Robert Edric: The Broken Lands. A Novel of Arctic Disaster


  • Robert Edric: The Broken Lands. A Novel of Arctic Disaster

    New York, 1992. 369 Seiten


    1845 bricht Captain Sir John Franklin in die Arktis auf, um den Weg durch die Nordwestpassage zu finden – bis dahin ein weißer Fleck auf den Seekarten. Mit zwei umgerüsteten Kriegsschiffen, der HMS Terror und der HMS Erebus, macht sich die Expedition auf ins Eis. Trotz innovativster Technik (den Schiffen wurden zur Unterstützung der Segel Dampflokmotoren eingebaut) und erfahrener Mannschaft erlauben die Eisverhältnisse eine Fahrt nur in den drei Sommermonaten. Das restliche Jahr über liegen die Schiffe an einem Ankerplatz, wo sie, vom Eis hochgedrückt, aufgebockt werden.

    Im zweiten Winter findet die Expedition zwar einen sicheren Platz, doch die Bucht, in die sie gesegelt sind, bleibt auch in den beiden Folgejahren zugefroren – sie hatten einen Ort ausgesucht, der nur einmal in 200 Jahren eisfrei war. Nachdem Abwarten aussichtslos wird, bricht ein Großteil der Mannschaften zu einem – ebenso aussichtslosen – Fußweg über Land auf. Alle 135 Mann sterben.


    Die Expedition ist berühmt-berüchtigt durch Fälle von Kannibalismus, Bleivergiftung und vermutliche Meuterei, Hass unter den Seeleuten. Auch zeigt sie, dass Rassismus tödlich sein kann: die Inuit hatten mehrfach Hilfe und Nahrung angeboten. Überwinterungen waren schlecht geplant (keine Schulungen oder Freizeitgestaltung, die sonst üblich waren, um die Männer vor Alkoholismus, Depression und Gewalt zu bewahren), der Weg über Land Irrsinn (in den Booten, die die Männer hinter sich herzogen, waren z.B. Möbel, Porzellan und Silber).


    Edric weiß als Geologe die Eislandschaften realistisch zu beschreiben, sein Roman ist bis ins kleinste Detail recherchiert, doch nimmt er sich künstlerische Freiheiten heraus – was dem Buch sehr guttut. Broken Lands ist ein historischer Roman, der sich wie Magischer Realismus liest, auch einige brutale und sehr gruselige Szenen zu bieten hat. Der Horror entsteht hier durch die Natur selbst, die langen, lichtlosen Winter und die Kälte – der die Mannschaften weder physisch noch psychisch gewachsen sind.


    Wie in all seinen Büchern erzählt Edric in einem wirklich extrem langsamen, melancholischen Tempo, das aber hier perfekt zu dem Setting passt; und jede Bewegung, jede Aktion der Männer oder Veränderung der Natur dramatisch und spannend macht. Die Erzählung wird immer albtraumhafter und düsterer, und endet in einer kurzen surrealistischen Sequenz.


    Der Autor schrieb Broken Lands mehr als 10 Jahre, bevor die Wracks gefunden wurden, und ist ab dem Festsitzen in der Bucht reine Spekulation. Aber seine Variante vom Ende der Schiffe ist tatsächlich noch dramatischer und gruseliger als die Historie.


    Eines meiner Lieblingsbücher, das ich schon mehrmals gelesen habe – allerdings braucht man für das Intro auf den ersten 10 Seiten extrem viel Geduld. Ich rate dennoch nicht, sie zu überblättern, weil sie einem ein ungewöhnliches Lesetempo aufzwingen.


    Hier Tauchgänge zu den Wracks, Sommer 2019:

    HMS Terror (31, 09 m ohne Bugspriet, Dreimastbark, gebaut 1812, aufgegeben 1848)

    HMS Erebus (32 m ohne Bugspriet, Dreimastbark, gebaut 1826, aufgegeben 1848)


    Hier <- Shadowmans Rezension: Michael Palin: Erebus.

  • Der "Mythos Franklin" ist ja weit verbreitet in der Literatur (das vielleicht bekannteste hiesige Beispiel ist Sten Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit"), wobei die Expedition da freilich nur eine von mehreren Episoden darstellt.


    Die Besprechung hier macht aber (mal wieder) Lust auf die Geschichte, – die mich ohnehin interessiert. Ich bin nur nicht an einer neuerlichen 08/15 Abenteuer-Story interessiert. Dan Simmons "Terror" habe ich mal angelesen … war aber viel zu banal für mich.


