Daniel Illger - Kosmische Angst

  • Ja, das meinte ich oben mit den Negative Ethics, die gar nicht so negativ sind. Also, es kommt natürlich auf den eigenen Standpunkt an, aber ich sehe Antinatalismus und Negative Ethics als absolut positive Dinge, auch lebensbejahende - nur nicht unbedingt auf rein menschliches Leben bezogen nämlich.

    Das 'negative' hat lediglich die Bedeutung, dass das Leben an sich - also das Dasein, die Existenz - weder objektiv positiv noch moralisch positiv ist. Das Leben hat keinen objektiven Wert, es ist nicht irgendwie besser als das Nichtsein.

    Auf einer abstrakten, rein intellektuellen Ebene verstehe ich die Argumentation. Nur — ich bin alles andere als ein philosophischer Sinnsucher. Zu sehr stehen solche Erwägungen meinem everyday life, meinen Empfindungen und meinem persönlichen Streben entgegen. Und solange ich das Leben lebe, hat es für mich sehr wohl einen Wert. Zum Beispiel: Menschen, die sich suizidieren, verspüren ja – nach allem, was man weiß – keine Todessehnsucht, sondern ertragen ihr Leben nicht mehr. Und nicht selten gehen solchen Fällen lange Krankheitsgeschichten voraus, innerhalb derer man durchaus versuchte, das Steuer noch einmal herumzureißen …


    Daher lege ich die Stirn in Falten, wenn diese Art Sehnsucht quasi glorifiziert wird. Noch bedenklicher finde ich, wenn aus so einer gebenedeiten Negatitivät zusätzlich ein Elitenbewusstsein entwächst. Ein Phänomen, das sich trefflich in den Subkulturen der Gotik oder des Black Metal beobachten lässt. Ich war immer eher der lustige, ruhig etwas vertrottelte und biedere Thrash, Death und Doom-Fan als der weltenrückte, noli-me-tangere-Dunkelheimer …


    Antinatalismus: Ich – persönlich (wie es so schön heißt) – sehe das ganz genau so und teile die entsprechende Entscheidung. Doch auch hier: Deswegen erkläre ich das nicht zur Bewegung oder zur allgemeinen Forderung. So lange die Menschheit die Fähigkeit zur Fortpflanzung besitzt, wird sie davon Gebrauch machen. Ich muss ja nicht mittun, will und kann aber auch niemanden davon abhalten … Dass ich mit dieser desillusionierten Feststellung keine Aussage zu demographischen Fragen, Sexualaufklärung, Geburtenkontrolle usw. usf. treffe, versteht sich hoffentlich von selbst.

  • … Zum Beispiel: Menschen, die sich suizidieren, verspüren ja – nach allem, was man weiß – keine Todessehnsucht, sondern ertragen ihr Leben nicht mehr. Und nicht selten gehen solchen Fällen lange Krankheitsgeschichten voraus, innerhalb derer man durchaus versuchte, das Steuer noch einmal herumzureißen …


    Daher lege ich die Stirn in Falten, wenn diese Art Sehnsucht quasi glorifiziert wird.

    …ich lese ebenfalls sehr interessiert mit und als pensionierter Bestatter mit 45 Jahren Berufserfahrung wage ich zu behaupten, dass mir kein Suizid untergekommen ist, der aus Todessehnsucht erfolgte. Immer waren es handfeste Lebensumstände, die das Leben unerträglich machten. Seien es Krankheit, Schulden, Liebeskummer oder Lebensangst oft in Verbindung mit Kurzschlußreaktionen gewesen. Todessehnsuch per se ist mir bei rund 300 Suiziden, die ich persönlich betreut habe nicht untergekommen. Für mich gibt es so etwas eigentlich nur in der Literatur, wobei ich nicht ausschließen kann, dass nicht vereinzelt so etwas in real gibt. Ich lege daher ebenfalls die Stirn in Falten …

  • Auf einer abstrakten, rein intellektuellen Ebene verstehe ich die Argumentation. Nur — ich bin alles andere als ein philosophischer Sinnsucher. Zu sehr stehen solche Erwägungen meinem everyday life, meinen Empfindungen und meinem persönlichen Streben entgegen.

