• Die deformierte Tina arbeitet für den schwedischen Zoll in einem Fährhafen zwischen Schweden und Dänemark. Sie verfügt über eine nützliche Begabung: Sie kann Gefühle wie Angst, Nervosität oder Schuldgefühle riechen und so Schmuggler zielsicher aussortieren. Sie lebt in ihrem eigenen Haus im Wald zusammen mit dem Hundetrainer Roland (platonisch aber beziehungsähnlich). Ihr dementer Vater ist im Altersheim.


    Eines Tages begegnet ihr bei der Arbeit ein Reisender, der auf dieselbe Weise deformiert aussieht wie sie und ein auffälliges Interesse für Insekten zeigt. Bald kommen sie sich näher, und der Fremde klärt sie auf, wer sie wirklich ist.


    Dieser eher leise Fantasyfilm hat ein paar Überraschungen und Wendungen parat, die es in sich haben, die erste davon schon im ersten Viertel des Films. Hut ab vor dem Drehbuchautor (oder den Autoren). Der Film ist schlicht und ergreifend genial!


    Wer den Film noch sehen möchte, der halte sich fern von Wikipedia, der Artikel spoilert ALLES.


    Ein anderer Film, der diesen thematisch etwas näherkommt, ist "Wildling" (ebenfalls sehr empfehlenswert).


    Ein paar Rezeptions-Stimmen und meine Meinung dazu:


    Das Branchenmagazin Variety bezeichnete Border als „aufregende, intelligente Mischung aus Liebesfilm, Nordic Noir, sozialem Realismus und übernatürlichem Horror, die Genrekonventionen trotzt und sie untergräbt“ und „zum Kultklassiker bestimmt“ sei. (Absolut!!) Das Magazin sieht in Tinas Verhältnis zu den Tieren des Waldes Elemente des Magischen Realismus. Einziger Kritikpunkt von Rezensentin Alissa Simon war, dass die Vielzahl an Plotelementen einige Zuschauer überfordern könnte. (So ein Schwachsinn! Wer von dem Film überfordert ist, sollte vielleicht besser die Teletubbies gucken.)


    Der Hollywood Reporter urteilte, Regisseur Abbasi „mische übernatürliche Folklore mit zeitgenössischem sozialen Realismus, um eine universelle Parabel über Tribalismus, Rassismus und Angst vor dem Fremden zu erschaffen“. (Dem muss ich widersprechen, die Menschen behandeln Tina eigentlich nicht, als wäre sie keine von ihnen) Das Magazin lobte die Leistungen der beiden Hauptdarsteller, des Kameramanns und der Maske, stellte aber heraus, dass sozialer Realismus und übernatürliche Folklore sich von Natur aus nicht sonderlich gut ergänzten und dass das Konstrukt des Films deshalb an einigen Stellen etwas volatil sei. (Das sehe ich ganz anders. Der Realismus des Films - warum eigentlich immer wieder das Adjektiv "sozial"? - verstärkt die Wirkung des übernatürlichen Teils, ohne ihm Schaden zuzufügen. Und wieso "Folklore"?) So sei das Ergebnis einer Szene, in der abrupt zwischen beiden Genres gewechselt wird, „ulkige Absurdität“, die vom Publikum in Cannes aber wohlwollend aufgenommen worden sei. (Ich habe nirgends "ulkige Absurdität" vorgefunden. Der Film ist leise, traurig und auch irgendwie tragisch. Zu keinem einzigen Zeitpunkt auch nur ansatzweise witzig.)


    Sight & Sound, das Magazin des British Film Institute, sieht im „absurden Humor“ von Border eine Stärke (wie gesagt enthält der Film kein Gramm Humor) und stellt als Schlüsselaspekt des Films die Einbettung verworren-folkloristischer Elemente in eine natürliche Umgebung heraus. (Schon wieder "Folklore". Schreiben die voneinander ab?) Das Magazin lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Arbeit des Special-Effects-Teams und der Maske. Als negativ erwähnte Sight & Sound, dass der Pädophilen-Nebenplot in seiner Wirkungskraft hinter die Liebesgeschichte von Tina und Vore zurückfalle. (Das ist kein Nebenplot! Weder in Bezug auf die Aussagekraft des Films noch in Bezug auf die Geschichte. Ich glaube, die von Sight and Sound gehören zu jenen Überforderten, welche Rezensentin Alissa Simon befürchtete.)


    Quelle

  • Den habe ich mir vor einiger Zeit mal notiert. Gibt ja nicht viel gutes Flimmermaterial, aber das interessiert mich jetzt dann doch.

    Film ist seit ein paar Wochen oder Monaten auf Amazon Prime. Fand ihn ganz gut, auch wenn er mir als reine Erweckungs- bzw. Emanzipationsgeschichte wesentlich besser gefallen hätten. Den drangeklatschten Thriller-Part (der stellenweise recht konstruiert wirkte) hätte ich nicht unbedingt gebraucht.


    Vielleicht sollte man auch noch erwähnen dass es sich bei "Border" um die Verfilmung einer Kurzgeschichte von John Ajvide Lindqvist (Autor von u.a. "So finster die Nacht") handelt. In Deutschland ist die Geschichte unter dem Namen "Grenze" im Sammelband "Im Verborgenen" enthalten. Den von mir kritisierte Handlungsbogen gibt es dort übrigens nicht.

