Alexander Zelenyj - Tiere des Exodus


  • "Es ist wie die Deathray Bradburys singen und der Anführer der Sirius Group es prophezeit: „Es existiert ein anderer Ort.“ Karen und Celeste, Peter und viele andere sehen keinen anderen Weg. Die Verlorenen und die Traumatisierten folgen diesem Versprechen. Sechs Erzählungen berichten von ihrem Exodus."


    Die zweite Veröffentlichung der Chapbook-Reihe von Whitetrain. Nachdem mir bereits Reckermanns "Das Unikat" extrem gut gefallen hatte, war ich auf dieses schmale Büchlein (93 Seiten) wirklich gespannt - Vor allem da von dem kanadischen Autor bisher noch nichts ins Deutsche übersetzt worden ist.

    Laut Wikipedia hat Zelenyj einen "unclassifiable style" und tatsächlich fällt es mir schwer hier irgendein Genre zu nennen. Aber da "Tiere des Exodus" bei Whitetrain erschienen ist, kann man sich ja zumindest ungefähr denken wohin die Reise geht (zum Doppelsternsystem Sirius nämlich). Am ehesten würde ich das Ganze noch als eine Mischung aus Weird- und Transgressive-Fiction bezeichnen. Wem Letzteres nichts sagt: Es handelt sich dabei um "a genre of literature which focuses on characters who feel confined by the norms and expectations of society and who break free of those confines in unusual or illicit ways." Und damit hätten wir dann auch gleich schon die Handlung der äußerst traurigen Novelle/Storysammlung (?) abgedeckt.

    In ihr stoßen wir u.a. auf Mutanten, mythologische Figuren, eine Punkband mit dem verdammt guten Namen "Deatray Bradburys", deren Mission es ist "all diejenigen zu finden, die irreparable Traumata erlitten haben, und sie fortzubringen von dem Ort des Leides [ sprich:Erde]" und die mich dezent an Sion Sonos "Suicide Club" denken ließ. Und wo wir gerade beim Thema sind: Einen Selbstmordkult, welcher deutliche Parallelen zum Peoples Temple aufweist, gibt es auch noch.

    Bei mir hat "Tiere des Exodus" jedenfalls eine enorme Sogwirkung entfacht und mich extrem begeistert zurückgelassen. Auch wenn Zelenyj die anfängliche Intensität nicht immer durchgängig halten kann - Gerade das Kapitel auf der Insel war mir dann doch zu sehr 08/15-Hippiesekte und manchmal wird der Ton auch etwas zu pathetisch. Trotzdem könnte das hier mein Buch des Jahres werden. Wie immer kann man dem Whitetrain-Verlag bzw. Tobias Reckermann nur dankbar sein, dass sie solche Werke nach Deutschland holen, die ansonsten nie eine Chance gehabt und wahrscheinlich trotzdem nicht mal ansatzweise die Leserschaft finden, die sie eigentlich verdient hätten.

    Bleibt am Ende nur noch zu sagen: Deathray Bradburys - Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!


    Longstride Kannst bzw. willst du schon sagen was als nächstes in der "Whitetrain Underground"-Reihe veröffentlicht wird?

  • Das klingt echt vielversprechend. Ich schleiche schon - leider eben nur virtuell - um das Buch seit geraumer Zeit herum. Deine Rezi, Cheddar Goblin, überzeugt mich. Muss das Büchlein auch lesen.

    Nur eine Frage zur Form: Es gibt es als eBook, Paperback und Hardcover. In welcher Form hattest du es gelesen? ISt das in dieser Form gedruckt, wie das halt bei book on demand via amazon üblich ist?

    Könnte die Frage ja auch direkt an Mr. WhiteTrain, Tobias, stellen...

  • Ach, schau mal:

    Vielen, vielen Dank, Erik.

    Das klingt wirklich großartig. Abgesehen von Thompson und Muslim kenne ich die Autoren zumindest schon mal aus der einen oder anderen Whitetrain/Nighttrain-Veröffentlichung.

    In welcher Form hattest du es gelesen? Ist das in dieser Form gedruckt, wie das halt bei book on demand via amazon üblich ist?

    Ich muss gestehen, dass ich die Chapbooks bisher immer nur in der Taschenbuch-Version gelesen habe, Phantasticus.

    Und ja, es ist der übliche Amazon-Druck inklusive "gummiartigem" Buchumschlag. Die Hardcover dürften da wesentlich edler ausfallen. Der Inhalt ist aber in beiden Fällen großartig.

  • danke für die Review, Cheddar Goblin ! schön auch, dass es deinen Geschmack trifft :) mit transgressive liegst du sicher auch schon ganz richtig - ich würde sagen, Slipstream wäre ein noch ausreichend offener Genrebegriff für Zelenyjs Schreibe, aber der Schwerpunkt liegt hier ja schon tiemlich explizit auf transgressiver Diversität ...

    sicher ist das alles ziemlich Nischen-Werk, aber gerade darum, solche Nischen sichtbar zu machen, geht es bei der Underground-Reihe ja auch.

    Als nächstes kommt im Sommer ein kürzeres Chapbook mit einer Shortstory von D.P. Watt und einem Interview mit ihm - Titel wie oben in der von Erik geteilten Übersicht: Ophelia (auch der Titel der Shortstory, die im Original in Petals and Violins bei Tartarus Press veröffentlicht ist) Übersetzer ist diesmal Martin Ruf, der Marvick auch schon für unser IF Annual Weird übersetzt hat. Währenddessen geht Christian das Chapbook von David Rix an, aber bis zu dessen VÖ dürfte es dann noch dauern.


    zu den Ausgaben Phantasticus  col.race : Zelenyj und meine Novelle Das Unikat sind auch als Hardback via amazon print on demand (KDP) gedruckt - für einen POD-Service finde ich das Ergebnis ganz schön ...)

