Erik R. Andara - Der Holmgang

  • Bevor es Frühling wird, wollte ich mir Der Holmgang von Erik R. Andara zu Gemüte führen. Das Buch – ein Kurzroman oder eine Langerzählung – hat mich nun ein paar Tage begleitet und ich bin so frei, meine Eindrücke hier zu schildern.


    Worum geht’s

    Birger Dreitillson, genannt der Narbenlose, ist ein Holmgaenger. Als Holmgaenger obliegt es ihm – gegen Bezahlung –, ein unparteiisches Schiedsgericht auszuüben. Untrüglicher Wegweiser bei dieser Art der Rechtsprechung ist sein Schiedsschwert, das er wohlverwahrt auf dem Rücken mit sich trägt. Diese besondere Waffe sagt ihm buchstäblich, wo es langgeht und hilft ihm, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

    Zum Zeitpunkt, als die Erzählung beginnt, stiefelt der Holmgaenger durch die nördliche Khor, eine lebensfeindliche, unübersehbare Eiswüste. Birger weiß nicht, wohin ihn sein Weg führen wird. Ja er weiß noch nicht einmal, wo er herkommt, nur so viel: dass er wieder einmal auf dem Weg ist, ein Urteil zu fällen.

    In einer wunderlichen Schänke, die sich inmitten der frostigen Ödnis auftut, lernt er den mächtigen Janahr und dessen Leibdienerin Moma kennen. Letztere ist nicht viel mehr als ein in ölige Bandagen gewickeltes Gespenst mit kampferprobten Fähigkeiten Der adelige Janahr hingegen scheint vor allem ein Meister magischer Künste zu sein.

    Schnell wird klar, dass Janahr eine ganz bestimmte Agenda verfolgt. Dazu benötigt er offenbar den Holmgaenger. Und da dessen Schiedsschwert keine Einwände erhebt, macht man sich gemeinsam durch die Eiswüste auf den Weg zum „Zahn der Welten“ – der sich sozusagen als Schicksalsberg des bemerkenswerten Trios entpuppen wird …


    Eindruck

    Während das Handlungsgerüst der Erzählung recht geradlinig ist, erweist sich ihr Verlauf als höchst unsicher und schwankend. Sinnestäuschungen und Realitätsturbulenzen bestimmen die Reise, deren Ziel Birger bis zum Schluss ein Rätsel bleibt. Nur spärlich informiert ihn der alte Janahr über Sinn und Zweck der ganzen Unternehmung. Moma, die wandlungsfähige „Daemonin“ ist in diesem Mysterium auch nur ein weiteres Puzzleteil und außerdem ihrem Meister zu absolutem Gehorsam verdonnert.

    So muss unser Held vieles mit sich selbst und seinem Schiedsschwert ausmachen. Und nur tröpfchenweise sickert Birger die so langersehnte Erinnerung zu, die ihm letztendlich Identifikation und Orientierung ermöglicht.

    Davon ab muss er natürlich einige furiose Kämpfe ausfechten. Mit Eisgiganten in den sich auftürmenden Eisschollen der Khor. Oder mit einem verästelten Spinnenwesen in düsteren Katakomben. Und dann sind da noch die sogenannten „Bedeckten“ – irgendeine schwer fassbare Materialisation, die aus entfernten Räumen in die Geschicke des Holmgaengers hineingreift.


    Fazit

    Der Holmgang ist ein klirrend kaltes Stück Literatur, eine betörende Welt voller Überraschungen und ein Roman mit einem starken Flow. Die Traditionen, in der er sich bewegt, wurden genannt: Sword & Sorcery und Kosmischer Horror (Tobias Reckermanns Nachwort geht darauf ein). Mal diese Genre-Markierungen außen vor gelassen: Ich habe großen Respekt vor der imaginativen Leistung, die hinter all dem steckt. Bis ins Detail hat der Autor daran gefeilt, eine möglichst fremdartige Sphäre zu schaffen, ablesbar in den Namensschöpfungen, der Flora und Fauna oder auch in den kulturellen und religiösen Belangen seiner Protagonisten. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin.“ – So empfand ich jedenfalls meine Reise durch die sich dunkel öffnende Wunderwelt. Und sollte sich Birger noch einmal auf einen neuen Holmgang begeben … so wäre ich nicht abgeneigt, ihm abermals zu folgen.


