Daniel Illger - Kosmische Angst

    • Offizieller Beitrag

    Von t.sebesta für den letzten Vincent Preis vorgeschlagen, ist mir dieser Titel mittlerweile öfter über den Weg "gelaufen".

    Hat mal jemand reingelesen?



    Daniel Illger - Kosmische Angst


    240 Seiten, Klappenbroschur


    Wenn ich tot bin, bin ich nicht mehr da. Der Gedanke, so grausam wie aufregend, löst einen Schwindel aus, denn er berührt die Unmöglichkeit, den eigenen Tod zu fassen. Daniel Illger erkennt in diesem Schwindel das Anliegen einer »weird fiction«, als deren wichtigster Autor H. P. Lovecraft gilt. Illger identifiziert die kosmische Angst als eine ästhetische Erfahrung, die aus der Auflösung der grundlegenden Koordinaten unserer Existenz den größten Horror, aber auch ein berauschendes Gefühl der Befreiung zieht. Die kosmische Angst gestaltet das Phantasma der Ich-Auflösung als ein unablässiges Hinabstürzen in unauslotbare Tiefen. In ihr erkennt Illger die Angst unserer Zeit. Ihr Grauen gründet einerseits in der wissenschaftlich plausibilisierten Diagnose, dass das Universum ein sinn- und seelenloser Ort ist, andererseits aber in dem Abgrund der Transzendenz selbst. Bezogen auf die Krisendiagnosen der Gegenwart lässt sich das Projekt einer Kunst, die im Zeichen kosmischer Angst steht, dann als Versuch begreifen, das Ich in der Spannung zwischen Angst vor und Lust an der eigenen Auflösung zu verorten.



    Quelle: https://www.matthes-seitz-berl…buch/kosmische-angst.html

  • Von Illger habe ich bislang nur einige filmwissenschaftliche Texte gelesen. Seine Fantasy-Trilogie hat mich nicht so interessiert. Das hier hört sich aber sehr interessant an. Mal schauen, für solch theoretische Texte brauche ich die richtige Stimmung.


    Aber vielen Dank für den Tipp.

  • Sehr interessanter, kurzer Abriss in dem Artikel, Nils - vielen Dank! [Cof]


    Das sind ne Menge doofer Fragen, auf die Illger zum Glück sehr differenziert eingeht. Vor allem die Idee, zwischen sozialem, realem Horror (Mensch vs Mensch) und dem kosmischen Horror (Mensch im Universum) Parallelen ziehen zu können, halte ich für vollkommen abwegig.

    Zitat

    Das Nicht-alles-wissen-Können oder sogar das Nicht-alles-wissen-Wollen ist philosophisch auch eine anti-aufklärerische Geste.

    Daniel Illger: Ich sehe das auch als Versuch, eine Wahrnehmung erfahrbar zu machen, die nicht schon durch den Menschen gefiltert ist. Weg von der vorgefassten Perspektive, was Welt überhaupt sein kann. Wenn es darum geht, das Verhältnis unserer Spezies zu anderen Lebensformen zu bestimmen, zur Natur, zum Planeten.

    Hä? Ist der Interviewer auf Drogen? Nicht-alles-wissen-wollen und nicht-alles-wissen-können sind zwei grundsätzlich verschiedene Haltungen. Nicht-alles-wissen-können ist eine durch und durch rationale Erkenntnis, alles andere ist Selbstbetrug. Und das ist gerade aufklärerisch, nämlich gemäß wissenschaftlichen Denkens, auch anti-sakral, anti-religiös - gegen Ideen, die per se Hierarchien und auch Augenwischerei zwecks Manipulation und Unterdrückung bedeuten. Was Illger da anspricht, ist Spezieszismus - je nachdem, wo man steht: all lives matter (faktisch nicht umsetzbar, wenn man selbst leben will) oder im lovecraftschen Kontext eher: no lives matter. Egalitärer geht's doch gar nicht.


