T.E.D. Klein - Die Ereignisse auf der Poroth Farm

  • Shadowman

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    T.E.D. Kleins Klassiker aus dem Jahr 1972 in der Jubileums - Neuauflage, mit Anmerkungen und Essay.


    170 Seiten/Hardcover


    Übersetzt von Michael Siefener


    Inhalt:


    In T.E.D. Kleins fantastischer Novelle verlebt Jeremy zu Studienzwecken einige Zeit auf der abgelegenen, ländlichen Farm des Ehepaares Poroth.


    Doch was anfänglich idyllisch scheint, entwickelt sich nach und nach zu einem unheimlichen Grauen...




    Quelle: https://www.wandler-verlag.com…nisse-auf-der-poroth-farm

  • Nachdem Cheddar Goblin mich neugierig gemacht hatte...


    Zitat von CheddarGoblin

    "Die Ereignisse auf der Poroth- Farm" von T.E.D. Klein ... Mit seiner "Farm"-Novelle erfindet er das Rad sicher nicht neu (ein bisschen "Die Farbe aus dem All", ein bisschen "Friedhof der Kuscheltiere" ...), aber als Weird-Fiction- Fan kann man mit dem Buch nicht viel falsch machen. Besonders da der Protagonist im Verlauf der Handlung unzählige Bücher dieses Genre liest/rezensiert und die Novelle daher noch quasi eine kleine Abhandlung über die wichtigsten Werke der Horrorliteratur enthält.


    ... habe ich die Geschichte heute gelesen. Ich wurde nicht enttäuscht. Klein beherrscht die Kurzform ganz offenbar, weiß sein Tempo zu wählen, Stimmung mit geschickten Handgriffen aufzubauen und - was hier natürlich im Vordergrund steht - literarische Spuren ebenso zu streuen wie falsche Fährten. Joshi nennt Die Ereignisse auf der Poroth-Farm im Nachwort zurecht Metaliteratur. In Aufnahme von Tendenzen der Moderne und der Weird Fiction eigenen Erzähltechniken erweist sich Klein an der Schwelle zur literarischen Postmoderne als eigenständiger Autor innerhalb eines schwierig zu meisternden Feldes.


    Stimmungsmäßig bedient sich Klein sehr schön am Folk-Horror-Szenario des vergessenen Ortes. Der erschrockene Erzähler Jeremy (der übrigens Kanadier zu sein scheint, wie man einem kleinen Detail entnehmen kann) zieht sich zurück ins Hinterland von Jersey, um auf einer Farm in Ruhr zur Lektüre zu kommen (wer könnte es ihm verdenken?), erinnert uns aber gleichzeitig daran, dass die Urbanität nur wenige Meilen entfernt wartet. Die Zivilisation ist nie so weit gekommen, wie man annimmt, wenn man in ihrer Mitte haust. Konterkariert wird dies - Meta zu sein muss man durchhalten - durch den Verweis auf die (vermeintlichen) Fehldarstellungen entsprechender Literatur (ein Schuss gegen Stoker und Lovecraft, wenn ich nicht irre).


    Das Wechselspiel zwischen Jeremys Lektüre und den Entwicklungen auf der Farm und den umliegenden Wäldern ist zentral für die Erzählung. Joshi stellt das in seinem Nachwort gut dar, verweist auch auf die angenehm polemischen Einschätzungen des Erzählers in Bezug auf die klassische Schauerliteratur. Dass ich persönlich diese teile, spielt für die Bewertung natürlich gar keine Rolle.


    Zitat von T. E. D. Klein

    Habe versucht, mich in die Geistesverfassung eines Lesers von 1794 hineinzuversetzen, der genug Zeit zur Verfügung hatte. [...] Der Roman mag der Beginn der englischen Schauerliteratur sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemals irgendwer aus Vergnügen gelesen hat [...] die fade viktorianische Sentimentalität ärgerte mich bald


    Es wäre gewiss interessant, die Bezüge Kleins hier ganz genau herauszuarbeiten, mir schwirrten während der Lektüre doch diverse Parallelen zu einer Vielzahl phantastischer Geschichten im Kopf herum. Andererseits kann man das "Zeitalter der Analyse" (Joshi) auch mal temporär verabschieden und sich die Mixtur durch den Kopf gehen lassen.


    Kleins fiktionales Werk hatte mich bislang nicht interessiert, aber ich bin froh, hier eine kleine Lücke geschlossen zu haben. Allerdings habe ich nun erst Notiz vom Zusammenhang mit MorgenGrauen genommen - der Bastei-Band steht bei mir schon lange im Regal - davon werde ich aber Abstand nehmen. Kleins Geschichte ist in ihrer Prägnanz und in ihrem Fokus auf den Effekt genau richtig, einen 500-Seiten-Roman daraus zu machen, erscheint mir absurd.


