Dennis Wheatley: Die Hölle ruft

  • Dennis Wheatley: Die Hölle ruft (Gateway to hell)

    Broschur, 191 Seiten. Horror-Bibliothek. Bastei Lübbe

    Bergisch Gladbach 1979. Übersetzung: Rosemarie Hundertmarck



    Inhalt

    Der Herzog de Richleau, Richard Eaton und Simon Aaron sind in Sorge um ihren Freund Rex van Ryn. Der Bankier hat eine Million Dollar unterschlagen und ist sang- und klanglos verschwunden. Die Nachforschung führt nach Südamerika, wo unsere Freunde eine dubiose Gruppe von Leuten kennenlernen, mit denen Rex zuletzt verkehrte. Diese vermeintlichen Freunde entpuppen sich als Angehörige eines Satanskultes, der von einem gewissen Don Salvador geleitet wird: ein mächtiger Mann, der intern nur als „der Fürst“ bezeichnet wird. Im Gewand einer Menschenrechtsorganisation, die sich für die Belange der Schwarzen einsetzt, haben die Satanisten eine Siedlung in der entlegenen Bergwelt der Anden begründet. Von hier aus planen sie, die Welt in Chaos und Anarchie zu stürzen, um anschließend eine Gesellschaftsordnung nach ihrem Gusto zu installieren. Ausgerechnet diesen skrupellosen Satansjüngern kommen der Herzog und seine Gefährten auf der Suche nach Rex in die Quere. Entschlossen nehmen sie den Kampf gegen das Böse auf, – ein Kampf, der nicht nur ihr leibliches, sondern auch ihr seelisches Wohl gefährdet.


    Eindruck

    Von der Machart her ein recht konventioneller Thriller, erhält der Roman durch das satanistische Grundthema seinen bizarren Reiz. Dabei drückt Wheatley ordentlich aufs Gas. Unter dem Credo „Tu, was du willst“ leben die Teufelsanbeter vor allem ihre sadistische Sexualität aus. Als einer der fiesesten stellt sich ein Baron von Thumm heraus, seines Zeichens ein ehemaliger SS-Gruppenführer. Wir werden Zeuge einer schwarzen Messe, bei der es zur Vergewaltigung einer jungen Lehrerin kommt. Eine satanische Trauung, bei der die Braut mehrfach missbraucht werden soll, wird zum Glück nur geplant, ohne dass es zur Ausführung kommt. Magie wechsel sich ab mit handfester Action – je nachdem, was gerade am wirksamsten ist. Von überall her rekrutieren die Satanisten arglose Weltverbesserer und verpflanzen sie in ihre Siedlung, die obendrein auch noch eine Privatarmee von Zombies beherbergt. Der Herzog de Richleau, ein sogenannter „Adept“, wechselt munter zwischen der Astralebene und dem Erdenleben hin und her. Er allein kann dem „Fürst“ die Stirn bieten, droht jedoch in dem Moment zu scheitern, als dieser in einer brasilianischen Tempelruine den Schlund der Hölle öffnet.


    Fazit

    Wheatleys Idee, die Black-Power-Bewegung in den Dienst der teuflischen Sache zu stellen, wirkt äußerst verquer. Das Thema „Rasse“ interessiert ihn überhaupt und jede seiner Figuren, ob gut oder böse, wird nach Nation und Ethnie eingeordnet. Den LeserInnen bleibt es überlassen, daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen … Man weiß auch nicht, was man abgeschmackter finden soll: der sexuelle Voyeurismus, der sich durch das Buch zieht, oder das aufdringlich gepredigte Christentum des Herzogs de Richleau. Wer sich von diesen Fragwürdigkeiten weder abschrecken noch manipulieren lässt, bekommt immerhin einen flotten Okkult-Thriller präsentiert. Um ehrlich zu sein: Einen gewissen trashigen Unterhaltungswert kann ich der ganzen Chose nicht absprechen. Ich vergebe 3 von 5 Daumen und den Leseteufel extra.