    Ich denke, man sollte philosophischen Nihilismus auch nicht mit grundsätzlicher Todessehnsucht assoziieren.

    Schade, dass der Interviewer nicht verständiger war, das hätte ein noch interessanteres Gespräch geben können - das Buch könnte wirklich gut sein.

    [CTHu]

  • Vor allem die Idee, zwischen sozialem, realem Horror (Mensch vs Mensch) und dem kosmischen Horror (Mensch im Universum) Parallelen ziehen zu können, halte ich für vollkommen abwegig.

    Warum genau?


    Hä? Ist der Interviewer auf Drogen?

    Da hatte ich mich auch gewundert und würde deine Einschätzung teilen.


    Schade, dass der Interviewer nicht verständiger war

    Der ist übrigens, wenn ich es richtig sehe, Dominik Irtenkauf.

  • Wirklich ein seltsames Interview. Trotz dieser Fragen habe ich aber auch den Eindruck, dass alles Zentrale aus dem Essay gesagt wurde, und schrecke jetzt eher vor der Langfassung zurück. Zumindest in meinen Augen war das keine gute Werbung.

  • Ich habe das Buch nicht gelesen, vermute aber, dass es Illgers größtes Verdienst ist, die ganze Chose noch mal frisch und für ein deutsches Publikum zusammengefasst zu haben. Wenn man sich bereits länger mit den einschlägigen philosophisch-literarischen Themen befasst, lohnt die Lektüre ggf. wirklich nicht. Irgendwann ist es ja auch mal auserzählt.

  • Warum genau?

    Lieber Nils,


    weil es bei sozialem Horror um den Konflikt Mensch gegen Mensch geht: Simples Konkurrenzverhalten, das noch der Natur entspricht wie: Territorium = Nahrung und das muss verteidigt werden. Aber auch Konflikte, die mit dem Sozialgefüge und Machtpositionen zu tun haben - also kulturell aufgebaut, nicht mehr wie bei anderen Tieren: bewusste Ressourcenverteilung, Ausbeutung ggfs. Sklaverei, willkürlich geschaffene Ausgrenzungen bzw. Überhöhungen durch Religionen oder den Mythos 'Monarchie' = blaues Blut usw. Das alles hat auch mit einem Willen zu tun und - zumindest für einige - mit der Macht, Veränderungen zu bewirken (auch Machtlose hätten im Extremfall noch die Möglichkeit, der Lage durch Suizid zu entkommen).


    Wenn du kosmischen Horror hast - und ich finde, das führt der Autor auf kurzer Strecke gut aus -, geht es um unendlich größere Kontexte, und dort um Mächte, die keinen Willen haben - damit nicht 'böse' sind: eine Supernova oder ein Schwarzes Loch sind natürliches Geschehen, und wenn ich dort 'hineingeraten' würde, wäre mein Tod kein Akt der Grausamkeit seitens des Universums. Im Kontext des Universums sind alle den gleichen, und zwar in dem Sinne bewusstlosen / willenlosen, Kräften unterworfen: Gravitation, Massenbeschleunigung, Fliehkraft was weiß ich. Da findet in dem Sinne keine Ungerechtigkeit statt, und das sind unveränderbare Vorgänge, die nach einer gewissen Notwendigkeit und ggfs. Zufall ablaufen. Lee Smolin spricht z.B. auch von der "Evolution des Universums": Es gibt Gegebenheiten und daraus entsteht etwas oder / und etwas wird zerstört, erlischt. Daran ist nichts moralisch 'gut' oder 'böse'. Existenz an sich ist nicht positiv oder negativ. (Vgl. Prof. phil. Julio Cabrera: A Critique of Affirmative Morality - A Reflection on Death, Birth and the Value of Life)


    In diesem Kontext von negative ethics und Nihilismus = der Mensch gibt sich selbst oder Menschen sich gegenseitig einen Wert, aber im Kontext des Universums hat er keinen objektiven Wert - sehe ich Lovecrafts Götter: Sie stehen im Kontext des Universums und verhalten sich zum Menschen wie Naturgesetze. Der Mensch als ihr Opfer ist ein Kollateralschaden, aber er hat in ihren Augen keinen Wert. Damit auch keinen moralischen Wert, damit ist es für sie weder positiv noch negativ besetzt, wenn einer von ihnen getötet wird.