  • (Das sehe ich ganz anders. Der Realismus des Films - warum eigentlich immer wieder das Adjektiv "sozial"? - verstärkt die Wirkung des übernatürlichen Teils, ohne ihm Schaden zuzufügen. Und wieso "Folklore"?)

    (...)
    (Schon wieder "Folklore". Schreiben die voneinander ab?)

    Hallo Anderwelten,


    ich möchte vorausschicken, dass ich nichts von dem hier unhöflich meine, und dir auch nicht deinen Eindruck des Films ausreden will.


    Border lief bei uns (in Finnland) im November im TV und mir gefiel er überhaupt nicht, so wenig, dass ich einen nahezu körperlichen Widerwillen hatte. Die Gründe dafür sind zu viele, dass es schicklich wäre, sie hier aufzulisten. Aber ich finde es durchaus sehr wichtig, dass es Produktionen wie diese gibt, denn der Film ist mutig und extrem ungewöhnlich.


    Du fragst mehrmals, warum die Rezensenten etwas von „Folklore“ schrieben. Die Antwort dazu gibt doch aber der Film selbst: Nach dem Sex im Wald sagt Vore, dass er ein Troll ist; und später gibt es Pläne, nach Finnland auszuwandern, weil die „Trolle dort noch frei leben können“.

    (Was die Schweden schon wieder für Vorurteile haben! Dabei ist Finntroll doch eine Band von Finnschweden … ^^).

    Mich würde interessieren, ob du eine synchronisierte Fassung gesehen hast, in dem das Wort vllt. anders übersetzt wurde, aber hier lief die OV mit finnischen UT, und da sehe ich keinen Interpretationsspielraum.


    ‚Troll‘ heißt auf Schwedisch ganz einfach ‚Hexe / Zauberer‘, egal welchen Geschlechts jeweils. Außerhalb der Nordischen Länder – und teils auch als Marketing in der hiesigen Touristenbranche – wird das Bild von so kleinen Wichteln und Waldschraten vermarktet. Das ist so aber in dieser Einschränkung völlig unrichtig. Das Konzept der Trolle im Volksglauben – sowohl in der schwedischen ‚Hexen‘-Form wie auch der eher norwegischen der Riesen-Variante und allem, was mit Naturgeistern zu tun hat – ist ganz extrem komplex und heute noch aktuell. Das Thema gehört zur Folklore - also zur Ethnographie und nicht Esotherik! - , weil es zum traditionellen Volksglauben gehört; dabei liegen die Urformen in vorchristlichen Kulturen (die Nordischen Länder waren ja erst zw. 1100 und 1350 tatsächlich christianisiert, in Westsibirien dauert der Prozess heute noch an).


    Folklore-Themen bzw. Gestalten aus dem naturmagischen Volksglauben in Kombination mit Magischem Realismus brachte eine SciFi-Autorin, Johanna Sinisalo, 2004 ins Rollen: Troll, a Love Story / Troll, eine Liebesgeschichte. In dem Roman, der typisch Finnisch eher realistisch als magisch-realistisch klingt, geht es um die schwule Beziehung zwischen einem Menschen und eben einem jungenhaften, monsterartigen Troll.


    Momentan gibt es mehrere Produktionen, die sich der Huldra widmen, einer Frau mit einem ‚tail‘, einer Rute / Rückgratverlängerung, in manchen Varianten hat sie auch zusätzlich einen Rücken wie ein ausgehöhlter Baumstamm. (Diese Figur gibt es auch in westeuropäischen Ländern.) Die Huldra lebt wie fast alle diese Wesen im Wald, wo sie Männern auflauert und diese zum Sex zwingt. Ist sie danach mit der Leistung zufrieden, darf der Mann gehen, ist sie es nicht, zerreißt und frisst sie ihn. Die Schauspielerin aus Thale erzählte bei der Q&A / Premiere auf dem Helsinkier Night Visions Horror Film Festival 2012, dass Männer wie ihr Großvater noch tatsächlich an diese Gestalt glaubten und diese ganz ernsthaft fürchteten. In Finnland/Karelien gibt es eine Bären-/Monstervariante, wobei die Geschlechterrollen vertauscht sind. Border ist nur ein Beispiel für eine fast unübersehbare Reihe an Film- und TV-Produktionen um diese Plots / Settings, die hier im Norden Folklore mit MR / Dunkler Phantastik mischen:

    Jordskott / Der Wald vergisst niemals (SWE 2015-17) Extrem empfehlenswert!

    Thale a.k.a. Huldre (NOR 2011)

    Huldra, Lady of the Forest (DE / SWE 2016)

    Rare Exports (FIN 2010)

    Troll Hunter / Trolljegeren (NOR 2010)

    Sauna – Wash Your Sins (FIN 2008)

    Sumu / The Fog (FIN 2008)

    Fortitude (UK 2015-18)

    Gåten Ragnarok (NOR 2013)

    Wither (SWE 2012, Horror, ein super trashiges Evil Dead Remake)

    Und die Welle schwappte in Richtung slawischer Länder, dort geht es meist um den Hüter des Waldes, Leshy, der auch in der polnischen Witcher-Saga eine Rolle spielt, z. B.

