Stefan Grabiński – Dunst

  • Dunst und andere unheimliche Geschichten

    Gebunden/Broschur, 244/273 Seiten. Insel/Suhrkamp Verlag

    Frankfurt a. M. 1974/1989



    Ergänzend zu der Sammlung Das graue Zimmer soll hier einer der Grabiński-Bände aus der Bibliothek des Hauses Usher bzw. der Phantastischen Bibliothek im Suhrkamp Verlag vorgestellt werden. Ich lege mal mit der Titelgeschichte los.


    Dunst

    Inhalt

    Der Ingenieur Ożarski hat seinen Vermessungstrupp verloren. Einsam irrt er durch die Winternacht. Er gelangt zu einer alleinstehenden Hütte. Ein alter, dennoch kräftiger Mann bittet ihn hinein. Ożarski ist unangenehm berührt von der unverhohlen lüsternen Art des Alten. Dieser verschwindet in einer Kammer – kurz darauf kommt aus derselben eine junge Frau, offenbar die Magd des Alten. Ihr schönes Gesicht ist von einer langen Narbe entstellt. Ożarski begehrt sie ungeniert, doch sie vertröstet ihn. Sie verschwindet in der Kammer, aus der abermals der Alte hervorkommt. Höchst seltsam: Die beiden Bewohner*innen der Hütte scheinen nichts voneinander zu wissen. Ożarski legt sich nieder, die Magd erwartend. Da rauscht eine Riesenfrau durch den Kamin ins Zimmer — in ihr vereinen sich die Züge des Alten sowie der Magd. Trotz ihrer Hässlichkeit erregt sie den Gast; beide fallen übereinander her. Als die rasend gewordene Frau ihn im Liebesakt zu zerquetschen droht, ergreift er ein Messer und rammt es ihr ins Herz. Der Spuk hat ein Ende. — Morgens inspiziert Ożarski die Kammer und entdeckt sowohl den Alten als auch die Magd mit einer tödlichen Stichverletzung des Herzens.


    Eindruck

    Schnörkellose aber abgründige Geschichte um ein Hexenhaus. Ein fatales Trio aus zufälligem Besucher und verwunschenem Doppelhaushalt: Repräsentation männlichen und weiblichen Geschlechts in einem. Zwischen den Eckpunkten dieses Dreiecks: Begierde, Abscheu, Lust, Grausamkeit bis hin zur zweifachen Bluttat. Der explizit geschilderten Sexualität geht alles Aufreizende ab.

  • Ich habe die Geschichte gestern Abend noch gelesen, ich kannte sie vorher nicht.


    Schnörkellose aber abgründige Geschichte

    ... ich würde sogar sagen: Für Grabinski ein echtes Brett. Zügig baut er mit stimmigen Bildern eine natürliche Drohkulisse auf, um den gelehrigen Protagonisten in einen Hafen zu geleiten, der sich als verfluchte Mausefalle entpuppt - und auf dem Wege zum Zuschnappen alles Niedere im Ingenieur hervorzubringen versteht. Eine Mischung aus Poe und CAS, habe ich bei mir gedacht. Puh!

  • Eine Mischung aus Poe und CAS, habe ich bei mir gedacht.

    Zu CAS fällt mir die kurze Story Mother of Toads ein; und dann kam mir noch die Episode aus dem Conan-Film in den Sinn: Conans Nacht in der Behausung der Hexe.


    Im Nachwort zu dem Grabiński-Band kommt Marek Wydmuch auf die morbide Sexualität des Autors zu sprechen – offenbar ist da noch einiges zu erwarten …

  • Die 2. Geschichte habe ich nun ebenfalls gelesen:

    In der Villa am Meer

    Inhalt

    Es sei auf die Inhaltsangabe von Mammut verwiesen, im Thread zu dem Band Das graue Zimmer.

    Eindruck

    Wie Mammut schreibt, eine beeindruckend intensive Geschichte. In der Wahl ihrer Mittel jedenfalls wesentlich softer als der Einstieg. Als Besonderheit möchte ich noch erwähnen, dass die Geschichte in einem von der Sonne verwöhnten Landstrich Italiens spielt und sich hier der Spuk durchaus im hellen Tageslicht ereignet. Auch interessant: einem Kind kommt eine entscheidene Rolle zu.

