Ragdoll
Tagline: "One Body. Six Victims. No Suspects."
UK / USA 2021-
S01 E01-06 á 45 Min.
Genres: Thriller, Police Procedural, Mystery (in ein paar Ankündigungen wird sogar 'Horror / Thriller' geschrieben)
Regie: Toby MacDonald (1-3) und Niall MacCormick (4-6) / Produzentin: Lizzie Rusbridger
Drehbuch: Freddy Syborn, nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Coyle (2017, dt. Ragdoll - Dein letzter Tag. Ullstein 2017)
Mit: Henry Lloyd-Hughes, Thalissa Teixeira, Lucy Hale, Michael Smiley
Musik: Moses Boyd
Trailer
Läuft auf A.Prime in den USA, aber soweit ich sehe nicht auf ~.de und auch nicht auf Netflix.
Ich hab mir auf Arbeit grad definitiv zu viele Stunden aufschwatzen lassen, muss zudem um 04:20 aufstehen und krieg grad nix gebacken, außer ein paar Seiten lesen und doofe Krimis schauen. Diese neue Serie stand grad heute im finnischen Online TV YLE areena und ich war erst überzeugt, eine nicht ganz so plumpe Geschichte erwischt zu haben, dazu noch mit einer tollen Hauptdarstellerin und einen sehr schönem - wenn auch nicht wirklich originellem - Set Design. Zudem mit Mystery getaggt und erweckt in den ersten zwei, drei Episoden auch den Eindruck, es ginge um Paranormales.
Nathan Rose ("Rose" genannt, vielleicht in der britischen Tradition von seltsamen Polizei-Namen: Thursday, Friday, Morse ...) ist ein Detective mit ehemaliger - oder vermutlich eher akuter - PTSD, der in der Psychiatrie von einen möglicherweise übernatürlichen Mastermind / Mörder namens "Faust" erfährt. Dieser tritt selbst nicht in Erscheinung, lässt sich aber quasi wie der Teufel anrufen und zum Auftragsmord anstiften - allerdings bezahlt der Auftraggeber in einer Art Rundschluß letztlich auch mit dem Leben.
Rose, seine Vorgesetzte Emily Baxter und die junge, neue Kollegin Lake Edmonds (okay, das mit den Namen wird irgendwie übertrieben *gn*) geraten in einen Strudel aus bizarren Morden und der traumatisierte Ermittler weiß nicht, ob er halluziniert oder wirklich einem übernatürlichen Killer gegenübersteht. Dabei ist erst super spannend, dass Rose im Jetzt mit sich selbst in der Vergangenheit zu telefonieren scheint und es erst so aussieht, als ob er selbst Faust sein könnte.
Episoden 1-3 hatten für mich ein typisch britisches Flair (auch, wenn der Regisseur von E4-6 ebenfalls Brite ist), mit gutem Tempo, schönem Schnitt, interessanten Kamerawinkeln und einem Exposé, das wirklich ivielversprechend aussah. Auch, wenn ich eigentlich lieber originelle Filme sehe, hat es mich hier nicht gestört, dass Ragdoll wie ein Potpourri aus Bekanntem wirkte, vor allem: Se7en, aber auch Life on Mars (Retro-Look, Farben, Beleuchtung, Witz / Gefrotzel), Bron | Broen (Die Brücke), Scott & Bailey. Von der temporeichen Spannung, der etwas überzogenen Thematik und dem ungeheuren Ausmaß der Taten dachte ich sofort an Jo Nesbø (und den Namen sah ich später auch in nahezu jeder Rezension).
Der Fall beginnt mit Auffinden einer Frankenstein-artig zusammengenähten Leiche, die Teile von sechs Opfern verwendet (hier deutliche Ähnlichkeit zu Bron|Broen: Die zusammengesetzte Tote auf der Grenze zwischen Dänemark und Schweden). Damit beginnt eine erst komplex und dann verworren wirkende Hatz auf den Mörder, wobei die drei ermittelnden Detectives selbst in Verdacht geraten bzw. sich gegenseitig verdächtigen und schließlich im persönlichen Showdown stehen - was ich per se zweifelhaft finde, denn es müssen teils völlig unnachvollziehbare Gründe gefunden werden, warum man Observierung oder Zugriff ohne Back-Up durchführen sollte.
Episoden 4-6 wirkten nicht nur amerikanischer auf mich, sondern wesentlich konfuser; und auch wenn mit Farbschemata gearbeitet wird, sieht alles mehr wie ein Zitat denn wie ein eigenständiger Look aus (was E1-3 grad noch verhindern konnten). Die Refrenzen bewegen sich weg vom britischen innovativen TV hin zum Mainstream und zu Themen, die schon in Hannibal & Co. ausgelutscht waren, und der Killer tritt leider auch schnell in Erscheinung: in überzogenes Klischee vom üblichen 'genialen', soziapathischen Narzisst / Maniker, einem übel überzogenen Side-Kick und einem immer verworreneren, unglaubwürdigen Plot, der irgendwann wirklich die Grenze zum Absurden überschreitet. Hier dachte ich auch an The Scold's Bridle (ein langweiliger, schlecht geschriebener Roman von Minette Walters) und ganz vor allem an Saw. Dann wird dem Killer ein völlig aus dem Hut gezaubertes moralisches Sendungsbewusstsein angepappt (identisch zu Se7en) - vielleicht weil man sich plötzlich erinnerte, das Ganze ja irgendwie mit einer *hust* Erklärung versehen zu müssen.
Das angedeutet Paranormale wird mit E4 urplötzlich fallengelassen, aber die Erklärung erschien mir alles andere als rational (und den Cliffhanger am Ende hab ich nicht ganz kapiert, außer, es war ein Selbstbezug). Also wirklich was, das man gucken kann, wenn einem der Job das Hirn rausgballert hat, aber zumindest ab E4 nix mehr, was ich wirklich mit Spannung gesehen oder gar genossen hätte.
Sehr schade, ich mochte die rotzige, harsche Baxter in ihrem legeren 1920es Look wirklich gerne (abgesehen davon, dass sie sowohl gut spielt als auch äußerst angenehm fürs Auge ist) und hätte so einen Potpourri durchaus genossen, hätte sich das Ganze klüger und subtiler entwickelt.