    Leshy / Lesapán (Tschech. Rep. 2015)


    Ganz nebenbei: Auch in UK und USA gibt es dieses Genre seit langem, z. B. den berühmten Wickerman, wobei aber seltener Figuren aus dem Volksglauben verwendet werden, als dass es um ‚heidnische‘ Kulte oder lokale Sagen allgemein geht. Der Unterscheid hier ist v.a, dass die Kulte / Sagen dieser Filme nahezu vollständig fiktiv sind, die o.g. Beispiele – mit der Ausnahme von Fortitude – aber tatsächlich existierende Folklore verarbeiten.


    Zu Thema ‚sozialer Realismus‘: Die Drehbuchautorin von Border nennt das „psychologischer Realismus“. Ich denke, die Bezeichnung soll anzeigen, dass nicht nur banaler Alltag, sondern gesellschaftliche Themen verarbeitet werden; und auch, weil man, will man einen Alltag ohne Phantastik beschreiben, ja schlecht Magischer Realismus vs Realistischen Realismus sagen kann.


    Border kocht die MR-Elemente zugunsten der Sozialthemen runter, und – egal, ob man diese als Vehikel oder Symbole für noch komplexere Themen sieht oder nicht – das sind in erster Linie auch nach Aussage der Filmemacher in Interviews und dem Presseheft: Außenseiter in der Gesellschaft, aber auch ex- oder implizit: Geschlechteridentitäten und sexuelle Präferenzen (ja, auch Pädophilie, wie man es dreht oder wendet), ‚Behinderung‘ hier tatsächlich als ‚spezielle Befähigung‘ in mehrfachen Sinne; soziale Benachteiligung (in den USA würde man wohl abschätzig ‚Trailer Trash‘ sagen), Natur vs Kultur / Industriegesellschaft.


    Für den syrischen Regisseur Ali Abbasi stand – obwohl er selbst sagt, aufgrund seiner Herkunft in der intellektuellen Oberklasse keiner Ausgrenzung ausgesetzt zu sein – das Thema des Fremdseins und des Ausgestoßenseins von der Gesellschaft im Vordergrund. So stark, dass Lindquist, der sehr heikel mit Veränderungen und Kommerzialisierung seiner Vorlagen ist, aus dem Projekt als Co-Drehbuchautor ausstieg, weil er nicht ertrug zu sehen, wie sein Stoff verändert wurde – und Abbasi hat die Scriptwriterin Isabella Eklöf ins Boot geholt, um den ‚psychologischen Realismus‘ mehr herauszuarbeiten, da dies ihr präferiert-gewohntes Genre ist (1).

    Er sagte zu den Veränderungen: “The thing is, nobody comes to cinema to learn the history of troll-dom,” he continues. “At least, that’s not what I’m thinking people come to watch. I always wonder what kind of movies I want to make, and my first sense is always that I want to make the kinds of movies I like to see myself. I wanna go see something that has some kind of nerve or some kind of rawness and some kind of intellectual depth and complexity and playfulness and whatnot. And those things don’t really have anything to do with the kind of backstory that people can become obsessed with. For the kind of the cinema I’m interested in, this kind of framework cinema doesn’t really cut it — and it doesn’t help me either.” (2)


    Seine Einschätzung, dass niemand an der Herkunft von Troll-Geschichten interessiert sei, wird selbstverständlich von dem ungeheuren und andauernden Erfolg genau dieses Subgenres widerlegt. Und wie auch immer er die Sache gewichtet: Seine Figuren sind im traditionellen Volksglauben des Nordens verwurzelt (was auch das Wald-Setting in Border bestätigt, das eine mythische Grenze zwischen der menschlichen und der übernatürlichen Welt bedingt) und damit muss er sich gefallen lassen, dass sein Film eben in dieses Genre eingeordnet wird.


    Wie gesagt, man kann aus dem Film mitnehmen, was man möchte. Und vielleicht waren deine Fragen zum Folklorebezug auch eher rhetorisch, aber sorry, das Thema ist seit Ewigkeiten ein Steckenpferd von mir; und seitdem ich in Finnland lebe, merke ich erst, was für eine irrsinnig reiche, komplexe Weltenkonzeptionen durch die Christianisierung zerstört wurde. In diesem Zusammenhang sehe ich – auch wenn ich beim besten Willen keine Puristin bin – den Film tatsächlich als konterproduktiv.


    (1) ScreenDaily.com am 16.9.2018: Director Ali Abbasi on how Cannes title 'Border' channels "the experience of being a minority". Zitiert hier.

    (2) Abbasi in: Cult.mtl vom 26.11.2018: „Border manages to adapt an unadaptable Swedish folklore tale for the big screen“ Der gesamte Artikel hier.


    (...) auch wenn er mir als reine Erweckungs- bzw. Emanzipationsgeschichte wesentlich besser gefallen hätten.

    Das sehe ich - surprise, surprise - ganz genau so.

