Susanne Röckel – Der Vogelgott

  • Da die Eindrücke zum Buch unterschiedlich sind, hier der passende Thread.


    Der Vogelgott von Susanne Röckel

    erschienen bei Jung und Jung am 2. März 2018

    war für den Deutschen Buchpreis nominiert

    und landete sogar in der Shortlist.

    gebunden: ISBN-13: 978-3990272145

    Taschenbuch: ISBN-13: 978-3442718719


    Verlagsinfo:

    Die Mitglieder einer wissenschaftlich orientierten Familie werden durch eine zufällige Entdeckung auf einem Kirchenbild in den schwer durchschaubaren Mythos eines Vogelgottes hineingezogen mit einem Sog, dem sie so wenig widerstehen können wie der Leser dieser Geschichte. Spätestens als sich herausstellt, dass dieser Mythos eben nicht nur ein Mythos ist. Es ist eine sagenhafte, aber elende Gegend dieser Erde, wo die Verehrer des Vogelgotts leben, die ihm allerdings weniger ergeben als vielmehr ausgeliefert zu sein scheinen. In diesem unwiderstehlichen Roman entpuppt sich eine geheime Welt als die unsere, in der die Natur ihre Freundschaft aufkündigt und wir ihrer Aggression und Düsternis gegenüberstehen.


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    Ich fand den Roman über weite Strecken faszinierend, mir fehlte aber eine Auflösung. Zudem gab es Längen und die drei Charaktere unterschieden sich in der Sprache nicht.

    Cool war die Verknüpfung der Geschichten über ein Kindheits-Spiel, in dem die Kinder durch Verschmelzung mit einem Versteck verschwinden spielten.

  • Wenn es schon einen eigenen Thread zu diesem Buch gibt, dann hinterlasse ich meinen Leseeindruck (der dem von Lapismont übrigens sehr ähnlich ist) doch hier einfach auch nochmal:


    Ein moderner, mysteriöser Schauerroman, der auf verschiedenen Ebenen wirkt und funktioniert - was seine Nominierung sowohl für den Deutschen Buchpreis als auch für den Vincent Preis erklären bzw. belegen mag. Aus insgesamt vier Perspektiven wird ein Fluch/Mythos/Kult beleuchtet, der die beteiligten Personen auf unterschiedliche Weise berührt, der selbst jedoch nie so wirklich eindeutig und greifbar wird. So findet letztlich auch keine echte Auflösung statt, was einerseits Raum für Interpretationen lässt, andererseits aber auch etwas enttäuschend ist.


    Sprachlich gibt es einige echte Höhepunkte zu entdecken, wobei die geradezu hymnischen Buchrücken-Blurbs dann doch eindeutig zu dick aufgetragen sind.


    Ich habe den Roman mit Interesse gelesen, er hätte aber für meinen Geschmack gerne etwas konkreter und weniger nebulös sein dürfen.

  • Wenn es schon einen eigenen Thread zu diesem Buch gibt, dann hinterlasse ich meinen Leseeindruck (der dem von Lapismont übrigens sehr ähnlich ist) doch hier einfach auch nochmal:


    (...)


    Sprachlich gibt es einige echte Höhepunkte zu entdecken, wobei die geradezu hymnischen Buchrücken-Blurbs dann doch eindeutig zu dick aufgetragen sind.



    Dann schließe ich mich auch mal an... und trage ebenfalls ganz dick auf:


    „Der Vogelgott“ hat mich nämlich extrem begeistert und völlig sprachlos zurückgelassen. Eine unglaublich hypnotische Geschichte, die u.a. an Kafka, Gogol, Borges, Poe & Blackwood erinnert und beim Leser eine enorme Sogwirkung entfacht. Ein alptraumhafter und poetischer Roman über die menschliche Bedeutungslosigkeit in einer völlig sinnbefreiten Welt und darüber dass Beschädigungen, Unzulänglichkeiten, Traumata und Sünden immer von einer Generation auf die nächste übertragen werden. Besser und existenzieller kann Literatur mMn nicht sein!

    Ich würde den Roman auch klar unter dem "Genre" Surrealismus verbuchen - Deshalb hat mich die fehlende Auflösung am Ende nicht im Geringsten gestört. Ich hatte während des Lesens nämlich nie mit einer solchen gerechnet.

