• STORY

    Einige Monate nach dem Selbstmord ihres Mannes nimmt sich Harper (Jessie Buckley, „I’m thinking of Ending Things“) eine notwendige Auszeit in einem Ferienhaus auf dem Land. Auf einer Wanderung durch die umliegende Gegend verirrt sich die Großstädterin und gerät in Panik. In den Ruinen eines Bauernhauses sieht sie in einiger Entfernung einen nackten Mann, der sie später bis zu ihrem Ferienhaus verfolgt. Die Polizei kann den Fremden verhaften, doch Harper sieht sich plötzlich unerklärlichen Ereignissen und Visionen ausgesetzt. Auch die Männer des Dorfes begegnen ihr auf geringschätzige und anmaßende Weise. Entspricht Harpers Wahrnehmung der Wahrheit oder leidet Sie mehr unter verdrängten Schuldgefühlen, als ihr bewusst ist?


    MEINUNG

    Mit „Men“ liefert Alex Garland („Ex Machina“, „Auslöschung“) einen Mystery-Thriller ab, der sich eindeutig wieder besser ins A24-Oeuvre künstlerisch anspruchsvoller Horrorfilme einreiht als zuletzt Ti Wests „X“. Voraussetzung ist, dass man sich auf den Film einlassen kann, der zwar großartige und sehr wirkungsvolle Bilder bietet, doch in seiner Gesamtheit etwas unentschlossen und sperrig wirkt.


    Die Ausgangssituation ist ein beinahe schon banales Horror-Klischee, doch Harper wird während ihrer geplanten Rekonvaleszenz nicht mit mörderischen Hinterwäldlern konfrontiert oder Opfer einer Home Invasion, auch wenn der Film kurz in diese Richtung zeigt. Stattdessen biegt die Story mit der Figur des Grünen Mannes in Richtung Folk Horror ab, macht aber kurz darauf ein neues Fass auf, als sich Harper im Pub von den anwesenden Männern nicht ernst genommen fühlt. Ab hier wird aus dieser Richtung eine latente Bedrohung aufgebaut, unterstrichen von dem Geniestreich, dass alle männlichen Figuren (außer Harpers Ehemann) von Rory Kinnear („James Bond“, „Penny Dreadful“) dargestellt werden.


    Bis hierher noch eher ein Psychothriller, der bereits mit albtraumhaften Andeutungen einer unzuverlässigen Protagonistin spielt, verliert der Film nun immer mehr an Bodenhaftung, serviert einige bizarre Horroreinlagen, und macht damit einen ganzen Fächer an Interpretationsmöglichkeiten auf. Bis zum Ende wird auch nicht aufgelöst, was „die Wahrheit“ ist; ob sich alles nur in Harpers Kopf abspielt. Einerseits ist das von Alex Garland mutig, andererseits wird der Film so nicht richtig rund.


    Visuell uns schauspielerisch präsentiert sich „Men“ auf höchstem Niveau. Der erste Auftritt des Grünen Mannes erinnert an die unheimlichen Gewächse in Menschenform aus „Auslöschung“ und auch die Tunnelszene sorgt für Gänsehaut. Jessie Buckley ist angenehm unverbraucht und Rory Kinnear liefert in seiner Mehrfachrolle ein absolutes Meisterstück ab.

  • Danke für die Vorstellung, Elmar. Hab den Film damals leider im Kino verpasst, werde ihn mir am Wochenende aber endlich mal ansehen. Meine Erwartung ist recht hoch: Bin großer Alex Garland-Fan und mochte bisher all seine Filme ("Annihilation", "Ex Machina"), seine Romane ("Der Strand", "Das Koma") und auch seine Serie ("Devs"). Jessie Buckley ist sowieso immer sehenswert, besonders in "I'm Thinking of Ending Things" und "Chernobyl" fand ich sie absolut großartig. Und der Score von Ben Salisbury & Geoff Barrow ist ebenfalls ziemlich stark. Es kann also eigentlich nur gut werden... Andererseits hat "Men" ja ziemlich polarisiert und dabei auch ein paar vernichtende Kritiken bekommen. U.a von Jeff Vandermeer. Es bleibt spannend.


    Hier mal noch der Teaser:


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  • Man muss sich eben damit anfreunden, dass der Film überhaupt keine Lesart anbietet/nahelegt.

    Auch das Ende fand ich unnötig. Ich weiß nicht, was das sollte, möchte jetzt aber auch nichts verraten, wenn du dir den Film noch anschaust.


    Ja, Jessie Buckley hat mich auch beeindruckt. Hab sie das erste mal wahrgenommen.

    "I'm Thinking of Ending Things" hängt schon länger in der Netflix Watchlist.

    "Ex Machina" auch :)

  • Man muss ich eben damit anfreunden, dass der Film überhaupt keine Lesart anbietet/nahelegt.

    Damit habe ich eigentlich gar keine Probleme. Ganz im Gegenteil sogar. Finde so etwas immer ganz reizvoll.

    "I'm Thinking of Ending Things" hängt schon länger in der Netflix Watchlist.