    Das verstehe ich sehr gut - mir geht es da aus einem lustigen Grund ganz anders: Dass es einen postmodernen Nihilismus gibt und Antinatalismus eine Philosophie / Ethik ist, weiß ich erst seit - wehe, du lachst! - True Detective. ^^ Ich bin eigentlich als Kind (nicht mal als Teenie) selbst drauf gekommen, weil wir den Stern und den Spiegel sowie die Mitgliederhefte des Tierschutzbundes im Haus hatten (wo meine Oma Mitglied war). Da dachte ich: "Menschheit? Nein danke, ich hab genug gesehen!" Und auch bezogen auf das Verhalten der Leute im Alltag, v.a. das von Kindern. Ohne das irgendwie theoretisch groß zu untermauern, bin ich damals selbst zu den Schlüssen gekommen, die ich unendlich viel intelligenter und eleganter nun also heute bei Cioran und Cabrera und den 'Apokalyptischen Reitern' Hitchens / Dawkins / Harris / Dennett, etc. finde (und damals als Teenie u.a. eben in Prosaform bei u.a. Lovecraft). Für mich hat das alles etwas sehr Tröstliches, Beruhigendes.

    Und solange ich das Leben lebe, hat es für mich sehr wohl einen Wert

    Dem widersprechen postmoderne Nihilisten auch nicht unbedingt (wie gesagt: außer sie leiden z.B. selbst an klinischen Depressionen), und ich schon gar nicht. Die Theorie dreht sich ja um eine objektive Sicht, nicht um eine persönliche. Das ganz genau ist z.B. Cabreras Punkt.

    Sache ist ja: Wären wir nicht geboren worden, wären wir aber auch nicht in der Lage, unsere Nichtexistenz zu bedauern. Jetzt leben wir nun mal und selbstverständlich ist es wünschenswert, dass die Lebenden auch Freude daran haben, das kreativ nutzen und/oder anderen Lebewesen helfen.

    Menschen, die sich suizidieren, verspüren ja – nach allem, was man weiß – keine Todessehnsucht, sondern ertragen ihr Leben nicht mehr. Und nicht selten gehen solchen Fällen lange Krankheitsgeschichten voraus, innerhalb derer man durchaus versuchte, das Steuer noch einmal herumzureißen …

    Auf jeden Fall - es ist eben nur manchmal der einzige Weg (oder wird als der einzige gesehen), sich dem Leben zu entziehen, wenn die Belastung unüberwindbar erscheint. Ich hab mal die schöne Formulierung eines Therapeuten gelesen, die allermeisten wollten nicht für immer tot sein, sondern eigentlich das Leben für eine Zeit vollständig pausieren - und weil das biologisch nicht möglich ist, wird aufgrund des starken Leidensdruckes eben der Tod in Kauf genommen.

    (Crosspost: Ja, genau wie es t.sebesta auch beschreibt - wobei die Aussagen Angehöriger sicher noch mal anders gefärbt sind als die von überlebenden Suizidalen.)


    Als kleine persönliche Randnotiz: Ich sage das nicht so dahin: Mein Ex-Partner hatte einige Jahre nach unserer Beziehung, als wir noch eng befreundet waren, Suizid begangen. Und ich sehe da durchaus eindeutige Schuldige: Erst seine christliche Mutter, die ihre lesbische genderbending Tochter mit 14 auf die Straße setzte, damit in die Obdachlosigkeit und dort in die sexuelle Gewalt schickte; und später die amerikanische Mainstreamgesellschaft, die mit Transidentitäten nicht zurecht kommt.) Nichtsdestotrotz ist Suizid eine - vielleicht die einzige - persönliche Freiheit: Wir können ggfs. über unser Lebensende bestimmen, anders als über unsere Geburt.

