Vom Schreiben und Denken - Die Saga der Schrift

  • Zitat


    Aus heutiger Sicht ist Schreiben etwas ganz Banales. Doch das war nicht immer so. In drei Folgen erzählt die Dokureihe, wie die Kunst des Schreibens im Laufe der Jahrtausende Gesellschaften prägte. Die Macht- und Kulturkämpfe zwischen Orient und Okzident lassen sich aus der Entwicklung der Schriftsysteme herauslesen.


    https://www.arte.tv/de/videos/…ken-die-saga-der-schrift/


    Eine, wie ich finde, sehr schöne, gut gemachte und auch ungemein interessante Dokureihe über die Entstehung und die Entwicklung des geschriebenen Wortes. Wer mal so 2 1/2 Stunden nebenbei entbehren kann, dem kann ich die Doku nur nahelegen. Vor allem jenen, die auch gerne schreiben.


    Besonders die letzten Worte, am Ende des dritten Teils der Doku haben mir besonders gefallen:

    "Wir begreifen das Schreiben als Kommunikationsmittel. So gesehen ist Effizienz das Wichtigste. Doch die Schrift war schon immer viel mehr als nur Sprache. Seit 5000 Jahren ist die Form der Buchstaben, der Schriftzeichen und Hieroglyphen Ausdruck all unserer kulturellen und religiösen Identitäten, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Das ist ihre verborgene Macht. Denn wenn wir schreiben, offenbaren wir unsere Identität in jedem Wort, ob es nun einen Sinn ergibt oder nicht."

    Wir begreifen das Schreiben als Kommunikationsmittel. So gesehen ist Effizienz das Wichtigste. Doch die Schrift war schon immer viel mehr als nur Sprache. Seid 5000 Jahren ist die Form der Buchstaben, der Schriftzeigen und Hyroglaphen Ausdruck all unserer kulturellen und relogiösen Idenditäten, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Das ist ihre verborgene Macht. Denn wenn wir schreiben offenbaren wir unsere Idendität in jeden Wort, ob es nun einen Sinn ergibt oder nicht.

  • Das ist ihre verborgene Macht. Denn wenn wir schreiben, offenbaren wir unsere Identität in jedem Wort, ob es nun einen Sinn ergibt oder nicht."

    Ist ja sehr spannend, ganz herzlichen Dank! [Cof]

    Als 'verborgene Macht' sehe ich das gar nicht, es ist eine, die Menschen ihr aus ggfs. politischen Gründen verliehen haben. Das gilt ja - gemessen an der Zeit, die unsere Spezies ihrer Sprache mächtig ist - für einen nur extrem kurzen Zeitraum, in Nordeuropa und dem Baltikum z.B. keine 900 bzw. 700 Jahre.


    Im Hinblick auf Machtmissbrauch (in dem Teaser werden ja bereits abrahamistische Religionen angesprochen) ist die nähere Historie auch interessant, in einer Diktatur kann sich die Wertigkeit wieder umkehren:

    „Nina Gagen-Torn, selbst eine Ethnografin, schrieb Gedichte und sang sie sich oft selbst vor: ‚In den Lagern begann ich zu verstehen, warum – auf rein praktischer Ebene – vorliterarische Kulturen ihre Texte stets in Form von Liedern weitergaben: Ohne sie kannst du dich nicht erinnern, nicht sicher sein, wie die exakten Worte lauteten. An Bücher kamen wir zufällig, sie wurden uns gegeben und dann wieder genommen. Schreiben war verboten, genau wie Studiengruppen – denn die Autoritäten fürchteten, sie könnten zu Gegenrevolutionen führen. So gut es ging, bereitete sich jeder seine eigene Hirn-Nahrung zu.“

    [Anne Applebaum: GULAG. A History. New York 2004. S.195. Sie zitiert Gagen-Torn: Memoria. Moskau 1994. S. 161]

  • Zitat

    Ist ja sehr spannend, ganz herzlichen Dank! [Cof]

    Nichts zu Danken :)


    Zitat

    Als 'verborgene Macht' sehe ich das gar nicht, es ist eine, die Menschen ihr aus ggfs. politischen Gründen verliehen haben....