  • Hm, ich habe das Buch auch gelesen, es war mein Favorit für den Vincent Preis 2018. Meine Meinung liegt zwischen den beiden hier geäußerten. Ich fand den Vogelgott ebenfalls sehr stimmungsvoll, die Geheimnisse dahinter, die Familiengeschichte direkt weniger. Aber insgesamt fand ich auch, das Ende war irgendwie ins Leere gelaufen. Es ist noch nicht einmal das man was Konkretes braucht, aber der Roman wirkte irgendwie unfertig, ich denke, das hätte man am Ende besser lösen können. Auch waren die vier Perspektiven, gerade die letzten zwei, doch ein wenig ähnlich.

    Also für mich war es ein sehr gutes Buch, aber für das Sternchen zu herausragend/überragend war es mir dann auch wieder nicht außergewöhnlich genug. Und vor allem wäre mir das Buch normalerweise entgangen. Aufgefallen ist es durch eine Empfehlung in einem SF-Forum, dann war es auf der Shortlist des Buchpreises und zuletzt auch noch bei der PAN Top Ten.

    Alles Stellen, wo ich nach einer Empfehlung für ein solches Buch nicht gesucht hätte.

    Für mich ist Der Vogelgott ein unheimlicher Roman, wer Action sucht, ist allerdings da fehl am Platz.

  • Ein älterer Thread, aber was ewig liegt, muss ja nicht gleich tot sein.


    Da ich immer etwas hinterher hinke, habe ich den Roman kürzlich erst gelesen. Zunächst war es etwas schwer, sich in die Erzählung einzufinden, aber als der Bericht des Ornithologen gemeistert war, wurde doch recht bald deutlich, dass der holprige Anlauf sich lohnte.


    Äußerst beeindruckend, wie Susanne Röckel es schafft, verschiedene literarische Anleihen hinsichtlich Stil, Stoff und Motivik zusammen zu führen. Ihre Mischung aus Reiseerzählung, negativem Bildungsroman und Schauerromantik ist durchsetzt mit Themen wie Kolonialismus, Ökologie und Moderneskepsis, nimmt Bezug zur Weird Fiction, spielt mit Symbolismus und Psychologie. All dies auf postmoderne Art im besten Sinne: Immer vage, aber nie zu sehr, gelehrig, jedoch nicht verstaubt, die Praxen postmoderner Literatur teils mehrfach hin und her wendend, ohne zu ermüden oder sich gar in leeren Andeutungen zu verlaufen. Ganz im Gegenteil ist die Verknüpfung der verschiedenen Stränge und Ebenen ja vorzüglich gelungen, wie es hier im Thread bereits hervorgehoben wurde. Der sprachliche Genuss, wie ihn Ender und Cheddar Goblin betonten, ist ebenfalls kein zu unterschätzendes Feature des Romans. Ich bin mir sicher, dass dies nicht mein letzter Röckel gewesen ist.


    Das hier teils kritisierte Ende ( lapismont & Mammut ) möchte ich besonders loben. Ganz auf den Effekt getrimmt, schlagend wie im Roman Noir, genau richtig getaktet, um Terror zu evozieren. Mir hat da tatsächlich überhaupt nichts gefehlt, ich fand es eher mutig und konsequent.



    "The amount of weird material I have not read is appalling"


    HPL to CAS, 1925

    Einmal editiert, zuletzt von Nils ()

  • Ein älterer Thread, aber was ewig liegt, muss ja nicht gleich tot sein.

    Oha, dann sollte ich langsam mal nachziehen: Ich habe das Buch nämlich auch schon eine ganze Weile hier liegen. Eine weitere positive Besprechung sollte Grund genug für die Lektüre sein (und ich bin selbst auch neugierig, die Story hört sich interessant an).

  • Durch den Faden bin ich auf das Buch aufmerksam geworden und habe es für ausnehmend gelungen befunden. Es bestärkt mich in meiner Auffassung, dass die besten Schauerromane von Verfassern geschrieben werden, die keine Genre-Autoren sind (zu diesem Punkt könnte man auch mal einen Thread aufmachen). Das Andeutungshafte, subtil Beunruhigende und Suggestive ist die große Stärke des Textes. Auch sprachlich hat es mich beeindruckt. "Die ganze Welt lag abgenutzt und entkräftet unter einem trüben Himmel" wäre auch ein guter erster Satz gewesen.

  • Es bestärkt mich in meiner Auffassung, dass die besten Schauerromane von Verfassern geschrieben werden, die keine Genre-Autoren sind

    Eine interessante These. Ich hab ja oft eher den Eindruck, dass es bei genre-fremden Autoren/Autorinnen meist nur bei einem recht oberflächlichen "Flirt" mit der bösen "Schundliteratur" bleibt, weil das Ergebnis ja auch immer noch Feuilleton-tauglich ausfallen muss.