• Zitat von Ender

    Du haust hier eine Leiber-Leseerfahrung nach der anderen raus und ich habe schon seit Jahren "Hexenvolk" ungelesen im Regal stehen. Schande! Aber man kommt ja zu nix..

    Genau mein Gedanke...


    Besten Dank an dieser Stelle für die Besprechungen, Cheddar Goblin

  • Besten Dank an dieser Stelle für die Besprechungen

    Immer wieder gern.

    Du haust hier eine Leiber-Leseerfahrung nach der anderen raus und ich habe schon seit Jahren "Hexenvolk" ungelesen im Regal stehen. Schande! Aber man kommt ja zu nix..

    Das kenne ich gut. Aus privaten und beruflichen Gründen, werde ich mein Tempo hier in Zukunft auch etwas drosseln müssen. Sobald ich mit "Das Licht der Finsternis" fertig bin, werde ich aber endlich mal "Hexenvolk" lesen. Thematisch scheint das auch ganz gut zu passen. Zumindest behandeln beide Romane ähnliche Themen. Wenn auch auf ganz unterschiedliche Art.

  • Das Licht der Finsternis



    Klappentext:

    "Die Menschheit versinkt in einem zweiten finsteren Zeitalter. Angst heißt die neue Religion und freies Denken ist ihre Todsünde. Skrupellose Wissenschaftler haben die Kontrolle über die Welt an sich gerissen und unterdrücken die Menschheit mit der Behauptung es gebe übernatürliche Kräfte. Doch dann erweisen sich die angeblichen Wunder als Täuschungen."


    Inhalt & Meinung:

    Die Handlung spielt im Jahr 2305. Dort haben Wissenschaftler erkannt dass Religion das beste Mittel ist, um die Menschheit kontrollieren zu können und daher die "Hierarchie des Großen Gottes" ins Leben gerufen. Sie behaupten von Gott persönlich erwählt worden zu sein, um seine Schäfchen wieder auf den Pfad der Tugendhaftigkeit zurückzuführen. Dabei werden alle unliebsamen oder aufmüpfigen Bürger*innen als Hexe oder Hexer gebrandmarkt. Zum Beweis werden ihnen schnell und unbemerkt Hexenmale zugefügt, anschließend werden sie hingerichtet oder in Straflager gesteckt.

    Diener der Hierarchie sind "Priester", die immer paarweise zusammenarbeiten, damit sie sich gegenseitig bespitzeln können. Zuvor werden sie jedoch mit einem Elektronenmikroskop und anderen Geräten auf ihre Tauglichkeit getestet, was durchaus etwas an L. Ron Hubbard bzw. die Kirche von Scientology denken lässt. Die Priester sind (neben der Hierarchie) die Einzigen, die wissen dass alles nur Lug und Trug ist und Gott gar nicht existiert, beziehungsweise nur eine von den Wissenschaftlern erbaute, riesige Maschine ist.

    Auf der anderen Seite des Machtspektrums steht eine Gruppe von Rebellen, die sich selbst als Satanisten bezeichnen. Sie schlagen den Feind mit seinen eigenen Waffen, in dem sie die von der Hierarchie verbreitete Angst vor Hexen und dem Teufel nutzen, um sie so ins Wanken zu bringen. Ihre Zauber und Flüche haben jedoch nichts mit Magie zu tun, sondern basieren rein auf Technik.


    Die Mischung aus tiefsten Mittelalter und absoluter High-Tech (Raumschiffe, Anti-Entropie-Kanonen, Sympathiestrahlung) erinnert etwas an "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein" von Arkadi und Boris Strugatzki.

    Leiber wechselt in jedem Kapitel die Perspektive/Fraktion und Figuren und entwirft so nicht nur eine äußerst komplexe Welt, sondern sorgt auch dafür dass es nie langweilig wird. Im Zentrum steht dabei jedoch der abtrünnige Priester Jarles. Ein äußerst interessanter Protagonist. Jarles wird nämlich schon recht früh gefangengenommen und durch Foltermethoden, die sehr an die Ludovico-Technik aus "Clockwork Orange" erinnern, umprogrammiert. Ab da läuft er nur noch fremdgesteuert durch die Gegend, während in seinem Unterbewusstsein permanent sein altes und sein neues Ich gegeneinander ankämpfen und mal der "Priester" und mal der "Hexer" in ihm die Kontrolle übernimmt. Dadurch bleibt er das ganze Buch über völlig unberechenbar und man kann sich nie sicher sein, ob er seiner geliebten Sharlson Naurya bei ihrem nächsten Treffen leidenschaftlich in die Arme fällt oder ihr die Kehle aufschlitzt.