    :thumbup::thumbup::thumbup:X/

  • Von überall her rekrutieren die Satanisten arglose Weltverbesserer urdnd verpflanzen sie in ihre Siedlung, die obendrein auch noch eine Privatarmee von Zombies beherbergt

    ^^[LiZ] Das klingt allerdings extrem unterhaltsam!


    Ich mag mich irren (und meine Bände sind noch in seit 14 Jahren unausgepackten letzten 6 Bücherkisten vergraben), würde aber meine Hand dafür ins Feuer legen. dass Marquis de Sade den Cardinal Richelieu unter diesem oder einem sehr ähnlichen Namen in einem Buch als vergewaltigenden Fiesling verbraten hat, wenn vermutlich in Justine. Einiges an dem Plot bei Wheatley klingt wie eine Hommage an de Sade, unter diesem Aspekt wäre der Plot auch nicht ganz so absurd-arbiträr: Entlegenes Haus, soziale Oberschicht, Entführungen zwecks sexueller Gewalt, Politik als Sub-Thema (hier eben Black Power, bei de Sade eher konservativ pro Monarchie), Naivität vs Ausbeuter, das Christentum als Heuchelei perverser Machtgieriger etc.

    Der Hauptdrive bei de Sade ist ja auch, die pietätvolle Unschuld / den humanistischen Optimismus als unerträgliche Naivität zu entlarven und zumindest von deinem Review her könnte das passen. Zu den Inspirationen gibt es aber keine Infos im Buch, oder? (Vor-/Nachwort?). Sogar der Satanismus würde dann passen, weil die Schwarze Messe zwar von Heinrich Institoris um 1430 erfunden wurde, aber erst am Hof des Sonnenkönigs Realität wurde - und bei Wheatley klingt es - auch, wenn das zu anderer Zeit spielt - nach einem barocken Setting (im Geiste).

  • Einiges an dem Plot bei Wheatley klingt wie eine Hommage an de Sade, unter diesem Aspekt wäre der Plot auch nicht ganz so absurd-arbiträr: Entlegenes Haus, soziale Oberschicht, Entführungen zwecks sexueller Gewalt, Politik als Sub-Thema (hier eben Black Power, bei de Sade eher konservativ pro Monarchie), Naivität vs Ausbeuter, das Christentum als Heuchelei perverser Machtgieriger etc.

    Mein Wissen über Wheatleys Biografie und Werk ist zu oberflächlich, um den de Sade-Einfluss bestätigen zu können. Ich weiß, dass er einmal kurz auf Tuchfühlung mit Aleister Crowley gegangen ist und ebenso Kontakt zu Montague Summers hatte. Sicher, gerade von Crowley ist es zu de Sade wohl nicht allzu weit …


    Ich musste beim Lesen aber gerade an dich Katla denken, nämlich immer dann, wenn den "Herren des Lichts" gedankt, sobald ein Schlag gegen das Böse gelungen ist. Das ist hart am Rande des Erträglichen. So intensiv sich Wheatley ohne Zweifel mit Schwarzer Magie und Satanismus befasst hat – hat er sich doch "persönlich" davon distanziert. Gerade sein bekanntestes Werk in dieser Richtung (The Devil rides out) enthält sogar eine explizite Warnung zu Beginn, sich mit diesen Mächten einzulassen. Aber vielleicht hat er uns auch nur an der Nase herumgeführt.


    Zu den Inspirationen gibt es aber keine Infos im Buch, oder? (Vor-/Nachwort?).

    Über das sogenannte Buch … schweigen wir lieber darüber. Die Horror-Bibliothek war eine herausfordernd schäbig aufgemachte Reihe auf billigstem Papier. Und gerade dieser Titel (bzw. mein Exemplar) ist gespickt, ich sage gespickt!, mit Druckfehlern bis hin zu einem Absatz, der einfach am Ende einer Seite abreißt, um im Nirgendwo fortgeführt zu werden. X(

  • Das Thema „Rasse“ interessiert ihn überhaupt und jede seiner Figuren, ob gut oder böse, wird nach Nation und Ethnie eingeordnet.