  • mit transgressive liegst du sicher auch schon ganz richtig - ich würde sagen, Slipstream wäre ein noch ausreichend offener Genrebegriff für Zelenyjs Schreibe

    Musste ich tatsächlich erst googeln, passt aber auch. "Magischer Realismus" ging mir noch durch den Kopf... aber eigentlich sind diese Genrebezeichnungen ja alle egal.

    sicher ist das alles ziemlich Nischen-Werk, aber gerade darum, solche Nischen sichtbar zu machen, geht es bei der Underground-Reihe ja auch.

    Und dafür bin ich euch extrem dankbar.

    Als nächstes kommt im Sommer ein kürzeres Chapbook mit einer Shortstory von D.P. Watt und einem Interview mit ihm

    Da bin ich mal gespannt. Von Watt kenne ich bisher nur die eine Geschichte aus "Nighttrain:Nachtschatten". Die fand ich aber richtig gut.

  • Das klingt sehr reizvoll, ich hab aber glatt mal eine inhaltliche Frage: Der Titel legt nahe, dass hier (stark) mit religiösen Bildern / Mythen / Konzepten oder Figuren gearbeitet wird, trifft das zu?

    Davon hinge meine Kaufentscheidung ab.


    Und ich finde auch, dass - zumindest vom Unikat her beurteilt - sich der Druck wirklich sehen lassen kann, nicht nur vom Schriftsatz / Druckqualität her, sondern auch haptisch wirklich sehr schön. (Ich hab die gebundene Fassung.)

  • Der Titel legt nahe, dass hier (stark) mit religiösen Bildern / Mythen / Konzepten oder Figuren gearbeitet wird, trifft das zu?

    Eigentlich nicht. Wie gesagt, geht es hier um eine Ansammlung von ausgestoßenen, traumatisierten Menschen (deren Schicksal mal mehr und mal weniger miteinander verknüpft ist), die einen "Ausgang" suchen. Dabei spielt das Thema Entrückung zwar eine gewisse Rolle, was natürlich ein religiöses Motiv ist, aber "der andere Ort" ist eben nicht der Himmel, sondern der Sirius. Mit irgendeiner Gottheit hat das nichts zu tun. Dass die Genrebezeichnung hier eher schwierig ist, wurde ja schon thematisiert, aber ich würde den gerade erwähnten Aspekt definitiv eher unter Sci-Fi verbuchen. Die "Tiere des Exodus" ist kein Traktat.

  • Das klingt sehr reizvoll, ich hab aber glatt mal eine inhaltliche Frage: Der Titel legt nahe, dass hier (stark) mit religiösen Bildern / Mythen / Konzepten oder Figuren gearbeitet wird, trifft das zu?

    Davon hinge meine Kaufentscheidung ab.


    Und ich finde auch, dass - zumindest vom Unikat her beurteilt - sich der Druck wirklich sehen lassen kann, nicht nur vom Schriftsatz / Druckqualität her, sondern auch haptisch wirklich sehr schön. (Ich hab die gebundene Fassung.)


    Mythen ja, schon, Religiöses, ja auch, insofern es um eine Sekte geht, aber Cheddar sagt schon es schon ganz richtig, dass ist kein Traktat, sondern Fiction mit Hang zur SF, bzw. eben Slipstream und das Mytho-Religiöse ist auch nicht christlich angelegt.


    und danke, ja, die Hardbacks sind schick geworden :)

  • ...wunderschön ist das Buch ja auf jeden Fall!

    Definitiv. Ich finde das Whitetrain-Cover auch wesentlich schöner als das der Originalausgabe. Da hat Herr Mordio wirklich einen guten Job gemacht.

    Hier mal noch zum Vergleich: Die Illustration von Pawel Czerwinski auf der das deutsche Cover basiert + Die Überarbeitung.


  • Cheddar Goblin Boa, was für ein Unterschied! Aber hallo, das Whitetrain-Cover ist unvergleichlich schöner. Wow.

    Auch ein schönes Original, der Künstler sagte mir nix. Danke sehr! :*


    Über den Link hab ich nur festgestellt, dass das Original ja Englisch ist, nicht Russisch (oder bei dem Namen vllt. eher Ukrainisch). Aber es gibt ja Übersetzungen, die stärker sind als das Original, wenn ich mir das zulege, wird es wohl ausnahmsweise das Deutsche sein. [Cof]

  • ...wenn ich mir das zulege, wird es wohl ausnahmsweise das Deutsche sein.

    Lohnt sich allein schon weil in der deutschen Ausgabe noch zwei zusätzliche Erzählungen drin sind. Eine davon sogar als Erstveröffentlichung. (Gerade die Bonusgeschichten empfand ich jedoch als etwas schwächer als der Rest. Schwächer heißt in diesem Fall aber definitiv nicht schwach.)

  • Definitiv ein ungewöhnliches Buch. Ich habe es gestern Abend mit auf den Balkon genommen und dachte, ich könnte es mal dazwischenschieben. Keine gute Idee! Wie wenig ich die erste Geschichte verstanden hatte, bemerkte ich erst, als ich schon mitten in der zweiten steckte. Dann habe ich von vorne begonnen.

    "Tiere des Exodus" ist ein dünnes Buch, aber eines, dass zum langsamen und aufmerksamen Lesen zwingt. Das liegt weniger am Stil, sondern am Inhalt und der Komposition der melancholischen und im besten Sinne seltsamen Geschichten. Und gerade in dieser Langsamkeit wächst das Buch enorm.