    Leiber präsentiert in "Das Licht der Finsternis" generell die gesamten Facetten seines Schaffens und vereint Fantasy, Sci-Fi und Horror. Letzterer kommt allein schon durch die Taten der "Satanisten" ins Spiel, die für ihre Terroranschläge u.a. auf selbst geschaffenen, affenähnliche Doppelgänger zurückgreifen, mit denen sie symbiontisch verbunden sind und die sie mit ihrem Blut nähren. Manchmal nehmen ihre Aktionen aber auch völlig absurde Züge an. Z.B. wenn Priester bei einer Hausdurchsuchung plötzlich von einer "lebendigen" Couch angegriffen werden.

    Es ist auch beeindruckend was hier innerhalb von gerade mal 230 Seiten alles passiert. Wäre "Das Licht der Finsternis" heutzutage erschienen, hätte man daraus mindestens ein fünfbändiges Epos gemacht. Die Kürze hat aber den Nachteil, dass der Roman stellenweise doch etwas überladen wirkt. Es hätte nicht jede der vielen Nebenhandlungen gebraucht und manche Figuren sind für das große Ganze am Ende auch eher belanglos. Z.B. Mutter Jujy, die hier eigentlich nur als Comic Relief dient.

    Außerdem erzielt nicht jeder Twist, den sich Leiber ausgedacht hat, die erwünschte Wirkung. Die Auflösung wer hinter Asmodeus, dem Anführer der Rebellen, steckt, kommt zwar völlig unerwartet, ist dafür aber auch recht unspektakulär. Und die Dramatik rund um das Luzifer-Schiff verpufft fast vollständig, weil es zuvor eben nicht wirklich etabliert wurde und in der finalen Schlacht als Deus Ex Machina völlig aus dem Nichts auftaucht. Das ist aber meckern auf hohem Niveau.


    Fazit:

    Trotz kleinerer Mängel ist "Das Licht der Finsternis" richtig, richtig gut. Oder um mal den Klappentext zu zitieren: "Ein lang übersehenes Juwel aus dem Schatz des Altmeisters der phantastischen Science Fiction."

  • Meine Leiber-Sammlung wächst...



    Sämtliche Romane und (bis auf die vier Fafhrd-Bände) auch sämtliche Storysammlungen, die hierzulande von Leiber erschienen sind. Das Schöne: Abgesehen von den EP-Büchern und "Writers of the Dark" hat der Spaß pro Buch nur ein paar Cent oder Euro gekostet.

    "Hexenvolk" habe ich inzwischen übrigens nach 100 Seiten abgebrochen. Vielleicht gibt's heute oder morgen noch eine kurze Besprechung dazu...

  • This is the way.

    So sieht's aus. So schnell dürfte mir der Lesestoff jedenfalls nicht ausgehen. Vorausgesetzt ich breche davon kein weiteres Buch mehr ab...

    Schade, dass du Hexenvolk nicht mochtest...

    Wirklich schade... hier meine Begründung:


    Hexenvolk



    Klappentext:

    "Hinter jedem großen Mann, so das populäre Sprichwort, steht eine große Frau … womöglich gar eine mit Zauberkräften? Was, wenn die zahlreichen Errungenschaften, auf die man(n) so stolz ist, gar nicht denkbar wären, würde Frau nicht ab und zu hilfreich und mit magischen Tricks eingreifen? Das muß der Universitätsprofessor Norman Saylor am eigenen Leib erfahren, als er seiner Frau Tansy verbietet, seine Karriere mittels Zauberei zu fördern … sein Leben wird zum Alptraum, aus dem es kein Entrinnen gibt."


    Inhalt & Meinung:

    Ein Buch zu besprechen, das man abgebrochen hat, weil es einem absolut nicht gefallen hat, ist natürlich schwierig. Ich versuche es trotzdem mal, beziehe mich bei meiner Kritik aber größtenteils nur auf die ersten 120 Seiten. Länger habe ich nämlich nicht durchgehalten.