    I will give it a try, vielen Dank für den Hinweis Katla :thumbup:

  • Arkham Insider Axel


    Hallo Axel,

    oh, ich freue mich riesig, wenn das Interesse weckt! Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass Die Entdeckung der Langsamkeit von Franklin handelt, huch.


    Ja, ich stimme dir da vollkommen zu, Abenteuer/Helden/Action-Plots gehen gar nicht. (Eher z.B. bei der Geschichte um Capt. Worsley/ die Endurance in der Antarktis). Simmons hatte ich in der Bibliothek angelesen, und war auch total abgestoßen – vom Stil, dem Plot (da passt für mich kein Monster rein, und was versteht der Autor von den Inuit?), den Charakterisierungen und vor allem diesen platt-dümmlichen Dialogen. Keine Sekunde hatte ich den Eindruck, das spielt auf See. Von Simmons mag ich eh nur SciFi.

    (Gerade sehe ich, dass es eine TV Serie zum Buch gibt, hier eine tolle Seite zu Props/Bühnenbildern.)


    Ich hab ziemlich enggefasste Vorstellungen, was ich von einem Terror/Erebus-Roman erwarte: Der Autor muss von der Natur Ahnung haben, von Seefahrt und Psychologie. Der Horror liegt für mich in der Isolation und der Tatsache, dass man da oben einfach nix ausrichten kann, diese Entfernungen. Dann waren da große Besatzungen auf extrem engen Raum: Fast 70 Mann auf 30 m Schiff. Durch die Rahsegel wirken die auf Bildern größer als sie sind, aber da steht man sich echt auf den Füßen. Kaum Hygiene, keine Privatsphäre, viel Alkohol , Konflikte und Langweile – da brauche ich keine Seemonster mehr.


    Es gibt wirklich eine unübersehbare Reihe Bücher zu der Expedition, und das meiste klingt schrottig. Bei Sachbüchern finde ich das Time Life Buch The Northwest Passage (The Seafarers) / dt. Die Nordwestpassage super, auch wegen der vielen, wunderschönen Illustrationen. Und drei Sachbücher hab ich auf meiner Liste:

    Russell Alan Potter Finding Franklin: The Untold Story of a 165-Year Search

    Gillian Hutchinson: Sir John Franklin's Erebus and Terror Expedition: Lost and Found

    Garth Walpole: Relics of the Franklin Expedition

    Gute Monographien zu den Schiffen gibt es wohl nicht, die scheinen alle ziemlich schluderig recherchiert zu sein.


    Gerade segelt übrigens ein niederländischer Chartersegler durch die Nordwestpassage: Tecla. Kann man auf FB verfolgen.


    Die Tour ist mein ‚must do before I die‘; zumindest hab ich mich schonmal für 2020 beworben, auf der Oosterschelde nördlich des Polarkreises zu segeln, mal schauen, ob die mich wollen.


    [Cof]

  • Ja, die TV-Serie zu dem Simmons-Roman sieht vielversprechend aus … habe aber noch keine Folge gesehen.


    Deine Ausschluss-Kriterien bzw. die Vorzüge, die du nennst, hören sich überzeugend an. Merci auch für die Hinweise zu den Sachbüchern … so ein bisschen kann ich in der Richtung auch noch dazureichen, – man gebe mir nur mehr Zeit!


    Wenn Du wirklich die Nordwestpassage schaffst, dann erbitte ich mir eine Ansichtskarte (Schiffspost). Auf jeden Fall drücke ich die Daumen, dass Du auf die Oosterschelde kommst. Als was heuerst du denn da an?


    Schlussendlich noch zu dem Buch: Das wird in den nächsten Tagen geordert, und dann bin ich mal gespannt. X/

  • Hallo Axel,


    cool, ich bin sehr gespannt, ob dir das Buch gefällt.

    so ein bisschen kann ich in der Richtung auch noch dazureichen,

    Absolut gerne! Aber kein Stress.


    Schiffspost ist versprochen, so ich da oben mal hinkomme. [Nerdine] Ich bewerbe mich als wachbefähigte Matrosin i.e. offiziell "Watchkeeping Rating Deck". Hätte ich keine ausgeknockte Kniescheibe (shit Fockrah!), würde ich jetzt während der Saison auch nicht an Land im Sessel sitzen. :( Aber das Forum hier ist ein wunderbares Trostpflaster.