    Besten Dank an Wandler23 für diese verdienstvolle Neuausgabe, die es durch einen zugänglichen Anmerkungsapparat erleichtert, dem Erwähnten nachzuspüren.

  • Kleins fiktionales Werk hatte mich bislang nicht interessiert, aber ich bin froh, hier eine kleine Lücke geschlossen zu haben.

    Ich finde gerade die vier Erzählungen/Novellen in "Verschwörung der Götter" wesentlich interessanter als "Morgengrauen" bzw. "Die Ereignisse auf der Poroth Farm", die mir hauptsächlich durch die erwähnten eingestreuten prägnanten Kommentare zur Horrorliteraturgeschichte in Erinnerung geblieben sind. Wie Cheddar Goblin meint, für Freunde phantastischer Literatur definitiv eine lohnenswerte Lektüre, die Intensität von "Nadelsmanns Gott" oder "Kinder des Königreiches" erreichen sie für mich allerdings nicht.

    Nichtsdestotrotz freue ich mich über die Würdigung Kleins durch die vorzügliche Ausgabe vom Wandler-Verlag und harre gespannt der weiteren Veröffentlichungen.

  • Zitat von the_seus

    Ich finde gerade die vier Erzählungen/Novellen in "Verschwörung der Götter" wesentlich interessanter

    Auf die bin ich nun allerdings auch sehr gespannt.

  • Nachdem Cheddar Goblin mich neugierig gemacht hatte...

    Da ich ja anscheinend nicht ganz unschuldig an deinem Erwerb des Buches bin, freut es mich natürlich umsomehr dass es dir so gut gefallen hat. Gehört für mich bisher definitiv auch zu den Jahreshighlights. Danke auch für dein interessantes und lesenswertes Feedback.

    Bin mir aber nicht mehr ganz sicher auf welches Werk sich dein oben eingefügtes Zitat bezieht - "Der Mönch" oder "Melmoth der Wanderer"?

    Ich finde gerade die vier Erzählungen/Novellen in "Verschwörung der Götter" wesentlich interessanter

    Hatte ich ja mal vor Jahren gelesen und kann mich kaum noch daran erinnern. Weiß aber noch, dass ich es damals nur okay fand, wohingegen mich die Farm-Novelle sofort begeistert hat. Vielleicht sollte ich die "Verschwörung" aber einfach mal wieder aus dem Regal ziehen. Du hast mich jedenfalls neugierig gemacht.

    Der Piper Verlag hat für den 1.12.22 eine ungekürzte Neuausgabe von "The Ceremonies" angekündigt

    Danke für den Hinweis, openup. Hatte ich gar nicht mitgekriegt Ich bin zwar eigentlich der gleichen Ansicht wie Nils was "MorgenGrauen" angeht (752 Seiten sind ja sogar noch absurder als 500), aber ich hab mir den Brocken trotzdem mal vorbestellt. Das Cover finde ich übrigens ganz schön. Erinnert mich in Sachen Gestaltung und Farbe dezent an die Goblin Press.

  • Zitat von Cheddar Goblin

    Bin mir aber nicht mehr ganz sicher auf welches Werk sich dein oben eingefügtes Zitat bezieht - "Der Mönch" oder "Melmoth der Wanderer"?

    Das sind Zitate von drei ganz verschiedenen Stellen, die ich hier zusammengewürfelt habe. 1. Ann Radcliff, 2. Horace Walpole, 3. Bram Stoker

  • Der Piper Verlag hat für den 1.12.22 eine ungekürzte Neuausgabe von "The Ceremonies" angekündigt, ein Wälzer von satten 752 Seiten. Da kann man gespannt sein.

    Danke auch sehr herzlich für den Hinweis - svchon vorbestellt ...

    Bin gerade bei den letzten Seiten der "Ereignisse auf der Poroth-Farm" und schon sehr gespannt, ob in der Kürze die Würze liegt, oder die Langversion viel mehr zu bieten hat ...


    Bin übrigens bei "the_seus" - "Verschöwrung der Götter" ist eine großartige Sammlung, die man unbedingt gelesen haben sollte, insbesondere die schon mehrfach genannte Story "Nadelmans Gott", die immerhin den World Fantasy Award gewonnen hat ...

  • Erst einmal kann ich den bisherigen Beschreibungen und Impressionen nur zustimmen. Sowohl, was den prägnanten Umriss von Cheddar Goblin — Mit seiner "Farm"-Novelle erfindet er das Rad sicher nicht neu (ein bisschen "Die Farbe aus dem All", ein bisschen "Friedhof der Kuscheltiere" ...), — als auch was die Einordnung durch Nils betrifft (der das Büchlein dankenswerterweise an mich weiterreichte).