    Ein paar Worte zum Inhalt: Leiber fackelt hier mal wieder nicht lange. Dass sich die Frau von Norman mit Magie beschäftigt, erfährt man schon auf den ersten Seiten. Norman hält sie deswegen für geisteskrank. Er ist aber auch der Autor eines Buches namens "Die Parallelen zwischen Aberglaube und Neurosen" - Ihm bleibt also eigentlich gar nichts anderes übrig.

    Tansy rebelliert zunächst: "Warum schnallst du mich nicht fest und steckst Nadeln in mich? Das hat man doch früher gemacht. (...) Wenn ich nicht tue, was du sagst, komme ich in eine geschlossene Anstalt. Ist es so?" Doch sie knickt schnell ein, erkennt das ihre Experimente nur weibischer Blödsinn waren und fügt sich brav ihrem Mann. Kurz danach bricht jedoch die Hölle los.

    Meine Meinung: Ich würde (sofern ich das beurteilen kann) "Hexenvolk" nicht als Horrorroman bezeichnen. Es ist viel eher eine Satire (mit leichten Fantasy-Elementen). Eine Satire über völlig bigotte Kleinstadtbürger, vornehmlich Bürgerinnen, die sich nach Außen zwar völlig spießig und verklemmt gegeben, innerlich aber zutiefst verdorben sind. Und eine Satire über den Universitätsbetrieb und das amerikanische Bildungssystem.

    Letzter Punkt hat mir noch ganz gut gefallen und etwas an die H.G. Wells Novelle "Die Erscheinung von Camford" erinnert. Der Rest hat mich allerdings zu Tode gelangweilt/genervt. Leiber präsentiert uns hier einen albernen Zickenkrieg, unter wirklich unerträglichen Frauen, mit banalen Problemchen, die sich gegenseitig die Augen auskratzen, um so die beruflichen Karrieren ihrer Männer zu fördern. Ach so, die Frauen sind übrigens ausnahmslos alle Hexen, weil nämlich generell alle Frauen Hexen sind. Wtf! Außerdem: Wenn einem fast jede Figur in einem Roman auf den Geist geht, ist das meist kein gutes Zeichen.

    Was mich ebenfalls extrem gestört hat, ist der Punkt, dass hier alles extrem konstruiert ist (Ja, zwei mal extrem in einem Satz!). Die Dinge eskalieren nur, weil Norman und Tansy nicht miteinander reden und weil Norman dabei permanent das völlig Offensichtliche/Logische leugnet. Trotzdem darf er hier am Ende als strahlender Held auftreten. Laut diversen Zusammenfassungen, die ich im Internet gefunden habe, läuft später nämlich alles auf einen typischen "Damsel in distress"-Plot hinaus: Tansy wird entführt bzw. ihre Seele wird geraubt und Norman muss sie retten. Zum Glück kann er nach einer kurzen Recherche aber besser zaubern als all die bösen Frauen, die sich schon ihr ganzes Leben mit Hexerei beschäftigt haben.

    Vielleicht irre ich mich ja, aber ich glaube nicht, dass ich durch meinen Abbruch viel verpasst habe.


    Fazit:

    Das schlechteste Buch, das ich bisher von Fritz Leiber gelesen habe. Warum "Hexenvolk" bis heute als einer der besten Horrorromane aller Zeiten gilt (Stephen King sieht in ihm sogar die "Geburtsstunde des modernen Horrors"), ist mir völlig schleierhaft. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass das hier Leibers Debüt war. Schon mit seinem nächsten Roman "Das Licht der Finsternis", welcher sich ebenfalls mit dem Hexenthema beschäftigt, wurde es sehr viel besser. Wirklich sehr, sehr, sehr viel besser (Ja, drei mal sehr in einem Satz!).

  • Cheddar Goblin

    Ich kann Dir sagen, warum ich es zu meinen Liebling von ihm zähle (das kontroverse Frauenbild kann man diskutieren, habe ich aber vielschicjtig in Erinnerung): der Mythos, den er hier zu schaffen beginnt, hat mich wahnsinnig fasziniert. Die Geschichte selbst ist konstruiert, klar, aber sein Magie- und Entitätenystem hat mich in dem Buch einfach verzaubert.