    Vielleicht sollte man auch noch erwähnen dass es sich bei "Border" um die Verfilmung einer Kurzgeschichte von John Ajvide Lindqvist (Autor von u.a. "So finster die Nacht") handelt. In Deutschland ist die Geschichte unter dem Namen "Grenze" im Sammelband "Im Verborgenen" enthalten. Den von mir kritisierte Handlungsbogen gibt es dort übrigens nicht.

    Ja, und s.o. in meiner Anwort an Anderwelten, die Kooperation war wohl äußerst gespannt und wurde dann von Lindquist beendet. Ich werde mir das Buch mal ausleihen, dafür gibt es nicht mal eine Warteliste in unseren Bibliotheken.

  • Hi Katla,


    1) Mal wieder ein äußerst informativer und lesenswerter Beitrag.

    2) Den Kritiker-Rant von Anderwelten konnte ich ebenfalls nicht ganz nachvollziehen. Der Film spielt ja ganz offensichtlich mit diversen folkloristischen Elementen (Spoiler: Trolle, Wechselbalg, die Erwähnung von Elfen etc.) - Auch in der deutschen Übersetzung.

    3) Ich fand "Border" zwar nur ganz okay (obwohl ich ihn so gerne gemocht hätte), dennoch würde mich echt interessieren, was bei dir den enormen "körperlichen Widerwillen" hervorgerufen hat. Generell scheinst du ja sehr körperlich auf Filme zu reagieren, die du nicht magst (siehe "Bliss"). Du musst das aber nicht näher erläutern, wenn du nicht magst.

    4) "Im Verborgenen" ist sicher nicht das beste Werk von Lindqvist. Ist zwar schon lange her, dass ich die Storysammlung gelesen habe, habe sie aber eher als recht mittelmäßig in Erinnerung. Wirklich im Gedächtnis geblieben, ist mir eigentlich nur "Die Vertretung" - Die Geschichte war richtig gut.

    5) Was "Grenze" angeht: Sicher kein Meisterwerk, aber besser als der Film. Fast alles was mich an "Border" gestört hat, wurde nämlich vom Regisseur und der Drehbuchautorin hinzugedichtet und war nie Bestandteil der eigentlichen Handlung. Daher war es auch interessant zu erfahren, dass sich Lindqvist während der Entstehung des Films mit Ali Abbasi verworfen hat. Das wusste ich gar nicht.

  • Cheddar Goblin


    Hei Goblin,


    lieben Dank, freut mich sehr . Ah, Nummerierung, gute Idee …


    4) Wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich noch nix von Lindqvist gelesen, das mir gefiel, aber er ist mir ganz ungeheuer sympathisch. Von Let The Right One In war ich wirklich absolut hingerissen, das sehe ich in allen Aspekten incl. der Botschaft und dem Ende als perfekten Film. Ich hatte Lindqvists Roman danach gelesen, fand ihn irgendwie belang- und richtungslos, stilistisch total simpel (ich hatte den Eindruck, das lag an der engl. Übersetzung), und brach es in der Mitte ab. Danach las ich, dass es vielen anderen wohl ähnlich ging. Das Drehbuch zu Let … ist auch von Lindqvist, möglicherweise liegt seine größte Stärke eher in Screenplays.


    2) & 3) Ah, interessant, dann lag es nicht an der Synchronisation. Ansonsten nehme ich mir auch manchmal was aus Filmen/Büchern, wovon ich weiß, dass es nicht so gemeint war. Für Border freut mich daher, wenn es Rezipienten wie Anderswelten gibt.


    Meine Ablehnung ist nicht so arg „privat“, allerdings liegen die Gründe – ebenso wie wohl die für Andersweltens positive Reaktion – teils weit außerhalb des Werkes selbst im off topic Bereich.

    (Hehe, ja hast recht mit Bliss, aber hier war es eher so, dass ich mein Notebook am liebsten immer weiter weg von mir geschoben hätte, weil ich den Film teils extrem abstoßend fand; also zum Glück ohne Kopfweh.)


    Ich versuch‘s mal, aber sorry, kurz wird das wie gesagt nicht:

    - Setting:

    a) In Bezug auf die Folklore:

    Vorab: Ich sehe in dem übertriebenen pc-Bemühen um Repräsentation von Marginalisierten wie bei US-amerikanischem Mainstream und der ehemals so brillanten BBC den Tod der Kreativität, und dies als konterproduktiv zur ehrenwerten Absicht. Heißt, dass ich nicht meine, reale Folklore müsse kulturell adäquat in Fiktion verarbeitet werden.


    Die Wald / Stadt-Grenze – als thematisch zweite Grenze im Film – entspricht 1:1 der realen Folklore. In Bezug auf Heim vs Wildnis sind diese sukzessiven Übergänge die wichtigsten überhaupt, und der Übertritt jeder Untergrenze (Türschwelle -> Hof -> Felder/Viehweide -> Weide/Waldrand -> tiefer Wald) war von rituellen Gesten geprägt. Der Wald und alles Paranormale darin stellte eine unermessliche Gefahr dar. Wie gesagt hat dies absolut nix mit Esoterik zu tun, sondern rein mit Ethnologie/Kultur-Tradition.