    Da kann ich dir noch den gleichnamigen Roman von Ian Reid empfehlen, auf dem der Film basiert.

  • Danke für die Vorstellung, den Film schreibe ich mir definitiv mal auf die Liste.

    Würde ich auch, wenn er da nicht schon stünde :)

    Scheint ja ein schwer etikettierbarer, erklärbarer Film zu werden. Gut so, einfache "Wahrheiten" gibt es sowieso schon zu viele (die dann gar keine sind).

    Danke für die Vorstellung, Elmar. Hab den Film damals leider im Kino verpasst, werde ihn mir am Wochenende aber endlich mal ansehen. Meine Erwartung ist recht hoch: Bin großer Alex Garland-Fan und mochte bisher all seine Filme ("Annihilation", "Ex Machina"), seine Romane ("Der Strand", "Das Koma") und auch seine Serie ("Devs"). Jessie Buckley ist sowieso immer sehenswert, besonders in "I'm Thinking of Ending Things" und "Chernobyl" fand ich sie absolut großartig. Und der Score von Ben Salisbury & Geoff Barrow ist ebenfalls ziemlich stark. Es kann also eigentlich nur gut werden... Andererseits hat "Men" ja ziemlich polarisiert und dabei auch ein paar vernichtende Kritiken bekommen. U.a von Jeff Vandermeer. Es bleibt spannend.

    Oh ja, da mach ich mit! Also: Garland kenne ich natürlich von seinen Filmen her. Und seit ich merkte, was der alles macht, verfolge ich auch alles, was er anfasst. "Devs" habe ich auch gesehen -und muss ich sehr bald nochmal sehen, glaube ich. Die Serie ging irgendwie unter, was ich so gar nicht verstehe.

    Seine Romane liegen wenigstens schon mal auf dem SUB. Immerhin...

  • Inzwischen dann auch mal gesehen. Hab den Film weniger gemocht als erhofft, aber mehr als befürchtet.

    Die Leseart ist mMn eigentlich recht klar und doch schon allein durch den Titel vorgegeben - soll heißen: anti-patriarchalisch. Das kann man, was die Umsetzung angeht, mitunter etwas flach finden, sollte dabei aber nicht vergessen, aus welcher Perspektive hier erzählt wird. Man kann jedoch kritisieren, dass Jessie Buckley bis zum Ende ein reines Opfer bleibt. Garland bedient dabei aber eher die typischen Mechanismen des Horrorfilms und versucht weniger ein Statement über Female Empowerment abzuliefern - Die Botschaft: It's a man's world! Es gibt kein Entkommen! Oder wie es im wirklich furchtbaren deutschen Zusatztitel heißt: Was dich sucht, wird dich finden.

    Dem Film Misandrie vorwerfen zu wollen (wie es häufig geschehen ist) ist aber auch absoluter Blödsinn. Es geht hier mMn um eine rein individuelle Trauma-Verarbeitung einer zutiefst verstörten Frau, die gerade eine extrem toxische Beziehung, voller Gewalt und Gaslighting, hinter sich gebracht hat. Gerade am Ende des Films wird das nochmal sehr deutlich.

    Jessie Buckley macht dabei auch einen wirklich fantastischen Job, Rory Kinnear hingegen (und hier muss ich gleich schon wieder den Kritiken wiedersprechen) hat den Film für mich allerdings fast gekillt. Ich verstehe warum hier sämtliche Männerrollen von einer Person gespielt werden und finde die Idee dahinter auch reizvoll, die Umsetzung ist jedoch völlig misslungen. Die verschiedenen Kostümierungen inklusive falscher Zähne und Perücken wirkten auf mich größtenteils leider ziemlich albern und haben mich eher an "Little Britain" erinnert. Und sein Gesicht auf den Kopf eines kleinen Jungen zu morphen war auch keine Glanzleistung. Auch wenn es sicher gut gemacht ist.

    Zudem ist Kinnears Schauspiel völlig drüber. Besonders schlimm fand ich ihn als Priester. Da wird das Ganze dann auch so plakativ und mit dem Holzhammer präsentiert (Stichwort: Täter-Opfer-Umkehr), dass mich "Men" doch etwas verloren hat. Da hatte er mir als Frankensteins Monster in "Penny Dreadful" doch deutlich besser gefallen. Dort hat seine extrem theatralische Performance aber eben auch perfekt reingepasst, hier wirkte sie hingegen wie ein absoluter Fremdkörper. Generell hatte ich permanent das Gefühl, dass Buckley und Kinnear in ihren gemeinsamen Szenen in zwei unterschiedlichen Filmen mitspielen.

    "Men" lohnt sich aber trotzdem (irgendwie) - Allein schon wegen dem wirklich sehenswerten Finale: Die Incels haben es dort nämlich geschafft, brauchen keine Frauen mehr und gebären sich, in einem unendlichen Kreislauf, permanent selbst... Alptraum-Bilder die man definitiv nicht mehr so schnell vergisst. Aber hey, it's the circle of life.