  • ...das kontroverse Frauenbild kann man diskutieren, habe ich aber vielschichtig in Erinnerung...

    Manche Kritiken loben den feministischen Ansatz (starke Frauen, die ihre Männer wie Marionetten tanzen lassen, ohne das diese etwas davon ahnen), manche werfen Leiber hingegen reine Misogynie vor. Ich möchte mir da überhaupt kein Urteil erlauben, weil ich nicht die komplette Geschichte kenne.

    Aber egal wie man das Ganze aber interpretiert; ich fand die Frauenfiguren in "Hexenvolk" einfach nur unglaublich anstrengend.

    ...aber sein Magie- und Entitätenystem hat mich in dem Buch einfach verzaubert...

    In der ersten Hälfte war davon noch kaum etwas zu finden. Sowieso: Alles was ich über Magie weiß (und das ist nicht viel), habe ich von Alan Moore und Grant Morrison gelernt. Ich weiß aber dass du da viel tiefer drinsteckst und den Roman daher wahrscheinlich auch ganz anders liest.

  • Schicksal mal drei/ Welten des Grauens



    Klappentext:

    "Wie alle Menschen lebt Thorn in einem idyllischen Utopia. Doch bei den Bewohnern dieser sorgenfreien Welt nimmt die Zahl derjenige zu,

    - die sich für jemand anderes halten,

    - die ihre nächsten Verwandten nicht wiedererkennen,

    - die ihr Gedächtnis ganz oder teilweise verloren haben.

    Als Thorn die Welt warnen will, findet er sich plötzlich im Körper eines anderen Thorn auf einer anderen Welt wieder, einer düsteren Alternative zu der Erde, die er kennt."


    Inhalt & Meinung:

    Hierzulande ist der Roman zunächst 1945 in einer stark gekürzten Version bei Moewig unter dem Titel "Welten des Grauens" erschienen. 1981 folgte dann eine vollständige Veröffentlichungen bei Bastei Lübbe als "Schicksal mal drei." Aber auch in dieser Version ist der Roman nicht besonders umfangreich und bringt es gerade mal auf 140 Seiten.

    Im Zentrum der Geschichte steht Thorn, ein Wissenschaftler, der feststellt, dass immer mehr Menschen kollektiv an den gleichen Alpträumen leiden. Zudem erkennen manche Menschen ihre Familienangehörige plötzlich nicht mehr wieder und denken dass sie durch identische Zwillinge ersetzt wurden (siehe: Capgras-Syndrom). Thorn glaubt nun an eine Invasion fremder Wesen, die versuchen unsere Körper zu übernehmen.

    Das alles erinnert natürlich stark an "The Body Snatchers". Leibers hat diese Geschichte aber fast 10 Jahre vor dem bekannten Klassiker geschrieben und entwickelt das Ganze auch schnell in eine völlig andere Richtung. Im Verlauf der Handlung kommt es z.B. immer wieder zu sehr surrealen und düsteren Abschnitten, die eher an einen Weird-Fiction-Roman erinnern. Passenderwiese zitiert Leiber dort auch aus Lovecrafts "Nyarlathotep" und "The Hunter od the Dark". Gerade letzte Geschichte, die auf Deutsch den schönen Titel "Der leuchtende Trapezoeder" trägt, war sicher auch eine große Inspiration für "Schicksal mal drei".

    Thorn leidet seit seiner Kindheit an äußerst bizarren Alpträumen, in denen er zusammen mit unzähligen anderen Menschen durch kanalähnliche Gassen getrieben wird. Und nachdem er im echten Leben, in einem Trance-ähnlichen Zustand gerät und durch einen mysteriösen Wald irrt, landet er plötzlich genau in dieser Alptraumwelt. "Er beschleunigte seinen Schritt. Wieder schien etwas vor ihm aufzuwachsen - ein unstetes, pulsierendes, bläuliches Glühen. Es war wie das Nidhoggmotiv der Yggdrassilsynchromie. Nidhogg, der Wurm, der unaufhörlich an der in das Totenreich ragenden Wurzel des Lebensbaumes nagte. Es trieb summend auf ihn zu. Dann, langsam, wurde es zu einem Gesicht. Es war sein eigenes (...) Irgendwoher, vielleicht tief aus ihm selbst kam das Echo eines höhnischen, spöttischen Gelächters."