    Ich glaube über diese Begrifflichkeit kann man ziemlich lang und ausführlich diskutieren, je nachdem, wie man "verborgene Macht" bzw. das Wort "Macht" an sich interpretiert und in bestimten Kontext setzt. Für mich besitzt das geschriebene Wort eine gewisse Macht.


    Zu einen ist es wohl eine der wichtigsten zivilisatorischen Erungenschaften, die der Mensch je vollbracht hat. Die Vorteile, welche die so gesehene Vereinheitlichung der Sprache durch ein Schriftbild - welches je nach Kultur sich natürlich anders entwickelte - mit sich brachte, ist im ersten Teil der Doku schön beschrieben.


    Was für mich diese "verborgene Macht" aber ausmacht, wird dann eher im dritten Teil der Doku erleutert. Am Anfang wird das Buch eines Künstlers vorgestellt, welches rein aus Emojis besteht. Es ist ein Buch, bestehend rein aus Symbolen und Bildern, die universell wohl fast jeder Mensch auf der Welt versteht. Jeder kann dieses Buch lesen und dessen Inhalt erfassen, egal welche Sprache er Spricht. Es ist eine universelle und einheitliche Kommunikation und so unglaublich praktisch dies auch erscheinen Mag, so hat es für mich einen ungemein großen Nachteil: es ist Emotionslos.

    Man kann mit dieser Art der Kommunikation keine emotionen Transportieren, so wie man es mit der Schrift kann. Aber gerade dies macht unsere heutige Schrift und das Schreiben an sicht zu etwas besonderen und sehr wichtigen. Das ist die "verborgene Macht", dass ich in der Lage bin meine Gedanken, Gefühle und Emotionen weiter zu reichen. Wenn jemand einen traurigen Emoji sieht, weiß jeder sofort, das dieser Trauer bedeudet aber man wird niemals die Art der Trauer, die schwere, tiefegreifende Emotion die sich dahinter verbirgt damit vermitteln können. Man wäre niemals in der Lage durch einfache Symbole malerische Kulisen oder Traumlandschaften beschreiben zu können. Man könnte dadurch nie den menschlichen Geist anregen und zum träumen bringen. Man stelle sich nur mal vor, dass man sein Lieblingsbuch/Geschichte als Abfolge von einfachen Symbolen oder Emojis vor sich hätte. Man könnte zwar noch den Inhalt der Erzählung erfassen aber man würde wohl keine wirkliche emotionale Erregung verspüren. Und das ist die Macht der Schrift. Sie ermöglicht es uns an den Gedanken und Gefühlen anderer Teilzuhaben, ohne dass wir diesen gegenüberstehen. Denn wie heißt es so schön am Ende der Doku:

    "Denn wenn wir schreiben, offenbaren wir unsere Identität in jedem Wort, ob es nun einen Sinn ergibt oder nicht."

    Ich will gar nicht wissen wie viel Sinn oder Unsinn mein Geschriebenes hier in diesem Post nun hat oder nicht. Aber die Tatsache es geschrieben, es vermittelt zu haben, offenbart etwas über mich; darüber, was für ein Mensch ich wohl bin. Eine Antwort in Form der Abfolge von Emojis (so schön und praktisch sie auch sind) hätte dies nie tranportieren können. Das ist für mich die "verbrogene Macht" der Schrift bzw. des geschriebenen Wortes.

    Wir begreifen das Schreiben als Kommunikationsmittel. So gesehen ist Effizienz das Wichtigste. Doch die Schrift war schon immer viel mehr als nur Sprache. Seid 5000 Jahren ist die Form der Buchstaben, der Schriftzeigen und Hyroglaphen Ausdruck all unserer kulturellen und relogiösen Idenditäten, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Das ist ihre verborgene Macht. Denn wenn wir schreiben offenbaren wir unsere Idendität in jeden Wort, ob es nun einen Sinn ergibt oder nicht.