    Daher lege ich die Stirn in Falten, wenn diese Art Sehnsucht quasi glorifiziert wird. Noch bedenklicher finde ich, wenn aus so einer gebenedeiten Negatitivät zusätzlich ein Elitenbewusstsein entwächst.

    Aha, das ist sehr interessant - das sehe ich beides nicht, das mag aber an der Auswahl meiner Quellen liegen. Und mag auch sein (jetzt so aus der Erinnerung der kurzen Abschnitte, die ich las), dass z.B. Ligotti dazu neigt. Einige Black Metal Bands sicher auch - mein Negativ-Paradebeispiel auf allen möglichen Ebenen wäre Mayhem -, aber bei anderen ist das eher Marketing/Image und einige wie Gaahl oder Immortal brechen das ja. Wer von denen steht denn überhaupt einem philosophischen Nihilismus / Negative Ethics nahe?


    Der Spieß lässt sich selbstverständlich wunderbar umdrehen (absolut nicht auf dich bezogen, sondern ganz querbeet!): Die Glorifizierung eines runaway population growth und die Haltung / Handlung der Anhänger abrahamischer Religionen - hier bedeutet das Elitebewusstsein Diskriminierung, Förderung der Sklaverei, Sexismus, Okkupation, Genozid, Vernichtung ganzer Kulturen, Ausbeutung und ebenfalls Vernichtung der Natur / anderer Spezies. Und dieses Elitebewusstsein hat man letztlich bei jeglicher starken sozio-/politischen, religiösen, kulturellen etc. Identifikation. Es kommt einfach drauf an, wo man das Problem verortet, dann sind die 'Schuldigen' automatisch das They im Vergleich zum persönlichen bzw. subkulturellen in-group Us: Männer, Heteros, Nazis, Kapitalisten, Sozialisten, Gläubige, Realisten, ethnisch-kulturelle Herkünfte ... Der Nihilismus vereint das eigentlich nur über politische Grenzen hinweg auf ein sehr egalitäres: 'Alle Menschen sind das Problem.'


    Als Illger-Update sag ich mal:

    In der Mitte des Bandes wirft er jegliche kulturwissenschaftliche Etikette (so er bislang eine hatte) über Bord und geht fröhlich und oft unbelegt so richtig in die Vollen, sprich: in die Glosse. Das in einem Stil, bei dem es mich stark wundert, dass der Autor Erfahrungen mit universitären Strukturen hat. (Gut, der Band ist nicht als Fachbuch ausgewiesen, aber irgendwie sollte sich das doch bissl bemerkbar machen ...). Ich wollte schon abbrechen, aber dann fielen mir beim Durchblättern einige interessante Zitate auf, die ich auch kritisch sehe, aber extrem frisch und spannend finde (Patricia MacCormacks Lovecraft-Interpretationen). Auch in der Hinführung dazu zeigt sich allerdings, dass Illger von seinem monotheistischen oder überhaupt theistischen Blick nicht abstrahieren kann: Cthulhu beschreibt er als Junta-Diktator mit seinem Schnurrbart, der in der Mittagspause ein paar Hinrichtungen anordnet, als "politische Denkfigur" [S. 103] und "Moralpolitisch gesehen ist und bleibt er eine Schießbudenfigur" [WTF?! [LiZ]]... "Die Pointe besteht nämlich darin, dass Cthulhu gesinnungsmässig mehr mit einem Schulhofschläger gemein hat als mit einer jenseitigen Entität, die aus den Tiefen des Universums eine geheimnisvolle und erhebende Weisheit mitbringt." [beide S. 102] Naja, Letzteres ist doch gerade der ganze verdammte Punkt des Kosmischen Horrors, oder? Dabei kommt er selbst zwei Seiten später zu dem wenig überraschenden Schluss: "Cthulhu ist kein dunkler Messias." Oh, no shit Sherlock!