    Zum Hintergrund

    Am meisten an der Geschichte interessiert mich der Zeitraum von Entstehung und Veröffentlichung. Man bedenke, dass die Novelle erstmals 1972 erschien, also kurz bevor Stephen King mit Carrie seine gewaltige Karriere ins Rollen brachte. Im Horror-Roman des Mainstream war der Satanismus en vogue, siehe die Bestseller Rosemaries Baby (1967) oder Der Exorzist (1971). Das blieb auch noch bis ins Jahr 1976, als der Film Das Omen erschien, eingebettet in die Verfilmung von Der Exorzist (1973) und der Fortsetzung Exorzist II – Der Ketzer (1977). Nebenbei: Nicht nur Klein ist belesen, auch dieses Forum ist es ausreichend, um nicht zuletzt Zweitrangiges und Obskures jener Tage zu würdigen. Verwiesen sei auf den (gar nicht so üblen) Abklatsch von Rosemaries Baby Mephisto-Walzer (Fred M. Stewart, 1969) oder den launischen Gruselroman Der grüne Mann von Kingsley Amis (1969).


    Inmitten der genannten Titel fällt T. E. D. Kleins Novelle, die ja als verbrämte Literaturgeschichte der Phantastik gelesen werden kann, jedenfalls aus dem Rahmen. Namen und Werke, auf die sich der Autor bezieht, waren damals Neu- und Wiederentdeckungen und wurden in Deutschland in den beiden bekannten Reihen Bibliotheca Dracula im Hanser und der Bibliothek des Hauses Usher im Insel Verlag gepflegt. Mit der Erwähnung der Werke von Lovecraft, Chambers oder Machen bekannte sich Klein zu einer Art unheimlicher Phantastik, die sich inhaltlich und formal den verkaufsträchtigen Satanismus- und Okkultismus-Schmökern widersetzte. Es verwundert daher nicht, dass Klein in der frühen Lovecraft-Forschung ein bewegliches Rädchen war. Das mag der Stein im Brett sein, den er gerade bei S. T. Joshi hat (was hier im Forum schon für einige kritische Beiträge sorgte).


    Meine bescheidene Meinung

    Ehrlich gesagt lassen mich Die Ereignisse auf der Poroth-Farm zwiegespalten zurück. Möchte mir wer widersprechen, wenn ich behaupte, dass Kleins Talent für lauernde, kosmische Furcht längst nicht an das von Lovecraft oder Machen heranreicht? Die für diese Art von Geschichte notwendige Sogwirkung wird nicht erzielt. Das ebenfalls unerlässliche Gefühl von Beunruhigung stellt sich nicht überzeugend ein. Als hauptsächliches Störelement erscheint mir gerade der „meta-literarische“ Ansatz: Es sind die Exkurse über AutorInnen und Werke, die regelmäßig aus der Geschichte herausführen und sie unterbrechen. Man mag über die literarischen Qualitäten von Ira Levin oder William Peter Blatty lächeln – aber ihre Bücher sind Pageturner von hohem Unterhaltungswert; eine Eigenschaft, die Kleins Farm-Story nur bedingt aufweist.


    Was aber die eigentliche Handlung angeht: Klein hat sich – leider – schon so weit von einem H. P. Lovecraft oder Arthur Machen emanzipiert, dass er es gar nicht mehr für nötig hält, seinen Horror zu definieren. Was findet eigentlich auf der Poroth-Farm statt? Eine Bedrohung durch außerirdische Körperfresser oder ein Eingriff bösartiger Naturgewalten? Man weiß es nicht so genau. Sicher: Diese unkonkrete, bloß raunende Weird Fiction kann starke atmosphärische Wirkungen erzielen. Doch darf sie nicht Selbstzweck sein und lediglich aus einer Aneinanderreihung rätselhafter Begebenheiten bestehen. Angesichts dieser Kritikpunkte verfehlt denn auch das paranoid sein sollende Finale seine Wirkung.


    Fazit

    Ungeachtet aller Qualitäten, auf die Nils berechtigterweise hinwies, legt man das Büchlein mit ruhiger Gelassenheit, ohne in seinem Grundvertrauen erschüttert zu sein, aus der Hand und geht, als sei nichts gewesen, zum Tagesgeschäft über.



    *** Aktion ***

    Ich würde, Nils’ Beispiel folgend, Die Ereignisse auf der Poroth-Farm gerne hier im Forum weitergeben (unentgeltlich). Aktive bzw. auch nur gelegentlich Aktive können mich gerne deswegen anschreiben.


    *** Update ***

    Das Büchlein hat ein neues Heim gefunden … Danke für euer Interesse.