Fritz Leiber (1910 - 1992) schrieb unzählige Sci-Fi, Fantasy und Horrorgeschichten, arbeitet viele Jahre für das berühmte Magazin "Weird Tales", stand bis zu dessen Tod im engen Briefkontakt mit H.P. Lovecraft und hat im Laufe seiner Karriere diverse Hugo und Nebula Awards gewonnen. Zu seinen Lebzeiten zählte er zu den besten Phantastik-Autoren aller Zeiten, heutzutage ist er jedoch etwas in Vergessenheit geraten. Ich habe mir mal vorgenommen mich endlich etwas intensiver mit Leiber zu beschäftigen. Begonnen habe ich dabei mit:
Herrin der Dunkelheit:
Klappentext:
"Franz Westen ist Schriftsteller. Er schreibt Horrorserien fürs Fernsehen. Eines Tages fallen ihm in einem Antiquariat zwei Bücher in die Hände, die zusammengeschnürt sind: Das Tagebuch eines längst verstorbenen Autors und eines seiner Werke, das eine Rarität darstellt. Es trägt den Titel 'Megapolisomancy' und handelt vom bedrohlichen Urgeist der Großstädte, über die Gefahren der Zusammenballung von Menschen, Betonmassen und Stahl und über die Gespenster der Neuzeit, die in ihnen wachsen.
Franz Westen lebt in einem Mietshochhaus in San Francisco. Vom Fenster seines winzigen Apartments aus sieht er die Corona Heights, den düsteren Bergrücken inmitten der Stadt. Eines Morgens erblickt er auf dem Gipfel eine tanzende fahlbraune Gestalt. Ist es ein Hippie, ein Spinner, ein seltsamer Heiliger? Franz Westen beschließt der Sache nachzugehen. Er findet niemanden, als er auf dem Gipfel der Corona Heights steht. Als er mit dem Fernglas das Fenster seines Apartments sucht, stockt ihm der Atem. Er sieht im Fenster die fahlbraune Gestalt – und sie winkt ihm zu."
Inhalt & Meinung:
Der Titel des Romans bezieht sich auf eine der drei Mütter (Mater Tenebrarum), die ja auch schon Dario Argento zu diversen Giallo-Klassikern inspiriert haben. Der Protagonist von "Herrin der Dunkelheit" ist hingegen ein Alter Ego von Leiber selbst: Verwitwet, trockener Alkoholiker, Schriftsteller von Horrorgeschichten, der teilweise recht befremdliche sexuelle Neigungen zu haben scheint, die im Roman aber nicht weiter thematisiert werden. Stattdessen konzentriert sich zunächst alles auf das unheimliche Erlebnis welches Franz auf einem Berg in San Francisco hatte. Dieses geschieht zwar schon direkt zu Beginn, danach lässt sich Leiber aber sehr viel Zeit mit der Handlung. Ein Großteil des Romans besteht eigentlich nur aus Gesprächen die Franz mit seinen Freunden führt. Die Gruppe (bestehend aus Intellektuellen, Psychiatern, Musikern) unterhält sich seitenweise über LSD, Psychosen, Geister, die Manson-Family, Anton La Vey, Aleister Crowley... Ich habe mich aber trotzdem keine Sekunde gelangweilt.
Das im Klappentext erwähnte Tagebuch gehört übrigens einem gewissen Clark Ashton Smith, der im Verlauf der Handlung auch eine größere Rolle spielt. Und auch Lovecraft wird erwähnt: "Dieser puritanische Poe des zwanzigsten Jahrhunderts, mit seinen bedauernswerten, aber zweifellos vorhandenen Ekel vor den Schwärmen von Einwanderern, die, wie er fürchtete, die Traditionen und Denkmäler seines geliebten Neu-Englands und der ganzen Ostküste bedrohten."
Eine recht passende Charakterisierung. Ich würde wirklich gern wissen, ob Leiber Lovecrafts Rassismus auch während ihres Briefkontakts mal angeprangert hat? Vielleicht weiß Arkham Insider Axel oder Nils da ja mehr. Ich hab mir aber auch das Buch "Fritz Leiber and H.P. Lovecraft: Writers of the Dark" bestellt und kann dazu vielleicht demnächst etwas sagen.
Aber zurück zum Buch: Neben den Gesprächen des Künstlerkollektivs macht die Lebensgeschichte eines Mannes namens Thibaut de Castries den zweiten großen Teil der Handlung aus - Auch sie wird uns in Form eines langen Dialogs/Monologs präsentiert. De Castries ist eine Art Guru, dessen Ansichten etwas an den Unabomber erinnern und der in Anlehnung an Crowley den "Heremetischen Orden der Onyx-Dämmerung" gründet. Mit ihm verübt er äußerst bizarre Terroranschläge, deren Wirkung von den einzelnen Mitgliedern (u.a. Jack London und Ambrose Bierce) häufig in Frage gestellt werden, aber großen Einfluss auf das Leben von Franz Westen haben. Leiber hat hier definitiv einen skurrilen und interessanten "Antagonisten" erschaffen.
Fazit:
Auch wenn CAS und HPL häufig genannt werden, ist "Herrin der Dunkelheit" definitiv keine Mythos-Geschichte und auch mit kosmischen Grauen hat das Ganze nicht viel zu tun. Generell wird Horror in "Herrin der Dunkelheit" nur sehr wohldosiert eingesetzt – Dann aber immer äußerst effektiv.
Mir hat der Roman jedenfalls besser gefallen als Leibers Horror-Novelle "Die Umtriebe des Daniel Kesserich" (über die ich hier evtl. auch noch ein paar Worte verlieren werde). Nur das große Finale fällt mMn etwas albern aus und konnte mich nicht wirklich überzeugen.
Kennt den Roman sonst noch jemand? Und welche Leiber-Bücher könnt ihr besonders empfehlen?