    Sein Partner Clawly versucht in der Zwischenzeit die Regierung vor der drohenden Invasion zu warnen, doch da man ihm nicht glaubt, inszeniert er einen Angriff vom Mars. Eine ähnliche Idee hatte Leiber ja schon in seiner Kurzgeschichte "Gesucht – ein Feind" umgesetzt, die ebenfalls 1945 erschien. Aber auch an H.G Wells großartige Novelle "Kinder der Sterne" musste ich denken.

    Das Rätsel, was es mit der Alptraumwelt und den restlichen Phänomenen auf sich hat, wird jedoch schon sehr früh aufgelöst (nämlich schon auf Seite 40): Wissenschaftler, die sich selbst für Gott halten, sind in die Hände, einer von kosmischen Wesen geschaffenen Wahrscheinlichkeitsmaschine gelangt und experimentieren damit herum. Dadurch haben sie drei Parallelwelten geschaffen: Eine Utopie, eine faschistoide Dystopie und eine Postapokalypse. Thorn macht sich nun auf die Suche nach den Erbauern der Maschine, um den drohenden Welt(en)untergang zu verhindern.

    Auf den 140 Seiten passiert mal wieder jede Menge. Die drei Welten kommen dabei allerdings etwas kurz. Thorn hält sich dort immer nur für wenige Kapitel auf und reist sofort wieder weiter. Und nachdem das große Geheimnis aufgeklärt ist, ist leider auch etwas die Luft raus. Auch wenn Leiber anschließend immer noch genug Twists in petto hat. Allein im vorletzten Kapitel stecken genug Ideen für 10 weitere Romane. Trotzdem wäre da sicher mehr drin gewesen. Und ein paar zusätzliche Seiten, hätten dem Roman definitiv auch gutgetan.


    Fazit:

    Kurzer und kurzweiliger Parallelweltroman, voller Anspielungen auf andere Leiber Geschichten und die nordische Mythologie, der sein Potential aber nicht völlig ausschöpft. Dennoch lesenswert.

  • Meine Leiber-Sammlung wächst...

    Tatsächlich wusste ich nicht, dass so relativ viel von Leiber auf Deutsch erschienen ist. Allerding habe ich selbst noch bei meinen Playboy-Bänden geschaut, weil: mir war doch so …! Aber nein, der Leiber-Band befindet sich nicht in meiner Bibliothek, so dass ich hier schon eine Fehleinschätzung vermutete. Jetzt sehe ich, dass da doch ein Band erschienen ist. Ich schätze, dass es sich um eher älteres Material aus den Pulps und Digests handelt?

  • Tatsächlich wusste ich nicht, dass so relativ viel von Leiber auf Deutsch erschienen ist.

    Bis auf eine Adaption eines Tarzan-Films sind sämtliche Romane von ihm auf Deutsch veröffentlicht worden. Daneben noch sieben Storysammlungen und sicher noch unzählige Beiträge in diversen Anthologien. Da kann man definitiv nicht klagen.

    Ich schätze, dass es sich um eher älteres Material aus den Pulps und Digests handelt?

    Der Playboy-Band versammelt Kurzgeschichten, die ursprünglich zwischen 1944 und 1967 in verschiedenen Magazinen erschienen sind. Ich hatte das Buch auch hier besprochen, dabei jedoch das Cover der US-Ausgabe gepostet, weil ich das etwas ansprechender fand, als den hässlichen, blauen Moewig-Band. Die Sammlung hat sogar eine eigene Wikipedia-Seite, dort wird aber der Inhalt fast aller Geschichten gespoilert.

  • Aus privaten und beruflichen Gründen, werde ich mein Tempo hier in Zukunft auch etwas drosseln müssen.

    Oder man erhält einen positiven PCR-Test, begibt sich in Quarantäne und schafft es dadurch weiterhin jeden Tag ein Buch zu lesen.

    Hier also die total versaute, clickbait-freie Rezension zu...


