Die Zeit der Wölfe - 40th Anniversary Mediabook


  • Bei Pandastrom ist der Klassiker zum 40-jährigen Jubiläum in einer umfangreichen Box als 4K Ultra HD + Blu-ray Disc erschienen.


    Vor Urzeiten hatte ich den im TV gesehen und nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Er hat allerdings nichts von seiner Wirkung verloren.
    Ich habe den Eindruck, dass der Film zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist.


    STORY

    Die junge Rosaleen (Sarah Patterson) verliert sich in einem unruhigen Traum, in dem die widerstreitenden Gefühle, die mit ihrem sexuellen Erwachen verbunden sind, symbolhaft in eine Märchenwelt übertragen sind. Dort lebt sie mit ihren Eltern in einer kleinen Dorfgemeinschaft inmitten eines mittelalterlich anmutenden Waldes. Ihre Großmutter (Angela Lansbury „Mord ist ihr Hobby“) ist stets bestrebt, das Mädchen buchstäblich auf dem rechten Pfad zu halten. Die alte Dame weiß ihrer Enkelin einige Geschichten zu erzählen, die für Rosaleen als Warnung dienen sollen. Trotz der abschreckenden Inhalte üben die Fabeln einen Reiz auf die junge Frau aus, den sie sich selbst nicht erklären kann. Als sie auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter schließlich selbst von einem vermeintlich ehrenhaften Jäger umgarnt wird, lässt sie sich auf die Herausforderung ein, wer von beiden zuerst dort ankommt.


    MEINUNG

    Mit „Die Zeit der Wölfe“ hat Regisseur Neil Jordan („The crying Game“, „Interview mit einem Vampir“) bereits zu Beginn seiner Karriere ein intensives und symbolschwangeres Meisterwerk abgeliefert, das auch heute nichts von seinem Reiz verloren hat. Ist man zunächst ob der erkennbaren Kulissen und der Theaterhaftigkeit noch amüsiert, wird man unversehens in die traumhafte Handlung hineingezogen, die plötzlich eine spürbare Dichte entwickelt.


    Zunächst ist man fasziniert vom Übergang der realen Welt in Rosaleens Traumwald, in dem sie sich an den stark vergrößerten Spielfiguren aus ihrem Kinderzimmer vorbei bewegt. Bereits ein erster Hinweis, dass hier die Kindheit hinter sich gelassen wird. Im Finale kommt es zu einer Spiegelung der Szene, in der Elemente aus der Traumwelt machtvoll in das Kinderzimmer einbrechen.

    Unschwer zu erkennen, geht es jedoch hauptsächlich um die Frauwerdung und das Ende der Unschuld. Nicht umsonst nimmt die Traum-Rosaleen im letzten Akt mehr als deutlich die Rolle des bekannten Rotkäppchens ein. Angela Carter sein Dank spielt sich die Geschichte jedoch nicht moralinsauer aus, sondern präsentiert am Ende eine wehrhafte und selbstbestimmte Frau, die es mit den vermeintlich bösen Männern mühelos aufnehmen kann.


    Der Weg dahin ist in mehreren Belangen außerordentlich kunstvoll gestaltet. Schon allein die Struktur auf drei Handlungsebenen – die träumende Rosaleen in der Realität, Rosaleens Traum und die in den Traum eingebetteten Erzählungen – machen den Film erzählerisch ungemein interessant. Zusätzlich wird das Konstrukt innerlich gestärkt, da einzelne Elemente in verschiedenen Erzählebenen auftauchen, wo sie je nach Kontext eine ganz andere Bedeutung haben.


    Obwohl die Protagonistin ein (vor)pubertäres Mädchen ist, könnte „Die Zeit der Wölfe“ für dieses Alter hier und da verstörend wirken. Neben einigen surrealen Sequenzen gibt es relativ zu Beginn schon eine erstaunlich amtliche und blutige Verwandlungsszene, in der Stephen Rea vom Mann zum Wolf wird. So kann der Film, auch wenn er eine andere Zielrichtung verfolgt, neben „American Werewolf“ und „Das Tier“ als vollwertiger Teil dieser losen 1980er Werwolftrilogie gesehen werden.


    Auf Darstellerseite ist es mehr als schade, dass ausgerechnet Sarah Patterson keine große Karriere beschieden war. Die damals 12jährige zeigt als Rosaleen eine derart beeindruckende Leistung, dass manche sie heute noch in ihrer Erinnerung mit Jennifer Connelly (aus „Die Reise ins Labyrinth“) verwechseln. Flankiert wird die Jungschauspielerin neben Angela Lansbury und dem noch recht jungen Stephen Rea („The crying Game“) von einigen gestandenen Schwergewichten wie David Warner und Terence Stamp (zuletzt „Last Night in Soho“).