  • In einer Nyctalops-Ausgabe von 1991 stieß ich auf einen Hinweis: The Grabinski Reader, herausgegeben, übersetzt und veröffentlicht von Miroslaw Lipinski. Genannt wird die 5. Ausgabe (Spring 1990) und: „Thomas Ligotti recommended this magazine to me […].“

    Da Grabinski in Deutschland nicht über den Umweg einer amerikanischen Übersetzung bekannt gemacht werden musste, dürfte der Name Miroslaw Lipinski hier eher unbekannt sein. Tatsächlich gibt es jedoch mehrere Webseiten, die seine Grabinski-Übersetzungen behandeln. Vielleicht interessant für die, die mehr über die internationale Rezeption des polnischen Autors erfahren möchten. Lipinski selbst wurde damals übrigens durch eine Veröffentlichung von Franz Rottensteiner (The Fantasy Book) auf Grabinski aufmerksam.


  • Arkham Insider Axel Wie schön, dass du Lipinski präsentierst, ein extrem sympathischer, enthusiastischer Mensch, dem es sicher zu einem großen Teil zu verdanken ist, dass Grabinski wieder zu Leseschaft kommt. Gerade das zuerst verlinkte Interview ist schon eine Freude.


    Die Grabinski-Reader waren seine ersten Übersetzungen im Selbstverlag, wohl handkopiert. Leider inzw. ziemlich teuer, wie man nicht nur an deinem Ebay-Link sieht. Hier noch zwei Titelblätter:


  • Auch meinerseits vielen Dank für die Hinweise!


    Die beiden Titelbilder sind ja großartig. Die würde man sich doch gern für die Stube einrahmen.

  • Die Grabinski-Reader waren seine ersten Übersetzungen im Selbstverlag, wohl handkopiert. Leider inzw. ziemlich teuer, wie man nicht nur an deinem Ebay-Link sieht. Hier noch zwei Titelblätter:

    Besten Dank fürs Zeigen! Ich schließe mich Nils an: very nice. Und es freut mich zudem, dass dir Lipinski kein Unbekannter war!

  • Und es freut mich zudem, dass dir Lipinski kein Unbekannter war!

    Ich kenne ihn sicher nicht halb so lange wie ihr beide, Nils und du, aber alles andere wäre zu diesem Zeitpunkt ziemlich ungünstig. =O


    Lipinski erwähnt übrigens in dem Vorwort zu seinem Motion Demon, dass er an einer Übersetzung des vollständigen Księga ognia / Book of Fire arbeite. Leider ist das Jahre her und die im ersten Interview verlinkte Lipinski/Grabinski-Seite ist nicht mehr aufrufbar.


    Ich finde Lipinskis Sprache übrigens sehr prosaisch-kalt. So richtig reißen mich seine englischen Übersetzungen nicht mit, anders als sogar eine fehlerbehaftete elektronische. Richtig gut gefällt mir nur die Übersetzerin von Volk & Welt.


    Apropos 'schöne Cover' (hat auch indirekt mit diesem Thread zu tun, denn die wunderbare Geschichte "Feuerstätte" ist in Dunst - wie auch im Grauen Zimmer - enthalten):



    <3

  • In einer Nyctalops-Ausgabe von 1991 stieß ich auf einen Hinweis: The Grabinski Reader, herausgegeben, übersetzt und veröffentlicht von Miroslaw Lipinski. Genannt wird die 5. Ausgabe (Spring 1990) und: „Thomas Ligotti recommended this magazine to me […].“

    Da Grabinski in Deutschland nicht über den Umweg einer amerikanischen Übersetzung bekannt gemacht werden musste, dürfte der Name Miroslaw Lipinski hier eher unbekannt sein. Tatsächlich gibt es jedoch mehrere Webseiten, die seine Grabinski-Übersetzungen behandeln. Vielleicht interessant für die, die mehr über die internationale Rezeption des polnischen Autors erfahren möchten. Lipinski selbst wurde damals übrigens durch eine Veröffentlichung von Franz Rottensteiner (The Fantasy Book) auf Grabinski aufmerksam.


    Danke, Axel!


    Da steht tatsächlich noch was drin, was unbedingt auf sekundärliterarische Leseliste muss!