Frage zum Urheber einer Textstelle

  • Vielleicht kann mir im Kreise der Kenner dieses Forums jemand bezüglich der Urheberschaft eines Zitates weiterhelfen. Ich stieß bei meinen Recherchen über die Feldbuchhandlungen des Ersten Weltkriegs auf folgende Textstelle:


    "Zu den besten und angenehmsten Bücherkäufern gehörten die Fliegeroffiziere. Auffallend für mich war ihre Vorliebe für phantastische und grausige Literatur, wie sie von H. H. Ewers – Strobl – Kubin – E. Th. A. Hoffmann – Ed. A. Poe – und einigen Franzosen gepflegt wurde. Man wäre geneigt, das aus dem Bedürfnis zu erklären, die im Kampfe mit der feindlichen Gefahr und den Elementen überreizten Nerven immer aufs neue anzupeitschen. Dagegen sagt aber gerade einer der genannten Schriftsteller, daß nur 'den Starken die Reize des Grauens berauschen' und deshalb 'nur ein gesunder Geist an Gegenständen aus dem Bereich des Unheimlichen Behagen empfände'."

    (Andr. Schirmeisen: Von Büchern, Bücherkunden und Buchhändlern im Felde. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 87 (1920), S. 959)


    Mich würde nun interessieren, von welchem Autor und aus welcher Geschichte der hier genannte Ausspruch stammt. Vielen Dank vorab für eure Hilfe! [Skl]

  • Die Zitate stammen von Karl Hans Strobl, genauer gesagt aus seinem Vorwort für Felix Schloemps "Das unheimliche Buch" (1914, Georg Müller Verlag), wobei er sich beim ersten Zitat, wie Strach schon meinte, direkt auf Baudelaire bezieht: "Baudelaire durft mit Recht sagen: 'Die Reize des Grauens berauschen nur die Starken...'"

  • wobei er sich beim ersten Zitat, wie Strach schon meinte, direkt auf Baudelaire bezieht: "Baudelaire durft mit Recht sagen: 'Die Reize des Grauens berauschen nur die Starken...'"

    Hier sieht es sogar so aus, als ob es auch ein direktes Zitat von Baudelaire wäre: "Danse macabre" (1857):

    Ich fürchte allerdings, daß deine Koketterie hier keinen Preis erringen wird, der ihre Mühen lohnt; wer denn von diesen sterblichen Herzen versteht sich auf den Spott? Nur die Starken berauschen an den Reizen des Grauens sich!

  • Hier sieht es sogar so aus, als ob es auch ein direktes Zitat von Baudelaire wäre: "Danse macabre" (1857):

    Ich fürchte allerdings, daß deine Koketterie hier keinen Preis erringen wird, der ihre Mühen lohnt; wer denn von diesen sterblichen Herzen versteht sich auf den Spott? Nur die Starken berauschen an den Reizen des Grauens sich!

    Wobei die von Dir zitierte Übersetzung die von Friedhelm Kemp aus dem Jahre 1966 ist, die ich zufälligerweise selbst im Regal stehen habe. Auf die kann Strobl also nicht zurückgegriffen haben. Naheliegenderweise dachte ich an Stefan Georges "Umdichtungen" (das sind sie wahrlich, die Gedichte klingen nach George, nicht nach Baudelaire), die Baudelaire überhaupt erst bekannt machten in Deutschland. Allerdings war seine Sammlung böser Blumen nicht komplett, der Totentanz fehlt. Auch der junge Stefan Zweig hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts an Baudelaire versucht, aber auch hier fehlt das Gedicht. Bleibt noch ein gewisser Wolf Graf von Kalckreuth. Der aber übersetzt so: "Wen dieser Sterblichen wird solcher Spott erheitern?/ Das Graun kann Starke nur mit seiner Lust durchglühn." (1907) Ein Jahr später erscheint noch laut Wikipedia die von Erich Oesterheld herausgegebene Anthologie "Die Blumen des Bösen. Eine Anthologie deutscher Übertragungen", aber auch hier fehlt "Danse Macabre". Die Übersetzung von Terese Robinson aus dem Jahre 1925 wird als erste vollständige Übertragung von Baudelaires Werk gennant. Mir scheint also, daß Strobl Baudelaire beim obigen Satz selbst übersetzt hat. Mag allerdings sein, daß damals noch weitere Baudelaire-Übersetzungen in Zeitschriften im Umlauf waren - Wikipedia weiß auch nicht alles ;)

    Ok, genug der literarischen Schnitzeljagd... ;)

  • Wobei die von Dir zitierte Übersetzung die von Friedhelm Kemp aus dem Jahre 1966 ist

    Ja, das ist klar. Ich ging davon aus, dass es der Zitierende das Original gelesen haben mag und nahm diese Übersetzung als eine wortwörtliche - nur so zitiert, weil ich selbst kein Französisch kann. Hatte es auch mehr im Vorbeigehen nachgeschaut (wegen Prinzip Nehmen und Geben). ;)