    Das war mir, neben jeder Menge Geschmacklosigkeiten (extremer Rassismus, Sexismus, Frauen, die sich in ihre Vergewaltiger verlieben etc.) auch schon bei seinem "Meer der Angst" aufgefallen. Generell scheint mir Wheatley ein ziemlicher Vollpfosten gewesen zu sein.

  • Generell scheint mir Wheatley ein ziemlicher Vollpfosten gewesen zu sein.

    Sicher, ein legitimes Urteil nach heutigen Maßstäben. Doch wenn ich einen Blick auf unsere gemeinsame Forums-Historie zurückwerfen darf Cheddar Goblin , so hatten und haben wir immer wieder mit solchen "Vollpfosten" zu tun (wenn auch in leichteren Formen). Ich denke z. Bsp. an William Hope Hodgson oder Robert Bloch, in deren Geschichten wir (mal mehr, mal weniger) mit diversen Geschmacklosigkeiten konfrontiert werden – die jedoch zu Entstehungszeit, so meine These, anders wahrgenommen und bewertet wurden. Von H. P. Lovecraft will ich gar nicht reden.


    Meine Neigung führt mich regelmäßig zu solchen Leuten, deren Weltbilder und literarische Welten kritikabel sind. Ich will nicht sagen, dass ich warme Sympathie für Dennis Wheatley empfinde, aber ich versuche, ihn und sein Werk aus dem Zeitkontext heraus zu verstehen. Er ist ja in England ungleich bekannter als bei uns. Ja, ich habe den Eindruck, seine einst massenhaft verbreiteten Romane zählen insgeheim zum nationalen Kulturgut. Und was bis vor kurzem noch als "out of date" galt, erhält heutzutage das wohlklingende Attribut "vintage".


    Wheatleys Helden lassen sich durchaus als weiße Herrenmenschen bezeichnen. Sie sind ebenso draufgängerisch wie kultiviert, kampferprobt als auch mit psychologischen Waffen gerüstet. In dem Gespann des hier vorgestellten Romans – der Duke de Richleau, Richard Eaton, Simon Aron und Rex van Ryn – leben so unterschiedliche Figuren wie Allan Quatermain, Sherlock Holmes oder Thomas Carnacki (ein erwiesener Einfluss auf Wheatley) weiter. Das heißt natürlich auch, dass hier das British Empire mit seinen kolonialen Ansprüchen weiterlebt. Als Wheatley (geschäftstüchtig, wie er war) darüber nachdachte, über welches Thema sich zu schreiben lohne, stieß er auf den Satanismus. Auch hier offenbaren sich Traditionslinien, die very british sind. Die Namen Aleister Crowley und Montague Summers fielen bereits. Nach meinem Gefühl schwingt bei Wheatley, gerade was seine Vorliebe für "Perversionen" und sadistische Sexpraktiken betrifft, auch noch ein Hauch britischer Dekadenz mit – Aubrey Beardsley oder Oscar Wilde lassen grüßen. Schließlich musste Wheatley noch sein eigenes Zeitgeschehen berücksichtigen: zwei Weltkriege und die damit verbundenen politischen Implikationen und Kräfteverhältnisse. Dankbar konnte er ein Phänomen wie den Nationalsozialismus als "das Böse" schlechthin aufgreifen und es genüsslich in seinen okkulten Grundriss einfügen.


    Insgesamt eine Mischung, die auf das damalige Lesepublikum ebenso anrüchig wie betörend gewirkt haben muss. Die diesem Mix innewohnenden Laster wie Rassismus und Sexismus werden weder die Verlage noch das Publikum groß gestört haben. Freilich wirft das auch ein bezeichnendes Licht auf das deutschsprachige Horrorpublikum, dem man ja Ende der 1970er einige von Wheatleys Titeln präsentierte (4 Bücher erschienen 1978/1979 in der Horror-Bibliothek von Bastei Lübbe).


    Also – ich werde bestimmt noch mehr von Wheatley lesen. Und mich ebenso weiter mit ihm auseinandersetzen. Mal sehen, wie nahe ich ihm dabei komme …