    Ist auch nicht so, dass mich grundsätzlich christliche Haltungen triggern: Derrida kann ich da durchaus mit Interesse zuhören, auch, wenn mich bei ihm andere Themen mehr reizen. Derrida schafft es, die Religiösität seiner Intelligenz zu unterwerfen, sie behindert ihn nicht in der Analyse und er behandelt sie sehr kreativ, 'unorthodox' - in der Dekonstruktion, etwas, das Unger - der ansonsten ähnlich radikale Ansätze hat - leider nicht gelang.


    Jetzt mache ich ne Woche Deutschland-Urlaub und damit Illger-Pause, weil der mir so geballt doch ziemlich auf den Sack geht ... und in DE zudem das Nichts [Nerdine] sowie ein zweites Architekturbuch von Barnabas Calder auf mich warten. Zu Ende lesen werde ich Illger auf jeden Fall, und vermutlich sogar behalten - nicht nur, weil es ein haptisch ganz wunderbares Buch ist, sondern eben zu Zitatzwecken für unser kleines Vorhaben.


    Jedenfalls kann ich jetzt schon sagen, dass es das mit Abstand schlechteste Buch zu Horrorliteratur ist, das ich je gelesen hab. [skul] Bislang standen auf dem Tiefpunkt: Noël Carrolls The Philosophy of Horror: Or, Paradoxes of the Heart (wobei meine Lektüre fast 30 Jahre her ist und ich keine Einzelheiten mehr erinnere) und Julia Kristevas Powers of Horror (ganz einfach, weil es eine streng freudianische Position ist, die ich per se nicht ernst nehmen kann und die - wie auch ihr eigenartiger BioFeminismus - den Blick verbiegt).


    Zu Illger denke ich: Seine Argumente sind derart hahnebüchen und oft in so starkem Widerspruch zu den Zitaten, mit denen er diese eigentlich belegen will, dass ich mich echt frage, ob es ein Lektorat gab. Alle persönlichen, unbelegten Wertungen *) und glossenhaftes Mäandern am Thema vorbei rausgekürzt; konkrete, adäquate Begriffe verwendet anstelle seitenlanger, hilfloser Herleitungen - wie u.a. bei dem Prinzip der "Transgression" -, dann noch das religiöse Gefasel raus und ggfs. eine anständige, analytische Selbstverortung rein und man hätte ein längeres Essay in der Hand, über das sich sehr gut diskutieren ließe. Ein Buch hätte das in dieser Form meiner bescheidenen Ansicht nach nicht werden dürfen.


    *) z.B. S. 90: "Vielleicht hängt die Wirkung von Das Nachtland aber genau damit zusammen, dass man einem Autor, der so schlecht schreibt, wie Hodgson es des Öfteren tut, eigentlich kaum die Fähigkeit und Kompetenz zutrauen würde, derart mächtige Gefühle von Schrecken, Schönheit und Majestät hervorzurufen."

    Schlecht schreiben? Look into the friggin' mirror, Sir! Ich bin absolut kein Fan vom Nachtland und nicht mal generell von Hodgson, aber ein solcher Satz ist in einer halbwegs kultur- und/oder geisteswissenschaftlichen Abhandlung einfach ein totales No-Go. Das wäre uns damals nicht mal als Erstsemester-Hausarbeit abgenommen worden.

  • Vielleicht wird das Prinzip der Negative Ethics (Cabrera grenzt sich selbst vom klassischen, westlichen Nihilismus ab, ich sollte da mehr Sorgfalt walten lassen!) deutlicher, gerade bez. der Themen um 'Verachtung', Elitedenken, Suizid etc. Arkham Insider Axel und t.sebesta - bei Interesse hier ein längeres Zitat (nicht ganz vom Anfang) aus seinem Vorwort der englischen Fassung seines A Critique of Affirmative Morality: A Reflection on Death, Birth and the Value of Life.