    Der einzige Unterschied zur Naturgewalt ist die Hierarchie und Sozialstruktur der Entitäten untereinander: Cthulhu schläft, ist festgesetzt, dann interagieren einige (Dagon / The Deep Ones) auch mit den Menschen oder zeugen Nachkommen mit ihnen. Aber auch dann sehe ich nicht, dass der Mensch für diese Entitäten als Teil ihrer Strukturen anerkannt würde. Je abstrakter die Entitäten sind - was kam da durch den leuchtenden Trapezoeder? oder nimm die Farbe aus dem All - desto weniger sind ihre Handlungen von Motivationen gezeichnet, die man als 'sozial' oder 'hierarchisch' ansehen könnte. Ich sehe Lovecrafts Entitäten also nicht als 'böse' an - sie benötigen andere Lebensräume und ihre Existenz oder ihre Lebensweise kann einen Menschen töten, ihn in den Wahnsinn treiben, genau so, wie es Radioaktivität, Feuer, ein Schwarzes Loch oder ein extremer Dauerton tun könnte.

    Ich finde es in dem Zusammenhang auch interessant, dass viele der Gottheiten wahnsinnig sind - das ist noch mal ein Aspekt, der mit dem Chaos assoziiert wird (das uns wieder ängstigt, weil mit ihm nicht verhandelt werden kann, weil wir darin keine Gesetze erkennen, so wie wir sehr vieles in der Natur einfach nicht erfassen).


    Soziale Strukturen sind potenziell veränderbar und sie bedingen Ansichten / Wertvorstellungen; Naturgesetze sind wie sie sind - es geht nicht um Grausamkeit oder Willkür. Dass wir nicht auf dem Mars oder dem Pluto leben können, ist keine Ungerechtigkeit, sondern ein Fakt, der durch Biologie & Physik bestimmt wird. Aber wenn ich nix zu fressen habe oder mein Habitat zerstört / verseucht ist, weil irgendwelche Industriebosse Profit machen wollen, ist das ein bewusstes Verbrechen, das man auch als solches benennen und bekämpfen könnte / sollte.


    Der soziale Horror zielt auf unsere Hilflosigkeit und unser Ausgeliefertsein, die theoretisch zu beenden wären, hätten wir mehr Macht / Kraft / Einfluss. Der kosmische Horror geschieht einfach, und die Angst, die er auslöst ist das Erkennen unserer Wertlosigkeit (im Kontext des Universums, nicht einer persönlichen Wertlosigkeit unter Mitmenschen). Kosmischer Horror - egal, ob es um abstrakte Kräfte oder konkrete Götter geht - entfernt uns einfach aus der Gleichung.


    Man könnte das sogar noch mal anders ansetzen: Wenn wir "Sozialstrukturen" sagen, klammert das Weniges ein (andere Menschen, ggfs. nicht mal alle; und ggfs. ausgewählte Lebewesen wie Haustiere) und extrem Vieles aus: im Grunde die gesamte weitere Natur. Wir erleben soziale Ungerechtigkeit, wenn etwas aus unserem Sozialgefüge gegen das verstößt / agiert, das wir als unseren Wert (als Person als Mensch) willkürlich und homo-zentrisch festgelegt haben. Wir sehen es aber eigentlich nicht als Ungerechtigkeit an, wenn wir uns entscheiden, bestimmtes Leben oder Ökosysteme einfach auszuklammern: Insekten, Meereslebewesen, Pflanzen, ganze Ökosysteme. Im Grunde: Alle Ökosysteme, alles außer unseren künstlich geschaffenen Strukturen, die nur uns nutzen, keiner weiteren Spezies sonst.