    Die Sündhaften



    Klappentext:

    "Als eines Tages ein hübsches Mädchen zu ihm kommt, das offensichtlich schreckliche Angst vor ihm hat, ändert sich urplötzlich das Leben von Carr, einem kleinen Angestellten in einer Arbeitsvermittlung. Er trifft sich sich mit dem Mädchen namens Jane und erfährt, daß sie vor irgendwelchen Menschen Angst hat, vor einer Frau und zwei Männern, die sie angebliche verfolgen. Carr kommt mit diesen Leuten ebenfalls in Berührung, und von diesem Augenblick jagen sie auch ihn, denn er gehört zu den wenigen Menschen, die sie gesehen haben. Allmählich dämmert Carr die Erkenntnis, daß alle Menschen mechanische Wachspuppen sind, Teil einer gewaltigen Maschinerie. Das ganze Leben ist eine Maschine; und weil er zu dieser schrecklichen Erkenntnis gekommen ist, steht er automatisch außerhalb der Gesellschaft und existiert für die anderen nicht mehr..."


    Inhalt & Meinung:

    Während die restlichen Werke von Leiber als Taschenbücher bei Heyne, Goldmann und Bastei Lübbe veröffentlicht wurden, ist "Die Sündhaften" im Hohenheim-Verlag gelandet und hat dort sogar ein schickes Hardcover spendiert bekommen. Doch hat der Roman diese "besondere Behandlung" auch verdient?

    Zum Inhalt: Der Protagonist arbeitet beim Arbeitsamt und scheint dort auch ganz gut reinzupassen. Er ist nämlich chronisch frustriert, innerlich völlig tot und hasst Menschen abgrundtief. Beste Voraussetzungen für einen Job in einer Behörde also. Als Jane bei ihm auftaucht, beginnt er trotzdem allmählich seine Existenz zu hinterfragen und sein Leben wird völlig auf den Kopf gestellt.

    Der Anfang der Geschichte könnte auch aus einem PKD-Roman stammen (mysteriöse Frau, das Wegbrechen der Realität), danach fährt Leiber allerdings ordentlich das Tempo runter - Und zwar so sehr, dass die Handlung fast zum Erliegn kommt. Größtenteils passiert hier wirklich nicht viel: Carr streitet sich mit seiner Freundin, hängt im Büro ab, verliebt sich in Jane... und dazwischen wird sehr viel gerannt, gesoffen und gef***t.

    Die vielen Sexszenen haben wir übrigens dem damaligen Verlag des Romans zu verdanken. Zur Erklärung: Leiber hatte einen Teil des Buches (Titel damals: "You're All Alone") schon 1943 geschrieben, fand damals aber niemanden der den Roman veröffentlichen wollte. Erst als er das Ganze zu einer Kurzgeschichte umwandelte, zeigte einen Verleger Interesse. Die ursprüngliche Langfassung kam erst wesentlich später auf den Markt, allerdings änderte man dafür (ohne Leibers Einwilligung) den Namen in "The Sinful Ones" ("Die Sündhaften"), gab jedem Kapitel einen reißerischen/verruchten Namen, der meist wenig bis gar nichts mit dem Inhalt zu tun hat und der wie der Titel eines billigen Groschenhefts klingt ("Schatten des Ekstase", "Die Spur der Begierde", "Die Prostituierte mit dem gebleichten Haar") und sexte die enthaltenen Liebesszenen zusätzlich noch gehörig auf. Interessanterweise übernahm Leiber, als er die Rechte an seinem Roman zurückgekauft hatte und ihn 1980 wieder neu auflegte, sämtliche Änderungen und überarbeitet nur die Ficki-Ficki-Stellen ein bisschen, da sie ihm zu steif vorkamen (no pun intended). Das Ergebnis: Äußerst explizite Sexszenen, die innerhalb der Story jedoch wie Fremdkörper und generell eher störend wirken.

    Und wo wir gerade beim Thema sind – Let's talk about Sex bzw. the Elephant in the Room! Leiber thematisiert hier nämlich durchaus befremdliche Neigungen: Schon in "Herrin der Finsternis" fühlte sich der Protagonist erregt, als ihm ein kleines Mädchen versehentlich im Schritt berührte, später wurden spielende Kinder als "attraktiv" bezeichnet usw. Hier erzählt Jane (die wesentlich jünger als Carr ist) ihm irgendwann ganz beiläufig, wie sie im Alter von 12 ihrem älteren Vetter öfters mal "zur Hand gehen musste", wenn dieser bei keiner Frau landen konnte. Und ein Freund von Jane nutzt die Tatsache, dass er sich "außerhalb der Matrix" befindet, aus, um kleine Mädchen zu betatschen - Aber hey, "alles andere an ihm ist wirklich nett." Kein Scheiß! Ich möchte Leiber ja nichts unterstellen, die pädophilen Tendenzen in seinen Romanen sind aber doch auffällig. Dagegen wirkt selbst Lewis Carroll absolut koscher.

