Killer Joe (USA 2011, William Friedkin)

  • Killer Joe

    USA 2011

    Regie: William Friedkin

    Drehbuch nach seinem eigenen, gleichnamigen Bühnenstück (1991): Tracy Letts

    Mit: Matthew McConaughey, Emile Hirsch, Gina Gershon, Juno Temple, Thomas Hayden Church

    Laufzeit: 102' sowohl uncut 18+ als auch rated 16+, weil einige Szenen geschnitten und andere zugefügt wurden. Details zur Zensur hier. Ich hatte den Film uncut gesehen, anders ergibt es - mal wieder - auch gar keinen Sinn, weil diese Extreme benötigt wird, um das Ganze funktionieren zu lassen.

    Von beiden Fassungen gibt es - auch synchronisierte - DVDs & BluRays.


    Trailer (OV)

    Trailer (dt. Syn.)

    Q&A mit Friedkin, Betts, McConaughey, Gershon. Dauer knapp eine Stunde, OV zu den Dreharbeiten, biograf. Bezügen, kreativer Freiheit vs Hollywood / Filmbusiness.

    Trailer für das Bühnenstück: Aufführung Trafalgar Studios London 2018, Regie: Simon Evans, Orlando Bloom in der Titelrolle.



    Die White Trash-Familie Smith wohnt in einem Trailerpark und hat ein Problem: Sohn Chris kann nicht seine Schulden bei einer Gang bezahlen, die ihm nun mit dem Tod droht. Er schlägt Vater Ansel vor, die rabiate Mutter umbringen zu lassen, um ihre $ 50.000 Lebensversicherung zu kassieren. Das Geld soll zwischen Chris, seiner jüngeren Schwester Dottie, dem Vater und seiner jetzigen Frau Sharla aufgeteilt werden. Chris engagiert Joe, einen Cop, der sein Gehalt durch Auftragsmorde aufbessert, kann jedoch die Anzahlung nicht leisten und muss Dottie als Pfand anbieten. Selbstverständlich läuft nichts wie geplant ...


    Set-up und Plot mögen sich extrem uninspiriert bzw. generisch anhören, aber der Film hat eine derart dunkle, abgründige Logik, Moral und Stimmung, dass er auch über den Friedkin-Bezug hinaus für ein Phantastikpublikum interessant wird. Manchmal - imA irreführend - unter Southern Gothic geführt, sehe ich viel stärkere Nähe zu Extreme, Transgressive Cinema und sozialkritischen, nicht-spekulativen White Trash-Narrativen, z.B. Trash von Dorothy Ellison, die Filme des Trios Beth B. / Richard Kern / Lydia Lunch oder The Heart Is Deceitful Above All Things von & mit Asia Argento. Fast könnte man Texas Chainsaw in die Runde werfen, weil die Gewalt eine ähnliche Mischung aus Realismus und Absurdität hat.


    An den Film erinnerte mich zudem der Anfang (Küchenszene) in Das Fest der Schlangen / A Feast of Snakes: Es ist das gleiche Setting, die gleiche Atmosphäre, allerdings wird im Buch der chauvinistische Blick nicht wie im Film gebrochen, was es wesentlich platter, uninspirierter und damit wesentlich uninteressanter erscheinen lässt.



    Es ist gar nicht so einfach, die Qualitäten des Films zu loben, ohne entweder Tausend Einschränkungen zu machen oder wie ein gefühlloses Arschloch dazustehen. Der Film zeigt Ernsthaftes, Wichtiges, macht aber auch einfach Spaß, und seltsamerweise schließt sich das keineswegs aus. Es gibt kurze Ausbrüche von extremer v.a. häuslich-sexueller Gewalt, die realistisch ist und dennoch bühnenhaft überzeichnet erscheint. Tragik und Gewalt haben dabei auch absurd-komische Momente, die allerdings nicht wie comic relief funktionieren, sondern das Ganze noch viel schlimmer machen, als es ohnehin schon ist. Die Figuren haben auf den ersten Blick Klischeehaftes, offenbaren aber immer Individualität und Tragik. Der Film ist zynisch, aber auch emotional. Ich halte es für eine absolut herausragende Leistung von Drehbuchautor, Regisseur und Cast, dass diese Balance aus Extremen so wunderbar gehalten werden kann.


    Herausragend nicht nur die Titelfigur, sondern auch - wie immer - Gina Gershon (Bound, Borderlands) als Sharla sowie Emilie Hirsch als Dottie, die keineswegs so klischeehaft dümmlich-naiv ist, wie man anfangs bzw. vom Trailer her vermuten könnte. Ihre Beziehung zu Joe zeigt sich unerwarteterweise nicht als Opfer-Täter-Konstellation, sondern als das Treffen zweier Außenseiter, die sich - eine Zeit lang zumindest - gegenseitig unterstützen und Halt geben können. Dottie geht daraus als stärkere hervor und das offene Ende könnte eine gleich zweifache Befreiung andeuten.

    In der oben verlinkten Q&A sagte Friedkin, er sei an Spontanität, nicht an Retakes interessiert und somit sind alle Szenen die ersten Takes, außer "ein Stativ fiel um oder die Beleuchtung war massiv falsch eingesetzt". Diese kreative Freiheit und Kontinuität im Schauspiel / Rollendenken sieht man dem Film absolut an.


    McConaughey hatte ich als Romantikdarsteller ignoriert, bis ihn True Detective auf meinen Radar katapultierte. Dieser Film entstand nur drei Jahre vor der Serie und könnte als Charakterstudie für Rust Cole gedient haben: Killer Joe ist ein pedantischer Control Freak und hat sich auch selbst stark unter Kontrolle, was von plötzlichen Ausbrüchen extremer Gewalt und Grausamkeit durchbrochen wird. Wie Cole ist er Realist, intelligent und zynisch - hier aber ohne jeglichen philosophischen Unterbau.

    Apropos 'offenes Ende': Ich hätte mir diese Art ganz dringend bei True Detective gewünscht, nämlich dort nach der black screen, als man nicht weiß, ob Cole angeschossen oder erschossen wurde.

  • Sehr cool, Kobat - noch ein Fan! [Cof] (Und was für ein schräger Artikel ist das denn? Hehehehe!)


    Es gab übrigens (nehme an, dir ist es nicht neu, ich hab's gestern erst gesehen gehabt) schon 2006 eine Kooperation zwischen Letts und Friedkin: Bug.

    Auch hier hat Letts das Drehbuch nach seinem eigenen Bühnenstück geschrieben (von 1996). Es ist ein psychologischer Bodyhorror mit Ashley Judd und Michael Shannon in den Hauptrollen. Mir ist das Plakat bekannt, aber nicht der Film, ggfs. ist mir der auch zu ... kribbelig.

    Trailer