    Ich meine den 2. und 3. Absatz, aber hab von davor noch mitzitiert, um seine generelle Haltung besser verständlich zu machen. Er schreibt explizit auch aus der Position der Lateinamerikanischen Philosophie, die wegen ihrer Veröffentlichungen / Debatten auf Spanisch nahezu vollkommen vom Nordwesten bzw. der restlichen akademischen Welt ignoriert wird, und die seiner Aussage nach einen ganz eigene (nämlich nicht elitäre, kolonialistisch geprägte) Herangehensweisen hat:


    Philosophies seem to assume the obligation of saying something different, extraordinarily interesting and strongly counter-intuitive, and whoever fails falls under the stigma of banality, and listeners move to another place where they could be told "something they do not already know". As if philosophical astonishment would be lost and replaced by mere surprise. Philosophers seem to have lost the ability to hear "the same", the ability of re-position, and think that truth must necessarily move, change its skin, shining in different stances. As if the dynamics of truth would be confused with the dynamics of life. (...)

    Nor have I intended the book is, in Fernando Savater‟s words, particularly “innovative” or “revolutionary”, an impression which could be given by the deliberately radical character of the reflection. On the contrary, the intention is to show an uncommon way of visualizing morality that could be repetitive, insisting on the monotonous trivialities of human condition; a procedure far from any proclaimed “revolutionary” style of thinking.


    Writers and filmmakers have indeed lingered more in the monotony of human condition than philosophers. Artists seem more gifted for pointless repetitions than philosophers, who frequently felt obliged to assume the clarity and precision of science. But it is difficult for philosophers to make scientific philosophy and, at the same time, to say something relevant about the monotonous human condition, of which science knows little. The notion of "affirmative" criticized in this book shows, however, that under the current philosophical practices following the model of science, literary motivations are hidden in a sort of narrative impulse to tell moral (or moralist) tales where the heroine is moral law and the villains, skepticism, relativism and nihilism. Perhaps in the impossibility of philosophy to refrain from telling an "edifying" story to their readers - despite its professed scientific objectivity and universality – is concealed some kind of revenge of what is neither art, nor science nor philosophy, but religion. The "metaphysics of life" presented here in the form of a “natural ontology” aims to move away from scientific arbitrariness - whereby nothing is essentially linked to anything – as from religious fatalism, according to which, magically, everything is inextricably connected to everything. This type of subject also facilitates the temptation for ad hominem arguments. As it occurs with firearms, when someone handles ideas about life, death and suicide, he or she should take extreme care in their manipulation. With "mortal questions" happens the same thing as with "deadly weapons": when we have them in hand, we must “freeze”: never point a mortal idea to anyone, even unloaded.


    This book has not been written, for example, for those who, when we talk about morality of suicide, brutally snap: "Well, so why don‟t you commit suicide once and for all and leave us alone?" A book that tries to submit procreation to ethical questioning and argues for a possible morality of suicide may easily, in our type of society, be considered "nihilist", "pessimistic", "immoral", "destructive", “irresponsible”, “dangerous” and other labels disguising the laziness or fear of thinking the roots of life. This book, anyway, is not written by a nihilist, but by a radical moralist shocked by the familiarity with which we have come to accept manipulation of the other, in particular manipulation of newborns and cold elimination of the enemy in the organization of "fair wars", the stifling lack of freedom in our lives, monitored by health, legal and religious policies. Properly read, this is the book of a moralist who decided to lead moral reflection to the last consequences. If that strategy opens the way towards "nihilism," it will be something sensibly different from much of what has been called by that name throughout the history of thinking. The ethical approach presented here is “negative” only in a relative sense, and may be regarded as a counterproof – perhaps ad absurdum – of the Nietzschean account about the essential immorality of life, from two simultaneous angles: the unavoidable need to organize society on the basis of the destruction of others, and the impossibility of looking for a truth not compatible with indefinite self-defense. Negative ethics is, at the same time, the ethics denied and omitted by all the others, the ethics capable of displaying the last roots of the structural difficulty of being ethical in a world like ours.

  • Liebe Leute,


    wirklich eine spannende Diskussion, viele interessante aufgeworfene Fragen und Beiträge, vor allem von Dir, liebe Katla.