    Aber zurück zum Roman: Guter Anfang, nettes Ende, dazwischen extrem viel Leerlauf. Die erwähnte Kurzfassung ist daher wahrscheinlich die bessere Alternative, leider wurde sie jedoch nie übersetzt. Die Prämisse des Romans ist wirklich interessant und versprüht gelegentlich dezente "Sandmann"-Vibes, die Umsetzung ist aber nicht besonders gelungen. Während Leiber in den meisten seiner Romane, die ich bisher gelesen habe, ein wahres Ideenfeuerwerk abfeuert, zieht sich hier alles wie Kaugummi. Zudem wirkt die Geschichte einfach nicht wirklich zu Ende gedacht: Warum ist die Welt so, wie sie ist? Was steckt dahinter? Wir erfahren es nie. Und auch Carr und Jane geben es irgendwann auf, es verstehen zu wollen: "Vielleicht ist es wie bei einzelnen Atomen. Sie bewegen sich und explodieren ganz zufällig und niemand weiß warum." Näher kommen wir einer Erklärung nie.

    Generell werden hier viele Dinge angeteast, die dann nicht wirklich befriedigend aufgeklärt werden: Der Feind – Simple Verbrecher, die mit dem großen Ganzen nichts zu tun haben und genau so ahnungslos sind wie unsere Helden. Die große Bestie, die die ganze Zeit als schreckliche Ultima Ratio angekündigt wird – Einfach nur ein Leopard. Gähn!

    Zum Schluss noch eine paar Worte zur Übersetzung: Diese ist zweifelsfrei gelungen, dass alle Personen ständig "Hello", statt "Hallo" sagen, hat mich aber extrem gestört. Andererseits passt es irgendwie zur eher schmierigen Atmosphäre von "Die Sündhaften".


    Fazit:

    Nach einem grandiosen Anfang, geht dem Mystery-Thriller leider extrem schnell die Puste aus. Definitiv einer von Leibers schwächeren Romanen.

  • Oder man erhält einen positiven PCR-Test

    Gute Besserung!



    Hier also die total versaute, clickbait-freie Rezension

    Oha... da ist ja offenbar einiges aus Leibers Unterbewusstsein ins literarische Kraut geschossen. Andererseits kann man sich nur schwer vorstellen, dass ein Mann von Leibers einschlägigem Bildungsgrad hier nicht wusste, was er tut. Ein wenig klingt in deiner Rezension an, dass Leiber die Sache aus rein monetären Gründen "aufsexte" (schönes Wort). Ich bin über erotische Literatur aus den 40ern nicht im Bilde, amerikanische Filme aus jener Zeit unterlagen ja bekanntlich noch dem berüchtigten Hays-Code. Insgesamt verbinde ich diese Epoche nicht mit allzu explizitem Sex, insofern überrascht Leibers Beitrag doch ein wenig. Dass er dann auch gleich derart übergriffig und unappetitlich wurde... seltsam. Dabei klingt die Prämisse interessant, aber dies schriebst du ja auch schon.


    Immerhin ist das deutsche Cover recht nett; wenngleich es mit erotischer Konnotation irgendwie nach Fetisch aussieht. Huch.

  • Gute Besserung!

    Danke.

    Insgesamt verbinde ich diese Epoche nicht mit allzu explizitem Sex, insofern überrascht Leibers Beitrag doch ein wenig.

    Naja, erschienen ist das Ganze ja erstmals Mitte der Fünfziger. Da war man scheinbar schon etwas freizügiger.

    Die deutsche Ausgabe greift auch auf die überarbeitete Fassung aus den Achtzigern zurück, in der Leiber die Sexszenen nochmal deutlich detaillierter formuliert hatte. Das kann man mögen oder nicht. Ich fand es jedenfalls störend.

    Der Rest bleibt aber weiterhin eher befremdlich. Mal abwarten, was die restlichen Werke diesbezüglich noch zu bieten haben.