Phantastik in Russland – Symbolismus und 20. Jahrhundert

  • Elsner,Anatolii Ottowitsch (1856- nach 1916)


    Ein vergessener russischer Schriftsteller deutscher Abstammung wurde in Cherson (damals Neu-Rußland, jetzt Ukraine) 1856 geboren.Sein Großvater war Baron Födor Bogdanowitsch Elsner. Die Eltern waren Pädagogen. Der ältere Bruder ist General-Major Konstantin Elsner.

    Seine aktive Schaffensphase fällt in die Jahre 1880-1910.

    Unter anderem hat Elsner 3 fantastische Romane geschrieben.


    Der Roman „Der eiserne Doktor“ ist wahrscheinlich der allererste russische Roman von einem Serienmörder. Das Buch zählt zu neogotischen Horrorromanen und voll von Leidenschaft, Visionen und Leichen. Der Protagonist, berühmter Dr.Kandinski,ist von heutiger Sicht ein klassischer Soziopat. Er stellt sich und sein Geist über die Menschheit. Er glaubt weder an das Gute noch an das Böse. Die Menschen sind für ihn biologische „Maschinen“.

    Er behandelt die Patienten grausam und sieht darin eine Moglichkeit, die Welt von sinnlosem Leiden zu befreien.


    Der Roman „Der Ritter des Geistes“ ist ein okkulter Roman mit typischen für diese Literaturart Zubehör: Astralkörper, Gespenster, auferstehende Tote.Daneben herrschen durchaus diesseitige Leidenschaften mit Intrigen, Unzucht und Kampf um Millionenvermögen.


    Der Roman „ Bedrohlicher Idol,oder Die Höllenbauarbeiter auf der Erde“ ist eine Geschichte einer fantastischen Sekte. Das Reich der glücklichen Menschen entartet in die Hölle auf der Erde durch das Komplott von Mördern und machtgierigen Psychopathen.







    Die Bücher kann man in elektronischer Form kostenlos lesen und auch in Papierform erwerben.


    Gesamter Eindruck: etwas langatmig.

  • Fast alle Bücher ,die wir besprechen, habe ich tatsächlich. Vieles davon gibt es nur in elektronischer Form frei.

    Ich versuche immer am laufenden in der russischen Fantastik bleiben. Es gibt bio-bibliografische Seiten,die die Information sammeln und kanalisieren.

    Selbstverständlich sind die meisten Quellen auf russisch.

    Dass die russische Fantastik jeder Art ziemlich schlecht in Deutschland bekannt ist, nach meiner Meinung,hat viele Gründe.

    Und nicht nur kirillische Buchstaben. Ich würde es als Berührungsängste nennen. Und das ist erstaunlich,wenn man überlegt,dass dieses Riesenland gar nicht so weit von uns liegt. Tja,geopolitische Kämpfe,die wir jetzt beobachten,tragen auch nicht unbedingt zum Interesse für rus.Kultur bei.

    Wir bleiben natürlich lieber bei der Kultur.


    Man findet genug sehr würdige Autoren,die hoch interessant sind.


    Es gibt eine echte Entdeckung und nicht nur für mich: Wasilii Pawlowitsch Schepetnöw (leider kann man nicht den namen absolut lautgetreu wiedergeben).



    Er wurde 1955 geboren.Arzt von Beruf.Liebt Schachspiel sehr.Lebt in Woronesh (Südrussland).

    Der Verlag Prestisch Buk hat 9 oder 10 Bände von ihm veröffentlicht (bis jetzt die größte Sammlung von seinen Büchern).

    Die Bücher lesen sich leicht und liegen gleichzeitig auf dem hohen literarischen Niveau.

    Seine Werke sind ein buntes und sehr erfolgreiches Gemisch aus Grotesk,Horror,alternativer Geschichte und Detektiv.

    Ich würde diese Bücher ohne Zögern als Bestseller bezeichnen. Stellenweise ähnelt Akunin.


    Ein Beispiel: ein Zyklus von Erzählungen über Aröchin ( Dandy-Detektiv in der Zeit des Bürgerkrieges und 20-er).

  • Ich bringen einen weiteren Namen ins Spiel: Wassilij Nikolajewitsch Masjutin (1884, Riga – 1955, Berlin). Masjutin war bildender Künstler und Schriftsteller. Er wurde vor allem durch Graphiken und Buchillustrationen bekannt. Nach Stationen in Kiew, Moskau und St. Petersburg lebte und arbeitete er ab den 1920ern in Berlin. Reisen und Studienaufenthalten führten ihn nach Italien und Frankreich. Seine graphischen Blätter erinnern an die phantastischen Werke von Max Klinger, Alfred Kubin, Félicien Rops etc. Im Folgenden möchte ich seinen Roman „Der Doppelmensch“ vorstellen, der 1925 in der Reihe „Sindbad-Bücher“ des Drei Masken Verlags erschien.



