werke ​​ des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum“ zu „Die einflussreichsten Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum“ geändert.
  • Ich beginne mit den "Spuknovellen" von Werner Bergengruen (1973). Die gab es zumindest, einflussreich aber waren sie nicht, Marie Louise Kaschnitz, "Der Vogel Rock. Vier unheimliche Geschichten" (1969) wohl genauso wenig.

    1985 kam Patrick Süskind mit deinem "Parfum". Und das war tatsächlich unglaublich erfolgreich, aber Einfluss im Sinne einer Entwicklung hatte es ebenfalls nicht. Das sind aber alles Beispiele aus der Feuilleton-Literatur.

    Wirklichen Einfluss hatte erst Jürgen Grasmück mit seinem Larry Brent und dann mit dem Macabros, sowie Paul Wolf und Kurt Luif mit ihrem Dämonenkiller. Hier entstand ein weltweit einzigartiges Fandom (unabhängig davon, was jene, die auch die Phantastik gerne im "hochliterarischen" Milieu verorten wollen darüber denken).

  • Vincent Preis

    Hat den Titel des Themas von „Die einflussreichsten Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum“ zu „Die herausragendsten und /oder einflussreichsten Werke des Genres Horror und unheimliche Phantastik nach 1945 im deutschsprachigen Raum“ geändert.
  • Ich habe den Titel mal geändert in "Herausragende und einflussreiche Werke". Wir können ja beides erstmal aufzählen und schauen, was sich für Diskussionen ergeben. Ich habe mal alle deine Vorschläge in den Ausgangspost reingenommen.

  • "Nachts unter der steinernen Brücke" von Leo Perutz ist für mich einer der beeindruckendsten und überzeugendsten Beiträge zur deutschsprachigen Phantastik, der den Vergleich mit Klassikern vergangener Jahrhunderte nicht zu scheuen braucht.


    Von den modernen Autoren schmeiße ich mal Eddie M. Angerhuber in den Raum. Sicher nicht jedermanns Sache und über den beschränkten Kreis der eingefleischten Phantastik-Enthusiasten hinaus nicht bekannt, aber eine sehr eigenständige Autorin. Sie fehlt mir jedenfalls.

  • Von Marie Luise Kaschnitz wohl eher die Erzählsammlung "Lange Schatten" (1960).

    Oder noch eine Autorin Ilse Aichinger, die Sammlung "Der Gefesselte" (1954).

    Und dann noch die großartige Fanny Morweiser mit ihrem Gesamtwerk, das auch schon mal schwächeln konnte,

    aber Titel wie "La vie en rose" oder "Lalu Lalula arme kleine Ophelia" sind kleine Meisterwerke über schräge Außenseiter.

  • Peter Daniel Wolfkind. Gelesen habe ich bisher nur die beiden Suhrkamp-Sammlungen "Die Boten des Frühlings" (1986, erstmalig ersch. im Europa Verlag 1975) sowie "Das Fest der Kröten" (1985, erstmalig ersch. im Europa Verlag 1972), kann also nur zu diesen etwas sagen. Nicht alle Geschichten enthalten phantastische oder Horror-Elemente, teils sind es eher Grotesken, manche verstörend, andere (insbes. "Schichtanbotschaft" oder "Die Boten des Frühlings") haben m. E. einen Platz auf obiger Liste verdient.

  • Und dann noch die großartige Fanny Morweiser mit ihrem Gesamtwerk, das auch schon mal schwächeln konnte,

    aber Titel wie "La vie en rose" oder "Lalu Lalula arme kleine Ophelia" sind kleine Meisterwerke über schräge Außenseiter.

    Das kann ich vollen Herzens unterschreiben, ganz genau so sehe ich das auch. Zwei Hammerbücher, die so unauffällig daherkommen, dass man gar nicht weiß, ob man da Phantastik oder Realismus liest, aber alles ist einfach so unglaublich schräg, auch schon von der Erzählstimme her. Schön melancholisch und düster, ohne allzu depressiv zu sein. Ich sehe es auch so, dass einige spätere Bücher sehr schwach sind (Schwarze Tulpe, irgendwas mit Black Metal und einer Burgruine, gute Idee, super langweilig).


    Mal generell: Als "Nachkriegsliteratur" kann man doch eigentlich nur Werke bis 1960/65 bezeichnen, oder? Ab den 68ern ist das eher eine ganz andere Entwicklung, politisch, sozialgeschichtlich und auch in der Kunst. 1970 vllt noch okay, weil Entwicklungen eine Weile brauchen, um sich durchzusetzen, aber alles danach würde ich zumindest nicht mehr listen.

  • Das kann ich vollen Herzens unterschreiben, ganz genau so sehe ich das auch. Zwei Hammerbücher, die so unauffällig daherkommen, dass man gar nicht weiß, ob man da Phantastik oder Realismus liest, aber alles ist einfach so unglaublich schräg, auch schon von der Erzählstimme her. Schön melancholisch und düster, ohne allzu depressiv zu sein. Ich sehe es auch so, dass einige spätere Bücher sehr schwach sind (Schwarze Tulpe, irgendwas mit Black Metal und einer Burgruine, gute Idee, super langweilig).