    • Offizieller Beitrag

    Super Tipp! Ich habe gerade mal geschaut, das Buch scheint schwer zu bekommen zu sein (oder aber, es liegt an mir und ich habe Tomaten auf den Augen)... ich schaue mal weiter, interessiert mich sehr, da ich seit Kindertagen eine Schwäche für die Arktis und ihre Expeditionen habe. 2013 habe ich mir einen langgehegten Traum erfüllt und bin (als Urlauberin) mit einem kleinen Zweimaster um Spitsbergen gesegelt (und würde es gern öfter machen, verschiedene Teile der Arktis sehen, aber es ist einfach unglaublich teuer...hmpf), es war wirklich großartig.

  • Liebe delijha ,


    du brauchst nur ein paar € investieren: https://www.abebooks.com/servl…tn=broken+lands&kn=&isbn=

    Auch via amazon marketplace für wenig Geld (oder neu für € 30,- aber hm, das find ich happig).

    2013 habe ich mir einen langgehegten Traum erfüllt und bin (als Urlauberin) mit einem kleinen Zweimaster um Spitsbergen gesegelt

    8| Oh, wow! Glücklicherweise boomt das Schiffesegeln in der Arktis und Antarktis derart, dass man sicher immer mal ein Schiff findet. Noorderlicht ist jedes Jahr in Spitsbergen unterwegs, aber die machen viel Party vor Anker, meh.

    Einer der Gründe, aus denen ich meine Schreibtischjobs gegen die Seefahrt ausgetauscht hab, ist nämlich genau das: Ich hab kein Geld, monatelang in schönen Landschaften rumzusegeln. Jetzt lasse ich mich dafür bezahlen. :D An solche Eistörns kommt man aber schwer ran, z.B. auf der Europa muss man fürs Arbeiten sogar noch zahlen (was ich nicht machen würde)! Wenn du den Namen deines Seglers noch weißt, würde ich mich sehr über Info per PN freuen!


    Ja, das Eis ist irre spannend, vielleicht kommen hier ja noch ein paar (Phantastik)Bücher zum Thema dazu.

  • Ich war so frei, mich auf den Link von Shadowman hin nach dem Buch umzusehen (vielen Dank) … und habe es auch vor einigen Wochen erworben. Die Beschreibung von Katla las sich ja sehr vielversprechend.


    Ich lese recht selten Bücher in englischer Sprache. Es geht schon, ich brauche aber immer meine Zeit, mich hineinzufinden, dann läuft es meist. Aber bei "The Broken Lands" dachte ich bereits auf der 1. Seite, ich sei überfordert. Da habe ich erst einmal gar nicht verstanden, was sich gerade abspielt. So wanderte das gute Stück ungelesen ins Regal.


    Nun, jetzt nahm ich es wieder zur Hand mit dem Vorsatz, meine Bequemlichkeit zu überwinden … und siehe da, nach den ersten 2 Seiten war ich "drin". Ich bin aktuell auf Seite 35, das Expeditionsteam ist mit den Schiffen Erebus und Terror, nach einer interessanten Anfangsepisode auf Grönland, in See gestochen …


    Mir gefällt die unaufgeregte Art des Autors, die ruhige, bedächtige Erzählweise, wie es ja schon beschrieben wurde.


    Wie in all seinen Büchern erzählt Edric in einem wirklich extrem langsamen, melancholischen Tempo, das aber hier perfekt zu dem Setting passt; und jede Bewegung, jede Aktion der Männer oder Veränderung der Natur dramatisch und spannend macht. Die Erzählung wird immer albtraumhafter und düsterer, und endet in einer kurzen surrealistischen Sequenz.


    Franklin selbst nimmt bis jetzt erst eine eher passive Rolle ein, — was mir schon einmal gefällt! Mal sehen, wie sich die Story noch so entwickelt …

  • Ich lese recht selten Bücher in englischer Sprache. Es geht schon, ich brauche aber immer meine Zeit, mich hineinzufinden, dann läuft es meist. Aber bei "The Broken Lands" dachte ich bereits auf der 1. Seite, ich sei überfordert. Da habe ich erst einmal gar nicht verstanden, was sich gerade abspielt. So wanderte das gute Stück ungelesen ins Regal.