    Der Doppelmensch. Von W. N. Masjutin (1925)

    Inhalt

    Der Titel „Der Doppelmensch“ verweist bereits auf das Leitmotiv des Romans, den Doppelgänger. Einen solchen lernen wir kennen in der Figur des Pawel Iwanowitsch Nowikow. Bei Arbeiten an einer Straßenbahnleitung löst sich ein glühender Draht und teilt Nowikow quer in zwei Teile. Dies ereignet sich vor dem Fenster des Arztes Oschurkow, der die beiden leblosen Körperhälften in sein Labor bringen lässt. Dort päppelt er sie wieder auf: so dass sich aus der oberen ein neuer Unterkörper und aus der unteren ein neuer Oberkörper heraus bildet. Mithin existiert Nowikow nun in doppelter Ausführung, allerdings sehr ungleich. Es gibt einen stark vergeistigten Nowikow, der an leiblichen Bedürfnissen kein Interesse mehr hat. Und es gibt einen gefräßigen, rein triebgesteuerten Nowikow.


    Mein Eindruck

    Masjutins Grundthema ist das des Dr. Jekyll und Mr. Hyde (R. L. Stevenson). Doch wird hier der Konflikt sehr viel mehr zugespitzt. So kommt es bei Nowikow zu einer scharfen Persönlichkeitsspaltung in eine geistig-abstrakte und eine körperlich-instinktive Hälfte. Die Teilung ergibt sich – anders als bei Stevenson – aus einem physischen Prozess von Tod und Regeneration. Bei der Gelegenheit kultiviert Masjutin mit seinem Arzt und Wissenschaftler Oschurkow den Typ des „mad scientist“. Dem Buch fehlt das Quälerische und das Dämonische, das wir bei Stevensons Doppelgänger oder auch bei Edgar Allan Poes „William Wilson“ finden. Vielmehr ist das Ganze ein Sittenroman mit lebhaftem Interesse für sexuelle Spielarten: einmal in Form von Verdrängung durch Nowikow 1 und ein andermal in Form hemmungsloser Triebbefriedigung durch Nowikow 2. Interessante Nebenfiguren flankieren diesen dualen Protagonisten, der schließlich in den Moskauer Revolutionswirren sein jeweiliges Ende findet.


    Fazit

    „Der Doppelmensch“ überzeichnet das Doppelgänger-Motiv bis an die Grenze zur Satire. Stärker als die phantastische Motivation mit ihren denkbaren psychologischen Komplikationen scheint mir jedenfalls der schwarze Humor im Vordergrund zu stehen. So oder so: ein lesenswertes Buch.

  • Ich habe kürzlich einen Zufallsfund gemacht, der vielleicht ein wenig zum hiesigen Thema beitragen kann.





    Ich kannte Jakob Elias Poritzky nicht. Das Buch bin ich kursorisch durchgegangen, richtig ergiebig im fantastischen Sinne ist es nicht, auch bleibt der Einblick unsystematisch und subjektiv. Es handelt sich offenbar größtenteils um Überlegungen des Autors, die aus der eigenen Lektüre geboren wurden. Das kann wertvoll sein, im vorliegenden Falle bin ich mir aber nicht sicher.


    Kann jemand mehr zu Poritzky vermelden?

  • Zu Poritzky sei verwiesen auf den Eintrag im Lexikon d. phantastischen Literatur (Zondergeld, Wiedenstried), als Essayist dürfte er heute noch unbekannter sein als Verfasser dekadenter oder phantastischer Geschichten. So wenigstens mein Eindruck.


    Mich würde der Inhalt des Buchs interessieren; es wird ebenfalls in dem genannten Lexikon erwähnt. Gab es schon Gelegenheit zur Lektüre?

  • Mich würde der Inhalt des Buchs interessieren; es wird ebenfalls in dem genannten Lexikon erwähnt.

    Es stellt insgesamt eine Exploration des Dämonischen in der Literatur dar. Ich habe den Eindruck, dass diese Kategorie arg veraltet ist. Poritzky meint in seiner Einleitung, Verwirklichung fände das Dämonische in Kreisen der Diaboliker, allerdings scheint sich auch diese Bezeichnung nicht wirklich durchgesetzt zu haben. Poritzky arbeitet sich in der Folge am allem ab, was irgendwie teuflisch oder düster auf ihn wirkt. Expressionisten sind da ebenso dabei wie Dekadente, Schwarze Romantik trifft auf Edgar Allan Poe und deutsche Fantasten des frühen 20. Jahrhunderts. Später dann geht es um skandinavische Autoren und - eben daher postete ich hier ja zuerst - Russen.


    So viel zu ersten Sichtung, tiefer eingestiegen bin ich nicht. Sollte ich das nachholen, werde ich das Buch in einem gesonderten Thread vorstellen.


    Verfasser dekadenter oder phantastischer Geschichten.

    Kennst du Geschichten von ihm? Oder bezog sich das rein auf den Lexikoneintrag?

  • So viel zu ersten Sichtung, tiefer eingestiegen bin ich nicht. Sollte ich das nachholen, werde ich das Buch in einem gesonderten Thread vorstellen.

    Vielen Dank für diese erste Vorstellung; wenn auch nur als subjektive Vorgehensweise, so scheint Poritzkys Ansatz nicht ganz uninteressant zu sein.



    Kennst du Geschichten von ihm? Oder bezog sich das rein auf den Lexikoneintrag?

    Ich habe einige Bücher, er ist einschlägig bekannt, in jüngster Zeit aber nur kaum wahrnehmbar nachgedruckt worden. Der Lindenstruth Verlag brachte einen Sammelband mit Geschichten (Aus dem Beinhaus der Qualen) und in der Festa-Augsabe von Das tote Brügge (G. Rodenbach) ist das Nachwort von Poritzky enthalten. Sobald ich Zeit habe, richte ich gerne einen eigenen Thread für Poritzky ein.