    Ich musste mir jetzt das Buch von Illgner im Schnelldurchlauf nochmals reinziehen, um da noch was halbwegs Qualifiziertes hinzufügen zu können. Hier also noch ein paar komprimierte Gedanken und persönliche Eindrücke dazu.


    Katla hat natürlich Recht, dass Illgner oft (viel zu) lange um den heißen Brei herumschreibt bzw. nicht die richtigen Worte findet, dass die Beispiele und Metaphern, die er anführt, häufig grotesk und unpassend wirken (als "Highlight" dazu die naturalistische Welterfahrung bei "Heidi" ...), und dass er in seinen Ableitungen unpräzise ist und immer wieder von A nach B springt. Aber zur kleinen "Ehrenrettung" würde ich anführen, dass die Linien gegen Ende hin doch wieder deutlicher zusammenfinden und einen Standpunkt erkennen lassen (auch wenn dieser nicht meiner ist ...).


    Zunächst unterscheidet Illgner für mich relativ klar zwischen den beiden Begriffen "Kosmischer Horror" und "Kosmische Angst". Mit ersterem meint er die (existentielle) Welterkenntnis auf Basis der Ratio, dass der Mensch im Universum nichtig ist, dass der Tod das Ende der menschlichen Erfahrung ist, dass danach "nichts" kommt und aus dem Sein kein wie auch immer gearteter objektiver Sinn und keine allgemeingültige Moral abgeleitet werden können ... also die grundlegend nihilistische Sichtweise, die im Gegensatz zu einer - ebenfalls wie auch immer gearteten - transzendentalen Weltsicht steht.


    Unter "Kosmischer Angst" versteht er für mich richtigerweise das emotionale Erleben, das aus der Konfrontation des Individuums mit dem existentiellen "Kosmischen Horror" resultiert. Es geht also um das Leiden am Sein per se. Der reale oder soziale Horror der Gegenwart mit Kriegen, Pandemien, Klimawandel, schwierigen persönlichen Lebensumständen usw. ist in diesem Kontext längst verhandelt. Illgner weist auch darauf hin, dass daher das Thema der "Kosmischen Angst" womöglich DER Gegenstand von Horror als Kunstform im 21. Jahrhundert sein könnte, wenn alle "herkömmlichen" Ängste bereits erfasst und künstlerisch zum Ausdruck gebracht wurden (ich habe auf Illgners Autoren-Website übrigens gesehen, dass er u.a. auch Vorträge zur "New Weird" gehalten hat.) Daher hat er glaube ich Cthulhu auch als lächerliche Schießbudenfigur bezeichnet, falls man ihn nicht als philosophisches Prinzip oder unbeschreibliche existentielle Bedrohung versteht, sondern als billige personalisierte Manifestation des Monströsen mit Tintenfischkopf.


    An diesem Punkt stellt sich natürlich die ewige Frage, an denen sich schon Legionen von Philosophen und Künstlern abgearbeitet haben, wie man als lebender Mensch der heutigen Gegenwart mit dem "Kosmischen Horror" umgehen kann, wie man angesichts des unendlichen Nichts leben kann, welchen "persönlichen Sinn" man im Leben finden kann.


    Und hier biegt Illgner für meine Begriffe dann doch wieder ins beinahe Konventionelle und fast Banale ab, wenn er der "Kosmischen Angst" und der Rolle der Kunst dabei auch eine zumindest kurzzeitige "erlösende Funktion" einräumt im Hinblick des emotionalen Erfassen des Unbegreiflichen, in denen in bestimmten Momenten die Erhabenheit, das Mysterium des Seins, die "göttliche Ubiquität" erlebbar wird. Hier wirft Illgner auch ein paar persönliche Bilder ein (z.B. aus 2001 - Odyssee im Weltraum), die ihn diesbezüglich geprägt haben. Letztlich scheint mir das aber auch nur eine von vielen Bewältigungsstrategien im Umgang mit dem "Kosmischen Horror" irgendwo zwischen Epikur und Buddha zu sein ...