    Als Trolle sind Tina und Vore zum Wald gehörig, die Menschen müssten sie eigentlich fürchten. Das wird im Film umgekehrt: Tina & Vore haben sich in die Zivilisation integriert, quasi den Menschen unterworfen, werden aber wegen ihres Äußeren/Verhaltens potenziell diskriminiert. Das gefällt mir grundsätzlich sehr gut, selbst wenn es genremäßig nix Neues ist. Auch Jordskott (in der brillanten Serie hat Eva Melander / Tina eine kleine Nebenrolle) und Thale behandeln genau dieses Thema, allerdings ganz wesentlich innovativer und schräger.


    Im Sinne der Folklore sollten Tina & Vore schon aus dem Grunde den Menschen überlegen sein, weil das Paranormale im Volksglauben tendenziell auf alte regionale Gottheiten zurückzuführen ist. Diese Verbindung zieht Abbasi nicht (das mag an Lindqvists Vorlage liegen, daher bin ich auf den Text gespannt); seine Trolle stehen mehr in Zusammenhang mit etwas rein Tierisch-Triebgesteuertem, bzw. etwas Realem wie die Tierkinder, die von Wölfen oder Bären aufgezogen wurden und deren Übertritt in die Gesellschaft etwas psychisch und physisch sehr Schmerzhaftes, Zerstörerisches hat. Diese beiden Interpretationen von ‚wild/waldzugehörig‘ beißen sich aber thematisch und sind unvereinbar.


    Abbasi sagte (in einem der oben verlinkten Interviews), dass der Film durch und durch den Geist Lindqvists atmete – das sehe ich nicht, wenn die Vorlage mit Volksglauben zu tun hat. Abbasi / Eklöf erzählen eine Geschichte, die weder von Tradition noch Paranormalem profitiert, weil die Implikationen jeweils überhaupt nicht passen. Wenn Abbasi nichts von dem Hintergrund des Volksglaubens einfließen lassen will (weil ihn das nicht interessiert, fair enough), ist dieses Thema redundant. Es weckt Erwartungshaltungen, ganz vor allem in seinem Produktionsland, die die Filmemacher gar nicht erfüllen wollen. Das halte ich marketingmäßig für – sorry – komplett idiotisch. Schaue ich mir die Nominierungen / Preise an, scheint da doch was zu ziehen, aber dafür mache ich den Exotikfaktor verantwortlich. Der Film wirkt durch die Motivkombination und die Maske ungewöhnlich, aber ist letztlich – wenn man den einzelnen Motiven auf den Grund geht – inhaltsleer. Das ist Augenwischerei, da fühle ich mich als Konsument verarscht.


    b) In Bezug auf die ‚soziale Realität‘:

    Dieses Hüttenleben fand ich das Abstoßendste am Film. Als Setting und Thema/Symbolik steht die Hütte steht auf der Grenze zwischen Wald und Stadt. Darum geht es aber überhaupt nicht. Ich hab da keine persönlichen Erfahrungen, dass der Film mich getriggert haben könnte, aber das Grundthema scheint mir hier Gewalt zu sein. Zuerst dachte ich, Roland könnte ein älterer Bruder oder Onkel sein (= Inzest), und diese semi-sexuelle Partnerschaft hat beidseitig etwas extrem Grobes, Brutales. Beider harsches Verhalten ihren Hunden gegenüber und das ganze set up suggerieren illegale Zucht, Tierquälerei und Hundekampf. Die Hunde sind gestresst, keiner reagiert gesund (ich hab auch mal als dog-oriented behaviourist für traumatisierte Hunde gearbeitet, daher mag ich überempfindlich sein).


    Das auf der einen Seite, auf der anderen Vores Pädophilie; Gewalt und Kriminalität … und alles in Schweden auf dem platten Land, das fand ich eine total absurde und absolut konterproduktive Kombination, ganz vor allem, wenn es eigentlich um „Außenseiter“ gehen soll.

    Nicht, dass das Landleben hier so harmonisch wäre (Armonmurhaaja / Euthanizer zeigt diese gewalttätig-stumpfe Seite stimmig), und in Schweden kenne ich nur beschauliche Hafenstädtchen. Aber das Setting in Border hat mich viel weniger an das rurale Leben im europäischen Norden erinnert, wo kein Mensch die Haustür ab- oder ein Fahrrad anschließt, als an soziale Brennpunkte in Städten (ich wohne in einem) oder noch viel mehr an Hinterwäldler-Käffer in den USA. Tina und Rolands Beziehung hat mich sofort an die des Täters in True Detective erinnert; und die Hütte an diese Tankstellen irgendwo zwischen Death Valley / Las Vegas und LA, wo man sich drei Mal überlegt, ob man dringend genug pinkeln muss, um dort auszusteigen und dann doch lieber weiterfährt. Genau diese sozialen Verhältnisse, aus denen Filme wie Wrong Turn, TCM, The Devil’s Rejectsoder The Hills Have Eyes entstanden. Das mag alles nicht von den Filmemachern intendiert gewesen oder mir mag da massiv was entgangen sein, aber der Spagat zu Lindqvist, Schweden, Volksglauben und Trollen war mir einfach zu groß.