    Nun, jetzt nahm ich es wieder zur Hand mit dem Vorsatz, meine Bequemlichkeit zu überwinden … und siehe da, nach den ersten 2 Seiten war ich "drin". Ich bin aktuell auf Seite 35, das Expeditionsteam ist mit den Schiffen Erebus und Terror, nach einer interessanten Anfangsepisode auf Grönland, in See gestochen …

    Hallo Axel,


    sorry für die späte Reaktion, das war eine nicht ganz freiwillige Komm-Abwesenheit, aber ich hatte irre viel Unangenehmes um die Ohren.


    Obwohl ich 90% aller Bücher auf Englisch lese und im Alltag neben Finnisch nix anderes spreche, ging mir das auch so - bis zur Abfahrt war ich ständig versucht, das Buch abzubrechen ("Wie lange wollen die denn noch gepflegt dinieren und Sherry trinken? Argh!") Ein früheres Buch von Edric - The Earth Made of Glass - hatte mir aber so gut gefallen, dass ich drangeblieben war. Und sobald die weg vom Land waren, fand ich das eben auch fantastisch toll, und viel spannender.


    Bist du inzwischen weitergekommen damit? Gefällt es dir, oder bist du genervt / gelangweilt?

  • Ja, ich bleibe dran – obwohl ich kurzerhand ein anderes (englisches) Buch eingeschoben habe –, aber über die Feiertage werde ich den Eldric wohl ausgelesen haben, bin im letzten Drittel.


    Was soll ich sagen? In meinen Augen ein Abenteuerroman im besten Sinne! Wie ich schon schrieb, finde ich besonders die Verschiebung – weg von den "Chefs" Franklin und Crozier, hin zu den untergeordneten Offizieren – interessant. Die typische Heldenfigur fehlt also, wobei ein Schwerpunkt schon auf dem Offizier Fitzjames liegt.


    Das gemächliche Erzähltempo passt hervorragend zum Stoff. Faszinierend sind die Beschreibungen der verschiedenen, unwägbaren Eisgebilde. Aber auch die dramatischen, unheilverkündenden Episoden hinterlassen ihren Eindruck:

    • das Standgericht, das über den bissigen Hund abgehalten wird (gleich zu Beginn)
    • die Entdeckung, dass konservierte Lebensmittel verdorben bzw. mit minderwertigen Zutaten gestreckt sind
    • die Beschießung einer Schule von Belugawalen durch die Seeleute
    • das geräuschvolle Eis, das sich aus der Ferne wie Stimmengewirr anhört usw.

    Diese Dinge werden ja recht unaufgeregt und unparteiisch vorgetragen, das ist dem Buch ebenfalls anzurechnen. Man hat nie den Eindruck, Edric buhle um die Aufmerksamkeit der Leserschaft oder versuche dieselbe durch besonders grelle Effekte auf sich zu ziehen. Nein, nein – alles geht ganz langsam und unaufhörlich … dem Ende entgegen.

  • Arkham Insider Axel ,


    ach, klasse, das freut mich ja so! Gerade wollte ich fragen: "Und war (...) nicht schlimm?", aber ich glaube, da bist du noch nicht.


    Ja, das Eis ist schon fast ein Protagonist (oder Antagonist, besser), in dieser absolut übermächtigen Präsenz, und doch neutral - 'böse' ist es ja nur in den Augen derer, die sich da ohne Not reingewagt hatten.


    Freut mich sehr, dass du damit was anfangen kannst, wenn man das langsame Tempo da nicht mag, kann einem das Buch sicher auch total auf den Keks gehen (wir geht das leider mit dem Großteil seiner Romane so, das funktioniert nicht mit jedem Plot oder Settting).

    • Offizieller Beitrag

    Ich hatte mir eine gebrauchte Version bestellt, die aber verschollen zu sein scheint. Überlege gerade arg, ob ich's mir für 5 EUR als eBook hole. Hätte es ja wirklich gern so richtig in den Händen, aber nachdem ich auf den letzten Kauf solange vergeblich gewartet habe, habe ich keine Lust auf noch einen Versuch - und gerade scheint es mir absolut die richtige Zeit, so ein Buch zu lesen... :)

  • Liebe Delija,

    Ich hatte mir eine gebrauchte Version bestellt, die aber verschollen zu sein scheint.

    das ist ja total doof. Ich musste auch grad 4-5 Wochen auf ein paar Büchersendungen warten, aber bei uns hatte zumindest die Posti gestreikt. Wenn du es nochmal mit der Papierversion versuchen willst, kriegst du die überAbebooks zum gleichen (Gesamt)Preis wie das eBook, und aus UK sollte das in ein paar Tagen bei dir sein.


    [CTHu] Happy Yultide, Katla