    Zum 40. Jubiläum legt Pandastorm Pictures den Klassiker in einem schmucken Mediabook mit 4K Ultra HD, Blu-ray Disc und jeder Menge Extras auf. Mehrere Audiokommentare, Interviews und ein Essay von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger machen Paket zu einer mehr als empfehlenswerten Anschaffung.


    FAZIT

    Kunstvoll faszinierende und symbolstarke Parabel auf das sexuelle Erwachen einer jungen Frau, wobei die Vorlagenautorin Angela Carter bekannte Märchenmotive auf erfrischende Art modernisiert.

  • Eine tolle - und vor allem wohlverdiente - Vorstellung, lieber Elmar ! Selbstverständlich hatte ich nicht mehr so richtig präsent, wie unendlich lang der Film zurückliegt ... Mann, bin ich alt. [LiZ]

    So richtig genießen sollte man den Film vielleicht auf einer schrebbeligen VHS, ob 4K hier so passt ...? Aber es ist grandios, dass er eine Jubiläumsedition bekommt, du hast vollkommen recht, dass der - zumindest in deutschsprachigen Ländern - underrated und viel zu wenig beachtet war. Ich hab darüber Angela Carter kennengelernt (deren Kurzgeschichte aber ein ganzes Stück abweicht, und zwar nicht nur wegen der Länge), und letztlich darüber dann den postmodernen / radikalen Feminismus.


    Ja, ich hatte damals auch nach neuen Filmen mit Sarah Patterson geschaut, und auch erwartet, dass da noch einiges kommt.

    Mit den eher kommerziellen Werwolffilmen würde ich diesen eher nicht verbinden, sondern mehr mit The Wolfen (1981) und The Howling (auch 1981), wobei ich Wolfen - da auch das Buch - trotz schockierend schwulenfeindlicher Szene sehr, sehr viel besser fand: Perspektive ist ja - wie bei Company of the Wolves - nicht die menschliche.


    Bei mir war das ein reverse Kennenlernen von Angela Carter: Ich bin für Company of the Wolves ins Mainzer Programmkino gepilgert, weil Danielle Dax mitspielt. Wie das so war in den Zeiten vor dem Internet; verlässliche Infos zu abseitigen Themen waren schwer zu finden, und ich war stark enttäuscht, dass sie nur ein winziges Cameo hat (Links oben in der Collage: die verwundete Werwölfin, von der Rosaleen dem Wolf erzählt). That said hat mich der Film auch unheimlich begeistert, mitgerissen und damals wirklich geflasht. Ich war 17, suchte nach neuen Wegen im GothPunk und hatte die Sängerin / Musikerin / Produzentin ein Jahr vorher durch ihr Debütalbum Pop Eyes entdeckt - wegen des schönen, surrealistischen Ersatz-Covers (Künstlerin: Holly Warburton, anstelle des gehäuteten Gesichts, das einige verschreckt hatte).


    Danielle Dax ist eine extrem innovative und eigenständige britische Künstlerin, die - zumindest auf den ersten Alben - auch alle Instrumente selbst spielte. Sie war bunt in Zeiten von black in black, poppig wie Pete Burns, spacig wie Toyah und so chaotisch wie die Virgin Prunes. Sie klingt aufs erste Hören vielleicht etwas wie Kate Bush, aber ihre Texte konterkarieren die Lieblichkeit der Stimme - es geht um Spuk (seltsam-niedlich: Inky Bloaters), verwesende Leichen und wiederkehrende Tote, Verrat, Albträume und Lynchmorde an Schwarzen in den Südstaaten. Dabei immer wieder surrealistische Titel (Album: Jesus Egg that Wept) und kleine Wortspiele: "Bed Caves" ( = Bat Cave Gothclub), "The Shamemen" (für Shaman / Schamane). Ihre Musik klang in den 80ern wirklich sehr experimentell, durch die (American) Country / Honkytonk Einsprengsel noch zusätzlich schräg, weil das eigentlich die absolute Gegenkultur zum Goth / PopGoth war. Die verletzte Wölfin hat sie jedenfalls ganz schön against character gespielt.


    Meine five favs von ihr sind:

    "Numb Companions" - Auch das erste Stück, dass ich von ihr hörte, diese Brontë-Atmosphäre hatte mich wirklich mitgerissen, weil es eben auch nicht so kitschig-schwärmerisch klingt wie Kate Bush (die ich aber auch sehr mochte und noch mag).

    "Where the Flies Are" - Ein süß klingendes, bitter-bitterböses Stück mit vielen 'Abgründigkeiten'.

    "Pariah" - Hat einen kleinen Einschlag in Richtung SF-Soundtrack und definiert für mich ihre Musik.

    "Hammerheads", weil es ein verrücktes Crossover aus County und Surrealismus ist.

    "Fizzing Human Bomb" - Eigentlich ein gar nicht so komplexes Thema (Wut), aber sehr tolle Bilder dafür.