    Ich vergebe 5 Daumen (von 5)


    :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

  • Arkham Insider Axel

    Oh, wow, das freut mich. Dem Recht sei Genüge getan, wenn ich anführe, dass MALMSTURM als Rollenspielwelt hier zur Inspiration diente und mir eine wirklich starke Idee und Gerüst von dem, was diese Welt ist, bietet. Ich selbst war eingeladen, diese Welt zu beschreiben, zu detaillieren, zum Leben zu erwecken, und das hat massiv Spaß gemacht, weil das grundlegende FATE-System (das ist das prinzipielle Regelwerk) genau dazu einladet. Also Dinge wie Religionen, Kleidung, Pflanzen, den Beruf des Holmgaengers, die Götterwelt, die Winterkönige, die Großen Häuser etc. durfte ich dazudichten.

    Ich freue mich gerade außerordentlich, dass Dich das unterhalten hat. Danke für die Rückmeldung!

  • Dem Recht sei Genüge getan, wenn ich anführe, dass MALMSTURM als Rollenspielwelt hier zur Inspiration diente und mir eine wirklich starke Idee und Gerüst von dem, was diese Welt ist, bietet.

    Ich habe mich damit am Rande beschäftigt, ohne zu sehr in die Materie einzutauchen, um das Buch unabhängig davon betrachten zu können. Ich denke, das war auch in deinem Sinn.


    Ja, nun warte ich natürlich auf reactions der geschätzten Foren-Gemeinde, wo das Buch ja schon tw. eingetrudelt ist. Die komplexeren Strukturen, die hinter Figuren und Schauplätzen stecken, konnte und wollte ich in meinem kurzen Text nicht ausführen. Mich würde wirklich sehr interessieren, wie das Ganze auf andere Leserinnen und Leser wirkt.

  • Zitat

    Ich habe mich damit am Rande beschäftigt, ohne zu sehr in die Materie einzutauchen, um das Buch unabhängig davon betrachten zu können. Ich denke, das war auch in deinem Sinn.

    Ahhh, danke :) Die Wirkung auf Leser*innen interessiert mich natürlich auch ^^

  • Im Prinzip hat Arkham Insider Axel schon alles zum Inhalt gesagt, was spoilerfrei möglich ist. [Skl]


    Über Erik R. Andaras Schreibe muss man imho nicht mehr viel sagen, das Buch sprudelt vor Ideen, die Charaktere haben in schöner S&S Manier eine Geradlinigkeit ohne viel Tiefe, was die Story in angenehmen Tempo voranbringen. Das Ende ist ist von der Idee her keine Neuerfindung, hat stilistisch aber selten so gut gepasst. Die Verknüpfung von S&S und kosmischen Schrecken findet subtil und unaufdringlich statt und fügt sich harmonisch zusammen.


    Die Haptik und der Satz sind in gewohnter Nighttrain/Whitetrain Qualität und das KI-generierte Cover passt prima zum Inhalt.

    Das auf den Punkt gebrachte Nachwort rundet ein gelungenes Werk ab.


    Einziger Wermutstropfen für mich war die teils etwas spärliche Erklärung der Welt von Malmsturm für Leute ohne Vorkenntnisse.


    Ansonsten bin ich ganz bei Axel: Falls sich Erik nochmal in diese Welt begibt, bin ich gerne wieder dabei.

  • Vielen Dank, inferninho .

    Ja, der Glossar fehlt schmerzlich, das ist aber leider Rechtlichem geschuldet (die Geschichte ist eigentlich im Auftrag von den Malmsturm-Machern entstanden, dann aber aus Gründen separat veröffentlicht worden). Aus gleichem Grund wird es auch keine Rückkehr ins Universum geben. Aber ich möchte inzwischen nicht mehr ausschließen, eine richtige Fantasy-Trilogie in meinen älteren Jahren zu schreiben. Allerdings nur dann, wenn sich ein größerer Verlag findet, der die herausbrinngen möchte, weil es eine gewisse finanzielle und verlegerische Absicherung braucht, um mich vier, fünf Jahre an eine einzige Geschichte zu binden.

    Ich freue mich sehr, dass Du das Buch mochtest.