    Das sehen viele Menschen als 'natürlich' an und fühlen keine Schuld, wenn sie allein durch ihre Existenz anderes Leben zerstören (die Ameise auf einem Waldspaziergang, das Bakterium beim Putzen ...).

    Für die Lovecraftschen Entitäten ist ein Mensch eben dieses Bakterium, das weggewischt wird. Das ist kein sozialer Horror, weil sie uns (wie wir umgekehrt bei Nichtmenschen auch) nicht als Teil ihres Sozial- oder gar Weltengefüges sehen würden. Wir haben da keine Position, etwas einzufordern; ebenso wenig wie die Tiefseekrabbe gegen die Deepwater Horizon klagen könnte.

    Daher würde ich es auch in diesem Sinne nicht als sozialen Horror sehen, denn wir können keine Ungerechtigkeit geltend machen - wie es in einem sozialpolitischen Kampf möglich wäre.


    Äh, weißt du, worauf ich hinaus will?

  • Das ist eine gut nachvollziehbare Trennung der beiden - wenn man so will - Arten des Horrors. Ich denke aber dennoch, dass sie miteinander verwoben sind an der Stelle, wo der Mensch gar nicht aus der Gleichung herausgestrichen werden kann, weil es ja darum geht, wie kosmischer Horror erlebt wird - und ohne Subjekt ginge das ja nicht. Selbst Lovecraft kommt nicht ohne Protagonisten aus, die zumindest rudimentär vorhanden sein müssen, um sein Konzept durchexerzieren zu können.


    Und da hatte ich es im Interview auch so verstanden, dass Illger dies meint, wenn er kosmischem Horror ein politisches Moment zuschreibt. Dass nämlich Phänomene, die einem eher sozialrealistischen Plot zugerechnet werden müssten (z. B. Wohnungsnot), vom Menschen erlebt werden können wie kosmischer Horror. Das finde ich einen guten Punkt, denn es stimmt natürlich, wie du schon sagst: soziale Umwelt ist menschengemacht und somit immer veränderbar, aber dies spielt in der Wahrnehmung des vergesellschafteten Menschen ja in den überwiegenden Fällen keine Rolle. Wenn man sich Umfragen ansieht, kann man ja erkennen, dass viele Menschen unsere soziale Umwelt als unveränderbar und ihnen gegenüber indifferent erleben. Das ginge dann in Richtung capitalist realism. Da die Connection zum kosmischen Horror zu suchen, finde ich überhaupt nicht abwegig. Deinen Punkt, dass beides auf der abstrakten Herleitungsebene nicht vereinbar ist, finde ich logisch und davon unberührt.


    Wenn wir "Sozialstrukturen" sagen, klammert das Weniges ein (andere Menschen, ggfs. nicht mal alle; und ggfs. ausgewählte Lebewesen wie Haustiere) und extrem Vieles aus: im Grunde die gesamte weitere Natur.

    Dem würde ich im Übrigen nicht zustimmen, aber das wäre dann eine sozialwissenschaftliche Fachdebatte, die man nicht führen muss. Es gibt jedenfalls genügend Ansätze, die auch materielle Umwelt in der Analyse sozialer Verhältnisse berücksichtigen.

  • Dass nämlich Phänomene, die einem eher sozialrealistischen Plot zugerechnet werden müssten (z. B. Wohnungsnot), vom Menschen erlebt werden können wie kosmischer Horror.

    Ah, aus subjektiver Sicht des Menschen - das klammere ich natürlich gern mal aus. [skul]


    So gesehen erkenne ich den Grund der Verbindung im Interview - und in deiner Darstellung -, käme aber mit einer Gegenfrage: Wenn man das so nimmt, müsste man das statt als Cosmic Horror eher als Existential Dread definieren: Wer / was bin ich, welchen Wert habe ich, gibt es Freiheit überhaupt etc.? Also eine Angst, nichtig zu sein, hilflos, irrelevant als Individuum. Das passt zu dem subjektiven Standpunkt des Menschen, den du reinbringst.