    Mal generell: Als "Nachkriegsliteratur" kann man doch eigentlich nur Werke bis 1960/65 bezeichnen, oder? Ab den 68ern ist das eher eine ganz andere Entwicklung, politisch, sozialgeschichtlich und auch in der Kunst. 1970 vllt noch okay, weil Entwicklungen eine Weile brauchen, um sich durchzusetzen, aber alles danach würde ich zumindest nicht mehr listen.

    Es ging ja um Literatur nach 1945, da die These kam, das es durch Nazizeit und Weltkrieg zu einem Bruch kam. Wir könnten die Anfänge auch ab 1966 nehmen, ab er klar trennen lässt sich das ja nicht. Leo Perutz - Nachts unter der steinernen Brücke (1953) beispielsweise wurde laut Wikipedia schon in den 20ern begonnen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/…er_steinernen_Br%C3%BCcke


    Julia: Ich habe mal Der grüne Zuzumbest von Wolfkind stellvertretend aufgenommen.

  • Es ging ja um Literatur nach 1945

    Oh, stimmt, irgendwie war ich auf Nachkriegsliteratur gebürstet, vermutlich weil erst - in einem anderen oder dem alten Thread hier - diskutiert wurde, ob (und wenn, welche) Werke es direkt nach dem Krieg gab. Ich meinte daher auch: Anfänge gar nicht ab, sondern bis Mitte der 60er.


    Sehe jetzt aber, der Titel hier lautet ja etwas anders.

  • Also wenn auch Grotesken aufgenommen werden, dann muss freilich "Die Blechtrommerl" von Grass in die Liste. Den da gibt es zumindest einen großen Phantastik-Anteil, der sogar hier und da ins Spukhafte geht. Aber irgendwie scheine ich da eine falsche Vorstellung gehabt zu haben. In hiesigem Sinne darf natürlich auch Daniel Kehlmanns "Tyll" nicht fehlen.

  • Also wenn auch Grotesken aufgenommen werden, dann muss freilich "Die Blechtrommerl" von Grass in die Liste. Den da gibt es zumindest einen großen Phantastik-Anteil, der sogar hier und da ins Spukhafte geht. Aber irgendwie scheine ich da eine falsche Vorstellung gehabt zu haben. In hiesigem Sinne darf natürlich auch Daniel Kehlmanns "Tyll" nicht fehlen.

    Welches Werk auf der Liste beanstandest du?

    Hermann Hesses Das Glasperlenspiel wurde übrigens für den Retro Hugo Award 1944 nominiert:

    http://www.thehugoawards.org/h…y/1944-retro-hugo-awards/


    Grenzen zu ziehen und zu entscheiden, was man berücksichtigen will, was nicht mehr, ist schwer. Aber gerne sollten wir darüber diskutieren. Wenn eine Liste aber am Ende fast ausschließlich aus grenzwertigen Werken besteht, hat man wohl grundsätzlich was falsch gemacht und verstanden.

    Mit herausragend und einflussreich war schon gemeint unter dem Label Horror und unheimliche Phantastik.

  • Nein, nein - ich beanstande nichts. Ich wusste nur nicht, dass wir den Schirm so extrem weit spannen. All das genannte ist ja durchaus hochwertig zu nennen (auch wenn ich mich für vieles davon nicht interessiere). Allein mit "Horror" ist das ja schon so eine Sache. Für mich ist alles, was keine "übernatürlichen" Elemente aufweist kein Horror, sondern Thriller. Ansonsten wären ja auch Kriegsberichte unter dem Label "Horror" zu verbuchen.


    Nein, du, alles okay. Ich denke nur laut nach :)

  • Tatsächlich sehe ich - abgesehen von den Heftromanen - keinen breiten Wirkungskreis deutscher Phantastik nach 1945. Dahingehend hat Perkampus völlig recht. Die Inspiration für deutschsprachige Autoren kam meist von auswärts.

    Indes: Als Feuilleton-Liebling, der sich für die Klassiker stark machte, einige übersetzte, sich ihrer auch literarisch annahm ist H. C. Artmann unbedingt nennenswert, wahlweise wohl mit "Dracula, Dracula" (1966) oder mit "Frankenstein in Sussex" (1969). Aber das sind natürlich eher Grotesken und zählen weniger zur unheimlichen Phantastik.

    Dass von den modernen Autoren Angerhuber genannt wird, sehe ich mit Vergnügen. Da fehlen aber meines Erachtens noch Malte S. Sembten (Hippokratische Gesichter", 1996), Michael Siefener ("Bildwelten und andere Schauergeschichten", 1993, oder "Nonnen", 1997) und Michael Marrak ("Imagon", 2002).