Teil 1.
Karl Brjullow.Porträt von Antonij Pogorelskij (1787-1836).
Bei der Eröffnung des Forumzweiges zum Thema der russischen Fantastik sollte man eigentlich mit diesem Autor anfangen. Einige Literatur-Forscher zählen Pogorelskij zum Gründer der russischen Fantastik, obwohl er, streng formell gesehen, das nicht ist. Aber im Bewusstsein der Menschen und in Hinsicht auf seine Bedeutung entstand eine klare Assoziation mit seiner Pionierrolle. Außerdem stammt das allererste speziell für die Kinder und in Russisch geschriebene Kunstmärchen in Prosa auch aus seiner Feder.
Deutsche Romantik prägte ihn stark und für immer. Es ist ihm trotzdem gelungen, ganz fein das russische nationale Kolorit in einige Werke einzubringen. Pogorelskij eröffnete die russische Hoffmanniane.
Pogorelskij war kein Vielschreiber. Alle seine Werke kann man in einem nicht so besonders dicken Band unterbringen. Das Fantastische nimmt in seinem literarischen Erbe aber einen wesentlichen Platz ein. Dazu zählen nur vier Titel. Darunter sind auch ein paar Juwelen zu finden.
Von seiner Person und seinem Leben wissen wir entgegen unserer Erwartung viel zu wenig. Sein Archiv war fast spurlos verschwunden. Pogorelskij hat sich kaum darum gekümmert. Wie eine Legende behauptet, hätte sein Gutsverwalter, leidenschaftlicher Gourmand, die Papiere seines Arbeitsgebers für das Lieblingsgericht, Buletten in Papilloten, verbraucht.
Pogorelskij war sehr wohlhabend, intelligent und allseitig gebildet. Er sprach hervorragend einige europäische Sprachen und war mit der russischen Geschichte und Sprache bestens vertraut. Die Zeitzeugen beschreiben ihn als einen angenehmen Menschen, der es auch verstand, ein guter Freund zu sein. Durch sein leichtes Hinken und sein schönes Gesicht ähnelte er ein wenig George Byron.
Die Geschichte seiner Abstammung verdient ein einzelnes Buch. Daran kann man die Geschichte von Russland studieren. Nicht weniger interessant sind die Schicksale von seinen Verwandten aus einigen Generationen.
Wie schon so oft, stand am Anfang die Laune der Natur.
Das Geschlecht Rasumowskij hat seinen Ursprung von einem einfachen ukrainischen Kosaken aus dem Tschernigower-Gebiet (Nordukraine), Jakow Romanowitsch Rosum, der zwei Sohne , Iwan und Grigori (gestorben 1730) hatte. Die Verwandten von Grigori werden eine bedeutende Rolle in der russischen Geschichte spielen. Und eben dieser Familienzweig hat mit unserem Schriftsteller zu tun.
Grigori hatte auch zwei Söhne, die eigentlich das ganze Geschlecht berühmt machten. Einer davon hieß Alexei Grigorjewitsch Rasumowski (1709-1771). Er wurde für den Dienst in der Hofkapelle in Sankt-Petersburg bestimmt. Sein schöner Gesang und sein vorteilhaftes Äußeres erwarben ihm das Interesse der damaligen Großfürstin, der nachmaligen Kaiserin Elisabeth (Jelisaweta Petrowna, die Tochter von Peter I.) in so hohem Grad, dass er ihr Liebhaber wurde. Nach deren Thronbesteigung, zu der er beigetragen hatte, wurde er Kammerherr und Oberjägermeister. Elisabeth konnte am 16. Mai 1744 den Kaiser Karl VII. dazu bewegen, Rasumowskij zum deutschen Reichsgrafen zu erheben, woraufhin sie ihn am 26. Juli 1744 in den russischen Grafenstand erhob. Gerüchteweise soll sie ihn 1748 auch heimlich in der Kirche des Dorfes Perowo bei Moskau geheiratet haben (jetzt gehört Perowo zum Stadtgebiet von Moskau). Aleksei Grigorjewitsch hatte mit der Kaiserin uneheliche Kinder. Er durfte ihnen seinen Namen nicht geben. Und mehr als das. Er durfte sie nicht mal in der Nähe behalten. Am 15. September 1756 avancierte Rasumowskij zum Feldmarschall. Er erhielt große Schätze, spielte aber politisch keine Rolle. Nach der Thronbesteigung Peters III. legte er bald alle Ämter nieder, ergriff aber gegen den neuen Zaren nicht Partei. Er starb 1771 als Privatmann in Sankt-Petersburg.
Der andere Sohn von Grigori- Kirill Grigorjewitsch Rasumowski(1728-1803)- wurde auch am 26 Juli 1744 in den russischen Grafenstand erhoben. Er war der letzte Ataman (ukr. Hetman), der oberste Führer der russischen Kosaken in der Ukraine, bevor Katharina die Große 1764 die Hetmanate auflöste. Außerdem war er eine Weile Präsident der Akademie für bildende Kunst.
Kirill Grigorjewitsch hatte sechs Söhne und fünf Töchter, die ihm seine Frau Jekaterina Narischkina (mit Peter.I verwandt) gebar. Die größte Hoffnung haben die Brüder Rasumowskij auf den ältesten Lieblingssohn von Kirill Grigorjewitsch –Alekseij (Alekseij Kirillowitsch)- gesetzt. Dieser wurde nach seinem unvergesslichen Onkel, inoffiziellen Ehemann der Kaiserin, „Alekseij“ genannt.
Nun sind wir endlich beim Vater von Pogorelskij angekommen, weil gerade dieser Aleksei Kirillowitsch Rasumowskij(1748-1822) der Vater unseres Protagonisten war. Der wirkliche Geheimrat (II.Klasse nach der Beamtenrangtabelle) war Senator unter Katharina der Großen und Minister für Volksbildung (1810-1816) unter Alexander I.
Aleksei Kirillowitsch Rasumowskij(1748-1822).Der Vater von A.Pogorelskij.