    - Physiognomie / Maske:

    Das Thema führt wohl am weitesten vom Film weg. Border macht aus seinen Trollen optisch Neandertaler. Auch ihr Verhalten und Bewegungen, das Schnuppern und ihre Laute sind das, was man von Vorformen des homo sapiens klischeehaft in Dokumentationen sehen kann. Den Eindruck hatte ich sofort, und konnte mich nicht mehr davon lösen, auch wenn die Filmemacher das so vermutlich gar nicht geplant hatten. Diese Kombination Neandertaler / Paranormales erschien mir jedenfalls völlig unpassend.


    Meine Ablehnung dessen beruht auf einem Buch, das ich kürzlich gelesen hatte: Francis Pryor: Britain BC. Life in Britain and Ireland Before the Romans, UK 2011. Dort (und später online in einer Menge aktueller Onlineartikel) las ich, dass die archäologisch-anthropologische Rekonstruktion von Neandertalern und anderer ‚Vormenschen‘ für Museen und wissenschaftliche Publikationen nicht realistisch sind, sondern viel zu wenig menschenähnlich. Neandertaler und Cro Magnon etc. glichen in sehr viel stärkerem Maße heutigen Menschen; und Pryor wie auch Kollegen führen die bisherigen Rekonstruktionen auf eine unbewusste Abgrenzung zurück, mit der wir uns von „weniger zivilisierten“ Menschenartigen abheben möchten. Dass es aber soziales Verantwortung, Empathie und Kunst schon in Gesellschaften vor denen des homo sapiens gab, wurde auch erst in den letzten Jahren anerkannt.


    Das hatte ich eben mit Tinas und Vores Physiognomie assoziiert, und gedacht: Die Abgrenzung der heutigen Menschen zu ihren Vorgängern spiegelt sich hier visuell in der Abgrenzung der Trolle i.e. Andersbefähigten zu uns ‚zivilisierten‘ Menschen wider, und genau solche Abgrenzungen finde ich eben gerade ärgerlich, wenn es um das Thema der Diskriminierung und Ausgrenzung geht. Mir ist klar, dass mein Eindruck nicht viel mit dem Film zu tun haben mag, aber eine vage, arbiträre Symbolik kann nur noch – wenn der Film keine nachvollziehbaren kulturellen Bezüge knüpft – auf unbewusste Assoziationen rekurieren und das ging bei mir gewaltig schief.


    (Der Komm ist zu lang 8o, zweiter Teil also .. )

  • - Thematik / Symbolmix:

    “In a sense, the whole adaptation process for [Tina] was to make everything that is interior to her exterior. I tried to demonstrate her thoughts and feelings with exterior actions. That was the process. I have to constantly remind myself that [his audience] have been fed all kinds of crazy shit on YouTube. I think it really makes a huge difference making a movie nowadays or in the ’90s, before YouTube. People now are so fucking trained in media and motion picture logic. They’re almost like one step ahead of me — I have to almost catch up with them. So that’s why I think you don’t need five things to establish a character, you need one.“ Und „that’s basically what I did coming to Scandinavia — I lived out the fantasy of Scandinavia as an exotic space. My point is, I don’t think I have deep knowledge of Scandinavia …“ (Abbasi, gekürzt, Quelle wieder cult.mtl)


    Ich hatte das (oder überhaupt irgendwas über den Film) erst gestern gelesen, das hat also nicht meinen Blick beeinflusst. Aber erklärt im Nachhinein meine Probleme:

    Welches ist das „one thing“, durch das Abbasi Tinas Persönlichkeit und Geschichte auszudrücken vermeint? Wenn sie seine Hauptfigur ist, sollte das etwas Positives, Ambivalentes oder faszinierend Negatives sein. Was ich sehe ist Grobheit, Tierhaftigkeit und Gehemmtheit im Ausdruck von Gefühlen, und damit kann ich nicht viel anfangen. Tinas Verhalten Roland und den Hunden gegenüber finde ich brutal, abstoßend und unnachvollziehbar, das alles wirkt wie eine empathiegestörte Suchtkranke im Alkoholikerhaushalt. Bei ihrer Suche nach ihrer Identität läuft das thematisch – wenn Abbasi das Trollthema ausklammern will – nur noch über ‚Behinderung‘ und Transsexualität … tolle Kombi. Tinas moralische Entscheidung, den pädophilen Verbrecher trotz ihrer Zuneigung zu ihm zu entlarven, wird im Film fast als Verlust erzählt, als ob sie sich auf die falsche Seite zu den Menschen geschlagen hätte. Das ist ein interessanter moralischer Drehpunkt, aber imA fehlt dem Film plottechnisch die Basis dafür, weil er seine Figuren nie anständig verortet bekommt (auch nicht in einer interessanten Ambivalenz).


    Die Prämisse war also:

    Eine Tradition so zu verarbeiten, dass man den Hintergrund / Inhalt dieses Volksglaubens ignoriert und ihn dafür mit einer Handvoll von thematisch unzusammenhängenden Reizthemen kombiniert, um eigentlich zu erzählen, dass die Kultur, von der man selbst nur Klischees im Kopf hat, zur Ausgrenzung von Migranten führt, deren Geschichte/Identität aber eine vollkommen andere als die der Hauptpersonen ist. Oh, und dafür bedient man sich einer phantastischen Geschichte, aus der man dann aber sozialen Realismus macht. Wie ich es drehe und wende, die Gleichung geht für mich einfach überhaupt nicht auf. Und genau diese Widersprüche habe ich beim Schauen wahrgenommen, ohne von Abbasis Intentionen gewusst zu haben.

  • Wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich noch nix von Lindqvist gelesen, das mir gefiel, aber er ist mir ganz ungeheuer sympathisch.

    Lindqvist zählt jetzt auch nicht unbedingt zu meinen Lieblingsautoren, aber ich mag ihn und habe fast alles von ihm gelesen. Ich finde dass seine Bücher mit den Jahren auch irgendwie immer besser wurden. „Himmelstrand“ und „Die Bewegung“ (Teile einer Trilogie, deren Finale noch auf eine deutsche Veröffentlichung wartet) habe ich zum Beispiel sehr gemocht.

    Von Let The Right One In war ich wirklich absolut hingerissen, das sehe ich in allen Aspekten incl. der Botschaft und dem Ende als perfekten Film. Ich hatte Lindqvists Roman danach gelesen, fand ihn irgendwie belang- und richtungslos, stilistisch total simpel...

    Den Film mochte ich ebenfalls, das Buch habe ich jedoch noch nicht gelesen.

    War ja sein Debüt als Schriftsteller und da er sich mMn bei jedem seiner Werken gesteigert hat (s.o.), sind meine Erwartungen diesbezüglich auch nicht allzu hoch. Lesen werde ich es aber definitiv irgendwann mal.

    Für Border freut mich daher, wenn es Rezipienten wie Anderswelten gibt.

    Sehe ich auch so. Wenn das so rüber gekommen sein sollte: Mein Unverständnis bezüglich der Kritik von Anderwelt war in keinster Weise despektierlich gemeint.

    Auch Jordskott (in der brillanten Serie hat Eva Melander / Tina eine kleine Nebenrolle) und Thale behandeln genau dieses Thema, allerdings ganz wesentlich innovativer und schräger.

    Mit "Jordskott" habe ich nach deiner Lobpreisung übrigens gestern mal angefangen. Hab bisher aber erst eine Folge gesehen und kann noch nicht wirklich etwas dazu sagen.

    Im Sinne der Folklore sollten Tina & Vore schon aus dem Grunde den Menschen überlegen sein, weil das Paranormale im Volksglauben tendenziell auf alte regionale Gottheiten zurückzuführen ist. Diese Verbindung zieht Abbasi nicht (...) Wenn Abbasi nichts von dem Hintergrund des Volksglaubens einfließen lassen will (weil ihn das nicht interessiert, fair enough), ist dieses Thema redundant. Es weckt Erwartungshaltungen, ganz vor allem in seinem Produktionsland, die die Filmemacher gar nicht erfüllen wollen. Das halte ich marketingmäßig für – sorry – komplett idiotisch.

    Ist in der Vorlage jedoch tatsächlich nicht anders.

    Die Tatsache dass Tina und Vore Trolle sind, spielt dort nur insofern eine Rolle, dass Lindqvist dieses Motiv nutzt, um über Ausgrenzung, Unterdrückung, Diskriminierung etc. zu schreiben.

    „Grenze“ ist jedoch auch nur eine Kurzgeschichte und geht daher natürlich in vielen Bereichen nicht allzu sehr in die Tiefe. Mich hat das jedenfalls weniger gestört als dich. Hängt aber wohl eher mit persönlichen Erwartungen zusammen. Beim Sehen des Films wusste ich vorher beispielsweise gar nichts von der Troll-Thematik und habe ihn daher mit ganz anderen Augen gesehen. Zumal ich mit der nordischen Mythologie auch wahrscheinlich nicht so viel verbinde, wie du, die in Helsinki lebt.

    Roland (...) diese semi-sexuelle Partnerschaft (...) harsches Verhalten ihren Hunden gegenüber und das ganze set up suggerieren illegale Zucht, Tierquälerei und Hundekampf.

    Spielt in der Kurzgeschichte eine sehr marginale Rolle. Rolands „Annäherungsversuch“ und Alkoholismus sind sogar ein reine Produkte des Films.

    Das auf der einen Seite, auf der anderen Vores Pädophilie; Gewalt und Kriminalität … und alles in Schweden auf dem platten Land, das fand ich eine total absurde und absolut konterproduktive Kombination, ganz vor allem, wenn es eigentlich um „Außenseiter“ gehen soll.

    Ebenfalls ein reines Produkt des Films. Empfand ich aber ganz genau so.

    Wie schon geschrieben, gibt es den Pädophilen-Plot bei Lindqvist überhaupt nicht. (Sowieso ist Roland dort eine wesentlich positivere Figur. Auch wenn er tut, was Trolle eben so tun - Stichwort: Kindesentführung). Dementsprechend ist auch das Ende völlig anders und geht eher in Richtung Happy End.