    Ich nehme da Cosmic Horror aber durchaus wörtlicher, spezifischer, und auch in Verbindung mit Lovecrafts Motiven: dem All, dem Universum, der Unbegreifbarkeit von Zeit & Raum und da auch auf rein fiktionaler Ebene den 'extraplanetaren' Göttern/Entitäten.

    Die soziale Angst hängt doch aber eigentlich nicht so stark mit einem so weit entfernten Raum zusammen, sondern mit dem täglich wahrgenommenen Lebensraum, also faktisch in einem Land, oder spezifischer einer Stadt oder einem Stadtteil. Soziale oder existenzielle Angst mag so allumfassend wahrgenommen werden, dass sie quasi eine ganze schreckensbesetzte Welt entstehen lässt oder die Realität vollständig überschattet, aber diese Welt (oder diese Angst) sehe ich nicht in Zusammenhang mit etwas Kosmischen.


    Ja, guter Punkt mit den menschlichen Protagonisten. Die sehe ich oft als eine Art Startpunkt, wie auf einer Karte: Sie befinden sich hier. Dann bewegt man sich von da aus ins Unbekannte. Ich wäre sehr neugierig, wie Lovecraft das gehandhabt hätte, wäre er mit gleichen Interessen / Stil später geboren worden. Vielleicht wären das dann Figuren, wie Volodine sie schreibt.

  • das klammere ich natürlich gern mal aus.

    Es gibt Leute, die würden sagen, es gibt gar nichts anderes. %X



    Wenn man das so nimmt, müsste man das statt als Cosmic Horror eher als Existential Dread definieren:

    Nach einer Abgrenzung / einem Unterschied zu existenzialistischen Empfindungen wäre definitiv zu fragen, ja. Der Begriff "Existenzialismus" fiel, wenn ich mich richtig erinnere, aber schon früher recht oft in Verbindung mit kosmischem Horror. Also, in irgendwelchen Texten. Auch in Illgers Buch könnte er vorkommen. Man müsste sich das mal genauer ansehen.


    Dein Beharren auf die spezifisch kosmische Motivik ist nachvollziehbar - und vielleicht sogar nötig.

  • Hallo,


    habe die Diskussion hier mit Interesse verfolgt!


    Das Buch von Illger - ich habe es übrigens doppelt und würde ein Exemplar, falls jemand daran interessiert ist, auch gerne weiterschenken - steht für mich in einer Reihe mit einigen neueren Publikationen, die sich im weitesten Sinn um das Verhältnis von (nihilistischer) Philosophie und (Kosmischem) Horror drehen.


    Wer an dem Thema interessiert ist, könnte auch hier einen Blick riskieren:


    Eugene Thacker - Im Staub dieses Planeten: Horror der Philosophie

    Armen Avanessian, Björn Quiring (Hrsg.) - Abyssus intellektualis. Spekulativer Horror

    Michael Cisco - Weird Fiction. A Genre Study (engl.)


    Der zweite Band ist übrigens eine Sammlung diverser Beiträge (auch Thacker und Cisco sind darin vertreten) mit jeder Menge Bezugnahmen auf Lovecraft, Ligotti etc.

  • ich habe es übrigens doppelt und würde ein Exemplar, falls jemand daran interessiert ist, auch gerne weiterschenken - steht für mich in einer Reihe mit einigen neueren Publikationen, die sich im weitesten Sinn um das Verhältnis von (nihilistischer) Philosophie und (Kosmischem) Horror drehen.

    Oh, ich bin sehr interessiert, horche mal per PM, ob es noch da ist. [Gh2] Das ist eigentlich genau meine Tasse Tee (minus Ligotti & Thacker msr1).

