D.P. Watt gehört wohl zu den herausragendsten Stimmen der zeitgenössischen Weird Fiction – „irgendwo zwischen E. T. A. Hoffmann, Nabokov und Ligotti“ (zit. Charles Schneider).
Meine Meinung:
Von D.P. Watts ist bereits die Geschichte "Archontes Ascendant" in der großartigen Anthologie "Nighttrain: Nachtschatten" erschienen, die dem Werk von Thomas Ligotti gewidmeten war – Mit "Ophelia" folgt nun eine zweite Veröffentlichung. Und zwar in der noch recht neuen Chapbook-Reihe bei Whitetrain, in der zuvor schon Reckermanns "Das Unikat" und Zelenyj "Die Tiere des Exodus" verlegt worden sind.
Für das gelungene Cover zeichnet sich mal wieder Peter Mordio (Reckermann) verantwortlich und hat dafür auf eine Illustration von John Everett Millais zurückgegriffen. Das Bild zeigt Ophelia (aus Shakespeares "Hamlet") kurz vor ihrem Tod durch Ertrinken. Ein äußerst passendes Motiv, denn Wasser spielt hier durchaus eine tragende Rolle.
Mit 9 Seiten haben wir es dieses Mal jedoch mit einer äußerst kurzen Geschichte zu tun. Eine richtige Handlung darf man dabei auch nicht erwarten. Vielmehr ein Schwelgen in Erinnerungen an eine (vergangene) Welt voller Magie. "Unsere Zeit war eine Sommerböe, das Sichöffnen von Blumen in der Morgensonne, das Zucken eines Katzenschwanzes, der Tau auf Spinnenweben, Raureif auf einer im Schatten liegenden Sonnenuhr, das allmähliche Langsamwerden eines Kreisels; unsere Zeit war Bleistift und Kreide, nicht Federhalter und Tinte – sie wurde ausradiert und entstand in einem einzigen Augenblick tausendmal neu, und ein Nachmittag konnte drei Monate dauern oder mit dem Blinzeln tränenvoller Augen dahingeschwunden sein."
Dabei hat die Geschichte etwas sehr märchen- und auch rauschhaftes an sich und wirkt generell wie eine Szene aus einem Traum... der dann jedoch irgendwann zum Alptraum wird. Wie der Erzähler wird man während der Lektüre schnell mitgerissen, lässt sich immer mehr treiben und versinkt schließlich völlig in den Worten. Und durch den Kniff am Ende, durch den man erfährt wer bzw. was hier erzählt (und auch von wo) gewinnt das Ganze dann nochmal an Emotionalität und eröffnet der Geschichte eine völlig neue Perspektive. Definitiv ein starkes Ende.
Ergänzt wird das Ganze dann noch um ein 14seitiges Interview. Dort wird auf jede Menge weitere Erzählungen von D.P. Watt eingegangen, die wir in übersetzter Form wahrscheinlich jedoch leider niemals lesen werden. Trotzdem oder gerade deswegen ist das Gespräch aber äußerst interessant und bietet einen gelungenen Überblick über das Schaffen des Autors, dessen Schwerpunkte, Ansätze und Inspirationen.
Fazit:
Sicher kann man über die geringe Seitenzahl von "Ophelia" streiten und das nächste Mal darf es gerne auch wieder etwas umfangreicher werden - Dafür dass Autoren wie Watt oder Zelensky, die aufgrund ihrer Andersartigkeit/Sperrigkeit sicher kein großes Publikum ansprechen, hierzulande veröffentlicht werden, zahle ich aber auch in Zukunft gerne etwas mehr und bin Whitetrain für solche Chapbooks unendlich dankbar.