    Tina und Rolands Beziehung hat mich sofort an die des Täters in True Detective erinnert; und die Hütte an diese Tankstellen irgendwo zwischen Death Valley / Las Vegas und LA, wo man sich drei Mal überlegt, ob man dringend genug pinkeln muss, um dort auszusteigen und dann doch lieber weiterfährt. Genau diese sozialen Verhältnisse, aus denen Filme wie Wrong Turn, TCM, The Devil’s Rejectsoder The Hills Have Eyes entstanden.

    Interessanter Aspekt. Habe ich beim sehen jedoch gar nicht so empfunden.

    (Finde die Erwähnung von "True Detective" aber interessant. Nachdem in der Serie ständig über "Carcosa" gesprochen und es unzählige Anspielungen auf Chambers "Der König in Gelb" gab, war ich ziemlich enttäuscht/geschockt, dass sich dahinter am Ende nur ein inzestuöses Hinterwälderpaar verborgen hat. Das ist aber ein ganz anderes Thema...)

    Das Thema führt wohl am weitesten vom Film weg. Border macht aus seinen Trollen optisch Neandertaler. Auch ihr Verhalten und Bewegungen, das Schnuppern und ihre Laute sind das, was man von Vorformen des homo sapiens klischeehaft in Dokumentationen sehen kann. Den Eindruck hatte ich sofort, und konnte mich nicht mehr davon lösen (...) Die Abgrenzung der heutigen Menschen zu ihren Vorgängern spiegelt sich hier visuell in der Abgrenzung der Trolle i.e. Andersbefähigten zu uns ‚zivilisierten‘ Menschen wider, und genau solche Abgrenzungen finde ich eben gerade ärgerlich, wenn es um das Thema der Diskriminierung und Ausgrenzung geht.

    Interessanter Exkurs zum Thema Neandertaler, dem ich kaum gerecht werden kann. Deine Kritik teile ich in dem Punkt aber absolut.

    Der Film macht aus Tina und Vore auch eher "primitive Tiere". In der Kurzgeschichte ist dies nicht der Fall.

    Das Aussehen:

    Der Neandertaler-Look ist eine reine Erfindung von Abbasi. Bei Lindqvist wird Tina in ihrer Jugend zwar mal von einem Mitschüler als hässlich beschrieben, ihre Entstellung rührt aber von der Tatsache, dass sie als Kind mal vom Blitz getroffen wurde und daher starke Verbrennungen (besonders im Gesicht) hat und ihr die meisten Menschen daher aus dem Weg gehen.

    Zu Vore besteht (im Gegensatz zum Film) auch keine optische Ähnlichkeit/Verbindung. Bezüglich seines Äußeren wird dort nur mal gesagt, dass er „buschige Augenbrauen“ hat und in einem Bond-Film wohl eher den Bösewicht spielen würde.

    Die Fähigkeiten:

    Das Schnuppern, welches die Zwei (neben ihres Aussehens) sehr animalisch wirken lässt, gibt es bei Lindqvist ebenfalls nicht. In der Geschichte kann Tina die Gefühle/Ängste der Menschen intuitiv wahrnehmen und muss sie nicht erriechen.

    Hatte beim Film auch dass Gefühl dass man dem Publikum nicht zugetraut hat, zu differenzieren und durch die Optik gleich klar machen wollte „das sind keine von uns“ und zudem schon mal andeuten wollte, dass er hier eventuell später ein kleines bisschen in Richtung „Fantasy“ geht (Foreshadowing).

    Eine Tradition so zu verarbeiten, dass man den Hintergrund / Inhalt dieses Volksglaubens ignoriert und ihn dafür mit einer Handvoll von thematisch unzusammenhängenden Reizthemen kombiniert, um eigentlich zu erzählen, dass die Kultur, von der man selbst nur Klischees im Kopf hat, zur Ausgrenzung von Migranten führt, deren Geschichte/Identität aber eine vollkommen andere als die der Hauptpersonen ist. Oh, und dafür bedient man sich einer phantastischen Geschichte, aus der man dann aber sozialen Realismus macht. Wie ich es drehe und wende, die Gleichung geht für mich einfach überhaupt nicht auf.

    Den Punkt hatten wir oben ja schon mal.

    Diesbezüglich ist die Intention von Lindqvist und Abassi deckungsgleich – Soll heißen: Nur Mittel zum Zweck.

    Habe das Gefühl dass dich die Kurzgeschichte daher ebenfalls enttäuschen wird, wenn du von ihr eine Vertiefung des Volksglauben und der Mythologie erwartest. Mich selbst hat sie ja selbst nicht wirklich überzeugt/umgehauen. Aber wie schon geschrieben: Besser als der Film ist sie auf jeden Fall.

  • Faszinierend, was für lange Kommentare dieser Film hervorbringt.


    Ich nehme aus diesem Thread vor allem mit, dass zuviel Hintergrundwissen die Rezeption offenbar auch beeinträchtigen kann. Den meisten Argumenten vermag ich schlichtweg nicht zu folgen, wahrscheinlich, weil mir dieses Hintergrundwissen fehlt und ich nur Bahnhof verstehe, wo denn nun das Problem eigentlich ist.


    Wie auch immer, ich nehme auch ein paar Seh-Tipps mit. Ein paar der genannten Titel wollte ich ohnehin schon immer sehen, ein paar sind mir gänzlich unbekannt, aber bin neugierig gemacht worden.