  • Eugene Thacker - Im Staub dieses Planeten: Horror der Philosophie

    Danke, werd’ ich mal als Nachnennung für den RAZ 2023 listen. Ist ziemlich genau ein Jahr alt …

  • Dank Jo Piccol s lieber Buchsendung (Tausend Dank noch mal! [Nerdine]) bin ich bereits mitten drin - auf S. 50 circa.


    Es ist ein sehr schön aufgemachtes Buch im ungewöhnlichen Kleinformat von 18 x 10 cm, was erstaunlich angenehm zu handhaben und zu lesen ist. Illger hat einen leichtgängigen, teils glossenhaften Plauderton drauf, der imA nicht ganz zum Sujet passt, sich dafür aber flott wegliest. Bislang sind mir - wenn ich von der reinen Erwähnung des Nihilismus absehe - keine philosophischen Argumentationslinien untergekommen. Das mag aber noch kommen.


    Ich gehe stark davon aus, dass Illger das Buch für ein unbedarftes Publikum schrieb - also solche, die sich weder mit Horror im Allgemeinen noch mit Lovecraft / Cosmic Horror im Speziellen auskennen. Vieles wird sehr wortreich hergeleitet - teilweise irritierend umschreibend, wenn er z.B. fünf bis zehn Seiten lang damit zubringt, das Konzept "Transgression" zu erklären ... ohne aber je den Begriff selbst zu nennen. Als wäre der eben noch gar nicht erdacht worden.

    Ebenfalls irritiert mich, dass er theoretische oder metaphysische Konzepte szenisch anschaulich macht, was imA aber nicht ganz passgenau ist: Es geht eingangs z.B. um das Verstehen des Todes als Ende / als Nichts, das nicht vorab erfahren werden kann - also die Erkenntnis und Akzeptanz der Sterblichkeit -, und der dadurch ausgelösten Angst vor dem Unbekannten, und Illger wählt dafür (fortlaufend) das Bild eines Kleinkindes, das sich nachts im Bett fürchtet (auch, weil es zum ersten Mal vom Tod erfuhr). Das ist an sich ein hochspannendes Thema, aber es kommt an Stellen, an denen er eigentlich ins Philosophische ausscheren möchte, und da das angenommene Kind nicht derart komplexe Theorien wälzen kann, greift gerade dieses Beispiel wesentlich zu kurz. (Erinnerte mich an einen Physiklehrer, der uns Atome erklären wollte und mit Leuten im fahrenden Zug argumentierte. Ich hab damit immer so eine Äpfel-Birnen-Konfusion, mir ist lieber, wenn mir ein abstraktes Prinzip auch abstrakt erklärt wird).


    Lieber Nils , die Frage um den Sozialhorror als Cosmic Horror ist tatsächlich vom Tisch, wenn man dem Buch folgt (was ich an dieser Stelle unbedingt tun würde): Illger definiert mit Lovecrafts eigener Herleitung Cosmic Horror als einen neuen, unbekannten Schrecken, der teils auch nicht in gewöhnliche Konzepte zu fassen ist - sein gutes Beispiel ist hier die Farbe aus dem All, die keinen erkennbaren Willen, Plan oder eine Persönlichkeit hat und alles offenbar als Kollateralschaden vernichtet / verkrüppelt. In dem Moment, in dem man den Schrecken benennen, einordnen, wiedererkennen kann, gilt er nicht mehr als Cosmic. Meine Angst vor sozialem Abstieg oder ganz konkreter Armut / Obdachlosigkeit etc. läge somit als erfassbar, wiedererkennbar und einstufbar nicht mehr innerhalb der Prämisse.


    Als englisches Pendant - das aber präziser formuliert und aufgebaut ist - sehe ich Sleeping With the Lights On von Darryl Jones.


    Ich bin gespannt, wies weitergeht! [Gh2]